Lebensdaten
1746 – 1772
Geburtsort
Zittau
Sterbeort
Halberstadt
Beruf/Funktion
Dichter
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 117016640 | OGND | VIAF: 54915269
Namensvarianten
  • Michaelis, Johann Benjamin
  • Michaelis

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Michaelis, Johann Benjamin, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117016640.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johann Martin (1709–77), Tuchmacher u. Kleiderhändler in Z.;
    M Anna Catharina Reinecker (1718–1803) aus Regensburg; ledig.

  • Biographie

    Da M.s Eltern bei der Rinnahme von Zittau durch die Österreicher 1757 ihren Besitz verloren hatten, erhielt M. nach Absolvierung des Zittauer Gymnasiums ein Stipendium an der Univ. Leipzig. Das 1764 begonnene Medizinstudium brach er nach wenigen Jahren ab. Unregelmäßig besuchte er die Vorlesungen Gottscheds, Gellerts und Ernestis. Nach anfänglichen lat. Versuchen schrieb M. seit 1763 deutsche Gedichte. 1766 brachte ihm seine erste Veröffentlichung „Fabeln, Lieder und Satiren“ günstige Kritiken ein, durch die Gellert, Oeser und Ch. F. Weiße auf ihn aufmerksam wurden. Durch Oesers Verwendung bekam er den Auftrag, die Zimmermannsrede für das Richtfest des neuen Schauspielhauses im Juli 1766 zu dichten. Im Spätsommer 1766 vermittelte Oeser die Bekanntschaft mit Gleim, der M.s väterlicher Freund und unermüdlicher Gönner wurde. Ch. F. Weiße lenkte wohl M.s literarisches Interesse auf die Abfassung von Singspiel- und Operettentexten hin.

    Als M. nach längerer Krankheit im Herbst 1768 nach Leipzig zurückkehrte, sah er sich vor die Notwendigkeit gestellt, seinen Lebensunterhalt, neben Gleims Unterstützung, durch literarische Arbeiten zu verdienen. Dabei kam ihm die Bekanntschaft mit dem geschäftigen Gießener Professor Christian Heinrich Schmid und dem Verlagsbuchhändlerssohn J. G. Dyck zustatten. Er arbeitete an Schmids „Anthologie der Deutschen“ (1. T., 1769) mit und lieferte Gedichte für den „Almanach der deutschen Musen“ (Leipziger Musenalmanach). Ch. Garve vermittelte ihm Ende 1769 eine Hofmeisterstelle in Leipzig, die er aber nur kurze Zeit wahrnehmen konnte, weil er auf Lessings Veranlassung Ende März 1770 zum Redakteur des „Hamburgischen Correspondenten“ ernannt wurde. Als Redakteur versagte M. vollständig. Bereits Anfang Juli wurde ihm gekündigt, zum Herbstbeginn beendete er seine Tätigkeit. Abermals half Lessing, indem er ihm ein festes Engagement als Theaterdichter bei der Seylerschen Truppe verschaffte. M. dichtete den Prolog zur Eröffnung der Hamburger Spielzeit, worin er an das Scheitern des Deutschen Nationaltheaters erinnerte, und ebenso den Epilog nach der Schlußvorstellung des „Mithridates“ von Racine. Freunde seiner Hamburger Zeit waren C. Ph. E. Bach, Eschenburg, in der Seylerschen Truppe J. Ch. Brandes. Mit der Truppe zog M. nach Lübeck, Hildesheim, Osnabrück und Hannover, wo zum Geburtstag des Königs von England sein mythologisches Singspiel „Herkules auf dem Öta“ aufgeführt wurde. Als sich finanzielle Schwierigkeiten der Seylerschen Truppe abzeichneten, trennte sich M. von ihr und reiste Mitte Juni 1771 nach Halberstadt zu Gleim, in dessen Obhut er bis zu seinem frühen Tode verblieb. Er befreundete sich mit den Angehörigen des Halberstädter Dichterkreises, besonders mit J. G. Jacobi, in dessen Haus er wohnte, und widmete sein letztes Lebensjahr ganz der Poesie. Hölty hat ihm mit seiner Ode „Bei Michaelis Grabe, Im Oktober 1772“ den schönsten Nekrolog gewidmet.

    M.s Fabeln, deren Stoffe er teils der Überlieferung entnahm, teils selber erfand, bewegten sich in den von Hagedorn, Gellert und Gleim vorgezeichneten Bahnen. Einige gewannen eine Zeitlang Volkstümlichkeit. An seine Kinderfabeln (z. B. „Die Biene und die Taube“) konnte die Biedermeierzeit (W. Hey) wieder anknüpfen. Schon früh schrieb er auch Verssatiren, und später nahm er sich vor, sein 3. und 4. Lebensjahrzehnt ganz dieser Dichtart zu widmen, so daß Gleim die Hoffnung hegen konnte, einst in ihm den|deutschen Juvenal gefeiert zu sehen. Komische Opern und Operetten nannte er seine Singspieltexte, deren erster, „Walmir und Gertraud“, von Anton Schweitzer komponiert, als Versuch gedacht war, „die rührende Komödie in das lyrische Drama überzutragen.“ Erwähnung verdienen noch die „Poetischen Briefe“, die M. in seinem letzten Lebensjahr allmonatlich herauszugeben begann. Teils sind sie anakreontisch gehalten, wie die sich mit Jacobis „Pastor-Amor“ beschäftigenden, teils nähern sie sich dem Lehrgedicht („Die Gräber der Dichter“, „Die Erziehung des Dichters“, „Unsere Bestimmung“).

  • Werke

    Sämmtl. poet. Werke, 4 Bde., 1791 (P);
    Des Zittauer Dichters J. B. M. Autobiogr., hrsg. v. E. G. Wilisch, in: Neues Lausitz. Magazin 56, 1880, S. 291-335;
    Zwanzig Fabeln u. Mährchen f. Kinder, ebd. 63, 1888, S. 361-69. |

  • Nachlass

    Nachlaß: Halberstadt, Gleimhaus.

  • Literatur

    ADB 21;
    E. G. Wilisch, Zur Charakteristik v. J. B. M., Progr. Zittau 1886;
    E. Reclam, J. B. M., Sein Leben u. seine Werke, Diss. Leipzig 1904 (W, einschl. hs. Briefwechsel);
    H. A. Koch, Das dt. Singspiel, 1974;
    Goedeke ³IV, 1;
    Kosch, Lit.-Lex.³

  • Porträts

    Gem. v. B. Calau, 1770 (Halberstadt, Gleimhaus), danach Stich v. C. Kohl, 1791, Abb. in: Sämtl. poet. Werke I, 1791.

  • Autor/in

    Adalbert Elschenbroich
  • Zitierweise

    Elschenbroich, Adalbert, "Michaelis, Johann Benjamin" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 434-435 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117016640.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Michaelis: Johann Benjamin M., Dichter, geb. am 31. December 1746 in Zittau, Sohn eines wackeren Geschäftsmannes, der durch den Brand 1757 verarmte, übte sich als Gymnasiast nach den Erfolgen Klotzens, seines spätern Feindes, in lateinischer Poesie und ging bald zu deutschen Satiren über, wurde zum Studium der Medicin beredet, im December 1763 als Bittsteller zu Dresden der Kurfürstin präsentirt und von Frau v. Runkel an Gottsched empfohlen, der dem armen Jungen (immatriculirt am 6. Juli 1764) Wohnung und Tisch im Paulinum verschaffte. Früh zur Hypochondrie neigend, hauste M. einsam in Leipzig, dann wurde er mit C. H. Schmid und Dyk befreundet, von Gellert und Weiße, Garve und Engel gefördert und ging zur gleichen Zeit wie Goethe bei Oeser, den auch er als Lehrer feiert, ein und aus. Die Noth trieb ihn zu den ersten dichterischen Publicationen. Von Ostern bis zum Herbst 1768 weilte er schwer krank bei den Seinen in Oberoderwitz nächst Zittau, schloß dann in Leipzig die Gleim gewidmete Sammlung „Einzelne Gedichte“ (1769) ab, gab, da ihn Kränklichkeit und sein schlaffes Wesen nie mit irgend einer Wissenschaft vertraut werden ließen, ein ansehnliches Stipendium und alles Studiren auf und half sich durch Hofmeisterei und Lohndichtung weiter; folgte, von Lessing empfohlen, Ostern 1770 einem Ruf nach Hamburg als Redacteur des „Correspondenten“ an Stelle Wittenbergs, genoß unterwegs die Gastfreundschaft Gleims, traf Lessing in Braunschweig, erwies sich dem Hamburger Posten zumal im politischen Theil gar nicht gewachsen; ging im Herbst als Theaterdichter — ein ganz neues Amt — neben dem Kapellmeister Schweizer zur Seyler’schen Truppe, führte in Lübeck, Hannover, Hildesheim, Osnabrück ein geplagtes Leben, während dessen außer Theaterreden, Einlagen und Uebersetzungen auch neue Operetten ausgearbeitet wurden; und ließ sich seit dem Juni 1771 in Halberstadt von Gleim, der seine ganze Herzensgüte offenbarte und auch brav Reclame für M. machte, erhalten. M. befreundete sich mit J. G. Jacobi und all den kleinen Dichtern in und um Halberstadt. Ende Januar 1772 begann er monatlich auf Subscription poetische Briefe herauszugeben, redigirte zwischen dem fünften und sechsten drei „Operetten“, setzte seine Thätigkeit für den Leipziger Musenalmanach fort und entwarf sich folgendes Programm: im dreißigsten Jahr Abschluß der kleineren Poesie, im nächsten Jahrzehnt zwei große satirische Gedichte, dann nur noch Emendation sämmtlicher Werke: „Soviel aber bleibt festgesetzt, daß ich nach meinem 40. Jahre keine Zeile mehr schreibe. Ich werde während dieser Zeit meine Umstände so unabhängig zu machen suchen als möglich. Kann ich ein Amt vermeiden und doch so viel erwerben, daß ich ehrlich leben und für mein Alter etwas zurücklegen kann, so werde ich es außerordentlich zu betreiben suchen. Armuth war die Freundin meiner Kindheit; auch in|meinem Alter will ich sie nicht ganz verstoßen“ (an Schmid, M. A. 1773, 142). Eine im September 1772 für Dyk abgefaßte längere Autobiographie hat Wilisch aus den Halberstädter Papieren mit trefflichen Anmerkungen und Beilagen herausgegeben (47 S. 1881, S. A. aus dem Neuen lausitzischen Magazin Bd. 56); sie ergänzt und verbessert den von Jördens u. a. ausgeschriebenen Lebenslauf aus Schmids Feder.

    M. war der Hektik, die sich zu seiner eingewurzelten Hypochondrie gesellt hatte, unrettbar verfallen. Er starb am 30. September 1772 (vgl. Gleim an Lessing XX 2, 623, an Knebel, Nachl. 2, 63, an Jacobi s. Martin, Quellen und Forschungen 2, 25 f. u. s. w.) und wurde neben seinem jüngst verstorbenen Freund und geringeren Dichtgenossen, dem Feldprediger Jähns (vgl. M. an Jacobi, Martin S. 61) bestattet. Bald regnete es Trauerverschen auf das Grab des so früh Heimgegangenen Poeten, der selbst „Gellerts Leichenfänger“ ausgelacht hatte. Voß bramabarsirte gar: „Jehova's Wagschal klang, und nicht würdig war des edeln Jünglings dieses entnervte Volk"; auch Hölty stimmte elegisch in die Klagen ein.

    M. hat sich zunächst an den Franzosen und Sachsen gebildet. Von englischen Werken war ihm weniges aus zweiter Hand bekannt, doch sah man gern in ihm einen deutschen Pope, einen deutschen Gay. Seine Lyrik tändelt, spöttelt, schmeichelt. An Zachariä mahnen größere „phänomenogonische" Scherzgedichte wie der „fliegende Drache" gegen böse Weiber, die „Irrwische“ und mehr. An Gellert sein geistliches Lied „Wie lange fragst du unmuthsvoll“. Als Fabulist zwischen Gellert und Lichtwer wandelnd, pflegte er besonders die „Kinderfabel"; bekannt geblieben ist „Die Biene und die Taube". Unter seinen Sinngedichten zwei aus Lessings Latein. Seine liebste Satire war ihm die „Kinderzucht", aus Leipziger Beobachtung erwachsen, während „Trinker“ und „Pedanten“ noch nach Zittau weisen; alle zahm und wortreich. Auch die ernsteren und launigeren „Briefe" in freien Versen leiden an Geschwätzigkeit und mehrfach an Schwulst und Unklarheit. Die „Gräber der Dichter" sind eine freundschaftliche Revue unter dem Einfluß der Ebertode Klopstocks. Der Feind des Journalismus bespöttelt „die Kunstrichter“. Sein poetisches Vademecum für angehende Dichter gipfelt im Lob der Alten; Boileau kam nie von seinem Pult; er plante eine größere Poetik in Versen; „In dem Einen starb Despreaux und Juvenal“ faselt Kl. Schmidt. M. handelt über die menschliche Bestimmung im Stil Uzens, dem der Brief gewidmet ist, und feiert die hilfreiche Venus in einem halbepischen Briefgedicht an Jacobi. Auch die von diesem gepflegte Gresset’sche Manier der aus Poesie und Prosa gemischten Episteln nahm M. gelehrig an und trieb das Halberstädter Amorspiel auf eine gefährliche Spitze. Ein Wachsfigürchen in Jacobi's Stube, Amor im Chorrock darstellend, reizte ihn den „Pastor Amor“, unmittelbar an Jacobi und Gleim gewandt, als Exorcisten und Beichtvater in die neue Anakreontik einzuführen. Jacobitchen schauderte vor dieser — blos schalen und abgeschmackten — Verwegenheit und erließ eine öffentliche Gegenerklärung, welche M. loyal beantwortete. Wieland protestirte brieflich sehr heftig (vgl. Gleims Beschwichtigung in Pröhles „Lessing, Wieland, Heinse“ S. 266); M. gehörte ja zur Schule und erschien compromittirend, wie nachher Heinse.

    Auf Frankreich, Wieland (Komische Erzählungen), die possirlichen Romanzen deutet das Fragment einer Vergilparodie. In Paris hatten die Scarron, die Marivaux u. a. ihr Müthchen an den Alten längst gekühlt; in Deutschland kam M. als Johannes des grobkörnigeren und lustigeren Blumauer (vgl. auch Grisebach S. 194 f., Hofmann-Wellenhof A. Bl. 1885 S. 49 ff.), dem er auch|die siebenzeilige Strophe (vgl. Geißler, Löwen) überlieferte. „Leben und Thaten des theuren Helden Aeneas“. Elftes Mährlein, Halberstadt 1771, der Epistel an Jacobi angehängt, vierzehn Strophen, aus der Hamburger Zeit, ein knappes modern-burleskes Extract ohne sonderlichen Witz; sechzehn weitere Strophen, 1780 in die Werke aufgenommen, schließen das erste Buch der Aeneis ab. Den Anfang des zweiten, in einer unglücklich abweichenden, durch Kurzzeilchen unterbrochenen Strophenform, theilte zuerst Kl. Schmidt in Beckers „Erholungen“ 4, 234 f. mit. Ernst hat M. eine Elegie des Tibull in Alexandriner übertragen.

    Auf Frankreich, die Heimath des graziösen Singspiels, und die Pflegstätte Leipzig, wo Weiße wirkte und M. für „Lifuart und Dariolette“ seines hamburgischen Freundes Schiebeler schwärmte, weisen die Operetten (vgl. Minor „Chr. F. Weiße“ 1880 S. 188 f.), die in Schweizer, Neefe, Reichardt Componisten fanden und zu den wichtigsten, originellsten der Gattung gehören, sowie Michaelis' zahlreiche Theaterreden die besten der Zeit sind. „Walmir und Gertrud", mit Motiven aus der „Matrone von Ephesus“ und dem „Sommernachtstraum“, ist im Herbst 1766 geschrieben, eigentlich für Wien auf Klemms Bestellung, gewandt, mit ernsterer Tendenz. „Je unnatürlicher, je besser“, auch dreiactig, ist eine bunte Farce. Die folgenden, 1772 zusammengefaßt, sind als einactige Nachspiele entworfen: „Amors Guckkasten“, nach einer Michaelis’schen Romanze in Osnabrück vollendet, eine artig spielende Parodie des Olymps; „Der Einspruch", ein Liebeshandel in französisch-Weiße’scher Manier; „Hercules auf dem Oeta", dem Stil der großen Oper nahe, ein großer mythologischer Stoff im kleinen Rahmen, ein Vorbote Wieland’scher Libretti wie „Wahl des Hercules" und „Alceste". Sehr gewunden und thöricht ist das Nachspiel zum „Codrus“, „Die Schatten“.

    • Literatur

      „Johann Benjamin Michaelis poetische Werke. Erster Band. Gießen 1780“ (von Schmid besorgt); der zweite Band ist nur eine Titelauflage der „Einzelnen Gedichte“.

  • Autor/in

    Erich Schmidt.
  • Zitierweise

    Schmidt, Erich, "Michaelis, Johann Benjamin" in: Allgemeine Deutsche Biographie 21 (1885), S. 683-685 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117016640.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA