Lebensdaten
1895 – 1975
Geburtsort
Wiesbaden
Sterbeort
(Ost-) Berlin
Beruf/Funktion
Schauspieler ; Regisseur ; Dramaturg ; Gründungsmitglied des Nationalkomitees Freies Deutschland
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 117137154 | OGND | VIAF: 54359398
Namensvarianten
  • Wangenheim, Ingo Clemens Gustav Adolf Freiherr von
  • Huss, Hans (Pseudonym)
  • Wangenheim, Gustav von
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Zitierweise

Wangenheim, Gustav von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117137154.html [27.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit 1133 mit Ludovicus de W. nachweisbarer thür. Adelsfam.;
    V Eduard (Ps. Eduard v. Winterstein) (1871–1961), aus Wien, Schausp. 1893 in Annaberg, ab 1895 am Schillertheater u. später am Dt. Theater Berlin, u. a. Titelrolle in Lessings „Nathan d. Weise“, ab 1913 auch in Filmrollen, Vf. e. Autobiogr. (s. Kosch, Theater-Lex., S. 3450 f.), S d. Hugo (1834–1924, 1] 1856–63 Emilie Durst, 1839–1919, 3] 1883 Maria Meier, T e. Prof.), aus Gotha, k. u. k. Lt., Gutspächter in Kreuzen b. Grein/Donau, u. d. Aloysia (Louise) Dub (1837–1904), Schausp. u. a. am Burgtheater in Wien u. in Gera;
    M Minna (Minni) (1871–99), aus Grebswarden (Oldenburg), T d. Christian Eduard Mengers (* 1842) u. d. Ida Helene Wilhelmine Hayen (* 1850);
    seit 1900 Stief-M Hedwig Pauly (1866–1965, jüd.), aus Breslau, Schausp. u. a. in Magdeburg, Bremen, am Dt. Theater Berlin, am Schillertheater Berlin, am Residenztheater in München u. a. an d. Secessionsbühne in Berlin (s. Kosch, Theater-Lex., S. 3451);
    Ur-Gvv Adolf Dub, Fabrikdir. in Jánosháza (Ungarn);
    B Hans Georg (1900–21);
    1) Berlin 1931 1961 Inge (Ingeborg) Franke (s. 2; L), 2) Berlin 1961 1961 Katharina (Käthe) Haferkorn ( 1989);
    2 S aus 1) (1 früh †) Friedel (1939–2001, 1] 1942–63 Helga Kerschbaum, * 1941, 2] 1988 Renate Reinecke, * 1944, Schausp., 1] Klaus Raab, Dr., T d. Horst Reinecke, Schausp., Regisseur, stellv. Chefdramaturg d. DEFA), Schausp., Dramaturg, Bühnenautor (s. Kosch, Theater-Lex.; Lex. Schausp. DDR), 2 T aus 1) Elisabeth (Li) (* 1946, 1] Elias Younes, * 1953, kaufmänn. Angest., 2] Friedrich Hass, Marineoffz.), Buchhändlerin, Eleonore (Lo) (* 1946), Kunsthist. in Hamburg;
    E Inra v. W.-Zeise (* 1961), Kauffrau, Laura (* 1968), Designerin, Autorin in B. (s. L), Melina Pink (* 1977), Illustratorin, Ellen (* 1982), Kristian (* 1986).

  • Biographie

    Nach dem Gymnasium, das er vor dem Abitur verließ, und einer abgebrochenen Gärtnerlehre besuchte W. ab 1913 die Schauspielschule Max Reinhardts (1873–1943) in Berlin und absolvierte erste Bühnenauftritte in Wien, Darmstadt und Berlin. 1914 zum Kriegsdienst eingezogen, kämpfte er an der Westfront, wurde aber wegen einer Augenverletzung 1915 wieder ausgemustert und konnte seine schauspielerische Laufbahn (u. a. am Dt. Theater Berlin u. am Wiener Burgtheater) fortsetzen.

    1916 debütierte er auch beim Film und spielte danach u. a. in Komödien Ernst Lubitschs (1892–1947) wie „Romeo und Julia im Schnee“ (1920) oder „Kohlhiesels Töchter“ (1920), aber auch in Arthur Robisons (1883–1935) „Schatten – Eine nächtliche Halluzination“ (1923) und Fritz Langs (1890–1976) „Frau im Mond“ (1929). Berühmt wurde er in der Rolle des Hutter in „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (1922) von Friedrich Wilhelm Murnau (1888–1931). Schon während des 1. Weltkriegs hatte er erste Theaterstücke („Der Mann Fjodor“, „Lausbub Franz“) und Texte für das Berliner Kabarett „Schall und Rauch“ verfaßt. Nachdem er 1913 der Schauspielergewerkschaft „Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger“ beigetreten war, engagierte er sich gegen Kriegsende im links orientierten „Rat geistiger Arbeiter“. 1918 wurde er Mitglied der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USDP), 1922 der Kommunistischen Partei (KPD), die ihm die Leitung ihres „Zentralen Sprechchors“ übertrug. Neben seiner freiberuflichen Film- und Bühnentätigkeit u. a. am Hoftheater Darmstadt, am Dt. Schauspielhaus in Hamburg und am Dt. Theater Berlin galt W.s eigentliches Interesse dem proletarischen Laienspiel: 1924 gründete er die Arbeiterspieltruppe des „Bundes der Kriegsopfer“, im Jahr darauf die Arbeiter-Wanderbühne „Barbusse-Truppe“, schließlich die „Truppe 1931“, deren Mitglieder einer kommunistischen Zelle angehörten. Mit diesen Ensembles unternahm er zahlreiche Gastspiele in dt. Städte und das benachbarte Ausland. Daneben schrieb und inszenierte er Stücke für Agitprop-Ensembles wie „Kollektiv Rote Schauspieler“ oder „Die Roten Blusen“, so u. a. einen „Chor der Arbeit“. Seine „Massenpantomime gegen den Krieg“ wurde 1924 verboten.

    Nach der „Machtergreifung“ Hitlers emigrierte W. mit seiner Frau 1933 in die Sowjetunion. Dort gründeten er und andere Emigranten das „Deutsche Theater Kolonne Links“; W. war daneben publizistisch und schriftstellerisch tätig. Nach einem von ihm verfaßten Drehbuch und unter seiner Regie entstand 1936 mit dt. Exilschauspielern der Film „Kämpfer“ über die politische Erweckung eines jungen Arbeiters, der durch das „heroische“ Auftreten des kommunistischen Angeklagten Georgi Dimitroffs im Reichstagsbrandprozeß selbst zum kommunistischen Widerstandskämpfer gegen den Faschismus wird. Kurz nach der Premiere von „Kämpfer“ wurde der Film verboten, einige seiner Mitwirkenden im Zuge der stalinistischen „Säuberungen“ verhaftet und später exekutiert. Auch W. geriet ins Visier des sowjet. Geheimdienstes und wurde 1936 verhört. Dabei belastete er seine Kollegin und Mit-Emigrantin Carola Neher (1900–42) und deren Mann Anatol Becker (1903–37). Beide wurden als „Trotzkisten“ verhaftet, Anatol Becker erschossen, Carola Neher zu zehn Jahren Haft verurteilt, während der sie verstarb. Inwieweit W.s Aussage ursächlich zur Verhaftung Nehers führte, ob sie unter Druck zustande kam oder im Kontext der stalinistischen Diktatur verfälscht wurde, bleibt umstritten. Von der NS-Justiz in Abwesenheit zum Tode verurteilt und vom Dt. Reich ausgebürgert, nahm W. 1940 die sowjet. Staatsbürgerschaft an. Er arbeitete als Sprecher für den dt. Dienst von Radio Moskau und wurde drei Jahre später, neben Walter Ulbricht (1893–1973), Johannes R. Becher (1891–1958) und Wilhelm Pieck (1876–1960), Gründungsmitglied des „Nationalkomitees Freies Deutschland“. 1945 kehrte er nach Deutschland zurück und ließ sich in Ost-Berlin nieder. Als Mitglied der SED leitete er vorübergehend das Theater am Schiffbauerdamm und das Dt. Theater. Dort inszenierte er u. a. Klassiker wie Shakespeares „Hamlet“ und moderne Stücke wie „Stürmischer Lebensabend“ von Leonid Rachmanow. Während seiner Intendanz am Dt. Theater setzte er sich erfolgreich für die Rehabilitierung von Gustaf Gründgens (1899–1963) ein. In den 1950er Jahren beschloß W. seine Karriere als Regisseur und Schauspieler am Theater Altenburg.

    Unter W.s Regie entstanden seit 1948 auch Filme für die „Deutsche Film AG“ (DEFA), so „Und wieder 48“, eine aufwändig produzierte, marxistisch geprägte Reflexion über die „unvollendete“ Märzrevolution von 1848 am Beispiel des Studenten und Barrikadenkämpfers Gustav Adolph Schlöffel (1828–49) nach einem Drehbuch mit seiner Frau Inge. Weitere Filme W.s, die mit ihrer holzschnittartigen Dramaturgie und ihren prononcierten politischen Botschaften in der Tradition des Agitprop stehen, behandelten Themen wie Industriespionage („Der Auftrag Höglers“, 1949), Wiederaufrüstung („Gefährliche Fracht“, 1953) oder Sabotage aus Eigennutz („Heimliche Ehen“, 1956). Beim Publikum blieben sie erfolglos.

    W. verstand sich als politischer Künstler im Dienste der marxistischen Ideologie, für den es ebensowenig eine Trennung zwischen Kunst und Politik gab wie die Existenzberechtigung einer von gesellschaftlichen Zusammenhängen losgelösten, „wertfreien“ Kunstausübung. Trotz seines emphatischen Bekenntnisses zum Kommunismus blieb W. menschlich, künstlerisch wie (partei-)politisch zeitlebens ein Außenseiter.

  • Auszeichnungen

    |Nat.preis III. Kl. (1950);
    VVO in Silber (1955), Gold (1966) u. mit Ehrenspange (1975);
    Ernst Moritz Arndt-Medaille (1957);
    Erich-Weinert-Medaille (1959);
    Orden „Banner d. Arbeit“ (1960);
    Medaille „Kämpfer gegen d. Faschismus“ (1968);
    Dr. h. c. (HU Berlin 1966).

  • Werke

    Weitere W Bühnen- bzw. Agitprop-Stücke: Chor d. Arbeit, 1923;
    7000 Chor, 1924;
    Zehn Jahre Krieg, 1924;
    Das Feuer, 1926;
    Erinnert Euch, 1928;
    Chorwerk über d. 8-Stundentag, 1929;
    Die Mausfalle, 1931;
    Da liegt d. Hund begraben, 1932, 1974;
    Wer ist der Dümmste, 1932;
    Das Urteil, 1933;
    Helden im Keller, 1934;
    Volksfreund, 1938;
    Olymp. Ziel, 1940;
    Fährmann wohin, 1941;
    Die fromme Martha, 1946;
    Die Maus in d. Falle, 1948;
    Du bist d. Richtige, 1950;
    Auch in Amerika …, 1950;
    Wir sind schon weiter, 1951;
    Studentenkomödie, 1958;
    Die vertauschten Brüder, 1960;
    Hier muß e. Mann ins Haus, 1960.

  • Literatur

    |R. May u. H. Jackson (Hg.), Filme f. d. Volksfront, Erwin Piscator, G. v. W., Friedrich Wolf, Antifaschist. Filmemacher im sowjet. Exil, 2001;
    R. Müller, Menschenfalle Moskau, Exil u. stalinist. Verfolgung, 2001;
    G. Rühle, Theater in Dtld. 1945–1966, Seine Ereignisse, seine Menschen, 2014;
    Laura v. Wangenheim, In den Fängen d. Gesch., Inge v. W., Fotogrr. aus d. sowjet. Exil 1933–1945, 2013 (P);
    Killy;
    Wer war wer DDR;
    Lex. Widerstand;
    Kosch, Theater-Lex.;
    Lex. Schausp. DDR, S. 466;
    Munzinger;
    BHdE II;
    CineGraph;
    Dt. Kommunisten;
    Lex. sozialist. Lit. (W);
    zur Fam.: G. v. Wilcke, Thüringer Theaterblut, Die v. W., in: Archiv f. Sippenforsch. 53, 1987, H. 107, S. 170–94;
    GHdA 74, Frhrl. Häuser XII, 1980, bes. S. 439;
    GHdA 120, Frhrl. Häuser 21, 1999, bes. S. 560.

  • Autor/in

    Friedemann Beyer
  • Zitierweise

    Beyer, Friedemann, "Wangenheim, Gustav von" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 402-404 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117137154.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA