Lebensdaten
1872 – 1940
Geburtsort
Polupanowka (Galizien)
Sterbeort
Zürich
Beruf/Funktion
Pädagogin ; Schulgründerin ; Sozialreformerin
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118763075 | OGND | VIAF: 64803161
Namensvarianten
  • Nußbaum, Eugenie (geborene)
  • Schwarzwald, Eugenie
  • Nußbaum, Eugenie (geborene)
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Personen in der NDB Genealogie
Personen im NDB Artikel

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Schwarzwald, Eugenie, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118763075.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Leo Nußbaum ( 1900), aus Czernowitz;
    M Esther N. N. (1840–1907);
    Wien 1900 Hermann Schwarzwald (1871–1939, jüd.), aus Czernowitz, Dr. iur., seit 1905 im österr. Handelsmin., seit 1919 Sektionschef ebd., 1924–26 Aufsichtsratspräs. d. Anglo-Austrian Bank (s. L).

  • Biographie

    S. übersiedelte als Kind mit ihren Eltern nach Czernowitz, wo sie ein Mädchenlyzeum und die Lehrerinnenbildungsanstalt besuchte. Seit 1895 studierte sie Dt. Sprache, Literatur, Englisch, Philosophie und Pädagogik an der Univ. Zürich. Hier wurde sie 1900 mit einer Dissertation über „Metapher und Gleichnis bei Berthold von Regensburg“ (gedr. 1902) zum Dr. phil. promoviert. Noch im selben Jahr übersiedelte sie nach Wien, heiratete den Staatsbeamten Hermann Schwarzwald und erwarb im Herbst 1901 das sechsklassige Mädchenlyzeum von Eleonore Jeiteles (1841–1918). Diesem Lyzeum gliederte sie zu einer Zeit, als es in Wien nur ein einziges Mädchengymnasium gab, vierjährige Gymnasialkurse an und bot damit Schülerinnen die Möglichkeit, das Abitur abzulegen. 1902 eröffnete sie an ihrem Lyzeum eine Koedukationsvolksschule, 1909 ein vierklassiges Realgymnasium (1911 auf acht Klassen erweitert). Während des 1. Weltkriegs initiierte sie chemische Fachkurse sowie eine Rechtsakademie für Frauen, 1920 schließlich gründete sie die erste Frauenoberschule Wiens. Außerordentliche Lehrkräfte und hervorragende Künstler garantierten ein hohes Bildungsniveau: Oskar Kokoschka unterrichtete Zeichnen, Adolf Loos Kunstgeschichte und Arnold Schönberg Komposition. Die Schriftstellerin Hilde Spiel, die Schauspielerin Elisabeth Neumann-Viertel und die Kunsthistorikerin Emmely Wellesz zählen zu den Schülerinnen der „Schwarzwaldschen Schulanstalten“. S.s unkonventionelle, moderne pädagogische Methoden, die eine gewisse Nähe zur Reformpädagogik aufweisen, und ihre hartnäckigen Bemühungen um weibliche Emanzipation brachten sie in Konflikt mit der Schulbehörde; 1904 mußte sie von der Leitung der Schule zurücktreten, ein männlicher Direktor wurde ihr beigestellt.

    In S.s Haus verkehrten Menschen mit sehr unterschiedlicher Gesinnung wie der marxistische Philosoph Georg Lukács, der Architekt Adolf Loos sowie die Schriftsteller Elias Canetti, Karin Michaelis, Rainer Maria Rilke und Robert Musil, in dessen Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ sie als literarische Gestalt figuriert. In der Tradition jüd. Wohlfahrtspflege, finanziert durch Spenden und mit unermüdlichem Einsatz errichtete S. während des 1. Weltkriegs ein verzweigtes Wohlfahrtswerk. Sie schickte unterernährte Kinder aufs Land, gründete Erholungsheime für Kinder und Erwachsene und bewahrte durch die kostengünstige Abgabe von Speisen in ihren Gemeinschaftsküchen zahlreiche Wiener vor dem Hungertod (Zus.fassung dieser Initiativen im „Schwarzwaldschen Wohlfahrtswerk“ 1922). Im Frühjahr 1938 hielt sich S. anläßlich einer Vortragsreise in Dänemark auf, von wo sie nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Österreich|über Paris nach Zürich flüchtete. Das gesamte Vermögen, die Klassenräume und die kostbaren Sammlungen der prominenten „jüd. Eliteschule“ wurden beschlagnahmt, die Anstalt geschlossen. S.s Lebenswerk ist in zweifacher Hinsicht bedeutsam: Als überaus moderne Pädagogin verhalf S. zahlreichen Frauen zu einer ausgezeichneten Bildung und ebnete ihnen den Weg zu einem akademischen Studium. Als Sozialreformerin bewahrte sie während des 1. Weltkriegs Tausende Wiener vor dem Hungerstod.

  • Literatur

    P. Stefan, Frau Doktor, Ein Bildnis aus d. unbek. Wien, 1922;
    F. Scheu, Ein Band d. Freundschaft, S.-Kreis u. Entstehung d. Ver. Sozialist. Mittelschüler, 1985;
    M. G. Hall, Die Ver.tätigkeit d. E. S., in: Parnaß, Sonderh. 2, 1985, S. 92–99 (P);
    A. Herdan-Zuckmayer, Genies sind im Lehrplan nicht vorgesehen, 1981;
    H. Deichmann, Leben mit provisor. Genehmigung, 1988 (Qu);
    R. Streibl (Hg.), E. S. u. ihr Kreis, 1996 (P);
    Wir sind die ersten, die es wagen, 1997;
    R. Göllner, Kein Puppenheim, 1999;
    Who is Who in d. soz. Arbeit;
    R. Freund, Land d. Träumer, 1996, S. 101–15 (P);
    F. Weissensteiner, Gr. Österreicher d. 20. Jh., 1997 (P);
    Kosch, Lit.-Lex.³(L);
    Killy;
    Lex. d. österr. Exillit.;
    Lex. d. Frau;
    Gelehrte Frauen (P);
    Hist. Lex. Wien;
    Hdb. österr. Autoren jüd. Herkunft;
    ÖBL;
    Wissenschafterinnen in Österr. (P);
    Nachlaß:
    Stadt- u. Landesarchiv Wien;
    S.-Archiv, Mailand;
    zu Hermann:
    Jb. d. Wiener Ges., 1929;
    G. Enderle-Burcel u. M. Follner, Diener vieler Herren, Biogr. Hdb. d. Sektionschefs d. Ersten Republik u. d. J. 1945, 1997;
    Hdb. österr. Autoren jüd. Herkunft.

  • Porträts

    Fotos im Bildarchiv d. Österr. Nat.bibl., Wien.

  • Autor/in

    Renate Göllner
  • Zitierweise

    Göllner, Renate, "Schwarzwald, Eugenie" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 34-35 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118763075.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA