Lebensdaten
1903 – 1991
Geburtsort
Eger (Cheb, Böhmen)
Sterbeort
Guilford (Vermont, USA)
Beruf/Funktion
Pianist
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 117466964 | OGND | VIAF: 14959597
Namensvarianten
  • Serkin, Rudolf
  • Serkin, Rudi
  • Serkin, Rudolph

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Serkin, Rudolf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117466964.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Mardko (1860–1922), aus Disna (Rußland), Sänger u. Kantor, später Geschäftsmann;
    M Auguste Schargel ( 1944), aus Wien;
    7 Geschw u. a. Amalia (Maltschi) (1904–96, Hugo Buchthal, 1909–96, Kunsthist., emigrierte 1934 n. London, Mitarb. am Warburg Inst., 1965–75 Prof. am Inst. of Fine Arts d. New York Univ., Mitgl. d. Brit. Ac. u. d. Royal Asiatic Soc., Schlumberger-Preis d. Ac. des Inscriptions et Belles Lettres 1958, s. L), Buchillustratorin;
    1935 Irene (1917–98), Geigerin, T d. Adolf Busch (1891–1952), Geiger, Dirigent, Komp. (s. NDB III; BHdE; MGG²), u. d. Frieda Grüters (1891–1946);
    2 S, u. a. John Arthur (* 1942), Hornist, Peter (* 1947), Pianist (s. New Grove²; MGG²), 5 T (1 früh †) u. a. Elisabeth Hedwig (* 1938), Soziol., Judith (* 1950), Cellistin;
    Gvm d. Ehefrau Hugo Grüters (1851–1928), städt. Musikdir. in Bonn, Prof. (s. DBJ X, Tl.; Riemann); Tante-m d. Ehefrau Elli Grüters ( Hans Cloos, 1885–1951, o. Prof. d. Geol. in Breslau u. Bonn, s. NDB III).

  • Biographie

    S.s musikalisches Talent zeigte sich früh. Er lernte Klavier bei Clara Taussig in Eger und absolvierte bereits als Fünfjähriger seinen ersten Auftritt in Franzensbad. Am Prager Konservatorium als zu jung abgewiesen, erhielt der Neunjährige durch Vermittlung Alfred Grünfelds (1852–1924) Unterricht in Wien bei Richard Robert (1861–1924). Sein Début gab 1916 in Wien mit Mendelssohns g-Moll-Konzert mit dem Wiener Tonkünstlerorchester unter Oskar Nedbal, kurz darauf folgte sein erstes Solokonzert. Um diese Zeit nahm er seine Studien bei Joseph Marx (1882–1964) (Komposition u. Kontrapunkt) auf. Eine S. prägende Persönlichkeit in Wien war Eugenie Schwarzwald (1872–1940), die ihn mit Intellektuellen und Künstlern wie Karl Popper, Adolf Loos und Oskar Kokoschka bekannt machte. Nach dem 1. Weltkrieg wurde S. in den Kreis um Arnold Schönberg (1874–1951) aufgenommen, von dem er nach eigener Aussage am stärksten beeinflußt wurde. Er studierte bei Schönberg drei Jahre Komposition und fungierte als Pianist in dessen „Verein für musikalische Privataufführungen“. 1920 kam S. in Kontakt mit Adolf Busch (1891–1952), der S.s persönlich und musikalisch engste Bezugsperson wurde. Zunächst bei den Buschs in Berlin-Lichtenfelde lebend, siedelte er mit ihnen 1922 nach Darmstadt und 1927 nach Basel über. Er konzertierte mit Busch im Duo (Début Berlin 1921), seit 1922 im Trio (gemeinsam mit dem Cellisten Paul Grümmer bzw. später Buschs Bruder Hermann), mit dessen Quartett sowie seinem Kammerorchester, den „Busch Chamber Players“. Daneben baute er seine solistische Karriere aus. 1922 spielte er das Reger-Konzert unter Furtwängler in Wien; 1932 erfolgte sein Solo-Début in London. Seit 1933 sah sich S. Anfeindungen, schließlich auch einem Auftrittsverbot in Deutschland ausgesetzt; Adolf Busch, der sich mit S. solidarisierte, mied Deutschland ebenfalls. 1937 erwarb S. die Schweizer Staatsbürgerschaft. 1939 emigrierte er in die USA und wurde amerik. Staatsbürger. Sein USA-Début hatte S. 1933 gegeben. Den Durchbruch brachten die Konzerte 1936 in|New York unter Toscanini (Klavierkonzerte v. Beethoven Nr. 4 und Mozart KV 595). 1937 folgte sein Solo-Début in der Carnegie Hall. 1939 wurde S. als Leiter des Klavierdepartments an das „Curtis Institute of Music“ in Philadelphia berufen (Dir. 1968–76), wo er Konzertpianisten wie Yefim Bronfman, Richard Goode, Gary Graffman und Murray Perahia ausbildete. Nach Kriegsende nahm S. seine internationale Karriere wieder auf. 1950 beteiligte er sich erstmals am Festival von Pablo Casals in Prades – die Begegnung mit Casals führte zur berühmten Einspielung der Beethoven-Cellosonaten. 1951 gründete S. gemeinsam mit Adolf Busch und dem Flötisten Marcel Moyse das „Marlboro Music Festival“ in Vermont mit den Sommerkursen der „Marlboro School of Music“; nach Buschs Tod 1952 übernahm S. die alleinige Leitung. Er absolvierte ca. 60 Konzerte pro Jahr, 1957 trat er erstmals wieder in Deutschland auf (in der Folge regelmäßige Konzerte; seit 1962 in Österreich; erst 1988 in der Tschechoslowakei).

    S.s Repertoire war weiter gespannt als es der durch seine Einspielungen vermittelte Eindruck suggeriert. Im Zentrum stand das dt. Repertoire mit Bach, Mozart, Beethoven, Schumann; durch Adolf und Fritz Busch (1890–1951) wurde er einer der führenden Exponenten des Werkes von Reger, der auch im „Verein für musikalische Privataufführungen“ der am häufigsten aufgeführte Komponist gewesen war. S.s Programme umfaßten lange Zeit aber regelmäßig auch Werke von Debussy und Ravel. Bis ins Alter spielte er Chopin – eine zuvor unveröffentlichte Aufnahme der Préludes op. 28 erschien 2005 auf CD. Ebenso führte er andere unbekanntere Werke wie Klavierstücke von Smetana auf; als einer der ersten Pianisten widmete er sich den Klaviersonaten Franz Schuberts. Trotz seiner Lehrjahre bei Schönberg spielte er Neue Musik später nur sporadisch. 1957 war er Uraufführungsinterpret der ihm gewidmeten Klaviersonate von Bohuslav Martinů. Er hatte einige Jahre Bartóks erstes und Prokofieffs viertes Klavierkonzert im Repertoire. Vor einer Aufführung und Einspielung der gesamten Klaviersonaten Beethovens scheute er jedoch zurück.

    S.s Spiel, manuell souverän, kennzeichnete eine enorme geistige Durchdringung, war dabei von äußerster Expressivität geprägt. Er mied jeglichen oberflächlichen Effekt und reinen Schönklang, stellte sich ganz in den Dienst an der Werkstruktur, ohne je in blasse Klassizität zu verfallen. Starke rhythmische Akzentuierung und ein großes dynamisches Spektrum führten zu dem Eindruck einer häufig konstatierten „Wildheit“ seines Spiels.

  • Auszeichnungen

    u. a. Presidential Medal of Freedom (1963);
    Ehrenmitgl. d. New York Philharmonic Soc. (1972);
    Gr. BVK (1974); Ernst v. Siemens Musikpreis (1978);
    Orden Pour le mérite f. Wiss. u. Künste (1981);
    Orden d. franz. Ehrenlegion (1984);
    National Medal of Arts (1988);
    Mitgl. d. American Ac. of Arts and Sciences u. d. Nat. Council on the Arts;
    Dr. h. c. (Curtis Inst., Harvard Univ., Williams College, Univ. of Rochester, New England Conservatory, Marlboro College, Temple Univ., Oberlin College, Univ. of Vermont).

  • Werke

    frühe Komp.versuche;
    umfangr. Diskographie:
    Einspielung v. Klavierrollen f. d. Welte-Mignon-Flügel, 1928 (mit Repertoire, von dem keine weiteren Aufnahmen vorhanden sind, wie Schuberts c-moll-Sonate D 958, Bachs Goldberg-Variationen sowie einige Chopin-Etüden);
    erste Aufnahmen f. His Master's Voice, 1928, v. a. mit d. verschiedenen Busch-Formationen, aber auch einige Solowerke (d. „Appassionata“, 1936 in d. Philips-Anthologie „Great Pianists of the 20th Century“ aufgenommen) u. Mozart-Konzerte;
    – der Großteil d. Aufnahmen entstand f. d. amerik. Label Columbia;
    – unter d. vielen herausragenden Einspielungen erlangten v. a. d. 1. Klavierkonzert v. Brahms (unter George Szell) sowie Beethovens Hammerklaviersonate u. Diabellivariationen Referenzstatus.

  • Literatur

    D. Henahan, in: The New York Times v. 10. 5. 1991 (P);
    G. Koch, in: FAZ v. 11. 5. 1991 (P);
    NZZ v. 11. 5. 1991;
    J. Kaiser, in: SZ v. 11./12. 5. 1991 (P);
    ders., Gr. Pianisten in unserer Zeit, ⁷1989;
    St. Lehmann u. M. Faber, R. S., A Life, 2002 (P);
    J. Chmelíková, Maestro R. S., Ausst.kat. d. Mus. Cheb, 2003 (P);
    Munzinger;
    MGG²;
    New Grove (P);
    New Grove² (P);
    Biogr. Lex. Böhmen;
    BHdE II;
    Hdb. österr. Autoren jüd. Herkunft;
    ANB;
    zu Hugo Buchthal:
    BHdE II;
    Biogr. Hdb. Kunsthist.

  • Autor/in

    Stephan Hörner
  • Zitierweise

    Hörner, Stephan, "Serkin, Rudolf" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 268-269 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117466964.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA