Lebensdaten
1633 – 1714
Geburtsort
Hitzacker/Elbe
Sterbeort
Salzdahlum (Kreis Wolfenbüttel)
Beruf/Funktion
Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel ; Dichter
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118503472 | OGND | VIAF: 4897937
Namensvarianten
  • Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel
  • Anton Ulrich
  • Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel
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Zitierweise

Anton Ulrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118503472.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Herzog August der Jüngere von Braunschweig-Blankenburg;
    M Marie Dorothea Prinzessin von Anhalt-Zerbst;
    17.8.1656 Elisabeth Juliane Prinzessin von Holstein-Norburg;
    S August Wilhelm ( 1731), Ludwig Rudolf ( 1735), letzter des Mannesstammes;
    E Charlotte Christine ( 1711 Großfürst Alexius, S Peters des Großen), Elisabeth Christine ( 1708 Kaiser Karl VI.).

  • Biographie

    A. war viel gereist, weltklug, willenskräftig, prunkliebend und galt als einer der angesehensten Fürsten der Zeit. 1667 wurde er Statthalter, 1685 Mitregent seines älteren Bruders Herzog Rudolf August und 1704 alleiniger Regent des Herzogtums. 1709 trat er geheim, am 11.4.1710 in Bamberg öffentlich zur katholischen Kirche über. Als Regent lebte er in dem von ihm 1694-95 errichteten Lustschloß Salzdahlum, dessen Gemäldegalerie z. T. im Braunschweiger Landesmuseum aufging.

    Der begabte Jüngling erhielt eine sorgfältige, moderne Erziehung im Sinne der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ durch den großen Sprachgelehrten J. G. Schottel und den Dichter S. von Birken; hinzu kam eifrige Pflege der Musik am Wolfenbüttler Hof. So schrieb er geistliche Oden sowie zehn Opern, welche meist vom Hofkapellmeister J. J. Löwe, einem Schüler von H. Schütz, komponiert wurden. Sie haben meist heroischen Charakter, wie „Iphigenie in Aulis“ (1661) oder die beste: „Daniel“ (1663). Je eine Oper nahm er in seine beiden Romane auf. Auch sie haben heroische Haltung und zeigen im Sinne des christlichen Stoizismus eine gläubige Beständigkeit der Hauptpersonen in den mannigfach verschlungenen Wegen und jähen Schicksalschlägen. Diese enthüllen sich schließlich als gütige Vorsehung, die Heldentum und Edelmut zum Sieg führt. Gemäß der Staatsauffassung des absolutistischen Gottesgedankens besteht die Geschichte im Verknoten der Schicksale von Herrschern. Deren Gesinnung und Entscheidung bestimmen das Los ihrer Staaten und Völker. Wie die Hauptpersonen in schwieriger Lage sich vorbildlich verhalten, wird herausgearbeitet. Die „Aramena“ (5 Bände, 1669–73) behandelt die Umgliederung des babylonisch-assyrischen Reiches zur Zeit der alttestamentlichen Patriarchen. „Octavia“ (6 Bände, 1677–85, 2. Ausgabe 1712), die junge Gattin Neros, erlebt dessen Untergang, verknüpft mit der parthischen und medischen Staatsgeschichte. Das wird in einer höfisch stilisierten Kunstprosa voll würdevollem Schwung vorgetragen, in Briefen und Reden überdacht und beleuchtet. Mit Herrscherblick ordnet der Herzog das Gewebe des Geschehens und dirigiert die Fülle der Nebenpersonen. Die Gesellschaftskultur des deutschen Barocks fand darin ein Leit- und Wunschbild, nicht einen Spiegel der Wirklichkeit, obschon manche Episoden deutlich an Vorkommnisse der Wirklichkeit erinnerten. So enthält die Geschichte der Prinzessin Solane das berühmte Abenteuer der Gräfin Aurora von Königsmarck. Bot Grimmelshausen im „Abenteuerlichen Simplizissimus“ (1669) Sicht und Deutung des Lebens vom Volke her, so zeigte die gleichzeitig erscheinende „Durchlauchtige Syrerin Aramena“ die Perspektive der höfischen Welt. Das Ansehen dieser Romane war groß. Noch Goethe läßt in „Wilhelm Meisters Lehrjahren“ die Schöne Seele sagen: „Aber die 'Römische Octavia' behielt vor allen den Preis.“

  • Werke

    Weitere W Christi. Fürstl. Davids-Harpfen-Spiel (1665), daraus „Geistl. Lieder“, hrsg. v. H. Wendenbourg, 1856;
    Daniel, hrsg. v. W. Flemming, in: Dt. Lit. in Entwicklungsreihen. Reihe Barockdrama, Bd. 5, 1930, S. 125 ff. (W).

  • Literatur

    ADB I;
    Goedeke III, 1887, S. 249 (W);
    F. Sonnenburg, Hzg. A. U. v. B. als Dichter, 1896;
    H. F. Helmolt, Elis. Charlottes Briefe an A. U. v. B., 1909;
    F. Mahlerwein, Romane d. Hzg.s A. U. v. B.-W., Diss. Frankfurt a. M. 1925;
    E. Rosendahl, Gesch. Niedersachsens, 1927, S. 441-51;
    Frels, 1934;
    C. Hesselhaus, A. U.s Aramena, Stud. z. dichter. Struktur d. dt.-barocken „Geschichtgedicht“, 1939;
    E. Erbeling, Frauengestalten in d. „Octavia“ d. A. U.|v. B., 1939;
    A. M. Schnelle. Die Staatsauffassung in A. U.s „Aramena“' im Hinblick auf La Calprenèdes „Cléopatra“, Diss. 1939;
    R. Fink, Staatsromane d. Hzg.s A. U. v. B., in: Ztschr. f. dt. Geisteswiss. 4, 1941, 1, S. 44-61;
    A. Fink. Die Baumeister v. Schloß Salzdahlum. in: Ztschr. f. Kunstwiss., Bd. 4, 1950, S. 183-95.

  • Porträts

    Gem. v. T. Querfurt d. Ä. (Braunschweig, Mus.); Alabaster-Büste v. B. Permoser, um 1711 (Hzg. A. U. Mus., Braunschweig);
    Medaillen v. C. Wermuth u. H. P. Groskurt (Staatl. Münzslg. München).

  • Autor/in

    Willi Flemming
  • Zitierweise

    Flemming, Willi, "Anton Ulrich" in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 315-316 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118503472.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Anton Ulrich, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, dritter Sohn Herzogs August des Jüngern von Braunschweig, einer der gelehrtesten, galantesten und prachtliebendsten Fürsten seiner Zeit, geb. zu Hitzacker, wo sein Vater damals Hof hielt, am 4. Oct. 1633, 27. März 1714. Durch die mit großer Liebe in Treue und Ernst geleitete Erziehung durch seinen Hofmeister Friedrich von Cramm und seine Informatoren Georg Just. Schottelius und Siegm. Betulius (v. Birken) und unter der eigenen Aufsicht seines hochgelehrten Paters erhielt der ehrgeizige und strebsame Knabe eine gründliche, wissenschaftliche Bildung. Von Jugend auf zeichnete sich A. U. durch glänzende Fortschritte des Geistes aus. Bereits in seinem zehnten Jahre wählte ihn das Stift Halberstadt zum Coadjutor; als dasselbe im westphälischen Frieden an das Haus Brandenburg fiel, erhielt er zur Entschädigung ein Canonicat und die Dekanat-Statthalterei zu Straßburg, welche er aber dem Herzoge Friedrich von Mecklenburg überließ. Im J. 1650 bezog er die Universität zu Helmstedt, verwaltete hier bei einer theologischen Promotion das Procancellariat, trat, 21 Jahre alt, seine große Tour durch Süddeutschland, Holland und Italien an und vermählte sich am 17. Aug. 1656 mit der Prinzessin Elisabeth Juliane von Holstein-Norburg. Schon der auf den gelehrten Sohn stolze Vater zog diesen häufig zu Regierungsgeschäften heran. Nach des Vaters Tode erhielt A. U. im J. 1666 die Aemter Schöningen, Jerxheim, Voigtsdahlum und Calvörde als Apanage und nahm seinen Wohnsitz im Prinzenhause zu Wolfenbüttel. Schon im folgenden Jahre 1667 ernannte ihn der ältere Bruder, der regierende Herzog Rudolf August, zum Statthalter und ließ auf dieses Ereigniß mehrere Medaillen, die eine mit der Umschrift: DVLCe est fratres habItare In VnVM schlagen. Von jetzt an war A. U. die eigentliche Seele der Regierung. 1685 nahm Rudolf Angust den Bruder zum Mitregenten an und lebte fast ausschließlich der leidenschaftlich geliebten Jagd. Herrschsüchtig, von Ehrgeiz gestachelt, an Geist und Willenskraft dem Bruder weit überlegen, entfaltete A. U. als Statthalter und Mitregent nach allen Seiten hin eine rührige Thätigkeit. Auf seinen Betrieb verständigte Herzog Rudolf August sich mit den übrigen Fürsten des braunschweigischen Hauses im Frühjahr 1671 zu Burgwedel über die Mittel zur Unterwerfung der widerspenstigen Stadt Braunschweig, welche sich am 10. Juni 1671 der landesherrlichen Hoheit des Herzogs unterwerfen mußte; er ertheilte bei der damaligen Zerrüttung des Reiches in Kriegs- und Friedensangelegenheiten vielfach heilsame Rathschläge: Wolfenbüttelsche Truppen fochten 1674 und 1675 mit gegen Frankreich, 1675 im Bremischen und in Pommern mit gegen Schweden, 1683 mit den Kaiserlichen in Ungarn und in Morea gegen die Türken, 1689 wieder gegen Frankreich. A. U. half die zwischen dem Reiche und der Krone Schweden im Herzogthum Bremen entstandenen Zwistigkeiten beilegen, wobei Braunschweig-Wolfenbüttel einen Theil des Amtes Thedinghausen erhielt. Unzufrieden aber mit der der jüngeren Linie seines Hauses im J. 1702 ertheilten Kurwürde wurde er aus einem getreuen Anhänger plötzlich ein Widersacher des Kaisers. Schon machte er sich durch ungewöhnliche, mit Unterstützung des Königs Ludwig XIV. von Frankreich veranstaltete Werbungen verdächtig; auch schloß er einen Neutralitätsvertrag zum Nachtheil derjenigen Reichsstände, welche sich in den spanischen Successionskrieg mischen würden. Bald wurde kund, daß er beabsichtige sich der hannoverschen und celleschen Länder zu bemächtigen, wenn die Höfe zu Hannover und Celle ihre Truppen dem Kaiser zu Hülfe führen würden. Da alle Vorstellungen seitens der Könige Wilhelm von England und Friedrich I. von Preußen vergeblich und die kaiserlichen Mahnungen ohne Wirkung blieben selbst der schwache, dem Frieden geneigte Rudolf August nicht im Stande war, eine Sinnesänderung des Bruders herbeizuführen, wurde dieser durch kaiserliches Mandat vom 18. Febr. 1702 der Mitregentschaft entsetzt und es rückten plötzlich in der Nacht des 20. März 1702 hannoversche und cellische Truppen in das Wolfenbüttelsche ein, entwaffneten die zerstreut in Quartier liegenden wolfenbüttelschen Truppen und schnitten die Städte Braunschweig und Wolfenbüttel von jeder Verbindung mit dem flachen Lande ab. A. U. flüchtete nach Gotha und Rudolf August mußte am 19. April 1702 zu Braunschweig einen Vergleich schließen, in welchem er sich verbindlich machte, der hannoverschen Primogenitur sich nicht zu widersetzen und dahin zu wirken, daß die Uebereinkunft von Seiten des Bruders anerkannt werde. Mit schwerem Herzen fügte sich letzterer in das Unvermeidliche. Selbst der ihn so sehr liebende Bruder bezeichnete ihn als den Urheber des Unglücks, welches das Land betroffen. Nichts desto weniger gebot A. U. nach seiner Rückkehr nach wie vor an dessen Stelle, bis er durch den am 26. Januar 1704 erfolgten Tod des anspruchslosen, frommen Rudolf August die Alleinherrschaft erhielt. Er stand der Zeit bereits in seinem 71. Jahre. Den Bemühungen seines Ministers, des Kanzlers Propst von Wendhausen, gelang es endlich im J. 1706 eine vollkommene Aussöhnung zwischen der älteren und jüngeren Linie Braunschweig zu Stande zu bringen. Braunschweig-Wolfenbüttel entsagte seinen Ansprüchen an dem, dem Gesammthause Braunschweig zugefallenen Herzogthum Lauenburg, erkannte die Kurwürde Hannovers an und erhielt dagegen das Amt Campen und die zum Amte Giffhorn gehörenden Dörfer Bevenrode, Waggum und Bienrode. — Was dem ehrgeizigen Fürsten durch ungünstige Verhältnisse und durch das glücklichere Streben des jüngeren Hauses Braunschweig bisher versagt war, das suchte A. U. durch enge Verbindung mit Oesterreich und zwar zunächst durch eine Heirath zu erlangen. Seit seinem Regierungsantritte arbeitete er dahin, seine Enkelin Elisabeth Christine, die Tochter seines zweiten Sohnes Ludwig Rudolf, mit dem Bruder Kaiser Josephs I., dem Erzherzog Karl von Oesterreich, zu vermählen, für welchen damals halb Europa in Waffen stand, um ihm die Krone Spanien zu erkämpfen. Das Ziel wurde nach langem Widerstreben der am evangelischen Glauben hängenden Prinzessin, durch den am 1. Mai 1707 im Dome zu Bamberg erfolgenden Uebertritt derselben zur katholischen Kirche erreicht. 1708 erfolgte ihre Vermählung mit dem Könige von Spanien, Erzherzog Karl, nachherigem Kaiser Karl VI. Das innige Verhältniß zum österreichischen Kaiserhause fachte die ehrgeizigen Pläne des hochbetagten Fürsten aufs neue an. Die Erhebung der Grafschaft Blankenburg, der Apanage seines Sohnes Ludwig Rudolf, zum Fürstenthum und die Verleihung von Sitz und Stimme für dasselbe im Reichsfürstenrathe war dem Herzog kein genügender Erfolg. Doch wurden seine Hoffnungen auf einen Theil der alten Besitzungen des Welfenhauses, auf die als verwirktes Reichslehen angesehenen Länder des 1706 geächteten Kurfürsten von Bayern nicht erfüllt. Aber auch der Kurfürst von Köln war geächtet, sein Erzbisthum, so wie das Bisthum Hildesheim, welches er ebenfalls inne gehabt, konnten dem Herzoge Entschädigung bieten. Es kam die Möglichkeit des Erwerbs von Hildesheim, ja sogar von Köln zwischen dem Kaiser, dem Kurfürsten von Mainz und dem Herzoge A. U. zur Sprache. Dazu aber war vor Allem der Uebertritt|desselben zur katholischen Confession erforderlich. Der 77 Jahre alte Herzog, dem die Religion stets mehr Angelegenheit des Verstandes als des Gemüths gewesen, der schon seiner Enkelin, wie behauptet wird, in Aussicht gestellt, daß er ihr nachfolgen und selbst katholisch werden wolle, legte wirklich kurz vor Weihnachten 1709 in Braunschweig heimlich und am 11. April 1710 zu Bamberg öffentlich das römisch-katholische Glaubensbekenntniß ab. Doch stellte er für seine evangelischen Unterthanen einen Revers aus, in welchem er versichert, daß sein Religionswechsel weder in Ecclesiasticis noch in Politicis Aenderungen und Gefahren für das Herzogthum hervorbringen solle. Dies ist von ihm gewissenhaft gehalten worden. Der Bau einer katholischen Kirche in Braunschweig und in Wolfenbüttel, ohnehin längst ein Bedürfniß, war die einzige Frucht des Uebertritts. Der alte eitle Herr erlebte noch die Freude, daß der Gemahl seiner Enkelin 1711 zum Kaiser gewählt wurde und durch die am 25. Oct. desselben Jahres zu Torgau stattgehabte Vermählung seiner zweiten Enkelin Charlotte Christine mit dem Großfürsten Alexius, Sohn Peters des Großen, eröffnete sich auch für diese die Aussicht, dereinst einen Kaiserthron zu besteigen. Als A. U., 81 Jahre alt, auf seinem Lieblingsschlosse Salzdahlum starb, folgte ihm in der Regierung sein ältester Sohn August Wilhelm, ein gutmüthiger, schwacher, von Günstlingen beherrschter Regent.

    A. U. war einer der hervorragendsten Fürsten seiner Zeit. An Prachtliebe war ihm Ludwig XIV. Vorbild. Sein Haushalt übertraf den manches Königs. Von ihm, der nach dem Ruhme geizte, ein Ludwig XIV. im Kleinen zu sein, datirt in Braunschweig die Einführung französischer Sprache und Sitten und der steigernde Luxus. Weit berühmt waren die Feste und Opernvorstellungen, welche er in Salzdahlum, in Wolfenbüttel und Braunschweig gab, wozu er in Braunschweig das alte Hagenrathhaus 1690 zu einem der größten damaligen Opernhäuser umschuf. Bis in sein hohes Alter führte er ein lustiges Leben, Maskeraden, Concerte, Feuerwerk, Illumination, militärische Paraden wechselten mit einander ab, durch welche Lustbarkeiten freilich die Schuldenlast des Landes immer höher stieg. Bis zu seinem Tode unterhielt er mit renommirten Schönheiten zärtliche Einverständnisse in einer Sprache, welche dem jüngsten Liebhaber Ehre gemacht haben würde. Von stattlicher Gestalt, gebieterischen Wesens, gewinnend durch Freundlichkeit, zur Intrigue geneigt, leutselig, weltklug, rasch in der Ausführung seiner Entwürfe, war er vor Allem eitel und ruhmsüchtig. Seine Förderungen der Künste und Wissenschaften waren stets mehr ein Ergebniß der Ostentation und der Prunksucht, als des wahren Kunstsinns. Wenn das Herzogthum ihm die Erbauung einer großen Zahl Kirchen verdankt, welche er zum Theil aus seinem Privatvermögen aufführen ließ, so war weniger die Religiosität als Baulust und Prachtliebe Ursache. Eitelkeit veranlaßte ihn zur Stiftung einer Ritterakademie in Wolfenbüttel, welche, am 18. Juli 1687 eingeweiht, zur Ausbildung fürstlicher und adeliger Jünglinge bestimmt war, aber so geringen Nutzen stiftete, daß sein Nachfolger sie sofort im ersten Jahre seiner Regierung, 1715, wieder aufhob. Anton Ulrichs Hauptschöpfung war das in ben J. 1694 und 1695 nach dem Muster des Schlosses Marly erbauete Lustschloß zu Salzdahlum, eine Stunde von Wolfenbüttel, mit seinen weitläufigen, von Fachwerk erbauten Gebäuden, seinem ausgedehnten, im Geschmack des Le Notre anlegten Lustgarten, mit dem Parnaß, den Wasserkünsten und einem Walde von Statuen, mit seiner bedeutende Sammlungen von unschätzbarem Werthe enthaltenden Kunstkammer, mit der weltberühmten Gemälde-Gallerie, eine der werthvollsten Europas, in ihren Ueberbleibseln gegenwärtig die Zierde des herzoglichen Museums in Braunschweig. Jetzt ist von allen den Herrlichkeiten in Salzdahlum nichts mehr zu sehen. Das Schloß, in welchem am 12. Juni|1733 Friedrich der Große seine Vermählung mit Elisabeth Christine von Braunschweig feierte, ist spurlos verschwunden. Unter der Regierung des Königs Jerome von Westfalen wurde es meistbietend auf den Abbruch verkauft und seine Sammlungen wurden theilweise nach Paris geschleppt, theilweise unter den Hammer gebracht. Verdient hat sich A. U. noch um die Verbesserung der Universität zu Helmstedt, um die Vermehrung der Klosterbibliothek zu Riddagshausen und die Stiftung des Prediger-Seminars daselbst, um die Reform des Katharinen-Gymnasiums zu Braunschweig und Erbauung des 1700 eingeweihten Schulgebäudes desselben und um Vermehrung der Wolfenbütteler Bibliothek gemacht. 1706 begann er den freilich erst unter seinem Nachfolger gänzlich beendeten schönen Bau des jetzigen Bibliotheksgebäudes in Wolfenbüttel nach dem Muster des Pantheons, leider wiederum unsolide aus Holzfachwerk erbaut. — So stolz A. U. auf seine mannigfachen Schöpfungen war, am meisten hob er das Haupt wegen der von ihm auf dem Parnaß der deutschen Litteratur erworbenen Lorbeeren. Seine schriftstellerische Thätigkeit verbreitete sich über das religiös-lyrische Gebiet und über das Feld des Romans. Zur Bebauung des ersten gab ihm sein Lehrer Georg Justus Schottelius Anregung, auf dem zweiten war ihm Andreas Heinrich Buchholz Vorbild. Schon im J. 1659 war er „wegen vortrefflicher Inventiones, die nachgerade auf prächtigem Schauplatze, singkünstlich in anmuthiger deutscher Wohlredenheit, sich darstellen“, unter dem Namen der „Siegprangende“ in die fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen. Von A. Ulrichs 61 Kirchenliedern, welche unter dem Titel: „Christ-Fürstliches Davids-Harpfen Spiel“. Nürnberg 1667 und vermehrt Wolfenbüttel 1670, erschienen, finden sich noch jetzt mehrere in verschiedenen Gesangbüchern aufgenommen. Wenn manche sich durch Vollendung der Form und Tiefe der Empfindung auszeichnen, wie z. B. „Laß Dich Gott"; „Gott, Du bleibest doch mein Gott"; „Ach, Gott, soll ich noch länger klagen“, so sind doch die meisten Lieder mehr das Erzeugniß des denkenden Verstandes, als der Erguß eines begeisterten Gemüths, sie zeigen, daß A. U. nicht zum Dichter geboren, sondern dazu gebildet war. Auf der Wolfenbütteler Bibliothek noch vorhandene handschriftliche Gedichte bezeugen den Antheil, den Schottelius an dem Entstehen derselben gehabt. Sie sind von letzterem durchweg wie ein Schüler-Exercitium durchcorrigirt. Großen Ruf erwarb sich A. U. durch seine Romane, durch welche er gleichsam den historischen Roman begründete. Breit in der Anlage, weitschweifig in der Durchführung, steif pedantisch und gesucht im Stil, kann ihnen dennoch eine künstlerische Gestaltung und Lebendigkeit nicht abgesprochen werden. Sie geben dem sein gebildeten, geistvollen Verfasser öfter Gelegenheit, seine Ansichten über Welt, Liebe und Politik auszusprechen und eine große Gelehrsamkeit zu entfalten, auch in Episoden, welche weder unter sich, noch mit der Hauptgeschichte in Zusammenhange stehen, geschichtlich merkwürdige und interessante Begebenheiten aus seiner Zeit zu erzählen. Der Roman: „Die durchlauchtige Syrerin Aramena“, 5 Thle. Nürnberg 1669, 1673, dann 1778—80, umgearbeitet und verkürzt von S(ophie) A(lbrecht), Berlin 1782—1786. 3 Thle., handelt in der Zeit der Patriarchen, die „Römische Octavia“. Nürnberg 1685—1707. 6 Thle., umgearbeitet und durchaus verändert, Braunschweig 1712. 6 Thle., dazu ein großes Stück eines siebenten Theiles, Wien 1762, versetzt uns in die Zeiten der römischen Kaiser Claudius bis Vespasian. Die in demselben enthaltenen Episoden: „Geschichte der Princessin Solane“ (in der zweiten Auflage „Rhodogune") enthält die Geschichte der Prinzessin Sophie Dorothea von Hannover, der sog. Herzogin von Ahlden und des Grafen Königsmark, natürlich unter erdichtetem Namen verborgen. A. U. schrieb auch verschiedene einzeln gedruckte und auf seiner Hofbühne aufgeführte Singspiele und Opern.

    • Literatur

      Wendebourg, des Herzogs A. U. — geistliche Lieder, nebst Melodieen nach dem Originaltexte ausgewählt. Halle 1856. 12. — W. Hoeck, A. U. und Elisabeth Christine von Braunschweig. Wolfenbüttel 1845. 8°. — G. W. Soldan, Dreißig Jahre des Proselytismus in Sachsen und Braunschweig. Leipzig 1845. 8°.

  • Autor/in

    Spehr.
  • Zitierweise

    Spehr, Ludwig Ferdinand, "Anton Ulrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 1 (1875), S. 487-491 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118503472.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA