Lebensdaten
1502 – 1583
Geburtsort
Nidda (Hessen)
Sterbeort
Nidda (Hessen)
Beruf/Funktion
evangelischer Theologe ; Superintendent ; Reformator
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 119199335 | OGND | VIAF: 50151897124724070086
Namensvarianten
  • Pistorius, Johann
  • Pistorius, Johann der Ältere
  • Pistorius, Johannes der Ältere
  • mehr

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Zitierweise

Pistorius, Johannes, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119199335.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johann Becker (1476–1520), Bgm. in N.;
    M N. N.;
    ⚭ Margaretha (1516–60), T d. Konrad Schreiber aus N.;
    5 S, 3 T, u. a. Johannes d. J. (s. 2).

  • Biographie

    Nach Besuch der Lateinschule studierte P. vermutlich in Mainz und wurde zum Dr. theol. promoviert. Bereits als Kaplan der Niddaer Johanniter-Kommende war er engagierter Mitarbeiter und Förderer der Reformation. Wie bei Melanchthon, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband, ließ die Verwurzelung im Humanismus keinen fundamentalistisch genährten religiösen Eifer zu. Tiefe Frömmigkeit und Toleranz, z. B. gegenüber Juden, zeichneten ihn aus. P. war als enger Vertrauter Melanchthons und Mitorganisator Philipps d. Großmütigen bei der Reformation in Hessen an der Abfassung der Confessio Augustana im Frühjahr 1530 beteiligt: „…ward dies Bekanntnus … in 17 Artikel verfaßt, danach wurd sie Philippo u. seinen Adjunkten, darunter auch Brentius, Schnepfius, Pistorius und anderen unter die Hand getan, sie in ein Form und Bekanntnus zu bringen“ (G. Nigrinus). P. besaß seit Augsburg ein lat. und deutsches Belegexemplar der heute verschollenen Ur-Confessio von 1530. Nach der Bigamieaffäre Philipps wurde P. 1541 Superintendent der Diözese Alsfeld (bis 1580). Als Vertreter der prot. Seite nahm er mit Melanchthon und Bucer an den Religionsgesprächen in Worms und Regensburg (1540/41 u. 1546) teil. Bei der Pestepidemie 1555, in der er alle Kinder bis auf Johannes verlor, blieb er als Pfarrer in Nidda. Nach dem Wormser Religionsgespräch, an dem er 1557 teilnahm, belastete P. der zunehmende Richtungsstreit zwischen Orthodoxie und Philippisten. Er wurde als Kryptocalvinist verdächtigt, weil er u. a. die Konkordienformel ablehnte. Als Zeitzeuge der Reformationszeit, der Luther und Melanchthon um Jahrzehnte überlebte, verfaßte er bis 1580 eine Reformationsgeschichte. Das Manuskript und die wertvolle Bibliothek erbte sein Sohn. Die meisten Bände wurden beim Brand der Straßburger Stadtbibliothek 1870 vernichtet, 150 davon wurden seit 1827 im dortigen Priesterseminar aufbewahrt und sind erhalten.

  • Werke

    Vorrede in: M. Eychler, Christl.Ber., wie Pfarherren in dieser pestilentzischen Zeit u. auch sonsten, die armen krancken Leut ohne Gefahr alle besuchen u. trösten können … 1578, A2r-B3v⁸, 1185, q Theol. [2], Herzog-August-Bibl. Wolfenbüttel.

  • Literatur

    ADB 26;
    G. Nigrinus, G. Lotichius, I. Vietor, V. Helbach, Elegiae aliquot de morte liberorum et coniugis … D. Iohannis Pistorii urbis et comitatus Niddani Pastoris et Superintendentis, 1564;
    H.-J. Günther, Die Ref. u. ihre Kinder, dargest. an Vater u. Sohn J. P. Niddanus, 1994, S. 9-73 (W, L, P);
    O. Kammer, in: Hess. Pfarrbl. 1, 1997, S. 19-22;
    PRE;
    RGG³;
    LThK²;
    BBKL.

  • Porträts

    Medaille v. F. Hagenauer, 1543 (Washington, Nat. Gallery of Art).

  • Autor/in

    Hans-Jürgen Günther
  • Zitierweise

    Günther, Hans-Jürgen, "Pistorius, Johannes" in: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 486 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119199335.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Pistorius: Johann P., der Aeltere. Der Name Pistorius (eigentlich Bäcker) ist ein theologischer und begegnet uns im Laufe des XVI. und XVII. Jahrhunderts an mehreren Stellen. Wir lesen von einem Theophilus, Theodorich, Konrad P.; sie wirkten als Prediger oder Superintendenten in verschiedenen Gegenden von Norddeutschland, der Letztgenannte in Mecklenburg, dann nach mancherlei Schicksalen in Braunschweig, wo er gestorben ist (abgesehen von zwei anderen etwas jüngeren Männern dieses Namens, welche der politischen Geschichte angehören). Bekannter als sie sind Vater und Sohn Johann P.; Beide waren begabte Männer und eifrige Theilnehmer an dem Kirchenstreit ihrer Zeit, beide viel gerühmt von ihrer Umgebung und Partei, aber von ungleicher Denkart; der Aeltere gemäßigt, friedliebend und darauf bedacht, selbst in verschiedenen Stellungen sich selber treu zu bleiben, der Andere unruhig, vielseitig, streitsüchtig und ehrgeizig; er verließ seine Heimath und bald auch seine Confession, das Andenken seines Vaters kann er nicht gesegnet haben.

    Der ältere Johann, ein Hesse, dessen Geburtsort und Jugend wir nicht kennen, hat sich frühzeitig der protestantischen Richtung angeschlossen; er wurde Altarist zu Nidda im Hessischen, dann Prediger daselbst und Superintendent zu Alsfeld; daß er Maltheserritter gewesen, wird gesagt, aber auch bestritten. Als Theologe konnte er sich den durch Philipp den Großmüthigen vertretenen weitherzigen Gesinnungen vollständig anschließen. Der Landgraf schätzte ihn, er befreundete sich mit Melanchthon, der ihn mehrfach in seinen Briefen rühmend erwähnt, und mit Butzer, er verdient also den Namen eines Lutheraners im älteren Sinne und eines aufrichtigen Philippisten. Als solcher hat er sich an einer ganzen Reihe kirchlicher Convente thätig betheiligt; er war zugegen in Hagenau und Worms (1540—1541), wirkte neben Melanchthon und Butzer|und in Begleitung des Landgrafen auf dem Reichstage zu Regensburg (1541) und begab sich als Abgeordneter 1543 nach Köln, um das Unternehmen des dortigen Kurfürsten, das bekanntlich fehlschlug, zu unterstützen. Seine Bestrebungen blieben dieselben, als er 1557 dem Fürstentag zu Frankfurt und dem Religionsgespräch zu Worms beiwohnte. Der Einführung des Interims hatte er inzwischen einen, obwohl sehr maßvollen Widerstand entgegengesetzt. Da er außerdem mit Glück predigte und in Sachen der Verfassung, der Disciplin und des Cultus eifrig und geschickt mitarbeitete, so darf er für diese erste Epoche der hessischen Kirche als der bedeutendste Theologe gelten. Die älteren Bekenntnisse, verbunden mit der Wittenberger Concordie, genügten ihm, und in der Ueberarbeitung der Augsburgischen Confession von 1540 wollte er eine sachliche Abweichung von der ursprünglichen nicht anerkennen; damit stimmen die von ihm 1558 zu Ziegenhein und auf dem Naumburger Fürstentage von 1561 abgegebenen Erklärungen, welche sogar ein rühmendes Zeugniß für die reformirte Tetrapolitana enthalten, überein. In Straßburg war inzwischen die lutherische Lehre eingedrungen; Marbach und Pappus eiferten für sie, der Angefochtene war der gelehrte Zanchius. Ueber ihn und seine Prädestinationslehre lieferten die Marburger im August 1561 ein günstiges Votum; auch P. befand sich unter ihnen, obgleich er in einem folgenden Schreiben sich nur dahin ausdrückte, daß die Ansicht des Genannten „der heiligen Schrift nicht allerdings ungemäß sei“. Wenn seiner P. behauptete, daß im Abendmahl nicht bloße Zeichen, sondern Leib und Blut des Herrn dargeboten werden, so war das noch kein Abfall von Melanchthon, der ja ebenfalls die nur symbolische Deutung sich nicht angeeignet hatte. Dagegen verletzte ihn die entschiedene Sprache des Heidelberger Katechismus, er verwarf ihn, stellte sich also nach dieser Seite eine Grenze, welche auch in der vielleicht von ihm abgefaßten „letzten Antwort“ der Württemberger Theologen von 1566 aufgerichtet wird. Im folgenden Jahre starb Philipp der Großmüthige, die beiden ältesten Söhne theilten sich in die kirchliche Verwaltung und gelobten gegenseitige Duldung; dennoch erstarkten in Oberhessen und unter Landgraf Ludwig die streng lutherischen Begriffe immer mehr, bis dann durch Aegidius Hunnius eine Reaction herbeigeführt wurde, welche jedes niedliche Zusammenbestehen zweier ungleicher Meinungen ausschloß. Auch P. mußte von dieser Veränderung betroffen werden; er war und blieb ein Hasser der dogmatischen Subtilität und Disputation und der exclusiven Satzung, aber der Sache, sagte er, dürfe nichts vergeben werden. Und so entschloß er sich denn, 1576 die Lehrsätze des Torgischen Buchs, die Ubiquität mit einbegriffen, gut zu heißen, obgleich er die Gefahren einer solchen Normirung selbst anerkannte; erst das Bergische Buch hat er wieder abgelehnt. Was in ihm, dem redlichen Manne, vereinbar sein mochte, ließ sich darum nicht auf die Lage der Dinge übertragen; der Vorwurf der Inconsequenz konnte nicht ausbleiben. Auch das historische Urtheil über ihn ist dadurch unsicher geworden. Neuere Lutheraner wollen ihn natürlich nicht fallen lassen, von Vilmar ist er sogar zu den treusten und „festesten“ (?) Bekennern der evangelischen d. h. der lutherischen Lehre in Hessen gezählt worden. — Er starb erst 1583, nachdem er schon drei Jahre früher von seinem Amte geschieden war. Freunde sagten von ihm, daß er mit hohen Geistesgaben seine kleine Leibesstatur überragt habe.

    • Literatur

      Melanchthons Aeußerungen über P. finden sich Corp. Ref. IV, pag. 289. V pag. 106. 112. IX, pag. 375. Uebrigens vergl. den Artikel von Tzschirner in der theol. Encyklopädie, 2. Aufl., woselbst auf Hassencamp, hessische Geschichte und Heppe, Geschichte der hessischen Generalsynoden verwiesen wird.

  • Autor/in

    Gaß.
  • Zitierweise

    Gaß, Wilhelm, "Pistorius, Johannes" in: Allgemeine Deutsche Biographie 26 (1888), S. 197-198 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119199335.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA