Lebensdaten
1869 – 1944
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Alt-Prerau (Niederösterreich)
Beruf/Funktion
Lebensmittelkaufmann
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 130218650 | OGND | VIAF: 60183509
Namensvarianten
  • Meinl, Julius
  • Junius

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Zitierweise

Meinl, Julius, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd130218650.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Julius (1824–1914), Lebensmittelkaufm., kam 1845 aus Böhmen nach W. u. erwarb hier 1862 e. Gewerbeberechtigung f. d. Spezereihandel, spezialisierte sich auf Kaffeemischungen nach eigenen Rezepten, S d. Bäckermeisters Anton in Graslitz (Böhmen) u. d. Maria Anna Dotzauer;
    M Theresia Elis. (1839–71), T d. Gastwirts Joseph Floderer in Brünn u. d. Elisabeth Artmann;
    1) Roßbach b. Asch 1892 Emma ( 1922, ev.), T d. Hotelbes. Joh. Gustav Schörner in Prag u. d. Emilie Bianca Nebel, 2) Ramsau (Nd.österreich) 1923 ( 1928) Rosa (* 1897), T d. Privatbeamten Josef Augustin in Wien u. d. Maria Richter, 3) Wien 1931 ( 1937) Michiko Tanaka (1909–88) aus Tokio, Sängerin ( 2] Victor de Kowa, 1973, Schauspieler, s. NDB XII);
    S aus 1) Julius (* 1903), Lebensmittelkaufm., Leiter d. Meinl-Konzerns 1944–86;
    E Julius (* 1930), Lebensmittelkaufm., Leiter d. Konzerns seit 1986.

  • Biographie

    Nach dem Besuch des Untergymnasiums und der Handelsakademie trat M. 1889 als Gehilfe in das väterliche Geschäft ein, das nach einem Niedergang in den Jahren der Gründerkrise seit etwa 1880 neuerlich einen kräftigen Aufschwung genommen hatte und mit fünf Angestellten einen Jahresumsatz von 90 000 fl. erzielte. M. volontierte in London in der Mincing Lane, dem Zentrum des Zucker- und Kolonialwarenhandels des Empire, wo ihn die „exquisite, vornehme englische Lebensart“ beeindruckte, die seinen Geschäftsstil prägen sollte (gediegene Einrichtung, fachkundige Bedienung, geschmackvolle Werbung). 1892 fungierte er bereits als Prokurist der Wiener Firma. Seit 1896 erscheinen M. und sein Schwager Alois Floderer ( 1905) als offene Gesellschafter, während M.s Vater nur eine Kapitaleinlage von 10 000 fl. geleistet hatte. Die Ausweitung von Handel und Produktion ging Hand in Hand: 1893 wurde der Gewerbeschein auf eine Kaffee- und Feigenkaffeerösterei ausgedehnt, 1899 auch auf Gemischtwaren, 1900 auf Malzkaffee und Tee. 1891 wurde ein eigenes Haus erworben und als Röstbetrieb eingerichtet. Ende der 90er Jahre übersiedelte die Firma in ein neues Haus am Fleischmarkt, das mit seiner Marmorfassade bereits als typisches Meinl-Geschäft kenntlich war. Weitere Filialen folgten 1894 und 1896, und bis zur Jahrhundertwende gab es bereits elf mit 294 Beschäftigten. 1901 begann die eigene Erzeugung von Kakao und Schokolade. Den Umsatz steigerte die Erfindung des vitaminreichen „Maltin-Cacaos“, der geschickt als gesunde Kindernahrung propagiert wurde. 1904/05 errichtete M. im XVI. Bezirk ein neues Fabrikgebäude mit sezessionistischer Fassade. 1910 wurden hier monatlich 3½ Waggons Kakao und Schokolade erzeugt. Bis 1914 waren in Wien 44 Filialen eröffnet worden, weitere 71 an anderen Orten, davon 10 in Budapest, 5 in Prag, je 3 in Lemberg, Brünn und Graz sowie 2 in Triest. Die 1900 in Budapest gegründete OHG „Meinl Gyular“ besaß eine eigene Rösterei. Weitere Röstanlagen entstanden in Lemberg, Brünn, Kronstadt und Triest. Über Triest bezog M. den hauptsächlich aus Brasilien kommenden Kaffee, während Ceylon-Tee über Hamburg importiert wurde. Insgesamt beschäftigte der Konzern vor Kriegsausbruch mehr als 1100 Personen. In Wien wurde ein Zentralwerk mit Bahnanschluß errichtet. Im Sept. 1913 begann hier die Herstellung von engl. Biskuit-Keksen, die seit 1914 vor allem zur Feldversorgung des Militärs dienten. M. war ständiger Berater des Kriegsministeriums, organisierte 1916 die Kriegskaffeezentrale und sorgte für die Verteilung der knappen Vorräte zu festen Preisen. Seit 1912 bestand ein Importhaus in London, dessen Leitung M. später seinem Sohn übertrug. Noch vor dem 1. Weltkrieg schuf er zahlreiche soziale Einrichtungen: 1903 ein Lehrlingsheim, 1906 eine werkseigene kaufmännische Berufsschule, zudem eine selbständige Pensions- und Altersversorgung, ein Erholungsheim und einen Freizeitklub der Angestellten.

    Während des 1. Weltkriegs war M. an Missionen zur Friedensvermittlung beteiligt. 1915 gründete er die „Österr. Politische Gesellschaft“, in der auch Heinrich Lammasch mitarbeitete. Im Juni 1917 wollte Kaiser Karl ein Ministerium Lammasch-M.-Redlich ernennen, das die Verfassung reformieren und den Krieg beenden sollte. M. unternahm mit Wissen des Kaisers im Dez. 1917 eine sechswöchige Friedensfahrt, zunächst in die Schweiz, wo er mit brit. Diplomaten und G. D. Herron, einem Vertrauensmann von Präsident Wilson, verhandelte; dann reiste er nach Berlin, wo er eine Reihe einflußreicher Politiker traf und die Zustimmung Kaiser Wilhelms und Ludendorffs für eine amerikan. Vermittlung gewann. Bei den folgenden Verhandlungen in der Schweiz wurde als Voraussetzung für eine Vermittlung Wilsons eine von Außenminister Czernin abzugebende vertrauliche Mitteilung gefordert, wonach Deutschland zur Rückgabe Belgiens, Gewährung der Autonomie Elsaß-Lothringens im Rahmen des Deutschen Reiches, dem Beitritt in einen zu gründenden Völkerbund und zu allgemeiner Abrüstung bereit sei. Die Frage der Nationalitäten innerhalb der Habsburgermonarchie sollte auf einem Friedenskongreß geregelt werden. Die Friedensaktion scheiterte an der ablehnenden Haltung der Mittelmächte zu diesen Punkten. Ein bleibendes Ergebnis der Besprechungen bildete die Fassung des 10. der 14 Punkte Wilsons, der sich gegen die ursprünglich geplante Zerstückelung Österreich-Ungarns richtete. Nach Kriegsende rief M. in der Schweiz Hilfsaktionen für hungernde österr. Kinder ins Leben und bemühte sich im Auftrag der Regierung um Wirtschaftshilfe für Österreich.

    Nach dem Zerfall der Donaumonarchie entstanden in den Nachfolgestaaten sieben Tochtergesellschaften von M.s Firma, an denen das Wiener Stammhaus die Aktienmehrheit behielt. Sie verfügten über eigene Produktionsstätten und entwickelten sich über den in der Monarchie erreichten Stand hinaus. 1937 bestanden in Ungarn 57 Filialen, in der ČSR 111, in Jugoslawien und Rumänien je 28, in Italien 4 und in Deutschland (Berlin) 20. Das Wiener Stammhaus wurde Ende 1918 mit einem Gründungskapital von 30 Mill. Kronen in eine AG umgewandelt. In der Folge wurden die Produktionsstätten weiter ausgebaut und das Erzeugungsprogramm ausgeweitet: 1920 Beginn der Essig- und Senffabrikation und der Bonbonerzeugung, 1921 Errichtung von Teigwaren- und Likörfabriken, Fusion mit der „Dän.-Österr. Margarinewerke AG“, 1922 Erwerb von Anteilen an der „Austria Papierindustrie AG“, Übernahme der „Kärntnertor-Buffet GmbH“, Gründung einer „Landwirtschaftlichen Industrie AG“ auf dem M. gehörenden Gut Alt-Prerau b. Wildendürnbach (Niederösterreich), 1923 Übernahme der Konsumanstalten der „Alpine Montangesellschaft“ in der Steiermark, 1927 Errichtung der „Hansa Warenhandels- und Vertriebs GmbH“ mit einer Tochtergesellschaft in Berlin, Angliederung der „Wiener Ölwerke AG“ in Simmering, Übernahme der Konkurrenzfirma „Kunz“ mit 79 Filialen in Wien und den Bundesländern; 1936 wurde die „Continentale Bank AG“ als Vorläuferin der „Meinl-Bank“ erworben und 1937 die Pastetenfabrik „Gourmet“ dem Konzern angeschlossen. Für die Beschäftigten wurde 1931 die Fünftagewoche eingeführt.

    Nach dem 2. Weltkrieg, der den Verlust aller Auslandsbeteiligungen außer derjenigen in Italien brachte, mußte völlig neu begonnen werden. An der Spitze des größten Familienunternehmens und des ersten Vertikalkonzerns der Lebensmittelindustrie in Österreich stand seit dem Tode M.s (1944) dessen Sohn Julius, der zunächst das Londoner Importhaus geleitet hatte. Das Erzeugungsprogramm wurde im wesentlichen beibehalten und umfaßte Kaffee, Tee, Kakao, Schokoladewaren, Wein, Weinbrand und Liköre, Marmeladen, Kompotte, Teigwaren, Waffeln und Kekse sowie Konserven aller Art. 1986 übernahm M.s Enkel Julius die Leitung des Konzerns. Zu diesem Zeitpunkt existierten in Wien 108 Filialen und weitere 149 in den Bundesländern. Der Umsatz des Unternehmens betrug etwa 11 Mrd. Schilling. Dabei traten an die Stelle von Kaffee- und Teefachgeschäften zunehmend Delikatessen- und Feinkosthandlungen sowie Großmärkte und Diskontläden. Vom Aktienkapital in Höhe von 132 Mill. befindet sich der Großteil im Besitz der Familie Meinl.

  • Literatur

    J. Mentschl, Österr. Wirtsch.pioniere, 1959, S. 144-50;
    H. Benedikt, Die Friedensaktion d.|Meinlgruppe 1917/18, 1962;
    ders., in: NÖB 16, 1965, S. 140-52;
    I. Proksch, Das Haus J. M., Die Entwicklung e. österr. Unternehmens 1862-1937, Diss. Wien 1970;
    K. F. v. Frank, J. M.s Ahnen, in: Senftenegger Mbl. f. Genealogie u. Heraldik 1, 1951, Sp. 34-46;
    Die Presse v. 26.9.1962 u. 11.2.1969;
    Egerländer Biogr. Lex. I, 1985 (P);
    ÖBL (L);
    Mitt. d. Fa. Meinl.

  • Autor/in

    Gustav Otruba
  • Zitierweise

    Otruba, Gustav, "Meinl, Julius" in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 675-677 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd130218650.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA