Lebensdaten
1863 – 1935
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Potsdam
Beruf/Funktion
Diplomat
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 117064092 | OGND | VIAF: 8155736
Namensvarianten
  • Jagow, Gottlieb von
  • Jagow, Gottlieb E. G. von
  • Jagow, Günther G. von
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Zitierweise

Jagow, Gottlieb von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117064092.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Karl (1818–88), preuß. Rittmeister a. D., Fideikommißherr auf Rühstädt, S d. Fideikommißherrn Friedrich u. d. Adelaide Gfn. v. Hacke;
    M Luise (1822–63), T d. Ludwig Frhr. v. Gayl (1785–1853), oldenburg. Gen.-Lt., u. d. Anna Hollmann;
    Stief-M Sophie Freiin v. Dobeneck (1827–1901);
    - Arnsburg 1914 Luitgard (1873–1954), T d. Friedrich Gf. zu Solms-Laubach u. d. Marianne Gfn. zu Stolberg-Wernigerode; kinderlos.

  • Biographie

    Nach juristischen Studien trat J. in die preuß. Verwaltung ein und wählte, durch Bülow gefördert, 1895 die diplomatische Laufbahn. 1906 kam die Ernennung zum Vortragenden Rat. 1907 wurde er Gesandter in Luxemburg, 1909 Botschafter in Rom. Jan. 1913-Nov. 1916 leitete er als Staatssekretär (1914 auch preuß. Staatsminister) das Auswärtige Amt. Er war in diesen Jahren der gleichgesinnte außenpolitische Berater Bethmann Hollwegs und hatte Anteil an Entscheidungen, die zur Auslösung des 1. Weltkriegs führten und seinen Verlauf bestimmten.

    J.s Weltbild beruhte auf der Annahme, daß zwischen den slaw. und den german. Völkern ein Gegensatz bestehe, der zur Entladung dränge. Daraus ergab sich die Tendenz zur Anlehnung an England und zur Unterstützung Österreich-Ungarns gegen Rußland. Die Konzeption stand im Widerspruch zur deutschen Flottenpolitik und vertrug sich schlecht mit dem Schlieffenplan, der auf Belgien und damit auf England keine Rücksicht nahm. J. war daher ein Gegner von Tirpitz. Anfang 1913 wies er auch auf Nachteile des Aufmarschplans hin, ohne sich jedoch durchzusetzen. Dafür begünstigte er den Ausgleich mit England in der Kolonial- und Orientpolitik. Während des 2. Balkankrieges trug er zur Lokalisierung des Konfliktes bei. – Dies war auch in der Julikrise von 1914 sein Ziel. Die Nachricht von Sarajewo erreichte ihn auf der Hochzeitsreise. Als er am 6. Juli nach Berlin zurückkehrte, war hier der Entschluß bereits getroffen, der dem Ballhausplatz freie Hand gegen Serbien gab. J. setzte diesen Kurs fort, bis zuletzt in der Hoffnung, Rußland werde zurückweichen und die Donaumonarchie einen Erfolg erzielen, der ihren Verfall verzögern, den Dreibund stärken und dem deutschen Balkanhandel zugute kommen könne. Das Risiko eines Weltkriegs verkannte J. nicht, zumal er die Neutralität Englands nicht für wahrscheinlich hielt. Die Kalkulation ging jedoch davon aus, daß der Krieg gegen Rußland früher oder später unvermeidlich, sein Aufschub militärisch ungünstig und daher nur um den Preis einer Positionsverbesserung vertretbar sei. Diese strebte J. an. Als Rußland sich wider Erwarten für die Mobilmachung entschied, beugte er sich der deutschen militärischen Präventivstrategie.

    Schon nach der Marneschlacht urteilte er pessimistisch. Extrem annexionistische Ziele lehnte er ab; er befürwortete die Mitteleuropakonzeption, die die Westgrenze Rußlands zurückdrängen wollte und Formen mittelbarer Herrschaft vorzog. In diesem Sinne trat er zunächst für die austropolnische Lösung, später für ein autonomes Polen unter deutscher Kontrolle und für den Erwerb von Litauen und Kurland ein. Er erwartete das Ende der zaristischen Autokratie durch Revolution und hoffte auf einen Verständigungsfrieden im Westen. Deshalb erschien ihm der uneingeschränkte U-Boot-Krieg als die größte Fehlentscheidung des Krieges. Als er sie und damit den Bruch mit Amerika abzuwenden suchte, erhielt er unter einem Vorwand den Abschied. Er wurde noch Mitglied des Herrenhauses. – J. ist 1913 ungern Staatssekretär geworden. Er kannte seine Grenzen. Zweifel an seiner Eignung stützten sich auf Schwächen seiner Gesundheit und seiner unkämpferischen Natur. Der Frühgealterte mit der zarten Gestalt galt als wenig robust und unentschlossen. Er war kein guter Redner. Dem parlamentarischen Leben stand er fern. Vor und in der Julikrise hat er die weltpolitische Situation irrig eingeschätzt und den Primat der Politik unzulänglich vertreten. In den entscheidenden Tagen sind ihm die Zügel entglitten. Aber er hat sein Amt im Sinne des Reichskanzlers geführt und sich verfassungsgemäß als dessen Mitarbeiter verstanden. Das Zerrbild, das Bülow und Tirpitz von ihm entwarfen, war nicht haltbar.

  • Werke

    Ursachen u. Ausbruch d. Weltkriegs, 1919;
    England u. d. Kriegsausbruch, 1925. -
    Tirpitz u. d. Beginn d. Krieges, in: Dt. Pol. IV, 1919, S. 515-27;
    Tirpitz u. d. Krieg, ebd., S. 583-89;
    Die dt. Kriegserklärung gegen England 1914, ebd., S. 743-46;
    Die dt. pol. Leitung u. England bei Kriegsausbruch, in: Preuß. Jbb. 213, 1928, S. 6-10. |

  • Nachlass

    Nachlaß: Bonn, Auswärtiges Amt.

  • Literatur

    B. Fürst v. Bülow, Denkwürdigkeiten, 1930, I, S. 33 ff., III (P);
    F. Fischer, Griff nach d. Weltmacht, ³1964;
    ders., Krieg d. Illusionen, 1969;
    G. Ritter, Staatskunst u. Kriegshandwerk III, 1964;
    O. Gf. zu Stolberg-Wernigerode, Die unentschiedene Generation, 1968, S. 382 f. (P).

  • Porträts

    in: GHdA, Adelige Häuser X, 1969.

  • Autor/in

    Hellmut Seier
  • Zitierweise

    Seier, Hellmut, "Jagow, Gottlieb von" in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 299-300 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117064092.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA