Pemper, Mietek

Lebensdaten
1920 – 2011
Geburtsort
Krakau
Sterbeort
Augsburg
Beruf/Funktion
Widerstandskämpfer ; Zeitzeuge ; Unternehmensberater
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 130452629 | OGND | VIAF
Namensvarianten

  • Pemper, Mieczyslaw
  • Pemper, Mietek
  • Pemper, Mieczyslaw

Vernetzte Angebote

Verknüpfungen

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Pemper, Mietek, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd130452629.html [02.10.2025].

CC0

  • Pemper, Mietek (eigentlich Mieczyslaw Pemper)

    1920 – 2011

    Widerstandskämpfer, Zeitzeuge, Unternehmensberater

    Nach dem kriegsbedingten Abbruch seines Studiums war Mietek Pemper seit 1940 Mitarbeiter der Jüdischen Gemeinde Krakau, leistete 1943/44 im Arbeits- und Konzentrationslager Płaszów Zwangsarbeit als Schreiber des Kommandanten Amon Göth (1908–1946) und beteiligte sich 1944 an der Rettung von mehr als 1000 Jüdinnen und Juden durch Oskar Schindler (1908–1974). Seit 1958 arbeitete Pemper in Augsburg als Unternehmensberater und war seit den 1990er Jahren ein gefragter Zeitzeuge.

    Lebensdaten

    Geboren am 24. März 1920 in Krakau
    Gestorben am 7. Juni 2011 in Augsburg
    Grabstätte Jüdischer Friedhof in Augsburg
    Konfession jüdisch
    Mietek Pemper, Imago Images (InC)
    Mietek Pemper, Imago Images (InC)
  • 24. März 1920 - Krakau

    1930 - 1938 - Krakau

    Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    Humanistisches Gymnasium

    1938 - 1939 - Krakau

    Studium der Rechtswissenschaften

    Jagiellonen-Universität

    1938 - 1939 - Krakau

    Studium der Betriebswirtschaftslehre

    Hochschule für Ökonomie

    1940 - Krakau

    Behördenkorrespondent; Dolmetscher

    Jüdische Gemeinde

    März 1943 - September 1944 - Krakau-Płaszów

    Häftling; Zwangsarbeit als Schreiber des Kommandanten Amon Göth (1908–1946)

    Arbeitslager; seit Januar 1944 Konzentrationslager

    Oktober 1944 - Mai 1945 - Brünnlitz (heute Brněnec, Tschechien)

    Häftling; Mitarbeiter Oskar Schindlers (1908–1974)

    Arbeitslager

    1945 - 1947 - Krakau

    Studium der Soziologie (ohne Abschluss aufgrund der Abschaffung des Studiengangs)

    Jagiellonen-Universität

    1945 - 1948 - Krakau

    Studium der Betriebswirtschaftslehre (Abschluss: Diplom-Betriebswirt)

    Hochschule für Ökonomie

    1946 - 1947 - Krakau

    Hauptzeuge der Anklage im Prozess u. a. gegen Amon Göth

    Oberstes Nationales Tribunal

    1946 - 1950 - Krakau

    Gerichtsdolmetscher bei mehreren Prozessen gegen NS-Kriegsverbrecher

    Oberstes Nationales Tribunal

    1948 - 1957 - Krakau

    Assistent; Lehrbeauftragter für Betriebswirtschaftslehre

    Hochschule für Ökonomie

    1951 - Warschau

    Hauptzeuge der Anklage im Prozess gegen Gerhard Maurer (1907–1953)

    1958 - Augsburg

    Übersiedlung; Unternehmensberater

    14.4.1958

    bundesdeutscher Staatsbürger

    seit 1958 - u. a. Kiel; Hannover; Stuttgart

    Zeuge der Anklage bei Prozessen gegen NS-Kriegsverbrecher

    April 1993 - Krakau

    Gespräch mit Steven Spielberg (geb. 1946) während der Dreharbeiten zu „Schindlers Liste“

    1994 - 2008 - Deutschland

    Vorträge zu Oskar Schindler, Amon Göth und NS-Verfolgung

    7. Juni 2011 - Augsburg

    Pemper wuchs in einem bis zur Weltwirtschaftskrise gutbürgerlichen, deutsch- und polnischsprachigen Elternhaus in Krakau auf, wo er nach seinem Abitur 1938 ein Doppelstudium der Rechtswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre begann, das er im Herbst 1939 infolge des deutschen Angriffs auf Polen abbrechen musste. Seit 1940 als Behördenkorrespondent und Dolmetscher der Jüdischen Gemeinde tätig, wurde Pemper im März 1941 zusammen mit den in der Stadt verbliebenen Jüdinnen und Juden in das Ghetto in Krakau-Podgórze zwangsumgesiedelt und nach dessen Auflösung im März 1943 in das Krakauer Arbeitslager Płaszów verbracht.

    Hier musste Pemper, der die deutsche Einheitskurzschrift beherrschte, bis September 1944 Zwangsarbeit als Schreiber des Kommandanten Amon Göth (1908–1946) leisten. Pemper konnte sich im Lager relativ frei bewegen und hatte vereinzelt Kontakt zu seinen Eltern und seinem Bruder. Aufgrund seines täglichen Zugangs zu Göths Korrespondenz erhielt Pemper Einblicke in die NS-Besatzungspolitik und in den Kriegsverlauf. So erfuhr er nach der Kapitulation der Wehrmacht in Stalingrad, dass im Generalgouvernement nur Lager mit „siegentscheidender“ Produktion erhalten bleiben sollten. Vor diesem Hintergrund regte er gegenüber Oskar Schindler (1908–1974), dessen Emaillewarenfabrik Teil des Lagers war und der sich regelmäßig in der Kommandantur aufhielt, an, einen Teil der Produktion auf Artilleriehülsen umzustellen. Schindler folgte dieser Anregung.

    Im Sommer 1943 erhielt Pemper von Göth den Befehl, die Produktionskapazitäten des Lagers Płaszów zu ermitteln. Dabei listete er nicht nur die tatsächliche Produktion auf, sondern gab auch geschönte, mögliche Produktionskapazitäten an, die Göth seinen Vorgesetzten mitteilte, wodurch der von Pemper erhoffte Eindruck entstand, das Lager sei eine bedeutende Rüstungsschmiede. Infolgedessen wurde Płaszów – anders als fast alle anderen Zwangsarbeitslager des Generalgouvernements – nicht liquidiert. Aufgrund von Pempers Täuschungsmanöver erhielten etwa 20 000 Mithäftlinge eine Chance zum Überleben, und ohne dessen Engagement wäre auch die spätere Rettungsaktion durch Schindler nicht möglich gewesen. Dies betonte Schindler am 7. Mai 1945 in seiner Abschiedsrede an die befreiten jüdischen Arbeiterinnen und Arbeiter seiner im Herbst 1944 nach Brünnlitz (heute Brněnec, Tschechien) verlegten Fabrik. Hier hatte Pemper 1944/45 für Schindler, dessen besonderes Vertrauen er besaß, Büroarbeiten erledigt.

    Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schloss Pemper bis 1948 sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Ökonomie in Krakau ab, an der er bis 1957 als Lehrbeauftragter tätig war. 1946 fungierte er als Hauptzeuge der Anklage in dem Prozess gegen Göth sowie 1951 in dem Prozess gegen den SS-Führer Gerhard Maurer (1907–1953). Zugleich wirkte Pemper, der u. a. die Kurzschrift der KZ-Oberaufseherin Maria Mandl (1912–1948) entziffern konnte, als Schriftexperte im Krakauer Auschwitz-Prozess von 1947 sowie 1948 als Gerichtsdolmetscher im Prozess gegen Josef Bühler (1904–1948) mit. Nach dem Tod seiner Mutter gelang es Pemper 1958, mit seinem Vater von Krakau nach Augsburg auszureisen, wo er in der Folgezeit als Unternehmensberater arbeitete.

    1981/82 redigierte Pemper den Erstentwurf des Romans „Schindler’s Ark“ (1982, dt. „Schindlers Liste“) des Schriftstellers Thomas Keneally (geb. 1935). Während der Dreharbeiten an der Verfilmung des Romans war Pemper im Frühjahr 1993 für eine Woche in Krakau und führte Gespräche mit Regisseur Steven Spielberg (geb. 1946). Infolge des Welterfolgs des Films erhielt Pemper zahlreiche Einladungen, um an Schulen, Universitäten und Volkshochschulen sowie vor Synagogen- und Kirchengemeinden über Schindler und die NS-Zeit zu sprechen. Pemper trat zudem im Fernsehen als Zeitzeuge auf, u. a. in Sendungen Alfred Bioleks (1934–2021) und Johannes B. Kerners (geb. 1964). Ein Leitmotiv seiner Vorträge war die Überzeugung, Verantwortungsbewusstsein und Empathie für Schwächere seien erlernbar und müssten täglich praktiziert werden.

    2001 Ehrenbürger der Universität Augsburg
    2002 Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
    2003 Verdienstmedaille „FÜR AUGSBURG“ der Stadt Augsburg
    seit 2003 Mieczylaw-Pemper-Preis, Stiftung der Universität Augsburg (jährlich)
    seit 2007 Mietek-Pemper-Preis für Versöhnung und Völkerverständigung, Universität Augsburg. (zweijährlich) (weiterführende Informationen)
    2007 Ehrenbürger der Stadt Augsburg
    2007 Bayerische Verfassungsmedaille des Bayerischen Landtags
    2007 Rettungsmedaille in Gold der Carnegie-Stiftung für Lebensretter
    2012 Mietek-Pemper-Weg, Augsburg-Pfersee (weiterführende Informationen)

    Nachlass:

    Familienbesitz.

    Gedruckte Quellen:

    Stella Müller-Madei, Das Mädchen von der Schindler-Liste. Aufzeichnungen einer KZ-Überlebenden, 1998.

    Interview mit Mietek Pemper, in: Schindlers Koffer. Berichte aus dem Leben eines Menschenretters. Eine Dokumentation der Stuttgarter Zeitung, 1999, S. 37–42.

    Interview mit Mietek Pemper, in: Aleksander Skotnicki, Oskar Schindler in den Augen der von ihm geretteten Krakauer Juden, 2015, S. 139–145.

    Oskar Schindlers Ansprache an die Häftlinge am 8. Mai 1945 in Brünnlitz, in: Oskar Schindler. Lebemann und Lebensretter, hg. v. Sudetendeutsches Museum, 2024, S. 246–253.

    Über Mut zum Widerstand, in: Alumni Augsburg International. Zeitschrift für ausländische Absolventinnen und Absolventen der Universität Augsburg (Mai 2003), S. 16–19.

    Der Rettende Weg. Schindlers Liste. Die wahre Geschichte. Aufgezeichnet von Viktoria Hertling und Marie-Elisabeth Müller, 2005, Neuaufl. u. d. T. Wie es zu Schindlers Liste kam. Die wahre Geschichte 2019, poln. 2006, japan. 2007, engl. 2008, franz. 2009, portugies. 2010.

    David M. Crowe, Oskar Schindler. The Untold Account of his Life, Wartime Adventures, and the true Story behind the List, 2004.

    Viktoria Hertling, Mietek Pemper. Der kluge Kopf hinter Oskar Schindlers Liste, 2020.

    Fotografie, Krakau, April 1940. (Onlineressource)

    Fotografien, späte 1920er Jahre–2008, Abbildung in: Viktoria Hertling, Mietek Pemper. Der kluge Kopf hinter Oskar Schindlers Liste, 2020, S. 21–23, 36, 96 u. 100.

  • Autor/in

    Viktoria Hertling (Köln)

  • Zitierweise

    Hertling, Viktoria, „Pemper, Mietek“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/130452629.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA