Lebensdaten
1871 – 1925
Geburtsort
Heidelberg
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Reichspräsident ; sozialdemokratischer Politiker
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118528610 | OGND | VIAF: 14820796
Namensvarianten
  • Ebert, Friedrich

Orte

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Zitierweise

Ebert, Friedrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118528610.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Karl (1834–92, kath.), Schneidermeister in Heidelberg, S der Landwirtstochter Anna Maria E. aus Krumbach;
    M Katharina (1834–97, ev.), T des Landwirts Peter Hinkel in Neckargerach u. der Feldschützentochter Kath. Dorst;
    Bremen 1894 Louise (1873–1955), Arbeiterin, T des Arbeiters Frdr. Herm. Rump in Bremen, sie vermied es sorgfältig, in den amtlichen Bereich ihres Mannes einzugreifen und verstand es, die Würde ihrer Stellung als erste Frau des Staates zu wahren;
    4 S (2 ⚔), 1 T, u. a. Frdr. (* 1894), Leiter der Verwaltung v. Ost-Berlin, Karl (* 1899), badisch-württ. soz.demokratischer Landtagsabgeordneter.

  • Biographie

    Als 4. von 6 Kindern eines nicht wohlhabenden Handwerkers katholisch erzogen, erlernte E. das Sattlerhandwerk. Die strenge Lehre verließ er kurz vor Abschluß wegen einer Mißhandlung. Über Karlsruhe und München kam er 1889 nach Mannheim, wo ihn der Stiefbruder seines Vaters, der Schneider Strötz, der hier unter Einfluß von Lassalle stehenden Sozialdemokratie zuführte. Gleichwohl war E. zunächst hauptsächlich gewerkschaftlich tätig. Schon im August 1889 war er Schriftführer des Sattlerverbandes in Hannover. Hier wie anderswo schnell gemaßregelt, gelangte er nicht zur Ruhe. In Kassel, Braunschweig, Elberfeld-Barmen, Remscheid, Quakenbrück und Bremen gründete oder leitete er Zahlstellen des Sattlerverbandes. In Bremen wurde er Vorsitzender des Gewerkschaftskartells, gehörte der Preßkommission, seit 1893 der Lokalredaktion der Bremer Bürger-Zeitung an. Als rücksichtsloser und glänzender Parteiredner erlangte er schnell Bedeutung. Mit den populären Schriften von Marx und Engels vertraut geworden, stand er ideologisch und politisch auf dem Boden des Erfurter Programms. Obschon als Praktiker und Organisator ersten Ranges an theoretischen Diskussionen nicht entscheidend interessiert, ist er dem marxistischen Zentrum zuzurechnen. Nach seiner Hochzeit pachtete er eine Gastwirtschaft, die zu einem Mittelpunkt politischer und gewerkschaftlicher Aktivität wurde. 1900 in die Bürgerschaft gewählt, führte er deren sozialdemokratische Fraktion Als Mitglied vieler Deputationen und des Bürgeramts erwarb er sich bedeutende kommunalpolitische Kenntnisse. Im März 1900 bestellte ihn das Gewerkschaftskartell zum Arbeitersekretär. Als hervorragender Kenner sozialpolitischer, arbeits- und versicherungsrechtlicher Fragen gewann er eine einflußreiche Stellung in der bremischen Politik. Sein Versuch, das geltende Klassenwahlrecht zu beseitigen, schlug fehl; jedoch konnte er große Teile des Liberalismus für einen gemeinsamen Kampf gegen die überragende Machtstellung des Senats gewinnen. Auch auf kulturpolitischem Gebiet lehnte er eine Zusammenarbeit mit Liberalen nicht ab (Goethe-Bund). Als Parteitagspräsident 1904 einer größeren Öffentlichkeit bekanntgeworden, wurde er 1905 mit 174 von 283 Stimmen als Sekretär in den Parteivorstand gewählt und siedelte nach Berlin über. Als Mann des Ausgleichs erwarb er sich das Vertrauen aller Richtungen in der Partei, von der radikalen Linken abgesehen, der er stets fern stand. Die Beilegung der Differenzen zwischen Partei und Gewerkschaften wie auch vieler Konflikte in den Landes- und Lokalorganisationen ist weitgehend E. zu verdanken. Zu seinem Aufgabenbereich gehörten die allgemeine Organisation, zeitweilig die Kassensachen und schließlich die Jugendangelegenheiten (Zentralstelle für die arbeitende Jugend Deutschlands). 1912 wählte ihn Elberfeld-Barmen in den Reichstag. Nachdem 1911 seine Wahl zu einem der beiden Parteivorsitzenden an seiner eigenen Ablehnung gescheitert war, wurde er auf dem Jenaer Parteitag am 20.9.1913 mit 433 von 473 Stimmen Nachfolger Bebels. Auf das Verhalten der SPD bei Kriegsausbruch nahm er keinen Einfluß, da er, während der Juli-Krise in Urlaub, anschließend mit dem Parteikassierer Otto Braun zu Besprechungen nach Zürich fuhr, da die Befürchtung bestand, daß die Partei im Falle einer zu erwartenden Unterdrückung im Kriege führer- und mittellos werden könnte. Am 6.8. nach Berlin zurückgekehrt, übernahm E. wieder – neben Hugo Haase – die Parteiführung, trat jedoch zunächst in der Reichstagsfraktion, die geistig von E. David, taktisch von Ph. Scheidemann geleitet wurde, nicht sonderlich hervor. Er suchte die Differenzen zwischen der Mehrheit und der Minderheit auszugleichen, bestand jedoch auf dem Prinzip der geschlossenen Abstimmung nach Mehrheitsbeschluß. Infolge der Amtsniederlegung Haases (Dezember 1915) am 11.1.1916 neben Scheidemann auch zum Fraktionsvorsitzenden gewählt, erlangte E. auf Grund des dreifachen Vorsitzes in Parteivorstand, Parteiausschuß und Reichstagsfraktion alsbald beherrschenden Einfluß in der SPD. Das unerwartete, gegen die Fraktionsmehrheit gerichtete Sondervorgehen der Minderheit im Plenum des Reichstages am 24.3.1916 veranlaßte E., die Fraktionsgemeinschaft mit der Minderheit aufzuheben. Hinsichtlich der Kriegsziele sprach sich E. nachdrücklich gegen Annexionen aus, hielt jedoch an der Unverletzlichkeit des Reichsgebietes einschließlich Elsaß-Lothringens fest und trat deshalb auch bis zum Ende des Krieges unbedingt für die Pflicht zur Landesverteidigung ein. Zwei seiner Söhne sind gefallen. Innenpolitisch verschaffte er der durch die Spaltung geschwächten Partei durch die Zusammenarbeit mit Zentrum und Fortschrittspartei die führende Stellung unter den sogenannten Mehrheitsparteien. Ein Erfolg dieser Politik war die Festlegung der königlichen Regierung auf die Einführung des allgemeinen Wahlrechts in Preußen. An der Vorbereitung der Friedensresolution hat E. persönlich mitgewirkt; damit wurde ein erster Vorstoß zur Parlamentarisierung hin unternommen. Der Sturz des Reichskanzlers Georg Michaelis ist wesentlich E.s Werk (Aufforderung zum Rücktritt in Reichstagsrede vom 9.10.1917). Gegen seinen Willen in den Frühjahrsstreik von 1918 hineingezogen, bemühte er sich um eine baldmögliche Beilegung. Durch die Übernahme des Vorsitzes im Haushaltsausschuß des Reichstages wurde die Stellung E.s und der Partei weiter verstärkt. Mit den verfassungsändernden Gesetzen vom Oktober 1918 war ein Hauptziel der Sozialdemokratie, die parlamentarische Regierung, erreicht. E. hat jedoch die Erhaltung der Monarchie gewünscht, um eine revolutionäre Entwicklung zu verhüten; die Einführung der Republik hielt er in Deutschland für noch verfrüht. Die Ausrufung der Republik durch Scheidemann am 9.11.1918 entsprach daher durchaus nicht seinen Wünschen. An diesem Tage übertrug ihm Prinz Max von Baden mit der Zustimmung sämtlicher Staatssekretäre das Reichskanzleramt. E. traf eine grundsätzliche Entscheidung, als er sich telephonisch mit Groener zur gemeinsamen Verteidigung der Ordnung verband.

    Am 10.11. bildete sich der Rat der Volksbeauftragten aus Vertretern der SPD und der USPD; gleichberechtigte Vorsitzende waren E. und Haase. E. setzte sich sofort für eine Nationalversammlung ein und ließ nach anfänglichem Zögern im Winter 1918 und in den kommenden Jahren die kommunistischen und linksradikalen Aufstände und Aufstandsversuche niederwerfen. Er mußte dafür den Bruch mit den Unabhängigen und|gemeinsam mit Noske den Haß der radikalen Linken in Kauf nehmen, die ihn des offenen Verrates an der Arbeiterschaft beschuldigte. Die Nationalversammlung wählte ihn am 11.2.1919 zum vorläufigen Reichspräsidenten; der Reichstag hat dann am 24.10.1922 seine Amtszeit mit verfassungsändernder Mehrheit bis zum 23.6.1925 verlängert. E.s Tätigkeit als Reichspräsident ist wegen der Unzugänglichkeit der Akten bisher nur unzulänglich erforscht worden. Doch läßt sich mit Sicherheit sagen, daß E.s Verdienst um die Erhaltung verfassungsmäßiger Zustände und der Reichseinheit, besonders im Krisenjahr 1923, kaum überschätzt werden kann. Er hat sich nicht gescheut, seine Rechte aus Artikel 48 kräftig und entschieden wahrzunehmen, um die Verfassung und die verfassungsmäßige Reichsregierung gegen links und rechts zu schützen, ohne daß er seine Befugnisse überschritt, obwohl er zunächst für eine stärkere Autorität des Reichspräsidenten eingetreten war. Auch Stresemanns Befriedungspolitik hat er nachdrücklich unterstützt; anfänglich hatte er keine großen Sympathien für diesen Staatsmann gehegt. Durch seine ruhige und sachliche Amtsführung wie auch durch außerordentliche Würde hat sich E. Ansehen und Achtung selbst in gemäßigten konservativen Kreisen erworben. Trotzdem wurde E., wie damals alle führenden Politiker, zum Gegenstand einer wüsten Hetze von nationalistischer Seite. Man wollte vor allem seine Wiederwahl zum Reichspräsidenten verhindern. Neben dem Versuch, ihn in den Barmat-Korruptionsskandal hineinzuziehen, wurde ihm Landesverrat infolge seiner Beteiligung am Munitionsarbeiterstreik im Januar 1918 vorgeworfen. Im Magdeburger Prozeß wurde der verantwortliche Redakteur zwar wegen formaler Beleidigung zu einer kleinen Strafe verurteilt, andererseits stellte das Urteil vom 23.12.1924 fest, daß E. im juristischen Sinne wegen seiner Beteiligung am Streik Landesverrat begangen habe. Obwohl dieses Urteil in weiten Kreisen als rechtlich unhaltbar mit Empörung zurückgewiesen wurde, war E. von dem Verlauf des Prozesses auf das tiefste erschüttert. Er erblickte mit Recht darin nicht nur persönlich eine Ehrverletzung, sondern auch eine Verunglimpfung des Reichsoberhauptes. Obwohl er bereits schwer erkrankt war, lehnte er eine Aufnahme ins Krankenhaus ab, um jederzeit als Zeuge bereitzustehen. Er verstarb dann plötzlich an einer verschleppten Blinddarmentzündung. Sein Tod war ein schwerer Schlag für die junge, noch sehr ungefestigte Weimarer Republik.

  • Werke

    Die Lage d. Arbeiter im Bremer Bäckergewerbe u. d. notwendigsten Aufgaben d. Bäckerbewegung, 1892; Ergebnis e. Statist. Erhebung üb. d. Lebensverhältnisse d. brem. Arbeiter, 1902;
    Jberr. d. Arbeitersekretariats Bremen, 1900-05;
    Schrr., Aufzeichnungen, Reden, 2 Bde., eingel. v. P. Kampffmeyer, 1926;
    Kämpfe u. Ziele, 1927; Reden in d. Protokollen d. Brem. Bürgerschaft (1900–1905), d. Parteitage d. SPD (seit 1896), d. Reichstags (seit 1912), d. Nationalverslg.

  • Literatur

    F. Diederich, F. E., 1919;
    Der Dolchstoßprozeß, 1925;
    K. Brammer, Der Prozeß d. Reichspräs., 1925;
    E. Felden, Eines Menschen Weg, Ein F. E.-Roman, 1927;
    M. Peters, F. E., ²1954 (darin auch: Th. Heuss, Der Abraham Lincoln d. dt. Gesch., Rede zu F. E.s Gedächtnis, 1950, S. 169-78);
    W. Sauer, Das Bündnis E.-Groener, phil. Diss. Berlin 1956 (ungedr.);
    M. Freund, in: Gr. Deutsche IV, 1957, S. 421-39 (P: Bronzebüste v. G. Fuhg);
    F. E. u. s. Zeit, Ein Gedenkwerk, o. J. (P); ferner Memoiren u. Darst. d. Zeit, vor allem v. Prinz Max v. Baden, G. Noske, Ph. Scheidemann, H. Müller-Franken, H. v. Seeckt, A. Rosenberg, F. Stampfer.

  • Autor/in

    Georg Kotowski
  • Zitierweise

    Kotowski, Georg, "Ebert, Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 254-256 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118528610.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA