Lebensdaten
1908 – 1982
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Finanzier
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 137899491 | OGND | VIAF: 86068002
Namensvarianten
  • Münemann, Rudolf
  • Münemann, Rudolf
  • Münemann, Rudolph
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Objekt/Werk(nachweise)

Orte

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Zitierweise

Münemann, Rudolf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd137899491.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V August, Warenhauskaufm. in B., dann Inh. e. Textilgroßhandels mit zahlr. Filialen im norddt. Raum, S e. Wollarbeiters;
    M N. N. Zarffs;
    München 1931 Lucia, T d. Arztes N. N. Minck in M.;
    1 S, 1 T.

  • Biographie

    M. besuchte die Schule in Braunschweig. Als das Unternehmen seines Vaters 1926 fallierte, verzichtete er auf das geplante Jurastudium und übernahm stattdessen mit dem Kredit eines Hamburger Kaufmanns aus der Konkursmasse ein kleines Textilgeschäft in Alfeld bei Hannover. 1928 gab er diese Firma auf und gründete in München ein Inkasso- und Kreditbüro, das zunächst Kleindarlehen von Witwen- und Waisenkassen an Rentner und Bauern sowie durch Grundschulden gesicherte Zwischenkredite vermittelte. Seit einer Entscheidung des Reichsaufsichtsamts für das Versicherungswesen (1931), die es den Versicherungen ermöglichte, Schuldscheindarlehen zu geben, spezialisierte sich M. auf Kreditvermittlungen an Industrieunternehmen nach dem „Revolving-System“. Dabei nahm er von einer Vielzahl wechselnder Geldgeber (zunächst hauptsächlich Versicherungen, später auch öffentlich-rechtliche Kreditinstitute und Privatbanken) gegen Schuldscheine kurzfristige Darlehen auf, um diese Mittel mit Zinsgewinn langfristig weiterzuverleihen. Zu seinen Kunden zählten schon bald namhafte Unternehmen (u. a. Harpener Bergbau, Giesches Erben, Flick, Stinnes, Mitteldeutsche Stahlwerke, Maximilianshütte). Während des 2. Weltkriegs betreute M. zudem als Generalbevollmächtigter die Finanzverwaltung des Messerschmitt-Konzerns.

    Schon 1947 nahm M. seine Kreditgeschäfte wieder auf. Wenige Wochen nach der Währungsreform vom Sommer 1948 vermittelte er ein dem Bau von Omnibussen dienendes langfristiges Darlehen von 25 Mio. DM der auftraggebenden Deutschen Bundespost an die Daimler-Benz AG. Seine „Rudolf Münemann Industriefinanzierungen GmbH“ und die in deren Besitz befindliche „Rudolf Münemann Industrie-Handels GmbH“ („Müne-Handel“) – eine Einzelfirma mit nur etwa 30 Mitarbeitern und 100 000 DM Kapital – arbeiteten bald mit zahlreichen großen Industrie-|und Handelsunternehmen (u. a. Ruhrchemie, Hibernia, Philips, Petrofina, Mannesmann, Horten, Krages, Flick) zusammen. 1958 gründete M. in Frankfurt durch Umwandlung einer kleinen Darmstädter Getreidehandelsbank die „Investitions- und Handelsbank AG“. 1961/62 erwarb er Beteiligungen an der „Bau- und Handelsbank AG“, Berlin, und an der „Allgemeinen Hypothekenbank AG“, Köln. Bei seinen Finanzgeschäften stieß der Außenseiter jedoch zunehmend auf den Widerstand des etablierten Bankgewerbes, das schon 1959 erreicht hatte, daß der Gesetzgeber – wenn auch nur vorübergehend – M.s Schuldscheindarlehen der Wertpapier- und der Börsenumsatzsteuer unterwarf („Lex Münemann“). Nach einem seine Liquidität gefährdenden Engagement bei der in Schwierigkeiten geratenen Firma Hugo Stinnes jr. entschied sich M. 1964 zum Verkauf seines Bankhauses, dessen Kapitalmehrheit samt der Stinnes-Beteiligung von der Bank für Gemeinwirtschaft und dem Land Hessen übernommen wurde. Mit seiner „Münemann-Industrie-Anlagen GmbH“ betätigte sich M. auch im damals neuen Leasing-Geschäft (Verpachtung von Industrieanlagen), das allerdings seine Erwartungen nicht erfüllte. 1964 übernahm er die Filialkette der Uhren-Weiß AG, in die er große Summen investierte, doch endete dieses Engagement mit hohen Verlusten. Die gleichzeitigen Gewinne im Kreditgeschäft, das er – vorsichtiger werdend – seit etwa 1960 nicht mehr ausweitete, ließen ihn jedoch diese Fehlinvestition zunächst verschmerzen.

    In ernste Schwierigkeiten geriet M. Ende der 60er Jahre, als unter dem Einfluß einer restriktiven Bundesbankpolitik die kurzfristigen Zinsen anstiegen. M., der nun für neue Schuldschein-Darlehen mit Laufzeiten von einem Monat bis zu einem Jahr mehr als 10 % zahlen mußte, hatte es versäumt, seine langfristigen Ausleihungen mit Laufzeiten bis zu 35 Jahren, die meist weniger als 6 % erbrachten, durch Anpassungsklauseln abzusichern. Anfang 1970 wurde die „Müne-Handel“ zahlungsunfähig. Ein Konkurs konnte zwar durch Übertragung der langfristigen Forderungen M.s auf die knapp 100 Gläubiger vermieden werden, die abgesehen von Zinseinbußen nicht geschädigt wurden, doch mußte M. seine etwa 25 Firmen und Beteiligungen (u. a. Ordiam Uhren- und Schmuck GmbH; Finultra Zürich) veräußern und verlor den größten Teil seines auf 50 Mio. DM geschätzten Privatvermögens.

    M.s Tätigkeit als Industriefinanzier ist kontrovers beurteilt worden. Nach dem 2. Weltkrieg leistete er in einer Zeit schwieriger Kapitalmarktverhältnisse mit seiner gegen eine „goldene“ Bankregel verstoßenden „Revolver“-Finanzierung einen beachtlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Wiederaufbau. Sein Fehler lag in der Annahme, daß wegen eines stets vorhandenen „Liquiditäts-Bodensatzes“ bei Versicherungen und anderen Kapitalsammelstellen der Geldzins dauerhaft unter dem Kapitalzins liegen würde. Bis in die 60er Jahre behielt er recht und konnte als Ertrag eines jährlichen Geschäftsvolumens von zeitweilig mehr als 2 Mrd. DM ein großes Vermögen ansammeln. Zuletzt aber wurde er zum Gefangenen desselben auf die ständige Verfügbarkeit billigen Geldes angewiesenen Systems, mit dem er jahrzehntelang erfolgreich gewesen war.

  • Literatur

    L K. Pritzkoleit, Die neuen Herren, 1955, S. 428-38; E. Obermeier, M.s Revolving-Formel, in: Der Volkswirt 13, 1959, S. 2140 f.; Die Millionen-Affäre, ebd. v. 30.1.1970 (P); R. Herlt, M. gräbt Kriegsbeil aus, in: Die Welt v. 10.10.1959; ders., Aufstieg u. Fall d. Maklers R. M., ebd. v. 29.1.1970 (P); Der Fall M., in: Handelsbl. v. 2./3.10.1959; M. – Der Revolver, in: Der Spiegel 13, 1959, Nr. 17, S. 33-45 (P); M.-Boykott – Frieden mit d. Revolver, ebd. 14, 1960, Nr. 10, S. 24-27 (P);
    B. Engelmann, Meine Freunde, d. Millionäre, 1963; ders., Die neuen Reichen, 1968; M. Kruk, Ehe zu dritt, in: FAZ v. 27.2.1964; H. Rasch, Unternehmer u. Manager, Wie man Erfolg macht u. wie man scheitern kann, 1967; B. Hagelstein, Vom Finanzierungsmakler z. Bankier u. zurück, in: Industriekurier v. 22.1.1970 (P); M.s Moratorium, in: Zs. f. d. ges. Kreditwesen 23, 1970, H. 4, S. 1-3; M.s Millionen, in: Capital 9, 1970, Nr. 7, S. 42-44 (P).

  • Autor/in

    Hans Jaeger
  • Zitierweise

    Jaeger, Hans, "Münemann, Rudolf" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 529-530 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd137899491.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA