Lebensdaten
1878 – 1967
Geburtsort
Klosterneuburg bei Wien
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Automobilkonstrukteur
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 11892849X | OGND | VIAF: 62347639
Namensvarianten
  • Ledwinka, Hans
  • Ledwinka, Johann

Quellen(nachweise)

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Zitierweise

Ledwinka, Hans, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11892849X.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Anton (1841–1903), Gastwirt in K.;
    M Leopoldina Weissmann (1843–1923);
    1) Neutitschein 1901 Marie (1879–1926), T d. Kaufm. Julius Fabig u. d. Maria Hinner, 2) Wien 1956 Ludwiga (1907–70), T d. August Neusser u. d. Ludovika Jünger;
    2 S aus 1) Fritz (* 1902), Automobil-Ing. u. -Kaufm. bei Steyr-Daimler-Puch AG, Erich (* 1904), Dr. techn. Chefkonstrukteur u. Dir. ebd.

  • Biographie

    Nach einer Schlosserlehre besuchte L. die Technische Fachschule für Maschinenbau in Wien. Er beschloß, Konstrukteur zu werden. 1896 holte ihn Direktor Hugo Fischer v. Röslerstamm (1856–1917) in die Nesselsdorfer Wagenbau-Fabriks-AG vorm. Schustala & Co. nach Mähren. Hier meldete er sich zur Mitarbeit am Bau eines Automobils, das der Anfang eines neuen Geschäftszweiges werden sollte. Dabei lernte L. den Zweizylinder-„Kontramotor“ und das zweigängige Riemengetriebe von Carl Benz kennen. Er entwarf 1898 selbst zwei neue Automobile und den ersten Lastkraftwagen der Firma. Da er aber glaubte, daß die Zukunft der Dampfmaschine gehöre, wechselte er 1902 zur Armaturenfabrik Alex. Friedmann nach Wien. Hier arbeitete er am Bau eines Dampfwagens nach der Konstruktion von Richard Knoller, wobei er Neuerungen wie die Vorderradbremse kennenlernte und erprobte. 1905 kehrte er als Leiter der Abteilung Automobilbau nach Nesselsdorf zurück. L. konstruierte 1906/07 einen Vier- und einen Sechszylindermotor, deren Merkmale mit Halbkugelbrennraum, Hängeventilen, obenliegender Nockenwelle und Kurbelwelle auf Kugellagern eine hohe Leistung bei sparsamem Betrieb ermöglichten. Er versuchte sich auch an einem Schiebermotor sowie an einer Zweitakt-Dieselmaschine mit Spülpumpe. Seinen ersten Sechszylinder als Blockmotor konnte er 1910 zunächst nur privat mit Hilfe des Neutitscheiner Hutfabrikanten Fritz Hückel bauen. Mit den Vier- und Sechszylindern rüstete L. Personen- und Lastwagen aus sowie 1910 den ersten Omnibus. Den Sechszylinderwagen baute er seit 1914 mit Vierradbremse in Serie. Die ganze Typenreihe hielt technisch so weit vor, daß sie bis 1925 im Programm blieb. Damit hatte L. die Automobilfertigung in Nesselsdorf auf eine solide Grundlage gestellt.

    L. nahm 1916 das Angebot der österr. Waffenfabriks-AG in Steyr an, Leiter einer größeren Automobilfabrik zu werden, die zunächst Flugmotoren für die Heeresverwaltung baute. L. wurde zum Konstrukteur der ersten Automobile von Steyr, eines 40 PS-Sechszylinders und eines 23 PS-Vierzylinders. Er begründete auch den Lastwagenbau bei Steyr mit einem 2½ to-Sechszylinder-Wagen. Insgesamt fertigte Steyr 1920-28 4 190 Wagen nach L.s Konstruktion.

    1921 kehrte L. als Chefkonstrukteur und technischer Direktor nach Nesselsdorf zurück. Er brachte das Können und den Mut mit, von den Standardbauweisen des Automobils abzugehen. Seine Ideen enthielten Konstruktionselemente, die zur Zulieferung aus dem firmeneigenen Waggonbau paßten und die schlechten Straßen und das Klima Osteuropas berücksichtigten. L.s Tätigkeit in Nesselsdorf dauerte bis 1945 und bildet den fruchtbarsten Abschnitt seiner technischen Arbeit. Zuerst verwirklichte er den Leichtwagen niederer Preisklasse, dessen aus einem geschweißten Rohr bestehendes Fahrgestell ebenso einfach wie widerstandsfähig war. Es trug vorn einen luftgekühlten Zweizylinder-Boxermotor von 12-14 PS mit angeflanschtem Getriebe und hinten die angetriebenen, schwingenden Halbachsen. Statt des aufwendigen und empfindlichen Wasserkühlers wählte L. die Luftkühlung. Außerdem konnte er nach dem Baukastensystem aus gleichen Zylindergrößen Motoren von zwei bis zwölf Zylindern zusammenstellen. Die Pendelachse ermöglichte große Federwege und damit sichere Bodenhaftung und Fahrkomfort auf schlechten Straßen. L. gewann Raum für vier Personen, indem er den Motor über die Vorderachse legte, wobei der Motor-Getriebeblock tragendes Glied war. Seine erste Erprobungsfahrt war eine Reise mit seiner Familie durch Österreich, Italien, Frankreich und die Schweiz. Im Sport bewies dieser erste „Tatra“ seine Vorteile durch Siege in Zuverlässigkeitsfahrten und Bergrennen (1924 Österr. Alpenfahrt, Polnische Tourenfahrt, Solitude, 1925 Targa Florio, Allruss. Zuverlässigkeitsfahrt Leningrad-Tiflis-Moskau, Alexandria-Kapstadt). 1923-30 wurden 25 000 Stück gebaut. Dieser erste Erfolg fiel in die beginnende Zusammenarbeit mit den Ringhoffer Waggonfabriken AG Prag-Smichov unter Hans Frhr. v. Ringhoffer (1885–1946). Nach dem kleinen Zweizylinder baute L. seit 1929 gleiche Motoren mit vier Zylindern. Am populärsten wurde ein 1,16 l-Vierzylinder Vollschwingachser zu 22 PS, der von 1930 bis zu Beginn des 2. Weltkrieges gebaut wurde. Die deutschen Firmen Röhr (1932–35) und Stoewer (1936–39) fertigten ihn in Lizenz, F. X. Meiller übernahm 1930-45 den Lizenzbau des Rohrchassis mit Pendelachsen für Lastanhänger.

    Als Ersatz für seine Großwagen konstruierte L. seit 1931 einen Stromlinienwagen mit Pontonkarosserie, Bodengruppe und Achtzylinder-V-Motor hinter der Hinterachse als Fahrschemel. Er vertrat weder Frontnoch Heckmotorwagen dogmatisch; vielmehr konnte er als erster die Vorteile beider Bauarten voll nutzen. Beim großen Wagen, dessen Ausführung er Erich Übelacker (1899-1977) anvertraute, wählte er den Heckmotor, weil er so Raum für 6-8 Personen zwischen den Achsen gewann.

    Eine kastenprofilverstärkte Bodengruppe und die Stromlinienkarosserie in voller Spurbreite verwirklichte L. mit Lizenzen des führenden Blechanwenders E. G. Budd/USA in den Prager Waggonbau-Betrieben der Ringhoffer AG, die 1935 ganz mit Nesselsdorf fusioniert wurden. Der Stromlinienwagen mit 160 km/h Spitze wurde 1934 vorgestellt. L.s zweiter Pontonwagen erschien 1937 und wurde bis 1975 weitergebaut.

    L.s Konstruktionsprinzip war so grundsätzlich, daß er es auch auf Lastwagen anwenden konnte. Aus seinem Leicht-Pkw machte er einen Leicht-Transporter, 1925 einen Dreiachser und 1926 Omnibusse für Prag. Seine Nutzfahrzeuge wurden berühmt durch starke Motorleistung, volle Geländegängigkeit durch Allradantrieb, Sperrdifferential und Pendelachsen mit Ausleger-Blattfedern. L. entwickelte hierfür seit 1933 V-Diesel mit 6-, 8- und 12-Zylindern zu 70-210 PS bei 1¼ Liter Hubraum je Zylinder und zwei riemengetriebenen Kühlgebläsen, die ersten luftgekühlten Dieselmotoren der Welt. Sehr bekannt wurde der 10 to-Dreiachs-Lkw mit 210 PS-Zwölfzylindermotor von 1942, der 20 Jahre gebaut wurde. Für die Eisenbahnabteilung des Konzerns konstruierte L. 1935 vierachsige, dieselelektrische Triebwagen für die Strecke Prag-Preßburg.

    Wegen ihrer Einfachheit, bei voller Erfüllung der Ansprüche an Personenwagen der unteren Preisklasse, erregten L.s Konstruktionen viel Aufmerksamkeit in der Fachwelt. Einer ihrer frühen Bewunderer war Adolf Hitler, dem eine Fahrt im Zweizylinder-Tatra 1930 genauere Vorstellungen über ein Volksautomobil eingab. Hitler beauftragte 1934 den Reichsverband der Automobilindustrie, einen solchen „Volkswagen“ konstruieren zu lassen, in dem seine Forderungen nach Luftkühlung, vier Sitzen. 100 km/h Dauergeschwindigkeit und höchstens 7 Liter Verbrauch auf 100 km erfüllt sein mußten. Die einschlägigen Patente L.s wurden 1936 im Interesse dieses Projektes beschlagnahmt, bei der Berliner Automobilausstellung 1939 entsprechende Ausstellungsstücke von Tatra entfernt, nach dem deutschen Einmarsch in die Tschechoslowakei der Bau kleiner Tatra-Wagen eingestellt. Die Ähnlichkeit der von Ferdinand Porsche entwickelten Volkswagen-Vorläufer mit den Tatra-Wagen ist aber unverkennbar.

    Die Jahre 1945 51 mußte L. im Gefängnis von Neutitschein verbringen. Als er mit 75 Jahren bei der Zwangsarbeit im tschech. Uranbergbau erkrankte, konnten ihn seine beiden Söhne nach Österreich freibekommen. 1954 ließ er sich in München nieder und arbeitete für deutsche, engl. und amerikan. Firmen, darunter Klöckner-Humboldt-Deutz und Magirus. 1959 entwickelte er einen dreisitzigen Stadt-Pkw, 1962-64 einen Vierachs-Lkw. L. hatte das Glück, seine Neuschöpfungen im Automobilbau ohne Rückschläge durchsetzen zu können. Er gehört zu den hervorragenden Automobilkonstrukteuren der Zeit nach Benz, Daimler, Maybach und Horch.|

  • Auszeichnungen

    Dr. techn. h. c. (TH Wien 1944), VDI-Ehrenzeichen (1952), Österr. Ehrenkreuz f. Wiss. u. Kunst I. Kl., Dieselmedaille d. Dt. Erfinder-Verbandes in Gold (beide 1961).

  • Werke

    DRP 428 418 v. 1925 (Motoranordnung f. Kfz.), 469 644 v. 1926 (Motoranordnung am vorderen Rohrende), 448 265 v. 1925 (spiralförm. Luftzuführungskanäle m. Schaufeln auf d. Schwungscheibe beim Boxermotor), 531 879 v. 1925 (Kfz mit rohrförm. Tragkörper), 636 633 v. 1932 (Dreipunktlagerung e. Antriebsblocks an Kfz durch Gabel an e. rohrförm. Mittelrahmen), 647 524 + 649 086 v. 1933 (Doppelgebläse f. beide V-Reihen), 746 715 v. 1934 (tragende Bodengruppe mit hohlem, hinten gegabeltem Mittellängsträger), 723 666 v. 1935 (Vierradantrieb bei diesel-elektr. Eisenbahn-Triebwagen), 1 174 628 v. 1939 (Hedemotorwagen mit hinten offenem Motorraum u. einsetzbarem Querstück). -
    DRP 436 966 v. 1925 (Kfz-Federung mit schwingenden Halbachsen am Motorgetriebeblock), 651 274 u. 654 273 v. 1933 (Vierrad-Drehgestell mit Verbrennungsmotor).

  • Literatur

    Motor u. Sport 6, 1929, H. 27, S. 23-25 (P);
    M. J. B. Rauck, Männer, die wir nicht vergessen! in: Das Schnauferl 3, 1955, Nr. 5, S. 10;
    Rud. Meyer, Das Lebenswerk Dr. L.s, ebd. 6, 1958, Nr. 3, S. 10 f.;
    ebd. 11, 1963, Nr. 3, S. 8-10;
    Automobiltechn. Zs. 60, 1958, Nr. 3, S. 86 (P);
    H. Seper u. E. Kargl, Aus d. Gesch. d. österr. Automobilbaues, in: Bll. f. Technikgesch., 20. H., 1958, S. 86-88;
    E. v. Albeck, ebd., 23. H., 1961, S. 63-97 (P);
    H. Seper, Die k. k. priv. Wagenfabrik Ignaz Schustala & Co., ebd., S. 50-62;
    ders., in: Automobiltechn. Zs. 65, 1963, H. 2, S. 33 f.;
    ders., 100 J. Steyr-Daimler-Puch AG 1864-1964, 1964, S. 19-21 (Sonderdr. aus: Bll. f. Technikgesch., 26. H., 1964);
    J. Mackerle, Luftgekühlte Fahrzeugmotoren, 1964;
    Motortechn. Zs. 28, 1967, Nr. 4, S. 164 (P);
    J. Sloniger, in: R. Barker u. A. Harding, Automobile Design, 1970, S. 113-40 (P);
    W. Schmarbeck, Die Gesch. d. Tatra-Automobile, 1977 (P);
    Erich Ledwinka (S), Leben u. Werk d. Automobilpioniers Dr. H. L., in: Bll. f. Technikgesch., 39./40. H., 1977/78, S. 145-54.

  • Autor/in

    Hans Christoph Graf von Seherr-Thoß
  • Zitierweise

    Seherr-Thoß, Hans Christoph Graf von, "Ledwinka, Hans" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 48-50 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11892849X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA