Lebensdaten
1802 – 1879
Geburtsort
Iserlohn
Sterbeort
Theodorshof bei Rheinfelden (Schweiz)
Beruf/Funktion
Glasindustrieller
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 119332396 | OGND | VIAF: 59892004
Namensvarianten
  • Müllensiefen, Theodor
  • Müllensiefen, Theodor

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Zitierweise

Müllensiefen, Theodor, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119332396.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Peter Eberhard (s. 1);
    M Wilhelmina Riedel;
    B Gustav (s. Gen. 1). – ledig.

  • Biographie

    Finanzielle Schwierigkeiten der Familie ermöglichten M. lediglich eine Elementarschulausbildung. Krankheiten in der Jugend förderten seine geistige Isolierung und religiöse Neigungen. M., der seinen Militärdienst bei den in Dortmund stationierten Ulanen ableistete, wollte zunächst Landwirt werden, fand aber in diesem Beruf keine Befriedigung. So ging er als noch nicht Zwanzigjähriger auf den Vorschlag seines Bruders Gustav zur Gründung einer Glashütte im aufstrebenden westfäl. Gewerbegebiet ein. Zunächst mußten die jungen Unternehmer eigene technische Kenntnisse in der Glasherstellung erwerben. Diese sollte sich der für die technische Leitung der Fabrik vorgesehene M. aneignen. 1822-25 durchwanderte er unter großen Entbehrungen Europa und besichtigte Glashütten in Stolberg, Saarlouis, Saarbrücken, Sulzbach, Friedrichsthal, Lauffen und Goldenberg (Schweiz), Mailand, Bologna und Rom sowie weitere Produktionsstätten in Bayern, Böhmen und Schlesien. Er arbeitete selbst als Glasmacher u. a. in einer Fensterglasfabrik in der Schweiz, wo damals schon der Versuch gemacht wurde, Braunkohle zum Schmelzen des Glases zu verwenden. In anschaulichen Berichten an den Bruder und in Briefen an den Vater gab er bemerkenswerte Einblicke in die Betriebsverhältnisse der damaligen Glasindustrie Deutschlands und umliegender Staaten.

    Aufgrund seiner Erfahrung entschied sich M. bei der geplanten Gründung der Glashütte statt der bisher üblichen Holzfeuerung für die Steinkohlenfeuerung. Er sah wohl die Entwicklung des in den Anfängen steckenden Steinkohlenbergbaus an der Ruhr voraus. Für 4400 Taler, die aus der Familie und von Geldgebern aus dem bergisch-märkischen Gewerbe kamen, erwarben die Brüder mit Unterstützung des Vaters das Rittergut Crengeldanz bei Witten an der Ruhr. An der 1825 gegründeten Firma war kurze Zeit Johann Caspar Post aus Eilpe bei Hagen beteiligt. Nach dessen Ausscheiden firmierte das Unternehmen seit Ende 1826 als „Gebr. Müllensiefen“. Anfängliche Finanzierungsprobleme besserten sich in den 30er Jahren durch Kapitaleinlagen des Wuppertaler Fabrikanten Julius Möller. Wegen Differenzen in technischen Fragen trennte man sich aber bald wieder. Die Beziehungen zum Schaaffhausenschen Bankverein, die auf familiärer Grundlage beruhten, erwiesen sich als dauerhafter. 1841 waren die Schulden bei Möller abgetragen.

    In der Anfangszeit hatte M. mit Verfahrensproblemen zu kämpfen. Die Ruhrkohle war zur Feuerung beim Strecken und Blasen nicht geeignet. M. hatte auf weiteren Reisen die Fabriken in Manchester kennengelernt und war auch in Frankreich und Belgien gewesen. Einen direkten Erfolg brachten die Verbindungen mit ausländischen Glasfabriken nicht. M. konstruierte einen neuen Streckofen, der sich aber noch nicht durchsetzte. Erst in den 30er Jahren konnte er den Grundstein für den Erfolg des Crengeldanzer Glases legen, das sich nun bewährte und regen Absatz fand. Zunächst wurden Glaskugeln und Säureballons hergestellt, dann Fensterglas – speziell besonders große Scheiben für repräsentative Neubauten – und Bilderglas. Die Produktionsverfahren wurden modernisiert und qualifizierte Arbeiter ausgebildet. Die Geschäftsbeziehungen reichten bis Königsberg und Amsterdam. Mit seinen Qualitätsprodukten konnte das Unternehmen auch in Krisenzeiten der wachsenden Konkurrenz standhalten. In den 60er Jahren errichtete die Firma den vierten und fünften Ofen, nachdem durch Umbau der älteren Öfen schon Menge und Qualität des Fensterglases verbessert worden waren. Die unternehmerische Leistung M.s liegt in der Einführung der industriellen Tafelglasherstellung in Westfalen. Daneben förderten die Brüder mit allen eben entbehrlichen Kapitalien die Gründung von Zechen an der Ruhr.

    Nach der Lösung der technischen und finanziellen Probleme in der Fabrik widmete sich M. vermehrt seinen politischen Interessen. Aus religiöser Überzeugung trat er für politische Freiheiten sowie Sittlichkeit und Wahrhaftigkeit in der Politik ein. Er engagierte sich mit vorbildlichen sozialen Einrichtungen für seine Mitarbeiter. Im Mai 1848 entsandte ihn der Wahlkreis Bochum in die Verfassunggebende Preuß. Nationalversammlung. Von Liberalität, aber auch von Königstreue geprägt, trat er für die konstitutionelle Monarchie ein und lehnte die Revolution strikt ab. Erst die Ablehnung der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm IV., die Auflösung der Zweiten Kammer und die Einführung des Dreiklassenwahlrechts im Mai 1849, die er als eine Rechtsverletzung ansah, bewirkten einen Umschwung in seinen Ansichten. Bei den Neuwahlen desselben Jahres kandidierte er nicht mehr. Seit 1859 betätigte er sich als Ausschußmitglied aktiv im Deutschen Nationalverein. 1860-62 kehrte er für den Wahlkreis Dortmund-Bochum in das Preuß. Abgeordnetenhauses zurück und schloß sich der neugegründeten Deutschen Fortschrittspartei an, deren Zentralkomitee er angehörte. Ein Brief an den Kronprinzen wegen des Verfassungskonflikts um die Heeresreform soll eine für M. verletzende Reaktion erbracht haben, die ihn veranlagte, aus dem politischen Leben ganz auszuscheiden. 1865 trat er auch von der Leitung der Glasfabrik zurück, die fortan von seinem Bruder und später von dessen Söhnen und Enkeln geführt und 1930 in eine AG umgewandelt wurde. M. erwarb ein Gut bei Rheinfelden (Schweiz), wo er in den ihm verbleibenden 13 Jahren Landwirtschaft betrieb und zu Stiftungen beitrug.

  • Werke

    Das allg. Wahlrecht vom rel. u. pol. Standpunkt aus betrachtet, 1850.

  • Literatur

    50 J. IHK Bochum, 1906;
    75 J. IHK Bochum, 1932;
    Gebr. Müllensiefen, Glasfabr. Crengeldanz, 1825–1925, 1925;
    P. H. Mertes, Th. M., in: Rhein.-westfäl. Wirtsch.biogrr. II, 1937, S. 238-53 (L, P);
    M. Schumacher, Auslandsreisen dt. Unternehmer unter bes. Berücksichtigung v. Rheinland u. Westfalen, 1968;
    H. Vollmerhaus, Reiseberr. e. westfäl. Glasindustriellen, 1971. – Eigene Archivstud. (Westfäl. Wirtsch.archiv, Dortmund).

  • Autor/in

    Barbara Gerstein
  • Zitierweise

    Gerstein, Barbara, "Müllensiefen, Theodor" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 311-312 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119332396.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA