Lebensdaten
1882 – 1949
Geburtsort
Frankfurt/Main
Sterbeort
Essentuki (Kaukasus)
Beruf/Funktion
Internist ; Medizinhistoriker
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118855182 | OGND | VIAF: 77113246
Namensvarianten
  • Koch, Richard
  • Koch, Rich. Herm.
  • Koch, Richard H.
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Zitierweise

Koch, Richard, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118855182.html [16.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Friedrich, Kaufm., S e. Arztes in Geisa (aus Landjudenfam. in Thüringen);
    M Auguste Epstein;
    Vt Ludwig Heilbrunn (* 1870), Rechtsanwalt, Stadtverordneter in F. (s. Wi.);
    - 1914 Maria Margarete Rosenthal (1892–1973);
    1 S, 4 T.

  • Biographie

    K. studierte Medizin in Lausanne, München, Heidelberg und Berlin (hier Staatsprüfung 1908, Promotion in Leipzig 1909). Weitere klinische Ausbildung erhielt er 1910-11, vor allem bei L. Krehl in Heidelberg. Beim Militärdienst als Einjähriger Arzt erlitt K. eine septische Erkrankung mit Versteifung des rechten Knies. Seit 1911 war er am Städtischen Krankenhaus und am Siechenhaus in Frankfurt tätig, im 1. Weltkrieg am Reservelazarett Bad Orb, dann in der Medizinischen Poliklinik der Universität Frankfurt. 1915-17 vertrat er hier J. Strasburger in Vorlesungen und Poliklinik für Innere Medizin. Seit SS 1916 las er „Geschichte der Medizin“.

    Das Interesse K.s an der Medizingeschichte entstand in der Berliner Studienzeit in Berührung mit E. Schweninger (dem Leibarzt Bismarcks) und dessen Vorlesungen über allgemeine Grundfragen klinischen Denkens und Handelns. Sie fesselte K. wegen ihrer Bedeutung für die praktische Medizin der Gegenwart. Er betrieb praktische Innere Medizin und Medizingeschichte stets nebeneinander. Daraus entstand neben vielen klinischen Veröffentlichungen die Studie „Die ärztliche Diagnose, Beitrag zur Kenntnis des|ärztlichen Denkens“ (1917, ²1920). Diese Buchveröffentlichung wurde mit einem Gesuch um Habilitation für Geschichte der Medizin 1917 der Medizinischen Fakultät in Frankfurt als Habilitationsleistung eingereicht. Dieses wurde jedoch abschlägig beschieden, weil der medizinhistorische Teil der Schrift als quantitativ und qualitativ nicht ausreichend beurteilt wurde. 1920 wurde durch K., auf Anregung von Karl Sudhoff, ein neuer Antrag auf Erteilung der Venia legendi für Medizingeschichte gestellt, dieses Mal mit Erfolg. 1925 wurde ihm ein unbesoldeter Lehrauftrag für Geschichte der Medizin erteilt. 1922 wurde die Venia für Medizingeschichte auf das Gebiet der „Philosophie der Medizin“ erweitert (nichtbeamteter außerordentlicher Professor 1926). 1926 wurde er zum Vorsteher des neu errichteten Seminars für Geschichte der Medizin ernannt, 1931 wurde ihm ein besoldeter Lehrauftrag erteilt. Im April 1933 wurde K. als „Nichtarier“ von allen Funktionen an der Universität beurlaubt, am 2.9. wurde ihm die Lehrbefugnis entzogen. Er betrieb seitdem seine Praxis nur noch in der Privatwohnung. Von Verhaftung bedroht, verließ er 1936 Deutschland und ging nach Brüssel. 1937 siedelte er mit seiner Frau und seinem Sohn auf Einladung der Sowjetunion in den Kaukasus über; dort nahm er im Oktober 1937 in Essentuki eine Tätigkeit als beratender Arzt und Balneologe auf. Die sowjetische Akademie der Wissenschaften verlieh ihm 1948 die Ehrendoktorwürde.

    K. hat aus Grundsatz stets seine klinische Tätigkeit mit medizinhistorischer Lehre und Forschung verbunden. Dementsprechend beziehen sich seine wissenschaftlichen Arbeiten auf Themen sowohl der Inneren Medizin als auch der Medizingeschichte und auf Kombinationen beider Gebiete. K. vertrat die Auffassung, daß die Medizingeschichte zum Problem des ärztlichen Denkens und Handelns Wesentliches beitragen könne, weil die Lösung der gleichbleibenden ärztlichen Aufgaben am Krankenbett in allen Epochen jeweils mit verschiedenen Denkweisen und Arbeitsweisen geleistet wurde, so daß sich aus Erfolg und Mißerfolg in der Geschichte viel für das rechte klinische Denken in der aktuellen Medizin lernen lasse. K. war einer der ersten Medizinhistoriker in diesem Bestreben, das Denken in der Medizin historisch zu erforschen, philosophisch zu durchdenken und zur Gegenwart in Beziehung zu setzen.

    Seiner medizinhistorischen Einstellung entsprechend neigte K. zu einer Allgemeintherapie mit physikalisch-balneologisch-diätetischen Verfahren im Sinne Schweningers. Er sah in den Selbstheilungskräften die eigentlichen Hilfen zur Überwindung von Krankheiten. Die Annahme einer absichtsvollen Zweckmäßigkeit im Lebensgeschehen diente ihm als theoretische Begründung für eine abwartende, vorsichtige, den ganzen Menschen umfassende Therapie. Aus der Anerkennung einer Eigengesetzlichkeit des Lebendigen zog er die Verbindung zur menschlichen Freiheit. Die Sinnhaftigkeit des Lebendigen im Somatischen erschien ihm auf höheren Stufen wieder in den Äußerungen des Seelischen, als psychisches Geschehen. K. hat sehr früh die Eigenrechte des Ärztlichen gegenüber dem Führungsanspruch der Naturwissenschaften betont, zu denen er die Medizin nicht rechnete (in „Die ärztliche Diagnose“, 1917). Er vertrat im Anschluß an Vaihinger den „fiktiven“ Charakter der Lehre von den Krankheitsanfängen, der Krankheitsabgrenzung, den therapeutischen Wirkungen, der Menschentypologie, den Abgrenzungen von gesund und krank, der Unterscheidung des Organischen und des Funktionellen und so weiter (in „Das Als-Ob“, 1924). Mit K.s Vertreibung aus Deutschland endete seine wissenschaftliche Publikationstätigkeit. Unter den klinischen Arbeiten K.s gibt es unter anderem solche zur Pathologie des Stoffwechsels, zur Lehre von den Infektionskrankheiten (Scharlach, Diphtherie, Typhus) und den Nervenkrankheiten. Der Beitrag „Irrtümer der allgemeinen Diagnostik“ (1923) leitet über zu seinen wichtigsten Hauptschriften medizintheoretischer Art: „Die ärztliche Diagnose, Beitrag zur Kenntnis des ärztlichen Denkens“ (1917, ²1920), „Ärztliches Denken, Abhandlungen über die philosophischen Grundlagen der Medizin“ (1923), „Das Als-Ob im ärztlichen Denken“ (1924), „Der Zauber der Heilquellen, Eine Studie über Goethe als Badegast“ (1933) und „Der Begriff Medizin“ (in: Vorträge des Instituts für Geschichte der Medizin an der Universität Leipzig, 1930, S. 9-13).

  • Werke

    Weitere W u. a. in: Archiv f. Gesch. d. Med.;
    Klin. Wschr.;
    Frankfurter Ztg.;
    Die Tat;
    jüd. Bll.

  • Literatur

    Centaurus 1, 1950/51, S. 172;
    Nachrr.bl. d. Dt. Ges. f. Gesch. d. Med., Naturwiss. u. Technik, Nr. 21, 1963;
    R. N. Braun, Praxis u. Klinik - zwei versch. Richtungen d. Med., in: Ärztl. Mitt. 44, 1959, S. 711-16;
    K. E. Rothschuh, in: Dt. Ärztebl. -
    Ärztl. Mitt. 76, 1979, H. 42 (W).

  • Autor/in

    Karl E. Rothschuh
  • Zitierweise

    Rothschuh, Karl E., "Koch, Richard" in: Neue Deutsche Biographie 12 (1980), S. 274-275 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118855182.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA