Lebensdaten
1852 – 1911
Geburtsort
Düsseldorf
Sterbeort
Marburg
Beruf/Funktion
Vergleichender Sprachwissenschaftler ; Dialektforscher ; Bibliothekar ; Begründer des Deutschen Sprachatlas
Konfession
reformiert
Namensvarianten
  • Wenker, Johann Arnold Georg
  • Wenker, Georg
  • Wenker, Johann Arnold Georg

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Zitierweise

Wenker, Georg, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz140496.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johann Gottfried (Wencker) (1809–69), Hofbuchbinder u. Kunsthändler in D., S d. Peter Zacharias Gottfried (1781–1859), Bierbrauer, Eigentümer d. Brauhauses „Krone am Markt“ in Dortmund;
    M Wilhelmine Dorothea (1815–98), T d. Friedrich Adolph Heinrich Petri;
    Niederschelden 1880 Karoline Steinseifer (1857–1953), aus Eiserfeld b. Siegen;
    1 S Heinrich (1892–1959), 2 T Else (1881–1908), Luise (1884–1979).

  • Biographie

    W. stammte aus einem bürgerlichen Bildungshaushalt mit unternehmerischen Wurzeln. Er besuchte die Realschule in Düsseldorf und wechselte 1867 auf das dortige Gymnasium. Noch als Schüler meldete er sich 1870 / 71 zum Kriegsdienst und erwarb 1872 das Reifezeugnis. Anschließend studierte er Klassische und Germanische Philologie, Vergleichende Sprachwissenschaft und Philosophie an den Universitäten Zürich, Bonn und Marburg. Zu seinen Lehrern zählen u. a. Ernst Moritz Ludwig Ettmüller (1802–77), Karl Simrock (1802–76), Johannes Schmidt (1843–1901), Ferdinand Justi (1837–1907) und Hermann Cohen (1842–1918). 1876 wurde W. bei Adelbert v. Keller (1812–83) in Tübingen zum Dr. phil. promoviert. Insbesondere mit Justi, dem W. seine Dissertation widmete, bestand eine enge wissenschaftliche und persönliche Verbundenheit. Hinsichtlich seiner sprachtheoretischen Konzepte sind in W.s Werk hingegen Einflüsse seines Bonner Lehrers Schmidt deutlich. W. blieb zeitlebens mit seinen Schul- und Studienfreunden Paul Natorp (1854–1924) und Karl von den Steinen (1855–1929) eng verbunden.

    W.s Berufsleben verlief auf zwei Bahnen, der des Sprachwissenschaftlers und der des Bibliothekars. In den Bibliotheksdienst trat er im Anschluß an sein Studium ein. Nach einem Volontariat 1877 an der Landesbibliothek zu Düsseldorf wechselte er im Folgejahr als Volontär, dann als Hilfsarbeiter an die|Universitätsbibliothek Marburg. 1880 übernahm er dort einen Teil der Custodengeschäfte und wurde 1883 zum Custos ernannt (1897 Oberbibliothekar). W. erwies sich als innovativ und meldete 1893 ein eigenes Regalsystem zum Patent an.

    Weitaus prägender ist hingegen W.s wissenschaftliche Tätigkeit. Schon als Schüler entwickelte W. ein Forschungskonzept, in das sich seine spätere Arbeit einordnen läßt. Seine Dissertation ist ein sehr frühes Beispiel einer korpusbasierten und dabei quantitativ verfahrenden sprachtypologischen Arbeit. Gegenstand ist der Stammsilbenauslaut im Germanischen, den W. sprachvergleichend in den Blick nahm. Dabei fanden auch die Dialekte als historische Kontinuanten des Germanischen sein Interesse. Noch während seiner Dissertation nahm er erste direkte Dialekterhebungen vor. Schon bald entwickelte er einen Fragebogen zur indirekten Dialekterhebung, den er in der Folge verschiedentlich überarbeitete. Seine Idee bestand darin, an den Schulen seiner rheinischen Heimat hochsprachliche Sätze in den jeweiligen Ortsdialekt der Schüler übertragen zu lassen. Aus einer ersten Erprobung an 1500 Schulen resultierte 1877 „Das rheinische Platt“. W. erweiterte sein Erhebungsgebiet und legte 1878 im Zuge eines Antragsverfahrens an der Preuß. Akademie der Wissenschaften den „Sprach-Atlas der Rheinprovinz nördlich der Mosel sowie des Kreises Siegen“ vor, der von den Gutachtern Heinrich Kiepert (1818–99) und Karl Müllenhoff (1818–84) sehr positiv aufgenommen wurde. Aus diesem Erfolg erwuchs mit staatlicher Förderung der „Sprach-Atlas von Nord- und Mitteldeutschland“ (1881), der allerdings nur in einer ersten Lieferung ausgefertigt wurde. Auch ein Atlas der Pronomina in Nordwestdeutschland, der bereits gedruckt, aber noch nicht ausgeliefert war, wurde aus strategischen Gründen zurückgehalten. W. wurde stattdessen die Dokumentation des gesamten Dt. Reichs übertragen, was schließlich zum „Sprachatlas des Deutschen Reichs“ (1889–1923) auf der Grundlage von insgesamt 40 Erhebungssätzen führte. Um dies in einer kleinen Arbeitsgruppe bewältigen zu können, wurde W. von seiner Bibliothekstätigkeit teilweise freigestellt.

    W.s Leistung wurde bereits zu seinen Lebzeiten ausführlich gewürdigt. Schon der Sprachatlas von Nord- und Mitteldeutschland wurde international äußerst günstig aufgenommen und auch der Sprachatlas des Dt. Reichs erfuhr z. B. auf der Weltausstellung 1894 internationale Anerkennung. Jedoch wurde sein Werk auch kritisiert. Ein Disput mit Otto Bremer (1862–1936) konnte W.s Verdienste auf Dauer nicht schmälern, hat jedoch das Bewußtsein für die Problematik seiner Methode laienbasierter Verschriftungen geschärft und damit auch den weiteren Umgang mit dem historischen Material geprägt.

    Heute gilt W. als wichtigster Wegbereiter der Sprachkartographie im 19. Jh. Sein Werk wird noch immer wissenschaftlich ausgewertet, die nach ihm benannten „Wenkersätze“ sind zu einem, wenn auch nicht unumstrittenen Standardinstrument der Dialektologie geworden. Mit dem Sprachatlas der Rheinprovinz hat W. den international ersten Sprachatlas im Sinne einer Sammlung mehrerer Sprachkarten vorgelegt. Der von ihm konzipierte und 1879–88 erhobene Sprachatlas des Dt. Reichs gilt bis heute als wichtigste Dokumentation der dt. Dialekte sowie der Fremdsprachen im Dt. Reich. Mit seinen über 45 000 Erhebungsorten handelt es sich um die größte flächendeckende Dokumentation einer Nationalsprache. Auf konzeptueller Ebene hat W. Begriffe wie u. a. die „Benrather Linie“ oder den „Rheinischen Fächer“ geprägt, die zum Kanon des germanistischen Studiums gehören. Die später von seinem Mitarbeiter und Nachfolger Ferdinand Wrede (1863–1934) entwickelte Soziallinguistik findet ihre Anfänge ebenfalls in W.s Schriften. Zugleich gelten seine Erhebungen seit 1876 als Gründungsakt des bis heute bestehenden Forschungszentrums Dt. Sprachatlas an der Univ. Marburg.

  • Auszeichnungen

    |Mitgl. d. Ver. f. niederdt. Sprachforsch. (1876) u. d. Ver. f. hess. Gesch. u. Landeskde. (1880);
    Ehrenmitgl. d. Vlaamsche Ac. voor Taal en Letterkunde (1886);
    Kolumbusmedaille auf d. Weltausst. in Chicago (1894);
    Prof.-Titel (1897);
    Mitgl. d. Rats d. höheren Provinzialbeamten in Preußen (1901);
    Roter Adlerorden 4. Kl. (1907);
    Silberne Leibniz-Medaille (1911);
    W.-Str. in Düsseldorf (1926).

  • Werke

    |Über d. Verschiebung d. Stammsilben-Auslauts im Germanischen, Diss. Tübingen, 1876;
    Das rhein. Platt 1876, ²1877;
    Sprach-Atlas d. Rheinprov. u. d. Kreises Siegen nördl. d. Mosel, 1878;
    Sprach-Atlas v. Nord- u. Mitteldtld., 1881;
    Sprachatlas d. Dt. Reichs, 1889–1923;
    Der Sprachatlas d. Dt. Reichs, Dichtung u. Wahrheit, 1895;
    Schrr. z. „Sprachatlas d. Dt. Reichs“, 2 Bde., hg. v. A. Lameli, 2013;
    Patente: Marburger Repositorium mit verstellbaren Tragblechen, DRP 703841, 1893 (entwickelt u. vertrieben mit Franz zum Egen);
    Improvements in Adjustable Book Shelves, brit. Patent 11,412, 1893;
    Nachlaß: Forsch.zentrum Dt. Sprachatlas, Archiv, Marburg.

  • Literatur

    |B. Martin, in: Dt. Dialektgeographie 21, 1933, S. 1–37;
    A. Lameli, Was W. noch zu sagen hatte …, Die unbek. Teile d. „Sprachatlas d. Dt. Reichs“, in: Zs. f. Dialektol. u. Linguistik 75, 2008, S. 255–81;
    |ders., Erll. u. Erschließungsmittel zu G. W.s Schrr. 2014;
    S. Elspaß, in: Internat. Germanistenlex.;
    R. Hildebrandt, in: Lex. grammaticorum;
    W. H. Veith, in: Enc. of Language & Linguistics, ²2006.

  • Autor/in

    Alfred Lameli
  • Zitierweise

    Lameli, Alfred, "Wenker, Georg" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 787-788 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz140496.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA