Lebensdaten
1654 – 1730
Geburtsort
Kassel
Sterbeort
Kassel
Beruf/Funktion
Landgraf von Hessen-Kassel
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118560050 | OGND | VIAF: 29528071
Namensvarianten
  • Karl I., Landgraf von Hessen-Kassel
  • Karl
  • Karl I., Landgraf von Hessen-Kassel
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Zitierweise

Karl, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118560050.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Landgf. Wilhelm VI. v. H.-K. ( 1663);
    M Hedwig Sophie (1623–83), T d. Kf. Georg Wilhelm v. Brandenburg ( 1640, s. NDB VI);
    B Landgf. Wilhelm VII. (1651–70);
    - Kassel 1673 Maria Amalia (1653–1711), T d. Hzg. Jakob Kettler v. Kurland ( 1681, s. NDB X);
    10 S, 4 T, u. a. Landgf. Friedrich I. v. H.-K. ( 1751), Kg. v. Schweden (s. NDB V), Landgf. Wilhelm VIII. ( 1760), Statthalter, Sophie (Charlotte) (1678–1749, Hzg. Friedrich Wilhelm v. Mecklenburg-Schwerin, 1675–1713, s. ADB VII), Marie-Luise (1688–1765, Prinz Johann Wilhelm Friso v. Oranien-Nassau 1711, s. ADB 14).

  • Biographie

    Unter Aufsicht der frühverwitweten Mutter streng erzogen, gelangte K. durch den Tod seines älteren Bruders, Landgraf Wilhelm VII., 1670 zur Thronfolge. Die Mutter führte die Vormundschaft über das Großjährigkeitsjahr fort, erst nach einem Zerwürfnis über die Frage des Ausbaues der militärischen Machtmittel des Landes überließ sie dem Sohn 1677 die Regierung. War die Landgräfin defensiv orientiert, so war K. von dem Ehrgeiz erfüllt, als armierter Reichsstand sein Land von fremden Quartierlasten zu befreien und als bündnisfähiger Kontrahent selbständig politisch auftreten zu können.

    Unter Einfluß des Grafen Georg Friedrich von Waldeck hat K. als Folge der Reunionspolitik die diesseits des Rheins gelegenen Stände des Oberrheinischen Kreises zu einer Union zusammengeschlossen. Er stand hinter dem 1682 von Waldeck organisierten Laxenburger Bunde, eilte 1683 nach Wien. Die 1685 gegen Kurpfalz erhobenen französischen Ansprüche förderten die Armierung der unter K.s Direktorat stehenden Union, 1687 und 1688 schloß er Defensivbündnisse mit dem Kaiser und mit Brandenburg. K.s Minister Johann Freiherr von Görtz hat die zur Glorious Revolution führenden Geheimverhandlungen Wilhelms III. von Oranien mit Kaiser Leopold I. geführt, 1688 stand K. mitten in der diplomatischen Vorbereitung der Abwehr der französischen Hegemonie. Bei Ausbruch des Krieges führte K. den Alliierten 8 000 Mann zu, sicherte Frankfurt und Koblenz, nahm an der Eroberung von Mainz und Bonn teil, wehrte 1693 den Überfall auf Rheinfels ab und führte in den Feldzügen von 1690 bis 1695 Armeen am Oberrhein und in den Niederlanden. Als 1695 Kurpfalz die Leitung des Oberrheinischen Kreises beanspruchte, löste sich die Union nach heftigen Kontroversen auf. Da K.s Forderung nach einem evangelischen Kondirektorium nicht durchsetzbar war, verzichtete er auf weitere Mitwirkung im Kreis. Der Friede von Rijswijk (1697) hat das hessische Kriegsziel, das heißt die Rückgewinnung der Souveränität über die im Hausvertrag von 1654 der abgeteilten Linie Hessen-Rotenburg zugewiesene Niedergrafschaft mit der Festung Rheinfels vereitelt. Verhandlungen um Revision des Vertrages in Wien, Paris und London blieben ergebnislos. 1698 mußte K. den katholischen Prinzen die Festung wieder abtreten.

    In der inneren Reichspolitik schloß sich K. der von Brandenburg geführten Partei an, die sich gegen die durch die Rijswijkische Klausel gedeckten Rekatholisierungsbestrebungen wandte und gehörte zum Kreis der korrespondierenden Fürsten gegen die Errichtung der 9. Kurwürde, wobei sein Einfluß stets auf Austrag innerer Reichssachen ohne Anrufung auswärtiger Mächte gerichtet blieb. Im Winter 1699/1700 gönnte sich K. eine Bildungsreise zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Italiens, bereicherte seine Sammlungen und trat mit Gelehrten und Künstlern (Guernieri) in Verbindung. Französische Werbungen vor Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges zurückweisend, schloß sich K. der Großen Koalition gegen Frankreich an mit einer Armee von 8 000 Mann, die zur Hälfte durch Subsidien der Seemächte unterhalten wurde. Das Kommando im Felde überließ er dem Erbprinzen, behielt sich aber alle übrigen militärischen Dispositionen vor. Auch der Friede von Utrecht (1713) hat die Hoffnung auf Rückgewinnung von Rheinfels trotz vertraglicher Garantien nicht erfüllt, mehrjährige Streitigkeiten mit den Rotenburger Prinzen waren die Folge. Das Zustandekommen der 2. Ehe des früh verwitweten Erbprinzen mit Ulrike Eleonore von Schweden, Schwester König Karls XII., hat K. lebhaft betrieben und für den König eine Armee von 6 000 Mann bereitgehalten. Die auf Fehleinschätzung der Kräfte Schwedens beruhende Kombination zwang Hessen nach Erlangung der schwedischen Krone durch den Erbprinzen Friedrich zu außerordentlichen finanziellen Opfern, die bei allgemeiner wirtschaftlicher Depression das Gedeihen des Landes in Frage stellten. Eine Besserung ergab sich erst durch den vorteilhaften Subsidienvertrag mit Großbritannien 1726 im Zuge damaliger weltpolitischer Spannungen. Die Entscheidungen darüber hat K. infolge körperlichen Verfalls seinem 2. Sohn Wilhelm (VIII.) überlassen.

    In der inneren Politik zeigt die Aufnahme der Hugenotten seit 1685 sowohl die Hilfe für die Glaubensgenossen wie auch die Absicht zur Steigerung der wirtschaftlichen Leistungen durch merkantilistisch-administrative Maßnahmen, deren Erfolg mit einer Bevölkerungszunahme und Steigerung der Steuerkraft bewiesen wird. Manufakturen für Kupfer und Messing, Glas, Porzellan, vor allem die Berg- und Hüttenwerke wurden entwickelt. Durch seine vielseitigen Neigungen hat K. seine Residenz Kassel zu einem weithin angesehenen Mittelpunkt wissenschaftlicher und künstlerischer Bestrebungen gemacht und auch in baulicher Hinsicht das Antlitz der Stadt bleibend bestimmt. Die wissenschaftliche Neugierde erstreckte sich auf Physik, Mathematik, Astronomie, Geographie, Anatomie, Zoologie, unter sachkundiger Leitung wurden im Kunsthaus systematische Sammlungen angelegt. Die Vorliebe für physikalische Experimente hat zur Berufung von Papin geführt, der in Kassel die ersten Versuche zur Ausnutzung der Dampfkraft unter K.s geduldiger Förderung unternahm. 1710 wurde in Kassel, wohl von Leibniz, mit dem K. in Verbindung stand, angeregt, eine Akademie, das Collegium Carolinum, gegründet, mit dem Auftrag, auf breitere Schichten einzuwirken. Dem merkantilistischen Programm diente die Gründung der Hugenottenstadt Karlshafen, in deren Hintergrund das große Kanalprojekt Weser – Main stand.

    Ein Stab von Künstlern: Maler, Medailleure, Skulpteure, Edelsteinschneider, Dekorateure, fand dauernd oder zeitweilig Nahrung mit dem Auftrag, die hohen Ansprüche K.s zu erfüllen. Er hat zu Beginn seiner Regierung das alte Kasseler Residenzschloß renovieren lassen und seine bleibende Aufmerksamkeit zwei Gartenanlagen zugewendet, der Karlsaue im Fuldatal und dem Karlsberg (später Wilhelmshöhe) auf dem Habichtswald. Die am Berghang angelegten Kaskaden, im Oktogon (Guernieri) gipfelnd, von dem Herkules (Antoni) gekrönt, gehören als architektonisches Gesamtwerk, obgleich sie nicht vollendet sind, zu den großartigsten Kundgebungen barocken Herrscherwillens. In der Karlsaue entstand nach 1700 eine Orangerie, eine der größten ihrer Art, später um das Marmorbad (Monnot) ergänzt. Im Umkreis von Kassel entstanden Schloß- und Gartenanlagen in Wabern, Heydau, Freienhagen; gewaltig phantastische Schloßbauprojekte gingen nicht über das Entwurfsstadium hinaus. – Selbst ausübender Musiker, hat K. die Hofkapelle aufgebaut und neben der Kammermusik nach 1700 die italienische Oper (Fedeli, Chelleri) in Kassel heimisch gemacht. – Die begrenzten materiellen Möglichkeiten seines Landes hat er abzuschätzen vermocht, nach seiner Dynamik und seiner Auffassung vom Herrscherberuf darf er einen Platz unter den bedeutenderen Fürsten der Barockzeit beanspruchen.

  • Literatur

    ADB 15;
    J. B. Klaute, Diarium Italicum, 1722;
    Ch. v. Rommel, Gesch. v. Hessen X, 1858;
    K. Knetsch, Das Haus Brabant, 1921;
    H. Philippi, Landgf. C. v. H.-K., Ein dt. Fürst d. Barockzeit, 1976 (P).

  • Porträts

    Ölgem. v. H. H. de Quitter (Kassel, Schloß Wilhelmshöhe;
    Fulda, Schloß Fasanarie);
    Stich v. Ch. A. Wortmann (Kassel, Staatl. Kunstslgg.);
    Büste v. G. Grupello (ebd.);
    Marmorrelief v. P. E. Monnot (ebd., Karlsaue).

  • Autor/in

    Hans Philippi
  • Zitierweise

    Philippi, Hans, "Karl" in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 227-229 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118560050.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Karl, Landgraf von Hessen-Kassel, zweitältester Sohn Landgraf Wilhelm VI. und der Hedwig Sophie, der Schwester des großen Kurfürsten, war am 3. August st. v. 1654 zu Kassel geboren, 1730. Seine wie seiner Brüder Erziehung beaufsichtigte die Mutter gewissenhaft; bei der Auswahl der Lehrer ihrer Kinder hielt sie in erster Linie darauf, daß diese dem streng reformirten Bekenntniß zugethan waren. Der frühzeitige Tod seines älteren Bruders Wilhelm ( am 21. November 1670 zu Paris) brachte K. die Anwartschaft auf die Landesregierung, die ihm jedoch seine Mutter, obwol er 1670 ausdrücklich als Nachfolger Wilhelm VII. anerkannt war, auch nachdem er am 3. August 1672 das 18. Lebensjahr erreicht hatte, entgegen dem kaiserlichen Majorennitätsprivilegium und dem Testamente Landgraf Wilhelm VI. einstweilen noch vorenthielt. Auf der Landgräfin ausdrücklichen Wunsch vermählte er sich 1673 mit der Braut seines verstorbenen Bruders, Marie Amalie, Tochter des Herzogs Jacob von Kurland, obgleich diese Verbindung dem kanonischen Rechte zuwider lief. Weniger Gewissensbisse hierüber als vielmehr der Umstand, daß er dauernd in völliger Abhängigkeit von seiner Mutter und deren Bruder gehalten wurde, die auch seinem lebhaften Wunsch, das Ausland zu bereisen, entgegentraten (eine Reise an den dänischen Hof zum Besuch seiner Schwester Charlotte Amalie, der Gemahlin König Christian V., unternahm er 1671 in Begleitung Hedwig Sophiens), versenkte ihn in eine schwermüthige Stimmung, die ihn erst verließ, als es ihm gelang in offener Auflehnung gegen das bisherige Bevormundungssystem sich zugleich dem brandenburgischen Einfluß zeitweilig zu entziehen. Als nämlich 1676 Kurfürst Friedrich Wilhelm 6000 Mann in Hessen in die Winterquartiere zu legen sich anschickte und alle Versuche Hedwig Sophiens, diese Last von dem Lande abzuwenden, vergeblich geblieben waren, da erklärte sich plötzlich K. in mannhaftem Entschluß, wie es scheint, wesentlich auf Anstiften des Grafen Chavagnac, der den jungen Landgrafen für Oesterreich zu gewinnen den geheimen Auftrag hatte, zum Mitregenten und Kriegsfürsten, bot die hessische Ritterschaft und Landmiliz auf und zog einen Grenzcordon von der Weser der Werra entlang, um das Einrücken der Brandenburger nöthigenfalls mit Gewalt abzuwehren. Dafür ratificirte der Kaiser den mit dem Abgesandten des Herzogs von Lothringen, dem Grafen von Mansfeld, am 8. Juli 1676 geschlossenen Vergleich, wonach Hessen-Kassel gegen Verstärkung der Reichstruppen vor Philippsburg fürderhin von aller Einquartierung befreit sein sollte. Am 8. August 1677 erfolgte dann endlich die feierliche Abdication der Regentin und die Uebernahme der Regierung durch K., wobei dieser trotz der eindringlichen Vorstellungen seiner Mutter in der Dankrede es unterließ, die Bitte um ihren ferneren Beistand und Rath vorzutragen. Der Regierungsantritt Karls hatte aber doch nicht die durchgreifende Aenderung in der bisherigen Politik Hessen-Kassels zur Folge, die man nach den obigen Vorgängen hätte erwarten sollen. Gleichheit der Religion und der Interessen und die nahen Familienbeziehungen (Hedwig Sophie betrieb überdies damals die Verbindung der Schwester Karls, Elisabeth Henriette, mit dem Kurprinzen von Brandenburg, die 1679 vollzogen wurde) ließen eine dauernde|Entfremdung vom Hause Hohenzollern nicht aufkommen. — Die vornehmste Sorge des Landgrafen war sich ein stets kriegsbereites Heer zu schaffen, für dessen Unterhaltung er während seiner langjährigen Regierung die schwersten Opfer brachte, nicht ohne dabei einen ziemlichen Luxus in der Ausrüstung seiner Truppen zu entfalten. An deren Spitze berief er den in der Schule Wilhelm III. von Oranien gebildeten Grafen August von Lippe. 1682 vereinigte sich K. mit dem fränkischen und oberrheinischen Kreis zur Wiedereroberung von Straßburg und ließ es sich aufs eifrigste angelegen sein auch den Herzog Ernst August von Braunschweig-Hannover zum Anschluß an diesen Bund zu bewegen, um ihn so dem französischen Einfluß zu entziehen. Auch Kaiser Leopold II. war demselben beigetreten; als jedoch Wien von den Türken umlagert wurde, zog er es doch vor zunächst diese Stadt zu retten, zu deren Befreiung auch K. in Person herbeieilte, aber erst eintraf, als die Entscheidung bereits gefallen war. Der Streit wegen Besetzung des Kölner Erzbisthums veranlaßte dann 1688 den Wiederausbruch der Feindseligkeiten mit Frankreich. Bereits im Juli dieses Jahres vereinbarten Brandenburg und Hessen-Kassel bei einem Besuche des Landgrafen in Berlin am Hofe Friedrich III. im Hinblick auf die Uebergriffe Ludwig XIV. und die grausamen Verfolgungen der Reformirten ein immerwährendes Bündniß zu gemeinsamer Abwehr, dem sich auch Wilhelm von Oranien anschloß. Ludwig XIV. ergriff die Initiative, es erfolgte die furchtbare Verheerung der Pfalz. K. erschien zum Schutz der unglücklichen Lande, wehrte die Angriffe der Franzosen auf Coblenz und Frankfurt ab und half 1689 bei der Wiedereroberung von Mainz und Bonn; 1691 eilte er auf die Aufforderung des Königs von England zum Entsatz von Lüttich herbei. Im Januar 1693 zwang er die Franzofen zur Aufhebung der Belagerung von Rheinfels, das der hessische Generalmajor v. Görtz mit 3000 Mann tapfer gegen die Uebermacht Tallard's vertheidigt hatte. Wegen Abtretung dieser Festung unterhandelte K. damals mit Landgraf Ernst von Hessen-Rotenburg; doch dieser starb 1693 und sein Sohn und Nachfolger widersetzte sich der Herausgabe aufs entschiedenste. Und selbst das Besatzungsrecht derselben wurde dem Landgrafen im Ryswicker Frieden abgesprochen, der für die Gesammtheit der Protestanten ebenso demüthigend war, wie ehedem der Friede zu Nymwegen für Brandenburg. Man begreift es daher, daß K. 1699 das Anerbieten einer Allianz mit Ludwig XIV. im Hinblick auf die Verwickelungen, die das Aussterben des spanischen Königshauses hervorrufen würde, nicht ohne Weiteres von der Hand wies; doch wollte er sich dem französischen Gesandten gegenüber in keiner Weise binden, bevor er sich nicht mit dem Kurfürsten von Brandenburg ins Einvernehmen gesetzt hatte. Am 5. December 1699 trat er unter dem Namen eines Reichsgrafen von Solms seine italienische Reise an, die er bis nach Neapel ausdehnte und auf der er nichts versäumte, um soviel als möglich von den Kunstschätzen und Sehenswürdigkeiten Italiens kennen zu lernen (s. die officielle Reisebeschreibung des Joh. Balthasar Klaute). Während der viermonatlichen Abwesenheit Karls hatte Erbprinz Friedrich die Regierung geführt. — Beim Beginn des spanischen Erbfolgekrieges schloß der Landgraf 1701 einen Subsidienvertrag mit Holland und England. An dem zunächst am Rhein gegen Frankreich ausbrechenden Krieg nahm er nebst seinen Söhnen persönlich Theil, besetzte sofort Rheinfels und eroberte 1702 Andernach. Im weiteren Verlauf des Krieges kämpften die hessischen Truppen vornehmlich unter Führung des Erbprinzen, der bei den Siegen Eugens und Marlborough's mehrfach bedeutend mitwirkte. 1708 erschien K. noch einmal zur Belagerung von Lille und kehrte erst nach deren erfolgreicher Beendigung nach Kassel zurück. Indessen alle Opfer — auch drei Söhnen des Landgrafen, Karl, Leopold und Ludwig kostete dieser Krieg das Leben — waren vergeblich; im Frieden zu Utrecht war dem|Landgrafen der Besitz von Rheinfels, namentlich auch auf die Fürsprache Ludwig XIV. hin, zugestanden, vom Kaiser aber unterstützt gelang es Hessen-Rotenburg dessen Auslieserung später wieder durchzusetzen, obwol K. in der Zwischenzeit auf die Neubefestigung dieses Platzes nicht unbedeutende Summen verwendet hatte. — In dem nordischen Krieg suchte der Landgraf zwischen Karl XII. und Friedrich I. von Preußen zu vermitteln, seine Bemühungen hatten indeß wenig Erfolg. Auch die Zustimmung Karls XII. zur Vermählung von dessen Schwester mit dem Erbprinzen Friedrich erhielt er erst nach langen Verhandlungen 1714 gegen das Angebot eines hessischen Hülfscorps von 6000 Mann. Karls zweitgeborene Tochter, Marie Louise, war seit 1709 an Johann Wilhelm Friso, den Erben Wilhelm III. von Oranien verhenathet; als dieser 1711 starb, übernahm der Großvater für seinen nachgeborenen Enkel, den späteren Wilhelm IV. die Vormundschaft und Regentschaft in den nassau-dietzischen Landen. 1726 trat K. der sogenannten hannöverschen Allianz bei und ging zugleich mit England einen Subsidienvertrag ein. Das hinderte aber den damals altersschwachen Landgrafen nicht trotz der Abmahnungen einzelner Räthe 1727 durch den Prinzen Eugen auch dem Kaiser zwei Regimenter anbieten zu lassen, die jedoch von diesem begreiflicher Weise zurückgewiesen wurden. Uebrigens kann man Karls patriotischen Eifer in den voraufgehenden Kämpfen nicht genug würdigen. Stets war er zur Vertheidigung des Reiches bereit, sobald dessen Grenzen von Feinden bedroht wurden, und trotzdem er sich mehr als einmal bitter darüber beklagte, daß die unbeständige und zögernde Wiener Politik eigentlich jedes erfolgreiche Handeln unmöglich mache, trotzdem man alle seine Anstrengungen von Seiten des kaiserlichen Hofes mit Undank lohnte, war er immer wieder mit seinen wohlgerüsteten Truppen der erste im Felde. Höher als des Reiches Interesse stand ihm freilich noch der Schutz des Protestantismus und er scheute zu diesem Zwecke selbst eine Verbindung mit Ludwig XIV. nicht. — 1724 erwarb K. von Kursachsen die Anwartschaft auf die hanauischen Reichslehen und bereitete zu gleicher Zeit alles vor, um sofort nach des letzten Grafen von Hanau Ableben zu Folge älteren Successionsverträgen von dessen Verlassenschaft Besitz zu ergreifen. — Die Hebung des Wohlstandes seines Landes lag ihm sehr am Herzen. Um demselben neue Hülfsmittel an Kapital und Arbeitskraft zuzuführen, gewährte er den durch die Aufhebung des Ediktes von Nantes vertriebenen Hugenotten unter den günstigsten Bedingungen Aufnahme in Hessen; Karlsdorf und Mariendorf sind dem Fürstenpaar zu Ehren benannte französische Colonien. Verschiedene segensreiche Einrichtungen traf er, um Handel und Verkehr zu beleben: 1679 erließ er eine Münzordnung; 1710 ernannte er eine Commerzkammer, die die Ausführung der Produkte und Erzeugnisse des Landes fördern und überwachen sollte; 1720 gründete er eine Commerzienbank. Viel that er zur Sicherung und Regelung des Postwesens. Besonders ließ er sich die Verbesserung der Straßen angelegen sein, bei welchen Arbeiten der spätere russische Generalfeldmarschall von Münnich hervorragend thätig gewesen ist. In den Jahren 1699—1706 erfolgte die Anlage eines Hafens an der Weser (Sieburg, später Karlshafen genannt). Diesen beabsichtigte K. durch einen Kanal mit Kassel zu verbinden, der von da weiter zur Lahn geführt werden sollte. Indessen nur die Schiffbarmachung der Diemel, wobei man übrigens auf ein Projekt des Landgrafen Moritz zurückgriff, und der Kanal von Stammen bis Schöneberg gelangten zur Ausführung. Karls Bauthätigkeit ist überhaupt eine sehr bedeutende. Die Oberneustadt in Kassel, zu der der Franzose du Ry den Plan entwarf, verdankt ihm ihre Entstehung. Das großartigste Denkmal aber hat er sich in den Anlagen auf dem Karlsberg (Wilhelmshöhe) geschaffen, so wenig man auch sagen kann, daß in dem von dem Italiener Guerneri aufgeführten Riesenbau der|Cascaden und des Octogon mit der Statue des sarnesischen Herkules irgend eine künstlerische Idee zum Ausdruck gekommen wäre. Karls empfänglicher Sinn für die Natur giebt sich auch in der bereits früher begonnenen Anlage der Karlsaue kund, die er aus sumpfigen Niederungen mit Hülfe seiner Soldaten erschuf; mit ihr ward das Orangerieschloß und das reich mit Statuen und Sculpturen von der Hand des Bildhauers Monnot ausgestattete Marmorbad verbunden. Ein hervorragendes Interesse zeigte K. für Kunstgegenstände und Curiositäten aller Art. Nicht nur daß er von seiner italienischen Reise eine reiche Sammlung von antiken und modernen Gemmen und Münzen, Karten, physikalischen und astronomischen Instrumenten mitbrachte, die in dem von ihm erbauten Kunsthause Aufstellung fand, eine Reihe von nennenswerthen Malern, so die Familie Roos, haben in seinen Diensten gewirkt, eine Edelsteinschleiferei wurde von ihm in Kassel eingerichtet, Bildhauerei (Karls Bildsäule in Kassel von V. Eggers 1686 zu Rom vollendet) und Bildgießerei förderte er in jeder Weife. Er war selbst musikalisch (spielte die Viola di Gamba) und verausgabte für die Unterhaltung einer tüchtigen Musikcapelle und guter Sänger und Sängerinnen für seine kirchlichen Concerte und Singspiele nicht unbedeutende Summen. Hauptsächlich seine entschiedene Vorliebe für mathematisch-physikalische Untersuchungen und Experimente trug ihm den Beinamen eines „curieusen“ Herren ein. 1688 berief er den Franzosen Denis Papin als Professor der Mathematik nach Marburg und hat ihn nahezu 20 Jahre in seinen Diensten zu halten gewußt. Seit 1695 in Kassel thätig, hat Papin hier unter den Augen des Landgrafen und von ihm nach Kräften unterstützt, eine Reihe der epochemachendsten Versuche durchgeführt, die in erster Linie die praktische Verwendung der Dampfkraft zum Zwecke hatten. Ebenfalls als Professor der Mathematik wirkte später auch in Marburg Christian Wolff, dem K., weniger in religiösen Vorurtheilen befangen als sein königlicher Schwager, bereitwillig in seinem Lande eine Zufluchtsstätte gewährte. Als Vorbereitungsanstalt für die Universität gründete der Landgraf 1709 in Kassel das Collegium Carolinum. — Am 14. August 1727, auf welchen Tag nach Einführung des neuen Kalenders auch Karls Geburtstag fiel, fand die Feier seines fünfzigjährigen Regierungsjubiläums und zugleich die zweite Säcularfeier der Universität Marburg statt. Seitdem nahmen seine Körper- und Geisteskräfte zusehends ab, so daß er der Last der Regierungsgeschäfte nicht mehr gewachsen war. Aber er konnte sich doch nicht entschließen, die Regentschaft, — was einst Landgraf Moritz über sich vermocht hatte, mit dem K. in anderer Beziehung manche Aehnlichkeit hat, — seinem Sohne Wilhelm zu übertragen. Am 23. März 1730 machte endlich der Tod seinen Leiden ein Ende. — K. war von schlanker, doch ebenmäßiger Gestalt, hatte eine längliche wohlgebildete Nase, scharfe Gesichtszüge und lebhafte Augen. In seiner Jugend kränkelte er häufig und litt namentlich an Ausschlag an Kopf und Oberlippe. Mit den Jahren kräftigte sich jedoch bei seiner mäßigen Lebensweise seine Gesundheit mehr und mehr, so daß er selbst die Beschwerden des Krieges ohne Nachtheil ertragen konnte; dem Vergnügen der Jagd folgte er gern und, wie sein aus dem Jahre 1687 erhaltenes Tagebuch ausweist, häufig. K. hatte einen lebhaften Geist und war, wie sein vielseitiges Interesse für Kunst und Wissenschaft zeigt, nicht ohne Anlagen. An dem Knaben tadelte die Mutter gelegentlich dessen allzu wildes und ungestümes Wesen. Das Andenken der ausnehmenden Leutseligkeit des späteren Regenten erhielt sich noch lange in einzelnen Volkstraditionen. Mit seiner Gemahlin, die ihm 15 Kinder, 10 Söhne und 5 Töchter schenkte, lebte K. 38 Jahre in glücklicher Ehe. Erst nach deren Tode knüpfte er das Verhältniß zur Gräfin Bernhold an, die ihm eine Tochter gebar. In|seinen letzten Lebensjahren übte die Marquise de Langallerie einen wenig günstigen Einfluß auf ihn aus.

    • Literatur

      Marburger Staatsarchiv. Rommel, Geschichte von Hessen X. Ungewitter, Leichsermon bei Karls Tod.

  • Autor/in

    Ilgen.
  • Zitierweise

    Ilgen, "Karl" in: Allgemeine Deutsche Biographie 15 (1882), S. 292-296 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118560050.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA