Lebensdaten
1884 – 1954
Geburtsort
Memmingen
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Architekt
Konfession
katholisch
Namensvarianten
  • Vorhoelzer, Robert

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Zitierweise

Vorhoelzer, Robert, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz137673.html [16.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ferdinand, Bahnoberinsp., Vorstand d. Bahnhofs Memmingen;
    M Maria Sturm;
    2 B;
    1921 Mathilde Frankl (1890–1976), Lehrerin;
    kinderlos.

  • Biographie

    Nach der Reifeprüfung am humanistischen Gymnasium in Kempten 1904 begann V. das Studium der Architektur an der TH München, an der Karl Hocheder (1854–1917), Friedrich v. Thiersch (1852–1921) und Heinrich v. Schmidt (1850–1928) lehrten. Die Diplom-Hauptprüfung bestand er im Aug. 1908 mit Auszeichnung, trat danach ein zweijähriges Praktikum beim Landbauamt München an und ging im Nov. 1910 zurück an die TH als Assistent Hocheders „für Bürgerliche Baukunst“. Nach bestandener Prüfung zum Regierungsbaumeister im Mai 1911 gab er seine Assistentenstelle vorzeitig auf, um als Beamtenanwärter an die Eisenbahndirektion in München zu wechseln; 1913 kam er als verbeamteter Assessor zur Eisenbahndirektion nach Augsburg.

    Von Jan. 1916 bis Nov. 1918 als Freiwilliger im 1. Weltkrieg, wurde V. zum Offizier (Lt. d. R.) befördert und mehrfach ausgezeichnet; nach der Novemberrevolution 1918 war er Mitte April bis Mitte Mai 1919 in einer Freikorpseinheit (Freiwilligen-Kompagnie Döderlein) an der Niederschlagung der Münchner Räterepublik beteiligt.

    Im Dez. desselben Jahres wurde V. Direktionsrat bei der Eisenbahndirektion München, im Aug. 1920 Oberpostbaurat bei der Oberpostdirektion München, im Juli 1921 Oberregierungsrat (bis 1930). Als Bayern im Zuge des Poststaatsvertrags (1920) eine souverän agierende Abteilung des Reichspostministeriums in München durchsetzen konnte, wurde darin auch eine Postbauabteilung eingerichtet, die bis 1934 eigenständig plante und baute.

    Als Leiter des Hochbaureferats bei der Oberpostdirektion München prägte V. zusammen mit seinem Mitarbeiter Walther Schmidt (1899–1993) und seinem Freund Robert Poeverlein (1883–1968) den Stil der sog. „Bayerischen Postbauschule“ entscheidend. Während die ca. 350 Postbauten, die von zunächst drei Baureferaten (München, Nürnberg, Würzburg) in den ländlichen Gebieten der acht bayer. Oberpostdirektionen errichtet wurden, auf regionale Bautraditionen und Heimatschutzaspekte Rücksicht nahmen (z. B. Postamt Bad Wiessee, um 1926; Postamt Tittmoning, um 1928), verwirklichte V. für die Stadt München ab den späten 1920er Jahren markante Bauten im Stil des Neuen Bauens.

    Für erstes überregionales Aufsehen sorgte das Paketzustellamt München auf dem Marsfeld (1925–26), das konsequent funktional, „aus dem Betrieb heraus“ (Vorhoelzer), gestaltet war. Mit Postamtsbauten und angeschlossenen Wohn- und Zweckbauten in München wie an der Tegernseer Landstraße (1927–30), an der Fraunhoferstraße (1929–31), am Goetheplatz (1929–32) und am Harras (1930–33) wurde die Bauabteilung der Oberpostdirektion München „zu einer der lebendigst geführten staatlichen Bauverwaltungen“ (Justus Bier). Funktional gestaltet waren auch die Kleinstwohnungen der Versuchssiedlung des Bayer. Post- und Telegraphenverbandes an der Arnulfstraße (1928), mit denen V. zusammen mit Walther Schmidt und Hanna Löv (1901–89) auf das drängende Problem der Wohnungsnot reagierte (hier auch neue Innenraumkonzepte, u. a. Wohnungen mit der fortschrittlichen „Münchner Küche“). Für die von Walter Gropius (1883–1969) verantwortete „section allemande“ des Dt. Werkbundes auf der Ausstellung der „Société des artistes décorateurs français“ in Paris im Mai 1930 entwarf V. ein Typenpostamt.

    Auf dem Höhepunkt seiner Tätigkeit für die Oberpostdirektion wurde V. 1930 zum o. Prof. für Baukunst an die TH München berufen und ließ sich vom Reichspostdienst suspendieren. Das Angebot, die Nachfolge von Ernst May (1886–1970) als Frankfurter Stadtbaurat anzutreten, lehnte er 1931 ab.

    Zur selben Zeit plante V. gemeinsam mit Walther Schmidt und Max Wiederanders (1890–1976) ein „Boardinghaus“ für die von Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969) geleitete Abteilung „Die Wohnung unserer Zeit“ auf der Dt. Bauausstellung in Berlin 1931. In dem in Zusammenarbeit mit dem Büro Mies van der Rohe errichteten temporären Bau wurden u. a. Musterwohnungen der Münchner Arbeitsgemeinschaft wie auch von anderen Entwerfern (u. a. Lilly Reich, 1885–1947) gezeigt.

    Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten sah sich V. zunehmender Kritik ausgesetzt. Seine Bauten wurden als „bolschewistisch“ abgelehnt und seine pädagogische Eignung in Frage gestellt. Im Okt. 1933 wurde V. mit sofortiger Wirkung beurlaubt und trotz studentischer Proteste und Fürsprache von Rudolf Hess im Aug. 1935 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. 1935 / 36 errichtete er als selbständiger Architekt mit Walther Schetelig die Pfarrkirche „Maria Königin des Friedens“ in München-Giesing (Wiederaufbau 1945–47).

    Durch Vermittlung von Paul Bonatz (1877–1957) wurde V. im Juni 1939 als Leiter der Architekturabteilung und Nachfolger von Bruno Taut (1880–1938) an die Kunstakademie in Istanbul berufen. In der Türkei waren namhafte Emigranten aus dem Umfeld der architektonischen Moderne wie Gustav Oelsner (1879–1956), Clemens Holzmeister (1886– 1983) und Wilhelm Schütte (1900–1968) tätig. Nach Differenzen mit den türk. Behörden (Vorwurf der Spionage für NS-Deutschland) mußte V. seine Anstellung jedoch schon im Jan. 1941 aufgeben. Wieder zurück in Deutschland, wurde er 1942–45 zur Wehrmacht (Luftgaukommando VII in München) eingezogen.

    Im Nov. 1945 erhielt V. sein früheres Amt an der TH München wieder zurück. Zum 5. 1. 1946 außerdem zum „Spezialkommissar für den Wiederaufbau der Technischen Hochschule“, im Juli des Jahres zum Rektor ernannt, übernahm er den Lehrstuhl für Baukunst und Entwerfen und trat damit die Nachfolge von German Bestelmeyer (1874–1942) an. Nach schweren Vorwürfen der Militärregierung von Bayern, die seine Tätigkeit in Istanbul während der NS-Zeit betrafen, Ende Mai 1947 aus dem Dienst entlassen, wurde V. jedoch von der Münchner Spruchkammer entlastet und Mitte Dez. desselben Jahres wieder eingesetzt. In der Folge widmete er sich auch Planungen für den direkten Umkreis der TH; zudem erarbeitete er 1947–48 im Auftrag des Kultusministeriums eine Studie zum Wiederaufbau des Stadtteils München-Schwabing. 1952 wurde er emeritiert.

    V. knüpfte an Münchner Bautraditionen ebenso an, wie er die Stadt an die „moderne europäische Architektur“ heranführte (H. Eckstein). Die Modernität seiner Bauten beruht in erster Linie auf ihrer schlichten Zweckgebundenheit, ohne eine dezidierte ästhetische Programmatik. In nur wenigen Jahren konnte er ein beachtliches Bauvolumen im Stil des Neuen Bauens vorweisen, nahm an der Berliner Bauausstellung 1931 teil und engagierte sich beim Werkbund; dennoch blieb er ein Außenseiter, der sich weder in die architekturtheoretischen Debatten einmischte, noch Kontakt zur Avantgarde in Berlin pflegte.

  • Auszeichnungen

    |bayer. Mil.verdienstorden 4. Kl. mit Schwertern (1918);
    E. K. 2. Kl., 1. Kl. (1918);
    Dr.-Ing. E. h. (TH Stuttgart 1948).

  • Werke

    |e. krit. Gesamt-Verz. d. W liegt bisher nicht vor;
    – mehrere Preise b. Architekturwettbewerben 1908 ff.;
    – Umbau Postscheckamt an d. Sonnenstr., München (ehem. Frauengebäranstalt, 1853–56 v. Arnold Zenetti u. Friedrich Bürklein), 1920–22 (mit Franz Holzhammer);
    Postamt u. Wohngebäude Agnesstr. u. Wohngebäude Isabellastr. 1924–27 (mit Franz Holzhammer u. Walther Schmidt);
    Landschulheim in Schondorf/ Ammersee, 1929–30 (mit Hans Schnetzer);
    Paketzustellamt Arnulfstr. (Marsfeld), München, 1925–26 (mit Walther Schmidt u. Franz Holzhammer);
    Postamt Bad Wiessee, um 1926 (mit dens.);
    Kraftposthaltestelle Bayerstraße, München, 1927–28 (mit Walther Schmidt);
    Postamt, Wohn- u. Zweckgebäude („Café Tela“ u. Bank), Tegernseer Landstr., München, 1927–30 (mit Walther Schmidt u. Hans Schmelzer);
    Versuchssiedlung d. Bayer. Post- u. Telegraphenverbandes an d. Arnulfstr., München (mit d. „Münchner Küche“), 1927–29 (mit Walther Schmidt, Hanna Löv u. Erna Meyer);
    Postamt Tittmoning, um 1928;
    Postamt u. Verstärkeramt, Grünwald, 1928– 30 (mit Herbert Landauer);
    Postamt Aidenbach, 1929 (mit Georg Lotz);
    Postamt u. Wohngebäude an|d. Fraunhoferstr., München, 1929–31 (mit Walther Schmidt);
    Boardinghaus, Dt. Bauausst. Berlin, 1931 (mit Max Wiederanders u. Walter Schmidt;
    Appartements mit Max Wiederanders, Walter Schmidt, Josef Albers u. Christian Hacker);
    Postamt u. Wohngebäude am Harras, München, 1930–33 (mit Hans Schnetzer);
    Wiederaufbau d. Hauptgebäudes d. TH München, Verwaltungsbau u. Institutsbau, 1949–54;
    Nachlaß: GNM Nürnberg, Dt. Kunstarchiv (v. a. Akten, Korr., Zeugnisse);
    Architekturmus. d. TU München, Archiv (v. a. Pläne, Photogrr., Akten, Korr.).

  • Literatur

    |H. Karlinger, Neuere Postbauten in Bayern, 1. H., 1925;
    ders., Neuere Postbauten in Bayern, 3. H., 1934;
    J. Popp, ebd., 2. H., 1928;
    W. Lotz, Ausst. d. Dt. Werkbundes in Paris, in: Die Form V, H. 11 / 12, 7. Juni 1930, S. 281–96;
    J. Bier, Neue Münchener Postbauten, in: ebd., V, H. 18, 15. Sept. 1930, S. 469–86;
    P. Breuer, Von Münchener Künstlern u. ihrem Schaffen (83. F.), R. V. u. seine Postbauten, in: Bayer. Staatsztg., Nr. 181, 7./ 8. Aug. 1932;
    H. Eckstein, Tradition u. Modernität im Bauen, Neue Postbauten in München u. Bayern, in: Kunst d. Nation II, H. 11, 1. Juni 1934, S. 1–3;
    G. Harbers, Neue Postämter in München, in: Der Baumeister XXVIII, H. 5, Mai 1930, S. 165–88;
    H. Hoffmann, „Die Wohnung unserer Zeit“ auf d. Dt. Bauausst. Berlin 1931, Erster Ber., in: Moderne Bauformen XXX, VII. 2, 1931, S. 329–47;
    ders., R. V., Wohnblock u. Postamt, Die Bauten d. Oberpostdirektion München „Am Harras“ in München, ebd. XXXIII, H. 1, Jan. 1934, S. 1–16;
    W. Schmidt, Amtsbauten aus Betriebsvorgängen gestaltet, dargest. am Bsp. d. bayer. Postbauten, 1949;
    H. Schnell, Maria Kgn. d. Friedens, Stadtpfarrkirche in München-Giesing, 1962;
    K. Arndt, Die Münchener Architekturszene 1933 / 34 als ästhet.-pol. Konfliktfeld, in: M. Broszat u. a. (Hg.), Bayern in d. NS-Zeit III, Herrschaft u. Ges. im Konflikt, T. B, 1981, S. 443–512 (W-Verz., P);
    F. Aicher u. U. Drepper, R. V., e. Architektenleben, Die klass. Moderne d. Post, Ausst.kat. München 1990;
    W. Nerdinger u. K. Blohm (Hg.), Architekturschule München 1868–1993, 125 J. TU München, 1993 (P);
    W. Nerdinger u. W. Lutz (Hg.), Walther Schmidt 1899–1993, Von d. Postbauschule z. Stadtbaurat v. Augsburg, 2008;
    F. Sen u. D. Halm, Exil unter Halbmond u. Stern, Herbert Scurlas Ber. über d. Tätigkeit dt. Hochschullehrer in d. Türkei während d. Zeit d. NS, 2007;
    M. Eisen, Vom Ledigenheim z. Boardinghouse, Bautypol. u. Ges.theorie bis z. Ende d. Weimarer Rep., 2012;
    eigene Archivstudien.

  • Porträts

    |Photoabzug o. J. (Archiv d. Architekturmus. d. TU München), Abb. in: Nerdinger u. Blohm, TU München (s. L), S. 200.

  • Autor/in

    Rudolf Fischer
  • Zitierweise

    Fischer, Rudolf, "Vorhoelzer, Robert" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 114-116 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz137673.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA