Lebensdaten
1833 – 1897
Geburtsort
Haarlem
Sterbeort
Wiesbaden
Beruf/Funktion
Buchdruckforscher ; Schachhistoriker ; Bibliothekar
Konfession
mennonitisch
Normdaten
GND: 117015288 | OGND | VIAF: 10612068
Namensvarianten
  • Linde, Antonius von der (später)
  • Linde, Antonius van der
  • Linde, Antonius von der (später)
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Zitierweise

Linde, Antonius van der, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117015288.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hendricus ( 1834), Sattler;
    M Katharina de Vries (1801–80);
    1) 1860 ( 1869), 2) ( 1883) Elvira Zeidler aus Rheine.

  • Biographie

    L. wurde zum Missionslehrer ausgebildet, doch ging er nicht in die Kolonien, sondern wirkte seit 1853 als Lehrer in Amsterdam. 1855 studierte er Theologie in Leiden. 1858-61 lebte er in Alkmaar, Haarlem und als „Predikant“ in Amsterdam. Dort überwarf er sich bald mit seiner Gemeinde, ebenso mit einer von ihm selbst begründeten Sekte. Fortan bekleidete er kein geistliches Amt mehr. Er studierte 1861/62 Philosophie und Geschichte in Göttingen und wurde 1862 mit einer Dissertation über Spinoza in Holland promoviert. 1862-67 lebte er auf Schloß Winkelsteeg te Hatert bei Nimwegen, wo er sich „als ein prot. Kartäuser in konsequenter Zurückgezogenheit ausschließlich der Erforschung aller ihn interessierenden Fragen“ widmete; besonders beschäftigte ihn das|Schachspiel. Seinen bibliophilen Neigungen nachgehend, sammelte er eine kostbare Bibliothek, die z. T. 1864 in Brüssel versteigert wurde. 1867-71 lebte L. im Haag, versuchte sich als Parteiloser ohne Erfolg in der Politik und arbeitete an der von seinem Freund, dem Dichter Carel Vosmaer, herausgegebenen Wochenschrift „De nederlandsche Spectator“ mit. Darin erschien 1869/70 seine Artikelserie über die „Costerlegende“, unter diesem Titel in Buchform zusammengefaßt und ins Französische und Englische übersetzt. Die „Costerlegende“ hat von allen Schriften L.s das meiste Aufsehen erregt und ihn berühmt gemacht. Er wandte sich darin gegen die in Holland eifrig gepflegte Überlieferung, daß der Haarlemer Wein-, Öl- und Talglichthändler Laurens Janszoon Coster die Buchdruckerkunst vor Gutenberg erfunden habe. Damit galt L. als „Costermörder“ und schuf sich in seinem Vaterland viele Feinde. Als der deutsch-franz. Krieg ausbrach, nahm er begeistert für Deutschland Partei, während die öffentliche Meinung in den Niederlanden von den Franzosenfreunden, den „Fransquillons“, beherrscht wurde. Die holländ. Reaktion auf seine Haltung in der Costerfrage und seine Sympathie für Deutschland, aber auch persönliche Gründe verleideten ihm den weiteren Aufenthalt in der Heimat. 1871 ging L. nach Berlin und betrieb dort Sanskritstudien im Interesse seiner Schachforschung. Zur Schachgeschichte schrieb er „Das Schachspiel des 16. Jh.“ (1874) und die zweibändige „Geschichte und Literatur des Schachspiels“ (1874) sowie „Quellenstudien zur Geschichte des Schachspiels“ (1881). Diese Werke fanden allseitige Anerkennung.

    1874 war L. nach Holland zurückgekehrt. Er geriet in wirtschaftliche Bedrängnis, nachdem er 1875 durch den Zusammenbruch einer Amsterdamer Bank sein Vermögen verloren hatte. Da machte ihm der preuß. Kultusminister Falk das Angebot, die Verwaltung einer Bibliothek zu übernehmen. Man wollte dem Deutschenfreund und Verteidiger Gutenbergs gegen Coster damit „die äußere Existenz erleichtern“. So wurde er 1876 zum Leiter der Kgl. Bibliothek in Wiesbaden ernannt. Als solcher verfaßte er die noch heute unentbehrliche Bibliographie der „Nassauer Drucke der Kgl. Landesbibliothek zu Wiesbaden“ (1882-87). In der Bibliotheksverwaltung versagte er jedoch gänzlich. Es fehlte ihm jede Erfahrung, aber auch der Wille, sie zu erwerben, da er sein Amt mit gewissem Recht als Versorgung für seine literarischen Verdienste ansah. Nach zwei notwendig gewordenen Revisionen seiner Amtsführung wurde er 1895 beurlaubt und anschließend in den Ruhestand versetzt.

    Auch in seinen Wiesbadener Jahren war L. unermüdlich als Schriftsteller tätig. Seine buchdruckgeschichtlichen Arbeiten sind heute veraltet, haben aber das Verdienst, durch schärfste Kritik die Widersprüche der älteren Frühdruckliteratur nachgewiesen zu haben. 1878 erschien „Gutenberg, Geschichte und Erfindung, aus den Quellen nachgewiesen“, 1886 sein Hauptwerk, die dreibändige „Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst“. In der Subjektivität der Darstellung und der maßlosen Polemik überbietet das Werk noch die früheren Bücher. L.s Schriften über Gutenberg und seine Erfindung haben nur noch forschungsgeschichtliche Bedeutung. Aus der schwer übersehbaren Fülle seiner sonstigen Schriften seien hier nur die über den „Betrüger“ Kaspar Hauser (1880 u. 1887) hervorgehoben.

  • Werke

    Weitere W u. a. Selbstbibliogr., 1885;
    Ehescheidungsbüchlein, 1884.

  • Literatur

    ADB 51;
    R. Leppla, in: Nassau. Lb. V, 1955, S. 233-45 (P);
    NNBW X, Sp. 516-21 (W);
    Biogr. Woordenboek v. prot. Godgeleerden in Nederland VI, 1951, S. 51-56.

  • Porträts

    in: A. v. d. L., Gesch. d. Erfindung d. Buchdruckerkunst II, 1886;
    ders., Gesch. u. Lit. d. Schachspiels II. 1874.

  • Autor/in

    Rupprecht Leppla
  • Zitierweise

    Leppla, Rupprecht, "Linde, Antonius van der" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 575-576 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117015288.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Linde: Antonius von der L. (ursprünglich, bis 1874, und in seinen holländisch geschriebenen Schriften durchweg, van der L.), geboren am 14. November 1833, am 13. (nicht 12.) August 1897. Als Sohn eines niederländischen Officiers aus altadeliger Familie zu Haarlem geboren, wirkte er nach Vollendung seiner Studienzeit von 1859—61 als Prediger der reformirten Gemeinde in Amsterdam, trat dann aber zurück und hielt sich, seinen wissenschaftlichen Arbeiten lebend, vorübergehend in Göttingen — wo er mit einer Schrift über Spinoza promovirte, 1862 —, im übrigen aber an verschiedenen Orten seines Heimathlandes auf, bis er 1871 nach Berlin übersiedelte. Nach seiner eigenen Erklärung ("Ehescheidungsbüchlein“ S. III f.)|haben die Anfechtungen, denen er infolge seiner Schrift über die „Costerlegende“ (s. u.) und seiner entschiedenen Parteinahme für Deutschland im deutsch-französischen Kriege ausgesetzt war, den Anstoß zu diesem Schritt gegeben. Nachdem er in Berlin längere Zeit an der kgl. Bibliothek thätig gewesen war, wurde er von Arnheim aus, wohin er das Jahr zuvor gezogen, 1876 durch die preußische Regierung als Bibliothekar (Vorstand) an der damals noch königlichen Landesbibliothek in Wiesbaden angestellt. In dieser Stellung blieb er, inzwischen mit dem Titel Professor ausgezeichnet, bis 1895. Er starb zu Wiesbaden. Wenn er hienach im Ganzen einen wechselvollen Lebensgang hatte, und wenn auch sonst seine persönlichen Verhältnisse z. Th. getrübt waren, wenn er mehr oder weniger sich vereinsamt sah und verbittert wurde, so war er dabei nicht ohne Schuld. Insbesondere trug seine schroffe, auch in kleinen Dingen kampfeslustige Art viel dazu bei, und dieser Charakterzug tritt auch in seinen Schriften sehr stark hervor. Denn sie verschmähen den ruhigen Gang wissenschaftlicher Erörterung und tragen ein durch und durch persönliches Gepräge. Darum ist die Darstellung lebhaft und unruhig, witzig bis zum Burschikosen, herausfordernd und verletzend, mit überlegenem Spott den Gegner wissenschaftlich und womöglich auch moralisch vernichtend. Aber hinter dieser, sagen wir, ungewöhnlichen Form steckt meist ein ganz bedeutender Inhalt. Denn v. d. L. war ein Schriftsteller von ungewöhnlicher Begabung, hervorragend vor allem durch Scharfsinn und kritisches Urtheil, sowie durch mühelose Beherrschung auch des verwickeltsten Stoffs, dabei von großer Gründlichkeit und von eisernem Fleiß. Kein Wunder, daß er fast jede Frage, die er angefaßt, in der einen oder andern Weise gefördert und manche auch endgültig erledigt hat. Das gilt insbesondere von seinen Arbeiten über die Erfindung der Buchdruckerkunst und über die Geschichte des Schachspiels. In der Schrift: „De Haarlemsche Costerlegende“ (1870) hat er, der Haarlemer, den Nachweis zu erbringen gesucht, daß Laurens Coster, dem Haarlem als dem Erfinder der Buchdruckerkunst 1856 ein Denkmal errichtet hatte, dieser Erfinder nicht ist und Haarlem nicht die Wiege der neuen Kunst, und wenn auch gegen diese Schrift ihr eigener Uebersetzer ins Englische, J. H. Hessels, sich später gewendet und wieder Coster's Sache vertreten hat, so kann doch gesagt werden, daß durch die „Costerlegende“ für jeden Unbefangenen der Jahrhunderte lange Streit so gut wie entschieden worden ist. Diese Studien über die Erfindung des Buchdrucks erweiternd und vertiefend hat v. d. L., um von anderem Einschlägigen abzusehen, in „Gutenberg. Geschichte und Erdichtung" (1878) das ergänzende Seitenstück zur „Costerlegende" gegeben, dann aber in der „Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst" (3 Bde., 1886) ein monumentales Werk geschaffen, das den Gegenstand in der umfassendsten und sachkundigsten Weise behandelt. Die schwierige Frage war hiemit jedenfalls für die damalige Zeit zum Abschluß gebracht. Was sodann die Geschichte des Schachspiels betrifft, so hat unser Autor mit deren Inangriffnahme der Wissenschaft ein neues und zwar schwer zugängliches Gebiet eröffnet, ein Gebiet, das er sofort selbst mit bestem Erfolg bebaut — denn eine Reihe von Fragen gelten als durch ihn gelöst — und auf dem er auch andere Anregung zu weiteren Forschungen gegeben hat. Von seinen Schriften über das Schachspiel, deren wir, von 1865—81, ein Dutzend gezählt haben, sind als die wichtigsten zu nennen die „Geschichte und Litteratur des Schachspiels“ (2 Bde., 1874. 75) und die „Quellenstudien zur Geschichte des Schachspiels“ (1881). Durch viele Jahre, wie die eben genannten Gebiete, hat v. d. L. noch ein anderes gepflegt, auf dem er freilich sein großes Können nicht in gleichem Maße zeigen konnte, das der Bibliographie (im weiteren Sinn des Worts). Schriften|dieser Art — über Haarlem, Dav. Joris, B. Bekker, Spinoza u. A. — hat er schon 1867—70 veröffentlicht; seine Stellung in Wiesbaden zeitigte weiteres, das Verzeichniß der „Handschriften der Kgl. Landesbibliothek in Wiesbaden“ (1877), die „Nassauer Brunnenlitteratur der Kgl. Landesbibliothek in Wiesbaden“ (1883) und namentlich das unvollendet gebliebene Werk „Die Nassauer Drucke der Kgl. Landesbibliothek in Wiesbaden" (Bd. 1. 2, 1, 1882. 87). — Mit dem Gesagten sind die wichtigsten Richtungen der litterarischen Thätigkeit v. d. Linde's bezeichnet, aber keineswegs alle. Auch auf philologischem Gebiet hat er in seiner Frühzeit sich versucht, nicht minder auf philosophischem, allgemein-geschichtlichem und politischem, mehr noch aber ist es die Theologie, die er, zunächst im Anschluß an seine Wirksamkeit als Geistlicher, mit Ausgaben, Uebersetzungen und eigenen Arbeiten, allerdings meist kleineren Schriften, bereichert hat. Sein „Servet“ (1890) und seine letzte Schrift: „Antoinette Bourignon“ (1895) sind hier besonders zu nennen. Wie er nun aber auch zu einem Buch über „Kaspar Hauser“ (2 Bde., 1887) gekommen — in dem er den Nürnberger Findling als Betrüger nachzuweisen suchte —, möchte man billig fragen, wenn man nicht auch hier den Forscher erkennen würde, den vielumstrittene Stoffe der Geschichte, zumal wenn er dabei mit eisernem Besen einen Wust von Irrthümern wegfegen konnte, besonders reizten. — Seine sämmtlichen Schriften und Abhandlungen hat v. d. L. — recht bezeichnend — in einem besonderen Buche „Selbstbibliographie" (1884) zusammengestellt. Sein Bild ist in seiner „Geschichte und Litteratur des Schachspiels“ als Titelbild vor Bd. 2 und in der „Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst“, Bd. 2 vor S. 623, sowie, in anderer Aufnahme, in der (Leipziger) Illustr. Zeitung Bd. 109, 1897, S. 275 zu finden.

    • Literatur

      Vgl. u. a. die Nekrologe in der Illustr. Zeitung a. a. O. S. 275 und im Biogr. Jahrbuch Bd. 2, 1898, S. 256 f.

  • Autor/in

    K. Steiff.
  • Zitierweise

    Steiff, K., "Linde, Antonius van der" in: Allgemeine Deutsche Biographie 51 (1906), S. 717-719 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117015288.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA