Lebensdaten
1749 – 1800
Geburtsort
Allershausen
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
katholischer Moraltheologe
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118586009 | OGND | VIAF: 2805318
Namensvarianten
  • Mutschelle, Sebastian

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Zitierweise

Mutschelle, Sebastian, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118586009.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johann Georg Mutscheller, Mühlenbes.;
    M Margarethe Zaunmiller;
    Ov Franz Xaver, Dr. theol. et iur. can.

  • Biographie

    Nach dem Besuch des Jesuitengymnasiums in München trat M. 1765 in Landsberg/Lech in das Noviziat der Jesuiten ein und lehrte dann am Jesuitengymnasium in München als Grammatiker. Nach der Aufhebung des Ordens durch Papst Clemens XIV. 1773 wurde er von der Diözese Freising übernommen und 1774 in Freising zum Priester geweiht. Seine Studien setzte er an der Univ. Ingolstadt fort. Im Anschluß an eine Tätigkeit als Erzieher in der Familie des Hofzahlmeisters v. Peltz in München wirkte M. als Wallfahrtsprediger in Altötting und Pfarrvikar in Mattingkofen. Mit Unterstützung seines Onkels Franz Xaver Mutschelle wurde er 1775 zum Kanoniker am Kollegiatstift St. Veit in Freising ernannt. 1779 erhielt er als Konsistorialrat das Schulkommissariat in Freising, wo er sich für eine umfassende Bildungsreform einsetzte und insbesondere die Verbesserung und Aufwertung der Volksschule forderte. 1793 geriet er aufgrund seiner Reformbestrebungen, aber auch seiner Orientierung an der Philosophie Kants in den Verdacht unkirchlicher Gesinnung und mußte unter Kf. Karl Theodor seine Ämter niederlegen. M. verließ Freising und übernahm bis 1799 die Pfarrei Baumkirchen bei München. Erst in diesem Jahr wurde er unter Kf. Maximilian IV. Joseph von Josef Frhr. v. Schroffenberg rehabilitiert und unter|dem Rektorat Cajetan v. Weillers (1751–1832) an das Lyzeum in München als Professor für Moral berufen. Im März 1800 erhielt er einen Ruf der preuß. Regierung nach Königsberg, den er zunächst nicht annahm. Als er jedoch fälschlich als Autor der Schrift „Neue Erde – neuer Himmel“, die 1799 unter dem Namen Gottlieb Frey erschien, bezichtigt wurde, nahm er die Verhandlungen wieder auf. Er starb, ohne den Ruf angenommen zu haben. Freundschaftlich verbunden war M. mit Johann Michael Sailer, an dessen Gebetbuch er während seiner Zeit in Freising mitgearbeitet hatte Franz Ignaz Tanner (1779–1825) setzte 1801 sein Werk „Moraltheologie“ (1800) fort.

    M. strebte besonders eine Verbindung der theologischen Morallehre mit der Philosophie Kants an, wobei er den Namen Kants – wohl um das Interesse vom Vorurteil gegenüber dem Aufklärer weg auf die Sache zu lenken – in seiner „Moraltheologie“ nicht, in seinen übrigen Schriften nur selten erwähnt. Das Prinzip der Moral grenzte er gegenüber den Positionen des Eudämonismus und des Utilitarismus ab, ebenso gegenüber den Ableitungen aus dem Willen Gottes. Das moralisch Gebotene entspricht nach M. nur deshalb Gottes Willen, weil es gut ist. Wie in der praktischen Philosophie Kants erhielt in M.s Morallehre die Vernunft den Primat vor der Offenbarung. M. versuchte dabei, die Kantische Lehre durch lebensnahe Beispiele anschaulicher zu machen und in die christliche Moral zu integrieren. So identifizierte er den kategorischen Imperativ mit dem Hauptgebot des Evangeliums und übersetzte ihn etwas vereinfachend in die Formel: „Handle so (gegen andere), wie du wollen kannst, daß jeder andere (gegen dich) auch handeln soll“. Im Gegensatz zu zeitgenössischen Vertretern der Moraltheologie beharrte M. auf der inneren Zustimmung bei der Befolgung des Gesetzes und rückte damit die christliche Morallehre wieder in die Nähe der Kantischen Gesinnungsethik. Auch die Aufgabe der Kirche bestimmte M. über den moralischen Auftrag des Christentums. Er verstand die kirchliche Gemeinschaft als eine Gemeinde, die sich für die Verwirklichung des Sittengesetzes einsetzt und ihre Mitglieder in den Gottesdiensten belehrt. Den Predigten kommt so eine wichtige pädagogische Aufgabe zu, der M. viel Aufmerksamkeit und Vorbereitung widmete.

  • Werke

    Weitere W u. a. Bemerkungen üb. d. sonntägl. Evangelien, 1786;
    Über d. sittl. Gute, 1788;
    Vermischte Schrr., 2 Bde., 1793 f. (Neudr. 1973);
    Krit. Beyträge z. Metaphysik, 1795;
    Versuch e. faßl. Darstellung d. Kantischen Philos., 1799.

  • Literatur

    ADB 23;
    C. v. Weiller, Zum Andenken an unseren unvergeßl. M., 1800;
    ders., M.s Leben, 1803 (P);
    W. Hunscheidt, S. M., e. kantian. Moraltheologe, 1948 (P);
    ders., S. M., in: G. Schwaiger, Christenleben im Wandel d. Zeit, I, 1987, S. 334-43;
    Ch. Keller, Das Theologische in d. Moraltheol., Eine Unters. hist. Modelle aus d. Zeit d. dt. Idealismus, 1976, S. 87 ff. (L);
    D. Mieth, Dichtung, Glaube u. Moral, 1976;
    A. Auer, Autonome Moral u. christl. Glaube, 1977;
    C. A. Baader, Lex. verstorbener baier. Schriftst. d. 18. u. 19. Jh., I/2, 1824, Nachdr. 1971, S. 61 ff.;
    LThK²;
    L. Brandl, Die dt. kath. Theologen d. Neuzeit, Ein Rep., 1978 (L);
    BBKL.

  • Autor/in

    Andrea Esser
  • Zitierweise

    Esser, Andrea, "Mutschelle, Sebastian" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 658-659 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118586009.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Mutschelle: Sebastian M., geb. am 18. Januar 1749 in Allershausen (Bez.-Amt Freising), in München am 28. Novbr. 1800, Sohn eines Müllers, studirte an der Jesuitenschule zu München, trat (1765) in Landsberg als Noviz in den Orden ein und wirkte dann seit 1770 als Lehrer an dem Münchener Jesuitengymnasium. Nach Aufhebung des Ordens (1773) setzte er in Ingolstadt seine philosophischen und theologischen Studien fort, worauf er 1776 in den Weltpriesterstand trat. Nachdem er schon als Pfarrverweser in Mattighofen (bei Braunau) eine musterhafte Thätigkeit entwickelt hatte, wurde er 1779 zum Canonicus und geistlichen Rath in Freising ernannt, wobei er auch das Schulcommissariat übernahm und hiemit in die Lage kam, für Hebung der damals vielfach im Argen liegenden Volksbildung in günstigster Weise zu wirken. Er gehörte jener Richtung des Katholicismus an, welche einigermaßen rationalistisch angehaucht, mehr Gewicht auf die praktische Bedeutung des Christenthums, als auf Dogmatik oder Papismus oder Klosterleben legte und einige Jahrzehnte später an Wessenberg einen lebhaften Vertreter fand; daher wurde M. von vielen seiner Amtsgenossen angefeindet und als Freigeist verleumdet, sodaß er seine Stelle ausgab, wodurch er Muße fand, sich einem eingehenderen Studium der Philosophie Kant's hinzugeben und zugleich seine Auffassung der Religion schriftstellerisch darzulegen. Doch als 1788 in Freising ein Bischofswechsel eintrat, wurde M. sofort wieder in seine früheren Stellen eingesetzt, in welchen er seine verdienstliche Thätigkeit, (z. B. Errichtung von Arbeitsschulen) wieder fortsetzte, bis er 1793 die Pfarrei Baumkirchen (eine Stunde von München entfernt) übernahm, wo er wahlhaft als fürsorgender Vater seiner Gemeinde wirkte. Im J. 1799 wurde er zum Professor der Moraltheologie und Homiletik am Lyceum zu München ernannt, woneben er die Pfarrei beibehielt, und nachdem er schon durch seine Schrift: „Ueber das sittlich Gute" (1788) und hierauf noch mehr durch „Philosophische Gedanken und Abhandlungen mit Rücksicht auf die kritische Philosophie“ (1793—98, 4 Bändchen) und „Kritische Beyträge zur Metaphysik in einer Prüfung der Stattlerischen antikantischen“ (1795), sich als tüchtigen Kantianer bewährt hatte, durfte die preußische Regierung, welche beabsichtigte, in Königsberg zwei Lehrstühle für katholische Theologie zu errichten, ihren Blick auf M. richten. Derselbe verhielt sich, als im Mai 1800 der Ruf an ihn erging, zunächst ziemlich ablehnend, aber da er seitens der Fanatiker neue Anfeindungen erfuhr (man denuncirte ihn fälschlich als den Verfasser der anonymen Schrift „Neuer Himmel und neue Erde"), war er geneigt, die Verhandlungen mit Preußen wieder anzuknüpfen; es war jedoch sein Nervensystem durch die Nergeleien seiner Feinde und durch die in seiner Pfarrei fühlbaren Gräuel des Krieges derartig zerrüttet, daß er noch im gleichen Jahre einem Schlaganfall erlag. Ein sprechendes Jeugniß für die Achtung, in welcher er stand, liegt darin, daß nach seinem Tode eine erfolgreiche Sammlung veranstaltet wurde, um zu seinem Andenken in einer neu entstandenen Colonie bei Dachau eine Schule zu gründen. Im Gebiete der Philosophie, in welchem er das Verdienst hat, die Verbreitung des Kantianismus gefördert zu haben, kommt zu den genannten Schriften noch aus seinen letzten Lebensjahren hinzu „Ueber kantische Philosophie. 1. Heft: Versuch einer faßlichen Darstellung der kantischen Philosophie“ (1799, von Ign. Thanner bis zu einem 12. Heft. 1805, fortgesetzt); zum Gebrauche für seine Vorlesungen schrieb er „Moraltheologie“ (1800). Als religiöser Schriftsteller knüpfte er vor Allem grundsätzlich an das Neue Testament an, von|welchem er auch eine deutsche Uebersetzung veröffentlichte (1789), und bemühte sich, die aus demselben erwachsende sittliche Frucht mit warmer Empfindung darzulegen; seine Hauptschriften in dieser Richtung sind: „Die Geschichte Jesu sammt einer Anweisung, die Evangelien mit Nutzen und Einsicht zu lesen" (1784), „Bemerkungen über die sonntäglichen Evangelien" (1786), „Handbuch der sonntäglichen Evangelien" (1791), „Unterredungen eines Vaters mit seinen Söhnen über die Grundwahrheiten der christlichen Religion“ (1791, auch ins französische übersetzt 1798), „Christkatholischer Unterricht“ (1792); seine Predigten wurden später aus seinem Nachlasse herausgegeben (1804 u. 1813).

    • Literatur

      Caj. Weiller, Mutschelle's Leben (1803). Baader, Lexikon bair. Schriftsteller, Bd. I, Th. 2, S. 61 ff., woselbst seine sämmtlichen Schriften angeführt sind.

  • Autor/in

    Prantl.
  • Zitierweise

    Prantl, Carl von, "Mutschelle, Sebastian" in: Allgemeine Deutsche Biographie 23 (1886), S. 115-116 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118586009.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA