Lebensdaten
1873 – 1947
Geburtsort
Braunschweig
Sterbeort
Moskau
Beruf/Funktion
Offizier ; Spion ; Oberst
Konfession
evangelisch-lutherisch
Normdaten
GND: 12327110X | OGND | VIAF: 30440642
Namensvarianten
  • Nicolai, Walter Immanuel
  • Nicolai, Walter
  • Nicolai, Walter Immanuel
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Zitierweise

Nicolai, Walter, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd12327110X.html [20.04.2024].

CC0

  • Walter Nicolai gilt als früher Organisator des Geheimdienstes im deutschen Kaiserreich. Im Verlauf des Ersten Weltkriegs stieg er zu einer der militärischen Schlüsselfiguren in den Feldern Nachrichtendienst, Presse, Propaganda und innere Sicherheit auf. Mit der Niederlage von 1918 fand seine Karriere ihr Ende. In der Folge trat Nicolai als Publizist und als Berater rechtsgerichteter Organisationen in Erscheinung.

    Lebensdaten

    Geboren am 1. August 1873 in Braunschweig
    Gestorben am 4. Mai 1947 in Moskau
    Grabstätte Donskoi-Friedhof in Moskau
    Konfession evangelisch-lutherisch
    Walter Nicolai, Staatsbibliothek zu Berlin (InC)
    Walter Nicolai, Staatsbibliothek zu Berlin (InC)
  • Lebenslauf

    1. August 1873 - Braunschweig

    1879 - 1883 - Rossleben (Thüringen)

    Schulbesuch

    Volksschule

    1884 - 1887 - Halberstadt (Sachsen-Anhalt)

    Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    Domgymnasium Stephaneum

    1887 - 1888 - Diez an der Lahn

    Kadettenausbildung

    Kadettenhaus Schloss Oranienstein

    1889 - 1893 - Berlin

    Kadettenausbildung

    Kadettenanstalt

    1893 - 1893 - Potsdam

    Offizierausbildung

    Kriegsschule

    1893 - 1900 - Göttingen

    Truppendienst (zuletzt Oberleutnant)

    Infanterieregiment Nr. 12

    1900 - 1903 - Berlin

    Generalstabsausbildung

    Kriegsakademie

    1903 - 1906 - Berlin

    Generalstabsdienst 1. Abteilung (Oberleutnant)

    Großer Generalstab

    1906 - 1910 - Königsberg (Preußen, heute Kaliningrad, Russland)

    Nachrichtenoffizier (zuletzt Hauptmann)

    Generalkommando I. Armee-Korps

    1910 - 1912 - Erfurt

    Kompaniechef (Hauptmann)

    Infanterie-Regiment Nr. 71

    1912 - 1913 - Berlin

    Sektion IIIb (mit der Führung beauftragt; Major)

    Großer Generalstab

    1913 - 1914 - Berlin

    Sektion IIIb (Chef; Major)

    Großer Generalstab

    1914 - 1918 - mehrere Standorte

    Sektion/Abteilung IIIb (Chef; zuletzt Oberstleutnant)

    Oberste Heeresleitung

    1918 - 1920 - Kassel

    beurlaubt, als Oberst verabschiedet

    Oberste Heeresleitung

    1929 - Nordhausen am Harz

    Übersiedlung

    1936 - 1945 - Berlin

    Mitarbeiter

    Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands

    1945 - 1947 - Moskau

    Inhaftierung durch den sowjetischen Geheimdienst NKWD

    Butyrka-Gefängnis

    4. Mai 1947 - Moskau
  • Genealogie

    Vater Hermann Nicolai 1842–1877 preußischer Hauptmann
    Großvater väterlicherseits Hermann Emanuel Nicolai 1806–1879 Prediger
    Großmutter väterlicherseits Minna-Wilhelmine Nicolai, geb. Brinkmann 1816–1888
    Mutter Luise Nicolai, geb. Rusche 1850–1935
    Großvater mütterlicherseits Johann Andreas Rusche 1812–1865 Oberamtmann, Domänenpächter
    Großmutter mütterlicherseits Emma Rusche, geb. Raeke 1823–1891
    Bruder Hans Nicolai 1871–1923 Offizier
    Heirat am 23.9.1900 in Saarburg
    Ehefrau Marie Nicolai, geb. Kohlhoff 1879–1934
    Schwiegervater Hugo Kohlhoff 1845–1932 General der Infanterie
    Schwiegermutter Maire Kohlhoff, geb. Albrecht 1852–1931
    Tochter Else Nicolai 1901–1958
    Tochter Margarete Nicolai geb. 1905
    Sohn Hans Nicolai 1906–1907
    Tochter Marie-Luise Nicolai 1911–2002
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Nicolai, Walter (1873 – 1947)

    • Vater

      Hermann Nicolai

      1842–1877

      preußischer Hauptmann

      • Großvater väterlicherseits

        Hermann Nicolai

        1806–1879

        Prediger

      • Großmutter väterlicherseits

        Minna-Wilhelmine Nicolai

        1816–1888

    • Mutter

      Luise Nicolai

      1850–1935

      • Großvater mütterlicherseits

        Johann Andreas Rusche

        1812–1865

        Oberamtmann, Domänenpächter

      • Großmutter mütterlicherseits

        Emma Rusche

        1823–1891

    • Bruder

      Hans Nicolai

      1871–1923

      Offizier

    • Heirat am

      in

      Saarburg

      • Ehefrau

        Marie Nicolai

        1879–1934

  • Biografie

    Nicolai entstammte einer Familie von Pastoren und Amtsmännern aus dem Herzogtum Anhalt und der preußischen Provinz Sachsen, die nach dem Tod seines Vaters infolge einer Verwundung aus dem Krieg 1870/71 in wirtschaftliche Notlage geriet. Nicolai besuchte das Gymnasium in Halberstadt und erhielt eine Kadettenausbildung in Diez an der Lahn und Berlin. 1893 trat er in das Infanterieregiment Nr. 12 in Göttingen ein. Von 1900 bis 1903 absolvierte er die Generalstabsausbildung an der preußischen Kriegsakademie in Berlin. Sein weiterer militärischer Werdegang verlief – mit Ausnahme eines Truppenkommandos in Erfurt von 1910 bis 1912 – ausschließlich in Stabsverwendungen des militärischen Nachrichtenwesens (Hauptmann 1906). So baute Nicolai von 1906 bis 1910 in Königsberg den neugeschaffenen Posten des Nachrichtenoffiziers auf, der im Bereich des dortigen I. Armeekorps die Spionage gegen Russland betrieb.

    1912 zum Major befördert, übernahm Nicolai, der russisch, englisch, französisch und japanisch sprach, als Nachfolger von Wilhelm Heye (1869–1947) die Führung der für geheimen Nachrichtendienst zuständigen Sektion IIIb des Großen Generalstabs. Diese wurde zu Beginn des Ersten Weltkriegs bei der Obersten Heeresleitung (OHL) angesiedelt und umfasste ein großes Aufgabenfeld – von Spionage, Spionageabwehr und Zensur über die Betreuung der verbündeten und neutralen Militärattachés bis hin zur Pressearbeit und Propaganda. Ihre Heraufstufung zu einer Abteilung im Juni 1915 folgte einem Vorkriegsplan und spiegelte ihre gewachsene Bedeutung innerhalb der OHL. Seit Herbst 1916 konzentrierte sich Nicolai zunehmend auf Propagandafragen und delegierte das operative Nachrichtendienstgeschäft weitgehend an seine für die einzelnen Fronten zuständigen Untergebenen. Die in der Forschungsliteratur als Schlüsseldokument der Totalisierung des Kriegs interpretierten „Leitsätze für den vaterländischen Unterricht unter den Truppen“ vom Juli 1917 trugen weitgehend seine Handschrift. Nicolai galt als Sprachrohr der annexionistischen Siegfriedenpolitik der Dritten OHL unter Paul von Hindenburg (1847–1934) und Erich Ludendorff (1865–1937). Diese Politisierung des Nachrichtendiensts führte dazu, dass er, am 27. Januar 1918 zum Oberstleutnant befördert, nach Kriegsende jedoch nicht mehr in die Reichswehr übernommen wurde und 1920 seinen Abschied als Oberst erhielt.

    Nicolai war nicht am verdeckten Wiederaufbau des Nachrichtendiensts der Reichswehr beteiligt und wurde auch bei der Abfassung der amtlichen Geschichte seines Diensts von der Reichswehrführung nicht eingebunden. Grund hierfür war seine Vergangenheit als Exponent der innenpolitischen Überwachung und Zensur während des Kriegs. In der Weimarer Republik betätigte er sich politisch im Umfeld der Deutschnationalen Volkspartei, als „Medienberater“ für die Wehrorganisation „Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten“, als Militärberater für die türkische Armee sowie als Buchautor und Redner. Angebliche Verbindungen zu republikfeindlichen Verschwörerkreisen waren Gegenstand der zeitgenössischen politischen Publizistik, sind aber nicht belegt.

    Nicolais Bemühungen, seit Januar 1933 wieder im Nachrichtendienst bzw. in der Propaganda verwendet zu werden, blieben erfolglos. Sowohl die nationalsozialistischen Machthaber als auch die Führung der Wehrmacht betrachteten ihn als Mann der Vergangenheit. Stattdessen erhielt er 1936 eine Anstellung am „Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands“, dessen Sachverständigenbeirat er zeitweilig angehörte und wo er bis Kriegsende an seinen Kriegsaufzeichnungen arbeitete, die Fragment blieben.

    Im September 1945 wurde Nicolai in Nordhausen im Harz durch die sowjetische Geheimpolizei festgenommen und nach Moskau verschleppt. Die sowjetischen Behörden nahmen fälschlich an, dass Nicolai eine Graue Eminenz im nationalsozialistischen Geheimdienst gewesen sei und inhaftierten ihn im Moskauer Butyrka-Gefängnis, wo er 1947 an einem Herzinfarkt verstarb. 1999 wurde Nicolai durch die russische Militärstaatsanwaltschaft rehabilitiert. Sein in Moskau archivierter Nachlass bildet eine wichtige Quelle zur Frühgeschichte der deutschen Nachrichtendienste.

  • Auszeichnungen

    1912 Roter Adlerorden IV. Klasse
    1912 Offizierskreuz des Österreichisch-Ungarischen Franz-Josephs-Ordens
    1914 Offizierskreuz des Königlich Italienischen Ritterordens des Hl. Mauritius und Lazarus
    1914 Eisernes Kreuz II. Klasse
    1915 Eisernes Kreuz I. Klasse
    1915 Ritterkreuz I. Klasse des Königlich Sächsischen Albrechts-Ordens mit der Krone und Schwertern
    1916 Ritterkreuz mit Schwertern des Königlichen Hausordens von Hohenzollern
  • Quellen

    Nachlass:

    Rossiiskii Gosudarstvenni Voennyi Arkhiv, Moskau, Fonds 1414.

    Gedruckte Quellen:

    Michael Epkenhans/Gerhard P. Groß/Markus Pöhlmann/Christian Stachelbeck (Hg.), Geheimdienst und Propaganda im Ersten Weltkrieg. Die Aufzeichnungen von Oberst Walter Nicolai 1914 bis 1918, 2018.

  • Werke

    Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg, 1920.

    Nachrichtenwesen und Aufklärung, in: Max Schwarte (Hg.), Der Weltkampf um Ehre und Recht […], Bd. 6, 1921, S. 475–517.

    Geheime Mächte. Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und heute, 1923.

    Die Gesamtlage, in: Süddeutsche Monatshefte 21 (1924), H. 7, S. 32–36.

    Einblicke in den Nachrichtendienst der Feindstaaten im Bereich der Mittelmächte, in: Friedrich Felger (Hg.), Was wir vom Weltkrieg nicht wissen, 1929, S. 118–131.

  • Literatur

    Markus Pöhlmann, German Intelligence at War, 1914–1918, in: Journal of Intelligence History 5 (2005), S. 33–62.

    Klaus-Walter Frey, Oberst Walter Nicolai, Chef des deutschen militärischen Nachrichtendienstes III B im Großen Generalstab (1913–1918). Mythos und Wirklichkeit. Biographische Beiträge, in: Jürgen W. Schmidt (Hg.), Geheimdienste, Militär und Politik in Deutschland, 2008, 22009, S. 135–198.

    Kenneth J. Campbell, Colonel Walter Nicolai. A Mysterious but Effective Spy, in: American Intelligence Journal 27 (2009), H. 1, S. 83–89.

    Hans-Jürgen Grönke (Hg.), Nordhäuser Persönlichkeiten aus elf Jahrhunderten, 2009, S. 223 f.

    Jürgen W. Schmidt, Gegen Russland und Frankreich. Der deutsche militärische Geheimdienst 1890–1914, 32009.

    Lukas Grawe, Deutsche Feindaufklärung vor dem Ersten Weltkrieg. Informationen und Einschätzungen des deutschen Generalstabs zu den Armeen Frankreichs und Russlands 1904 bis 1914, 2017.

    Christian Stachelbeck, „Dunkelmann“ oder Bürokrat in Uniform? Walter Nicolai und der militärische Nachrichtendienst im Ersten Weltkrieg, in: Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung 1 (2017), S. 10–13.

    Markus Pöhlmann, Oberst Walter Nicolai, in: Lukas Grawe (Hg.), Die militärische Elite des Kaiserreichs. 24 Lebensläufe, 2020, S. 239–248.

  • Porträts

    Zeichnung v. Arnold Busch (1876–1951), 1916, Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Port. Slg. / Mil. gr. / Nicolai, Walter, Nr. 1.

  • Autor/in

    Markus Pöhlmann (Potsdam)

  • Zitierweise

    Pöhlmann, Markus, „Nicolai, Walter“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.04.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/12327110X.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA