Lebensdaten
1823 – 1902
Geburtsort
Ingrowitz (Mähren)
Sterbeort
Gmunden (Oberösterreich)
Beruf/Funktion
österreichischer Staatsmann
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118657992 | OGND | VIAF: 72187732
Namensvarianten
  • Belcredi, Richard Graf von
  • Belcredi, Richard
  • Belcredi, Richard von

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Zitierweise

Belcredi, Richard Graf von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118657992.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus einer ins 13. Jahrhundert zurückgehenden lombardischen Adelsfamilie;
    V Eduard (1786–1838), S des Anton Marchese Belcredo, seit 1769 Graf Belcredi, kaiserlicher Offizier, und der Maria Theod. Freiin v. Freyenfels;
    M Maria (1790–1860), T des Franz Graf Fünfkirchen und der Josefine Gräfin Chorinsky;
    B Egbert (1816–94), tschechischer Patriot, Finanzier der Zeitschrift „Vaterland“, hat sich Verdienste um die Gewerbegesetzgebung in Böhmen erworben und vertrat noch entschiedener als Belcredi des böhmische Staatsrecht, Mitglied des mährischen Landtags;
    Vt Victor Freiherr von Andrian-Werburg ( 1858), österreichischer Politiker;
    Graz 1854 Anna (1834–1918), T des Ludwig Freiherr von Welden, österreichischer General, und der Maria Freiin von Aretin;
    1 S,2 T; Stiefschwieger-M Eleonore Freiin von Lamay, Erzieherin des Erzherzog-Thronfolgers Rudolf.

  • Biographie

    Nach juristischen Studien in Prag trat B. 1842 in den Staatsdienst, wurde 1848 beurlaubt und widmete sich bis 1854 in Graz juristischen und historischen Studien. 1855 wurde er Kreishauptmann von Znaim und 1860 Landeshauptmann in Schlesien. 1863 kam er auf Anton von Schmerlings Fürsprache als Statthalter-Vizepräsident nach Triest, wo er mit dem südslavischen Problem bekannt wurde. Wegen seiner tschechischen Sprachkenntnisse wurde er 1864 Statthalter in Prag, wo es ihm trotz großer Schwierigkeiten gelang, die Sympathien aller Parteien zu gewinnen und das aufgeregte Land zu befrieden. Dabei erkannte er die Unmöglichkeit, Österreich gegen den Willen seiner slavischen Bürger zu regieren, die mehr als ein Drittel der Bevölkerung ausmachten. „Der böhmische Graf mit dem italienischen Namen und der deutschen Sprache“ wurde zu einem überzeugten Verfechter des Ausgleichs mit den Slaven, als dessen sichtbaren Ausdruck er die Krönung der Habsburger mit der Wenzelskrone anstrebte.

    Als der Versuch Schmerlings, durch die Verfassung von 1861 mit Hilfe des deutschen Elements die übrigen Nationen zu regieren, an dem Boykott der Ungarn, Kroaten und Tschechen gescheitert war und Österreich einer schweren inneren Krise entgegenging, wurde B. am 27.5.1865 zum Ministerpräsidenten ernannt. In dem festen Glauben, daß eine Verfassung nur aus den alten historischen Rechten erwachsen dürfe, sistierte er am 20.9.1865 die Verfassung von 1861. Mit seinem Ausspruch „Die Bahn ist frei“ machte er sich jedoch die deutsch-liberalen Kreise zu erbitterten Feinden. Den Ausgleich mit den Slaven, den er als eine unerläßliche Voraussetzung jeder späteren Verfassung ansah, bereitete er in dem sogenannten Sprachenzwangsgesetz vor, welches in den höheren Schulen Böhmens beide Landessprachen zu Pflichtfächern machte. Ebenso wirkte die von ihm veranlaßte Erklärung des Kaisers vom 29.12.1865, in der die Krönung mit der Wenzelskrone in Aussicht gestellt wurde und, wenn auch nur vorübergehend, der verhängnisvolle Grundsatz aufgegeben wurde, Böhmen habe durch seine Revolution von 1848 das Recht auf eine eigene Krönung verwirkt.

    Sehr bald schon jedoch schob sich das zweite große Problem seiner Regierung in den Vordergrund. B. besaß in dem Außenminister Graf A. von Mensdorff keine Persönlichkeit, die der schwierigen außenpolitischen Situation gewachsen gewesen wäre. Auch der diesem beigegebene ungarische Magnat Graf M. Esterhazy hatte bei aller Geistigkeit zu wenig Initiative. B., den der Kaiser erst nach seinem Amtsantritt von der Unabwendbarkeit des Krieges mit Preußen in Kenntnis gesetzt hatte, verstand zu wenig von Außenpolitik, um in die verhängnisvolle Entwicklung eingreifen zu können. Das ganze Problem des Deutschen Bundes war ihm fremd. Die Vorbereitung des Krieges überließ er allzusehr dazu nicht fähigen Diplomaten und Militärs, so daß er selber später bekannte, noch nie sei ein Staat so völlig unvorbereitet in eine solch schwerwiegende Entscheidung gegangen. Seine Gegner machten ihm später zum Vorwurf, er habe mit der Heranziehung der nichtdeutschen Elemente die Ergebnisse des Krieges von 1866 vorweggenommen. Jedoch konnte B. mit Recht darauf hinweisen, daß er mit seiner Maßnahme die innenpolitische Lage entspannt und das Auseinanderfallen Österreichs nach der Niederlage von 1866 verhindert habe.

    B.s Kabinett stellt den letzten Versuch einer föderalistischen Lösung auf der konservativen Basis der historischen Rechte dar. In seinen Verfassungsplänen ging er auf die Entwürfe Metternichs aus den Jahren 1811-21 zurück, die jedem Land einen Landtag einräumen wollten mit einer zentralen Spitze in Wien, dem sogenannten Reichsrat, der sich, ohne eigenes Initiativrecht, lediglich als beratendes Gremium aus Vertretern der Landtage und vom Kaiser ernannten Ratgebern zusammensetzen sollte. B. wollte das Reich in fünf historische Gebiete (Deutsch-Österreich, Ungarn, Böhmen-Mähren-Schlesien, Polen-Ruthenien und die südslavischen Gebiete) aufteilen. Ein streng föderalistischer Reichsrat sollte den Zusammenhalt des Gesamtstaates sichern. Seine Bemühungen um die Südslaven riefen die Opposition der Ungarn hervor. Das Eingreifen der Kaiserin zugunsten eines einseitig die Ungarn bevorzugenden Ausgleichs und die gegen seinen Willen erfolgte Ernennung des mit den österreichischen Problemen nicht hinreichend vertrauten Friedrich Freiherr von Beust zum Außenminister veranlaßten B. nach einer Kronratsilzung, in der sich der Kaiser den Ansichten Beusts anschloß, am 3.2.1867 zum Rücktritt. Sein tragisches Versagen in der deutschen Frage, das allerdings auch von seinen Gegnern weniger ihm als Mensdorff zugeschrieben wurde, hatte seiner Konzeption einer föderalistischen Organisation des Habsburgerreiches die Grundlagen entzogen. In seinen nachgelassenen Papieren bezeichnete B. den neuen Kurs, der zum Bruch mit dem Konkordat, der Geschichte und dem historischen Recht führte und die slavische Bevölkerung Österreich immer mehr entfremdete, als Revolution.

    Der Kaiser verbot ihm die Rückkehr in seine mährische Heimat, rief ihn jedoch in der Folge häufig bei Nacht und unter größter Geheimhaltung zu politischen Besprechungen, in deren Verlauf B. den Untergang Österreichs voraussagte, wenn es nicht gelinge, in dem sich abzeichnenden Konflikt mit Rußland die slavischen Nationen an der Erhaltung der Donaumonarchie zu interessieren. Der Kaiser wagte es nicht, sich offen zu ihm zu bekennen. 1869 bis 1875 veröffentlichte B. in den „Historischpolitischen Blättern“ mehrere wissenschaftliche Aufsätze. Als dieses Blatt in 2 Aufsätzen alldeutsche und österreichfeindliche Tendenzen vertrat, stellte er die Mitarbeit ein und trat den in diesen Aufsätzen vertretenen Ansichten in einer viel beachteten Schrift „Die katholisch-konservative Partei in Deutschland und die orientalische Frage“ (Wien 1876) entgegen. Erst 1881 wurde B. als Präsident des Verwaltungsgerichtshofs wieder zu einem öffentlichen Amt berufen. Im selben Jahr wurde er Mitglied des Herrenhauses, wo er 1883 entscheidend in die Schuldebatte eingriff. - Er war Träger des Ordens vom Goldenen Vließ.

    Beim Tode Erzherzog Rudolfs war B., der durch seine Stiefschwiegermutter mit dem Kaiserhaus auch in persönlicher Verbindung stand, einer der wenigen vom Kaiser Eingeweihten. Seine Loyalität gegenüber dem Kaiserhaus bestimmte ihn, die Veröffentlichung seiner persönlichen Aufzeichnungen vor dem Tod Kaiser Franz Josephs zu verbieten.

  • Werke

    Weitere W Fragmente (seiner Aufzeichnungen), hrsg. v. L. Gf. Belcredi, in: Die Kultur, Jg. 7, 1906;
    Rede z. Volksschulgesetz-Novelle in: Vaterland, Wien 1883.

  • Literatur

    H. Friedjung, Der Kampf um d. Vorherrschaft in Dtld., 2 Bde., 1901;
    G. Kolmer, Parlament u. Verfassung in Österr. (1848-1914), Bd. 1, 1902;
    L. Gf. B., ein österr. Staatsmann Gf. R. B., 1823 bis 1902, in: Die Kultur, Jg. 6, 1905, S. 281-293;
    A. v. Czedik, Zur Gesch. d. österr. Ministerien, Bd. 1: 1861-93, 1917;
    H. Traub, Aus d. Leben u. Wirken d. Gf. R. B., in: Österr., Jg. 1918/19, H. 4, S. 287 bis 313;
    ders., Jak se stal hrobě B. ministerskym předsedon, in: Ceský časopis hist., Bd. 35, Brünn|1930;
    J. Redlich, Das österr. Staats- u. Reichsproblem II, 1926, S. 403-23;
    P. Molisch, Briefe z. dt. Politik v. 1848-1918, 1934;
    Uhlirz II/2, 1941, S. 819 ff. (L);
    H. v. Srbik, Dt. Einheit, Bd. 3 u. 4, 1942 (wird B. nicht gerecht);
    R. A. Kann, The Multinational Empire, Nationalism and National Reform in the Habsburg Monarchy 1848-1918, 2 Bde., New York 1950, bes. II, S. 125 ff. (L);
    F. Gf. Schönborn, in: BJVII, S. 22-28 (u. Totenliste 1902, L);
    E. K. Winter, in: Staatslex. I. 1926.

  • Porträts

    Büste im ehemal. Reichsrat in Wien.

  • Autor/in

    Karl Otmar Freiherr von Aretin.
  • Zitierweise

    Aretin, Karl Otmar Freiherr von, "Belcredi, Richard Graf von" in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 26-28 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118657992.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA