Lebensdaten
1904 – 1988
Geburtsort
Düsseldorf
Sterbeort
Wiesbaden
Beruf/Funktion
Soziologe ; Ethnologe
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118737333 | OGND | VIAF: 92373382
Namensvarianten
  • Mühlmann, Wilhelm Emil
  • Mühlmann, Wilhelm E.
  • Mühlmann, W. E.
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Zitierweise

Mühlmann, Wilhelm Emil, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118737333.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Emil;
    M Emilie Wehmeyer;
    1934 Annemarie (1905–89), Dr. med., Kinderärztin, T d. Dr. Hans Dormann, Studienrat in W.; kinderlos.

  • Biographie

    M. studierte 1925-31 Biologie, Zoologie, Anthropologie und Humangenetik u. a. bei Eugen Fischer, Friedrich Lenz und Walter Scheidt in Freiburg (Breisgau) und Hamburg sowie anschließend Sozialanthropologie, Ethnologie, Soziologie und Philosophie an den Universitäten München, Hamburg und Berlin u. a. bei Edmund Husserl, Alfred Vierkandt und Richard Thurnwald. Seine Promotion zum Dr. phil. 1932 in Berlin bei Thurnwald erlangte er mit der völkerkundlichen Arbeit „Die geheimen Gesellschaften der Arioi, Eine Studie über polynes. Geheimbünde, mit besonderer Berücksichtigung der Siebungs- und Auslesevorgänge in Alt-Tahiti“ (Internat. Archiv f. Ethnographie 32, 1932, S. 1-92). 1931-33 war M. Redakteur und stellvertretender Herausgeber der „Zeitschrift für Völkerpsychologie und Soziologie“, die er 1927 mitbegründet hatte (später: „Sociologus“, 1933 eingestellt). Seit 1934 arbeitete er im ethnographischen Museumsdienst in Berlin-Dahlem, 1935/36 leitete er die indo-ozeanische Abteilung des Museums für Völkerkunde in Hamburg, wo ein erster Habilitationsversuch scheiterte, 1937 die ethnographischen Sammlungen der Univ. Breslau. 1937 stellte M. einen Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP und wurde 1938 aufgenommen. Im selben Jahr wurde er mit einer Arbeit über „Staatsbildung und Amphiktyonien in Polynesien“ an der Univ. Berlin habilitiert; er bekleidete dort 1939-45 eine Dozentur für Ethnologie und Völkerpsychologie. M. nahm aktiv am Krieg teil, war aber zeitweilig zur „Fortsetzung einer vordringlichen kolonialpolitischen Arbeit“ freigestellt. 1945-49 arbeitete er als freier wissenschaftlicher Schriftsteller, 1948 bekleidete er das Amt des Generalsekretärs der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Seit 1950 war M. apl. Professor für Soziologie und Völkerkunde an der Univ. Mainz und, nach dem Tode von Adolf Friedrich, 1957-60 dort o. Professor für Ethnologie und Soziologie sowie Direktor des Ethnologischen Instituts. 1960 folgte M. einem Ruf nach Heidelberg, wo er bis zu seiner Emeritierung 1970 Ordinarius für Soziologie und Ethnologie und Leiter des von ihm begründeten gleichnamigen Instituts war. M. unternahm zahlreiche Forschungsreisen nach Indien und Südostasien, seit 1963 richtete er sein besonderes Forschungsinteresse auf Sizilien.

    Die Themen der Arbeiten M.s umspannen vor allem Fragestellungen der Humangenetik, Eugenik und Soziobiologie, der Ethnologie und Kulturanthropologie sowie der Kultur- und Religionssoziologie, Sozialpsychologie und politischen Soziologie. Die Pluralität seiner Interessensgebiete zeigte sich in der interdisziplinären Ausrichtung seiner Forschungen, bei denen er um bewußte Überschreitung fachwissenschaftlicher Horizonte und tradierter akademischer Grenzen, um die „menschliche Selbsterkenntnis durch Weltgewinnung“ bemüht war. M. überwand die traditionellen Ansätze der Völkerkunde, indem er die moderne Ethnologie gegen Kulturkunde, Kulturmorphologie und Kulturanthropologie abgrenzte und als „soziologische Theorie der interethnischen Systeme“ neu definierte. Die Verbindung von Völkerkunde und Soziologie zur „Ethnosoziologie“ institutionalisierte sich mit seiner Gründung des Instituts für Soziologie und Ethnologie der Univ. Heidelberg.

    Die Bedeutung M.s liegt vor allem in den Ergebnissen seiner Erforschung der Herrschafts- und Staatsbildung im pazifischen Raum, seinen ethnologischen Analysen der Prozesse des Kulturwandels unter europ. Einfluß und seinen Untersuchungen zu einer „Theorie der Elite“, die gesellschaftlich-politische Machtphänomene graduell differenzierend unter den Aspekten sozialen Wandels und sozialer Mobilität in geschlossenen und offenen Gesellschaften erfaßt. Als Ergebnis seiner Forschungen über „Ethnische Assimilation und Ethnogenese“ ergänzte M. die herkömmliche Ethnozentrismustheorie durch eine „Theorie der ethnischen Entfremdung“ aufgrund von Identifikation mit anderen, „höheren“ ethnischen Gruppen. Bei Untersuchungen über den Nationalismus bei außereurop. Völkern entdeckte er unterhalb|des eigentlichen ideologischen Nationalismus sozialpsychologische Infrastrukturen, die in den sog. „nativistischen“ Bewegungen ihren Ausdruck fanden. – Ungeachtet seiner Verdienste um die Integration von Ethnologie und Soziologie bleibt festzuhalten, daß sowohl die Themen von M.s empirischer und theoretischer Forschung als auch seine Einordnung der von ihm untersuchten Entwicklungsprozesse in engem Zusammenhang mit einer rassistisch gefärbten Ethnologie und Soziologie standen, die ihren Beitrag zur „völkischen Selbstabgrenzung und Selbstbehauptung“ zu leisten bemüht waren.

  • Werke

    Weitere W Rassen- u. Völkerkde., 1936;
    Methodik d. Völkerkde., 1938;
    Krieg u. Frieden, Ein Leitfaden d. pol. Ethnol., 1940;
    Assimilation, Umvolkung, Volkwerdung, 1944;
    Die Völker d. Erde, 1945;
    Gesch. d. Anthropol., 1948, ³1984;
    Mahatma Gandhi, 1950;
    Arioi u. Mamaia, 1955;
    Chiliasmus u. Nativismus, 1961, ²1964;
    Homo Creator, 1962;
    Rassen, Ethnien, Kulturen, 1964;
    Max Weber u. d. rationale Soziol., 1964;
    Metamorphose d. Frau, Weibl. Schamanismus u. Dichtung, 1972;
    Bestand u. Rev. in d. Lit., 1973;
    Strummula Siciliana, 1973 (mit R. J. Llaryora);
    zahlr. Aufsätze in Fachzss. – Hrsg.: Archiv f. Anthropol. u. Völkerforschung (mit R. Thurnwald u. D. Westermann);
    Heidelberger Sociologica (mit H. Reimann u. E. Topitsch);
    Studia Ethnologica (mit E. W. Müller u. L. G. Löffler);
    Stud. z. Soziol. d. Revolutionen (1961 ff). – Bibliogr.: H. Reimann u. K. Kiefer, W. E. M., Bibliogr. 1928-1964, 1964 (P);
    H. Reimann, W. E. M., Bibliogr. 1965-1984, 1984.

  • Literatur

    H. Reimann u. E. W. Müller (Hrsg.), Entwicklung u. Fortschritt, Soziolog. u. ethnolog. Aspekte d. soziokulturellen Wandels, FS W. E. M. z. 65. Geb.tag, 1969;
    H. Reimann, H. E. M. z. 80. Geb.tag, in: Kölner Zs. f. Soziol. u. Sozialpsychol. 37, 1985, S. 178-81;
    ders., In memoriam W. E. M., ebd. 40, 1988, S. 611 f.;
    ders. (Hrsg.), Soziol. u. Ethnol., Zur Interaktion zw. zwei Disziplinen, Btrr. z. e. Symposium aus Anlaß d. 80. Geb.tages v. W. E. M., 1986;
    U. Michel, Ethnol. u. Nat.sozialismus am Beispiel W. E. M.s, Mag.arbeit Univ. Hamburg 1986 (unveröff.);
    E. W. Müller, W. E. M., in: Zs. f. Ethnol. 114, 1989, S. 1-15;
    G. Hauck, Konzepte e. aristokrat. Ges.theorie, ebd. 117, 1993, S. 71-87;
    J. Becher, W. E. M. (1904-88), Die Integration e. Völkerkundlers in d. Wiss.betrieb d. Berliner Univ. während d. NS-Zeit, in: Gesch. d. Völkerkde. u. Volkskde. an d. Berliner Univ., 1991, S. 46-52;
    Wb. d. Soziol., hrsg. v. G. Hartfiel u. K.-H. Hillmann, ³1982;
    Internat. Soziologenlex., hrsg. v. W. Bernsdorf u. H. Knospe, ³1985;
    Nassau. Biogr.

  • Autor/in

    Dirk Käsler
  • Zitierweise

    Käsler, Dirk; Kaesler, Dirk/später, "Mühlmann, Wilhelm Emil" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 292-293 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118737333.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA