Lebensdaten
1858 – 1913
Geburtsort
Paris
Sterbeort
auf der Überfahrt nach England zwischen Antwerpen und Harwich
Beruf/Funktion
Maschinenbauer ; Erfinder ; Ingenieur
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118525476 | OGND | VIAF: 13098608
Namensvarianten
  • Diesel, Rudolf Christian Karl
  • Diesel, Rudolf
  • Diesel, Rudolf Christian Karl
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Zitierweise

Diesel, Rudolf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118525476.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Der von Pößneck (Thür.) stammende Vorfahr Hans Christoff ist vor 1726 in Schwaben nachweisbar, sein S, der Buchbinder Joh. Christoph, erhielt 1752 Bürgerrecht in Memmingen, dessen E, der Buchbinder Joh. Christoph, ab 1820 in Augsburg;
    V Theodor (1830–1901), Buchbinder zuerst in Augsburg, 1851 in Paris, später dort Fabrikant feiner Lederwaren, S des Joh. Christoph (1802–67) aus Memmingen, Buchbindermeister in Augsburg, u. det Zeugschmiedmeisters-T Ros. Sabine Jac. Riess in Augsburg;
    M Elis. (1826–97), T des Gg. Frdr. Strobel (1795–1885), Gürtler u. Galanteriewarenhändler in Nürnberg, u. der Cath. v. Schwer aus urspr. Salzburger Emigrantenfamilie;
    München 1883 Martha (1860–1944), T des Wilh. Flasche, Notar in Remscheid, u. der Bertha Dischreit;
    2 S, 1 T, u. a. Dr. Eugen (1889-1970), Schriftsteller, Biograph (siehe Literatur)..

  • Biographie

    D.s Vater betätigte sich seit den 50er Jahren mit geringem wirtschaftlichen Erfolg in Paris als Fabrikant von feinen Lederwaren. Der Sohn mußte früh im väterlichen Geschäft helfen. Dabei erhielt er tiefe Einblicke in die sozialen Mißstände der Weltstadt, aber er begeisterte sich auch an ihren glänzenden technischen und wissenschaftlichen Leistungen (Weltausstellung 1867). In dem berühmten Technischen Museum zeichnete er schon als Elfjähriger Maschinen ab. Nach der Schlacht von Sedan mußte die deutsche Familie nach London flüchten und lebte dort in Not. Ende 1870 reiste der 12jährige D. allein zu Verwandten nach Augsburg, um dort die Gewerbe-, später die Industrieschule zu besuchen. Nach zwei Jahren teilte er seinen Eltern mit, er wisse, daß er niemals etwas anderes werden könne als Ingenieur. Von Stipendien und Stundengeben lebend, studierte er 1875-79 Maschinenbau an der TH München, wo er das beste Examen seit Gründung der Anstalt ablegte. D. war schon als ganz junger Mensch fest entschlossen, etwas Außergewöhnliches zu leisten. Sein erfinderisches Ziel wurde ihm 1878 deutlich, als er in der Vorlesung Carl Lindes über Thermodynamik von dem überaus schlechten Wirkungsgrad der Dampfmaschine hörte, die in bester und größter Ausführung nur 10-12% der in der Kohle enthaltenen Wärme in nutzbare Arbeit verwandelte, während die kleineren Dampfmaschinen einen noch drei- bis viermal schlechteren Wirkungsgrad aufwiesen. Dadurch kam dem kleinen Handwerker und Unternehmer motorische Kraft viel teurer zu stehen als dem großen Kapital, welcher Umstand bei der Entwicklung der unglückseligen sozialen Zustände des 19. Jahrhunderts eine Rolle spielte. In der gleichen Vorlesung wies Linde darauf hin, daß Sadi Carnot 1824 die Theorie eines idealen thermodynamischen Kreisprozesses aufgestellt habe, der eine denkbar vollkommene Ausnutzung des Brennstoffes ermöglichte. Es sei aber noch nicht gelungen, die Konstruktion einer diesem Kreisprozeß folgenden Wärmekraftmaschine anzugeben. D. nahm sich vor, eine solche Wärmekraftmaschine mit höchstem Nutzeffekt zu erfinden, und von nun an war sein Leben von diesem Entschluß geprägt.

    1880 ging D. in die Lindesche Eisfabrik nach Paris, deren Direktor er bald wurde. Der praktische Umgang mit Eismaschinen machte D. vertraut mit dem Verhalten des Ammoniakdampfes bei verschiedensten Drücken und Temperaturen. 1883-89 wollte er sein Ziel einer Wärmekraftmaschine von hohem Wirkungsgrad durch Anwendung hochgespannten Ammoniakdampfes verwirklichen, mußte aber 1890 seine Arbeiten als gescheitert ansehen. Fast im gleichen Augenblick stand plötzlich das Prinzip der neuen Maschine etwa wie folgt vor seinem geistigen Auge: anstatt eines Dampfes sollte nur Luft das den Kolben bewegende arbeitende Medium sein. Die Luft war zum Zwecke der Gewinnung großen Wärmegefälles überaus hoch zu komprimieren. Aber in den Zylinder durfte nicht, wie beim Ottomotor, ein Gemisch aus Brennstoff und Luft eingesaugt werden, weil die äußerst starke, mit hoher Temperatursteigerung verknüpfte Verdichtung das brennbare Gemisch vorzeitig zur Explosion gebracht hätte. Die nachträgliche Einführung des Brennstoffes in die hocherhitzte reine Luft war auch nötig, um die|Einspritzung des Brennstoffs über einen Teil des Kolbenweges so zu verteilen, daß keine plötzliche Drucksteigerung stattfand (Gleichdruckmaschine) und das Arbeitsdiagramm des Motors nach Möglichkeit, wie von Carnot vorgeschlagen, „die Isotherme verwirklichte“. Doch erkannte D. sehr bald, daß er in der Praxis von der Verwirklichung der Isotherme werde abweichen und vom theoretisch erwünschten Höchstdruck von 200 beziehungsweise 90 atm auf etwa 30 atm würde herabgehen müsssen.

    Zwischen 1893 und 1897 verwirklichte D. in der Maschinenfabrik Augsburg den Dieselmotor. Der Direktor dieses Werkes, H. Buz, war von D.s Erfindung und Persönlichkeit überzeugt und gewährte ihm jegliche Hilfe. Krupp beteiligte sich an der Finanzierung. Nach unsäglichem Arbeitsaufwand und vielen Fehlschlägen war um die Wende 1896/97 ein Motor entstanden, der sich sofort als die weitaus beste Wärmekraftmaschine erwies. Sie lief mit Petroleum und bald mit Rohöl, das in rasch zunehmendem Maße in der ganzen Welt gefördert wurde, so daß die neue Maschine durchaus der Zeitlage entsprach. Die Welt begriff, daß es sich um ein technisches Ereignis von epochemachender Bedeutung handelte; D. wurde mit einem Schlage berühmt und reich.

    Aber im Augenblick von D.s höchsten Triumphen kündete sich auch die tragische Wendung in seinem Schicksal an. Die Jahrzehnte dauernden Anstrengungen, Aufregungen, Kämpfe, gefährliche Patentprozesse, Angriffe auf seine Erfinderehre bewirkten bei D. einen schweren Nervenzusammenbruch. Er glaubte sterben zu müssen. Um seine Familie zu sichern, verkaufte er alle seine Rechte am Dieselmotor, wodurch er sich nach seiner unerhofften Gesundung zunächst um die Möglichkeit gebracht sah, an der Fortentwicklung des Dieselmotors mitzuwirken. Während seiner Krankheit hatten ihn zudem gewissenlose Männer zu spekulativen Geldanlagen bewogen, was früh zu Verlusten führte. Diese waren umso verhängnisvoller, als ein großer Vermögensteil aus Beteiligungen an Motorfirmen bestand, die nach bald eintretenden Rückschlägen im Bau von Dieselmotoren jahrelang keine Gewinne brachten.

    Seit 1900 suchte D. nach einer Lösung der sozialen Frage und schrieb das Buch „Solidarismus, natürliche wirtschaftliche Erlösung der Menschen“ (1903). Das Ausbleiben jeglicher Resonanz enttäuschte ihn schwer. Nach Ablauf der Dieselpatente 1908 schaltete er sich wieder unter Aufwendung bedeutender Mittel in die Fortentwicklung des Motors ein, baute den ersten Kleindieselmotor, den ersten Lastwagenmotor, die erste Motorlokomotive. Alle diese Konstruktionen wiesen in die Zukunft, aber die Technik war noch nicht weit genug fortgeschritten, um zum Beispiel die luftlose Einspritzung des Brennstoffes zu ermöglichen und dadurch den praktischen Erfolg schnellaufender Motoren zu gewährleisten. Während D. schwer unter diesen Enttäuschungen litt, feierte sein Motor als ortsfeste Maschine und als Antrieb selbst großer Seeschiffe Triumphe. Auf einer Reise durch die Vereinigten Staaten 1912 wurde der Erfinder auf beispiellose Weise umjubelt und geehrt, während in Deutschland seine Erfinderehre hämisch angegriffen wurde und sein Vermögen schon zerrüttet war. Im Frühjahr 1913 schien die Lage hoffnungslos zu sein, obwohl sie durch eine Aussprache mit Freunden hätte wiederhergestellt werden können. Aber D. war verschlossen und stolz. In der Nacht vom 29. auf 30. September 1913 befand er sich auf der Überfahrt von Antwerpen nach Harwich und sagte den ihn begleitenden Freunden mit Sicherheit die unaufhaltsame Fortentwicklung und Verbreitung des Dieselmotors für alle Anwendungsmöglichkeiten voraus, so wie sie dann tatsächlich eingetreten ist. Bei der Ankunft des Schiffes in England war D. nicht an Bord aufzufinden. Ein holländisches Lotsenboot stieß später auf seine Leiche, barg sie aber nicht. Es ist kein Zweifel, daß D. über Bord gesprungen ist.

    D. war wohl einer der letzten großen vorwiegend individuellen Erfinder kurz vor Einsetzen der kollektiv-industriellen Erfindungsarbeit. Zwar fühlte er damals schon, daß ein einzelner in den komplizierter werdenden technisch-industriellen Prozessen nicht mehr über alle Hilfsmittel verfügen konnte, die zur Realisierung grundsätzlich neuer und sehr schwieriger Probleme immer notwendiger wurden. Durch großes psychologisches Geschick und Überzeugungskraft wußte er Männer und Mächte in den Dienst seiner Idee zu stellen und doch der ganz individuelle Schöpfer des Motors zu werden. Das verschaffte ihm seinen Ruhm, aber die Anforderungen an ihn waren so ungeheuer, daß sich dadurch auch die tragische Wendung in seinem Schicksal vollzog.

  • Werke

    Weitere W Theorie u. Konstruktion e. rationellen Wärmemotors z. Ersatz d. Dampfmaschinen u. d. heute bekannten Verbrennungsmotoren, 1893;
    Die Entstehung d. D.-Motors, 1913.

  • Literatur

    E. Diesel. D., d. Mensch, d. Werk, d. Schicksal, 1937, ⁸1948 (P);
    ders., Jh.wende, gesehen im Schicksal meines Vaters, 1949 (P);
    ders. u. G. Strößner, Kampf um e. Maschine, d. ersten D.-|motoren in Amerika, 1950;
    ders., Die Gesch. d. D.-Personenwagens, 1955.

  • Porträts

    Ölgem. 1897 (MAN-Augsburg);
    Ölgem. 1912 (Privatbes. E. D.), Relief (Dt. Mus. München).

  • Autor/in

    Eugen Diesel
  • Zitierweise

    Diesel, Eugen, "Diesel, Rudolf" in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 660-662 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118525476.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA