Lebensdaten
1874 – 1967
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Mount Angel (Oregon, USA)
Beruf/Funktion
Flugzeugbauer ; Luftfahrtingenieur ; Maschinenbaumechaniker
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 116431873 | OGND | VIAF: 22893647
Namensvarianten
  • Reißner, Hans Jacob
  • Reißner, Hans
  • Reißner, Hans Jacob
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Zitierweise

Reißner, Hans, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116431873.html [07.10.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Max (1844–1912), Textilfabr. in B.;
    M Josefine Dorothea (Dorette) Rosenberg (1844–1909), aus vermögender Wollhändlerfam.;
    7 Geschw u. a. Wilhelm (1875–1946), Textilfabr., Walter (1879–1945), Bildhauer u. Maler, Martin (1880–1916), Arzt;
    Berlin (?) 1906 Josefine Reichenberger (1881–1947);
    2 S u. a. Eric (1913–96), Mathematiker, Luftfahrting., Prof. f. angew. Mechanik am Massachusetts Inst. of Technology (MIT), seit 1970 an d. Univ. San Diego, berühmt für die Shear-Deformation Plate Theory, Ehrungen d. amerik. Inst. f. Aeronautik u. Astronautik, Von-Karman-Medaille d. American Soc. of Civil Engineers u. Timoshenko-Medaille d. American Soc. of Mechanical Engineers (s. L), 2 T;
    E John Eric, Dr. phil., Prof. d. Chemie an d. Univ. v. North Carolina, Lumberton (USA).

  • Biographie

    Nach dem Besuch des Berliner Friedrichs-Gymnasiums studierte R. Maschinenbau an der TH Charlottenburg, wo er 1894 die Vorprüfung und 1897 das Examen als Regierungsbauführer ablegte. 1898 ging er für ein Jahr nach Amerika, um Eisenbauwerkstätten unter besonderer Berücksichtigung des Brückenbaus zu studieren und erhielt 1900 in Berlin das Diplom als Bauingenieur. Zudem belegte er Seminare in theoretischer Physik und Mathematik bei Max Planck und Herman Amandus Schwartz an der Univ. Berlin. 1902 wurde R. an der TH Berlin bei Heinrich Müller-Breslau (1851–1925) zum Dr. Ing. promoviert (Schwingungsaufgaben a. d. Theorie d. Fachwerks, 1902). Als Stipendiat der TH Berlin ging er 1903 erneut für ein Jahr in die USA, um dort Hochhauskonstruktionen, moderne Industrieanlagen und Stadtbahnen kennenzulernen (Nordamerik. Eisenbauwerkstätten, in: Dinglers Polytechn. Journal 320, 1905). 1905 veröffentlichte er seine Untersuchungen über mechanische und elektrische Masse und über Gravitation. Außerdem sammelte er 1900-04 als Berater für statische Aufgaben des Grafen Zeppelin erste Erfahrungen mit der damals revolutionären Luftfahrt. 1904-06 war R. Assistent von Müller-Breslau und habilitierte sich an der TH Berlin. Anschließend folgte er einem Ruf auf den Lehrstuhl für Mechanik an der TH Aachen als Nachfolger Arnold Sommerfelds (1868–1951), wobei sich sein Forschungsinteresse auf die Luftfahrtwissenschaft und Flugtechnik konzentrierte, was dem in den Kinderschuhen steckenden Flugzeugbau in Deutschland enormen Auftrieb gab. Inspirierend wirkte dabei sein Kollege Hugo Junkers (1859–1935), der seit 1897 den Lehrstuhl für Thermodynamik in Aachen innehatte. Die Einrichtung eines aerodynamischen Laboratoriums mit einem Windkanal durch R. erwies sich als bahnbrechende Neuerung für die Flugzeugentwicklung. Während seiner Tätigkeit in Aachen löste R. grundlegende Probleme der Tragfähigkeit von Blechen, der Spannungsermittlung in Kugelschalen, der Manövrierbarkeit, Steuerung und Seitenstabilität von Flugzeugen sowie der Berechnung und Prüfung von Luftschrauben. Ein von ihm konstruiertes Flugzeug wurde 1909 in Berlin in Anwesenheit der Gebrüder Wright vorgestellt und prämiert, ein zweites, von ihm selbst geflogen, ging 1912 als erstes Ganzmetallflugzeug in die Geschichte der Luftfahrt ein. Die Bauweise aus biegeversteiftem Aluminium erwies sich als richtungweisend, nicht jedoch die Form, die „Kopfdeckerbauart“. Auch die von ihm entworfenen und entwickelten Propeller wurden in Deutschland maßgeblich. Insgesamt zeigte R. als Wissenschaftler und Konstrukteur wie als Pilot Pioniergeist und Kompetenz, was ihm die Anerkennung der Fachwelt eintrug. 1912 war er Gründungsmitglied der „Wiss. Gesellschaft für Luftfahrt“, in der er die Leitung des Konstruktions-Ausschusses übernahm, der auch Sicherheitsvorschriften für Flugwettbewerbe erarbeitete.

    1913 folgte R. dem Ruf auf den Lehrstuhl für Mechanik an der TH Berlin, wo er seine Studien zur Sicherheit von Flugzeugen (Biegebeanspruchung von Schraubenpropellern u. Knicksicherheit von Stäben etc.) fortsetzte. Im 1. Weltkrieg war er verantwortlich für die wiss. Betreuung des viermotorigen „Staaken“-Bombers, für den er kontrollierbare Schraubenpropeller entwarf. In der theoretischen Physik publizierte R. 1916 eine Arbeit „Über die Eigengravität des elektrischen Feldes nach der Einsteinschen Theorie“ (Ann. d. Physik 50, 1916, S. 106-20), die zur „Reißner-Nordstrom-Theorie“ der Schwarzen Löcher weiterentwickelt wurde. In den 20er Jahren folgten Beiträge zur Allgemeinen Relativitätstheorie, zur Theorie des Elektrons und des Atomkerns, zum Erddruckproblem, zur Flugzeugstatik, Materialbelastung und Propellerwirkung sowie zur Abfederung von Motorwagen und zu Schiffspropellern, was die außerordentliche Breite seiner Arbeitsgebiete sichtbar macht. 1930 wurde er zum Leiter des „Dt. Luftfahrzeugauschusses“ gewählt, der die Zulassungsvorschriften für Flugzeuge regelte.

    Wegen seiner jüd. Herkunft wurde R. 1935 zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Er fand zunächst noch eine Beratertätigkeit bei der mit seinen Patenten arbeitenden Argus-Motorenfabrik in Berlin-Reinickendorf, emigrierte 1938 mit seiner Familie in die USA und erhielt im selben Jahr eine Professur in Ingenieurwissenschaften am „Armour Institute of Technology“ (nun „Illinois Inst. of Technology“), wo er u. a. einen neuen Windkanal entwarf und als Berater der Curtiss-Wright-Gruppe tätig war (1944 US-Staatsbürgerschaft). 1944 wechselte er an das „Polytechnic Institute of Technology of Brooklyn“ in New York als Professor für Luftfahrt (Aerodynamics) und widmete die letzten zehn Jahre seiner langen, immens produktiven beruflichen Laufbahn der Lehre und Forschung zur Flugsicherheit, Stabilität der Flügel, Kompressoren und Düsen. Nach der Tacoma-Bridge-Katastrophe (1940) wandte er sich auch wieder dem Brückenbau, v. a. der Theorie der Schwingungen, zu.

    R. war einer der führenden Ingenieurwissenschaftler der ersten Hälfte des 20. Jh. Weite Gebiete der Mechanik und der Flugwissenschaften verdanken ihm richtungweisende Erkentnisse, ebenso leistete er in der theoretischen Physik Außerordentliches. R.s Biographie ist exemplarisch für jene hochrangigen dt.-jüd. Wissenschaftler, die im dt. Kaiserreich geboren, gebildet und zu hohem beruflichen Ehren gekommen waren, durch die NS-Diktatur jedoch ihrer Existenzgrundlage beraubt wurden und konsequent eine zweite erfolgreiche Karriere in den USA aufbauten.|

  • Auszeichnungen

    1. Preis f. wiss. Btrr. z. Luftfahrt d. Internat. Luftfahrtausst. in Frankfurt/M. (1909);
    Eisernes Kreuz f. Zivilisten;
    2. Vors. d. Ges. f. angew. Math. u. Mechanik (GAMM) (1923);
    Dr. Ing. E. h. (Aachen 1929);
    Ehrenmitgl. d. Wiss. Ges. f. Luftfahrt (WGL) (1954).

  • Werke

    u. a. Amerik. Eisenbauwerkstätten, 1906;
    Wiss. Aufgaben d. Flugtechnik, in: Jber. d. Dt. Math.-Vereinigung 18, 1908, S. 25-37;
    Die Seitensteuerung d. Flugmaschinen, in: Zs. f. Flugtechnik u. Motorluftschiffahrt 1, 1910, S. 101-06 u. 117-23;
    Studien z. Berechnung u. planmäßigen Prüfung d. Luftschrauben, ebd. 2, 1911, S. 17-20, 53-56, 69-72, 253-55, 277-79, 289-93;
    Neuere Probleme aus d. Flugzeugstatik, Über d. Knickung v. Wellblechstreifen b. Schubbeanspruchung, ebd. 21, 1930, S. 306-10;
    Theorie d. Erddrucks, in: Enz. d. Math. Wiss. IV, 1910, S. 387-417;
    Spannungen in Kugelschalen (Kuppeln), in: FS Heinrich Müller-Breslau, 1912, S. 181-93;
    Beanspruchung u. Sicherheit v. Flugzeugen, in: Jb. d. Wiss. Ges. f. Flugtechnik 1, 1912/13, S. 85-122;
    Die Allg. Relativitätstheorie u. d. Weylsche Erweiterung, in: SB d. Berliner Math. Ges., 1920, S. 47-63;
    Btr. z. Theorie d. Elektrons, in: Zs. f. Physik 31, 1925, S. 844-65;
    Warum ich d. „Enten“-Flugzeugtyp nicht weiter förderte, in: Der Flugkapitän, 1930;
    Eigenspannungen u. Eigenspannungsqu., in: Zs. f. Angew. Math. u. Mechanik 11, 1931, S. 1-8;
    Übergangbogen f. Eisenbahnen u. Autorennbahnen, ebd. 17, 1937, S. 169-72;
    On Lubrication Flow with Periodic Distribution between Prescribed Boundaries, in: Theodore v. Karman Anniversary Vol., 1941, S. 310-16;
    Aerodynamic Center, Control and Stability of Aeroplanes, in: A.S.M.E. Transactions 65, 1943, S. 625-28;
    Oscillation of Suspension Bridges, ebd. S. A23-A32;
    Systematic Analysis of Thermal Turbojet Propulsion, in: Journal of the Aeronautical Sciences 14, 1947, S. 197-210;
    Vibration of a Helicopter Rotor-Fuselage System Induced by the Main Rotor Blades in Flight, in: Journal of Applied Mechanics 22, 1955, S. 355-60 (mit M. Morduchow u. S. W. Yuan);
    |

  • Nachlass

    Nachlaß: Mandeville Special Collections Library d. Univ. of California in San Diego.

  • Literatur

    E. Trefftz, in: Zs. f. Angew. Math. u. Mechanik 13, 1933, S. 458;
    R. P. Harrington, N. J. Hoff u. P. Torda, in: Contributions to Applied Mechanics (FS z. 75. Geb.tag), 1949 (P);
    H. Ebner, in: Jb. d. Wiss. Ges. f. Luft- u. Raumfahrt (WGLR) 1967, S. 482-85;
    Eric Reissner, H. R., Engineer, Physicist and Engineering Scientist, in: The Engineering Science Perspective 2, 1977, S. 97-105 (P);
    W. Schulz, in: Luft- u. Raumfahrt 4, 1981 (P);
    Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918-1945;
    Pogg. V-VII a;
    BHdE II.

  • Autor/in

    Irmtraud Eve Burianek
  • Zitierweise

    Burianek, Irmtraud Eve, "Reißner, Hans" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 396-397 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116431873.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA