Lebensdaten
1504 – 1575
Geburtsort
Bremgarten (Kanton Aargau)
Sterbeort
Zürich
Beruf/Funktion
Reformationstheologe
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118517384 | OGND | VIAF: 56624475
Namensvarianten
  • Bullinger, Johann Heinrich
  • Bullinger, Heinrich
  • Bullinger, Johann Heinrich
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Zitierweise

Bullinger, Heinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118517384.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Heinr. (1469–1533), Leutpriester in Bremgarten (in Gewissensehe verh. mit seiner „Konkubine“);
    M Anna ( 1541), T des Müllers Wiederkehr in B.;
    Birmensdorf 27.8.1529 Anna ( 1564), vorher Klosterfrau in Oetenbach, T des Hans Adlischwyler gen. Köchly, Küchenmeister in Zürich, u. der Verena Freudwiler;
    6 S, 5 T, u. a. Marg. (1531–64, 1550 Ludw. Lavater [1527–86], Antistes in Zürich); Nachkomme Joh. Kasp. Lavater ( 1801), ref. Theol., Physiognom.

  • Biographie

    1509 trat B. in die Trivialschule in Bremgarten ein, kam 1516 nach Emmerich/Niederrhein und wurde 1519 Student an der Universität Köln. Trotz des Eindringens in den Humanismus plante er den Eintritt in den Kartäuserorden. In Köln hörte B. von Luthers Kampf, dessen Schriften er neben den Kirchenvätern studierte. Anfang 1522 vollzog sich die innere Wandlung, er entdeckte die Rechtfertigung aus Glauben. Melanchthons Loci von 1521 förderten seine religiöse Erkenntnis. April 1522 kehrte er als Magister artium nach Bremgarten zurück; den Plan des Ordenseintrittes hatte er aufgegeben. 1523 wurde B. Klosterlehrer zu Kappel/Albis, wo 1526 die Reformation durchgeführt wurde. 1529 Pfarrer in Bremgarten. floh er nach der Schlacht bei Kappel vom 11.10.1531 mit dem Vater und dem Bruder Johannes nach Zürich. Der Große Rat wählte ihn am 9.12.1531 zum Nachfolger Zwinglis.

    Er organisierte und leitete die Zürcher Kirche bis zu seinem Tode mit überlegener Weisheit, wahrte gegenüber dem Rat das Recht der Pfarrer, politische Fragen vom Evangelium her zu prüfen. Zahlreiche evangelische|Flüchtlinge fanden unter B. in Zürich Aufnahme, mit den Evangelischen in England, Frankreich, Italien, Ungarn, Polen und den Niederlanden stand er in regem Briefwechsel. Bouvier nennt die Zahl von circa 12 000 bis heute bekannten Briefen. Von größter Bedeutung wurde die Einigung zwischen Calvin und B. hinsichtlich des Abendmahls im Consensus Tigurinus von 1549; Zürich und Genf wurden die Säulen des reformierten Protestantismus. Weiteste Verbreitung fand die Confessio Helvetica posterior. Sich dem Tode nahe glaubend, hatte B. 1562 ein persönliches Glaubensbekenntnis verfaßt. Friedrich III. von der Pfalz bekam es zur Einsicht und wünschte dessen Veröffentlichung; 1566 erschien die Confessio im Druck und wurde von den reformierten Kirchen der Schweiz, Schottlands und anderer Länder übernommen.

    Kirchenväter, Luther und Zwingli bestimmten die Theologie B.s. Er baute die von L. Jud und Zwingli begründete Föderaltheologie aus, die doppelte Prädestination ließ er hinter der Erwählung zurücktreten. B. verfaßte zahlreiche exegetische, homiletische und polemische Schriften. Am bekanntesten wurden die „Sermonum Decades quinque“ von 1552, unter dem Namen „Hausbuch“ weit verbreitet. Diese in verschiedene Sprachen übersetzten Predigten sind zugleich theologische Abhandlungen über die Fragen des christlichen Glaubens. Als Historiker schrieb B. eine noch ungedruckte eidgenössische Chronik, bis 1519 reichend; ihr fügte er die Reformationschronik an, die Jahre 1519 bis 1532 umfassend. Dabei verwertete er schon vorhandene Materialsammlungen (H. Uttinger, Johann Stumpf, B. Wyss, B. Sprüngli, H. Edlibach). Nicht objektive Darstellung, sondern Verteidigung der Reformation war ihm leitender Gesichtspunkt.

  • Werke

    s. J. I. Hottinger, Schola Tigurinorum Carolina, Zürich 1664, S. 75 ff.;
    J. J. Scheuchzer, Bibl. Helvetica I, ebenda 1733, S. 172 ff.;
    H. G. Zimmermann, H. B.s schriftl. Arbb. b. z. J. 1528, in: Zwingliana 9, 1950, S. 220-39. - Der alt gloub, Zürich 1539;
    Wahrhaffte Bekanntnus, ebenda 1545;
    Antithesis et compendium (Gägensatz Unnd Kurtzer begriff), Basel 1551, Neuausg. v. C. Kügelchen, 1906;
    Der Widertäufferen Ursprung, Zürich 1560;
    Confessio et expositio simplex orthodoxae fidei (Conf. Helv. post.), ebenda 1566, Neuausg. v. R. Zimmermann u. W. Hildebrandt, ebenda 1936, Neuausg. d. franz. Textes von 1566 v. J. Courvoisier, 1944;
    Ref.-Gesch., hrsg. v. J. J. Hottinger u. H. H. Voegeli, Frauenfeld 1838 ff.;
    Diarium, hrsg. v. E. Egli, Basel 1904;
    B.s Korr. mit d. Graubündnern, hrsg. v. T. Schiess, 3 Bde., ebenda 1904 ff.

  • Literatur

    ADB III;
    L. Lavater, Vom läben u. tod… H. B., Zürich 1576;
    C. Pestalozzi, H. B., Leben u. ausgew. Schrr., 1858;
    A. J. van 't Hooft, De theol. van H. B., Amsterdam 1888;
    G. v. Schulthess-Rechberg, H. B., 1904;
    A. Bouvier, H. B., le successeur de Zwingli, Zürich 1940 (L);
    F. Blanke, Der junge B., 1942;
    M. Niehans, H. B. als Neutraler im Schmalkald. Krieg v. 1546/47, in: Zwingliana 8, 1946, S. 245-59;
    PRE;
    RGG;
    LThK;
    Enc. Catt. III.

  • Porträts

    Kupf., um 1537 (Zentralbibl. Zürich);
    Denkmünze v. J. Stampfer, 1542 (Schweiz. Landesmus. Zürich);
    Gem. v. H. Asper, 1557 (Zentralbibl. Zürich).

  • Autor/in

    Rudolf Pfister
  • Zitierweise

    Pfister, Rudolf, "Bullinger, Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 12 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118517384.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Bullinger: Heinrich B. (geb. 1504, 1575), von Bremgarten, unter den Reformatoren einer zweiten Ranges, aber wol unter allen der untadelhafteste und maßvollste: denn er war in den mannigfaltigsten Conflicten besonnen und fest ohne Härte, und versöhnlich und vermittelnd ohne Aengstlichkeit und Schwäche. Den am Niederrhein Gebildeten erfüllte die reine, seelenvolle Frömmigkeit eines Thomas von Kempen. Neunzehn Jahre alt als Lehrer für die Auslegung der Schrift in das Kloster Kappel berufen, bewährte er sich als ausgezeichneter Schüler und Mitarbeiter Zwingli's und zunächst als Reformator des Klosters. 1529 wurde er evangelischer Prediger seiner Vaterstadt und erlangte als solcher im Vaterlande großes Ansehen. Als Bremgarten nach der Schlacht bei Kappel die schwere Hand des Siegers erfuhr, floh B. nach Zürich. Der siebenundzwanzigjährige Mann wurde zugleich von Zürich, Bern und Basel an die erste Pfarrstelle berufen; er fühlte sich aber zunächst verpflichtet, in Zwingli's Fußstapfen zu treten. Doch als der Rath die Geistlichen Zürichs in der freien Predigt beschränken wollte, erschien B. an der Spitze seiner Collegen vorder Obrigkeit mit der Erklärung, „das Wort Gottes wolle nicht gebunden sein“. Nicht nur erkämpfte er den Grundsatz, im Geiste Zwingli's predigen zu dürfen, sondern er brachte die Sitte auf, daß die Diener der Kirche und Schule Zürichs an die „Rathsstube klopfen“ durften, um in Angelegenheiten der Kirche und des Vaterlandes ihre Bitten und Gutachten mündlich vorzutragen. Das Ansehen, das der Vorsteher der zürcherischen Kirche genoß und die dadurch herbeigeführte Einigkeit zwischen Staat und Kirche verminderte den Nachtheil vollkommener Abhängigkeit der letzteren vom ersteren und erleichterte namentlich das einträchtige|Zusammengehen der evangelischen Städte der Schweiz. Daher ist die erste helvetische oder zweite Baseler Confession (1536) wesentlich Bullinger's Werk; und daß dieser Calvin für den zürcherischen Consensus (1549) gewann, gab der reformirten Kirche ein Bekenntniß, in welchem sich zuerst alle derselben angehörige Länder vereinigt fühlten. So blieb, selbst neben dem großen Calvin, der würde- und friedvolle B. lebenslang die erste Autorität und der verehrteste Kirchenvater der reformirten Confession, so daß er endlich die Befriedigung hatte, in seinem reifsten und verdienstvollsten Werke, der zweiten helvetischen Confession (1566), seiner Kirche eine Glaubensnorm zu gewähren, welche für den reformirten Kreis dasselbe geworden und Jahrhunderte geblieben, was die augsburgische Confession für Luther's Glaubensgenossen war. Bullinger's Schriftauslegungen wurden sehr geschätzt, mochte seinen Arbeiten auch die Breite Eintrag thun. Auch in den Streitschriften verläugnete sich die Würde des evangelischen Friedensmannes nicht; und so viel ihm am Einverständniß mit Luther und Melanchthon gelegen war, so stand er doch sein Leben lang gegen Luther's Leidenschaft und Calvin's Vorurtheil treu und tapfer für seinen Lehrer und Meister Zwingli ein, dessen Werke er herausgab und dem er in seiner Chronik, und namentlich in der zweiten Hälfte derselben, in der Reformationsgeschichte der Schweiz (gedruckt 1838—40, 3 Bde.), ein werthvolles Denkmal gestiftet, durch welches er als Geschichtschreiber Tschudi an die Seite tritt, indem dieses, eine Hauptquelle für die Schweizergeschichte, durch genaue Kenntniß der Verhältnisse, gesundes Urtheil und treuherzige Sprache sich auszeichnet. Aus dem Jahre 1533 ist uns ein anonym erschienenes Drama von ihm erhalten: „Lucretia“ (Basel 1533; vgl. Weller, Schweizer Volkstheater S. 23 ff.). Die Verführung Lucretia's ist darin nur oberflächlich behandelt; die Tendenz des Stückes ist vielmehr eine politische. Es ist aus republikanischem Selbstgefühl erwachsen. Dem Tyrannen Tarquin gegenüber erscheint Brutus als Muster staatsmännischer Tugend. Die Verschwörer, welche sich nach der Ueppigkeit und Zuchtlosigkeit des Hoflebens sehnen, heißen Pensioner mit deutlicher Beziehung und mit ausdrücklichem Tadel derer, die das „Vatterland verkaufen". Der Herold wendet sich geradezu an die Räthe und ermahnt sie „am rechten“ zu „bleiben steht“. Bullinger's Haus war eine stets offene Zufluchtstätte für verfolgte Glaubensgenossen von nah und fern; zahlreiche Italiener, Franzosen und Engländer verehrten in ihm einen Wohlthäter und Beschützer, und die Briefe der königlichen Johanna Grey bezeugen deren Dank für seinen Trost auf dem nahen Todesgange.

    • Literatur

      Leben und ausgewählte Schriften der Väter und Begründer der reformirten Kirche. Bd. V. H. Bullinger von C. Pestalozzi. 1858.

  • Autor/in

    Mörikofer.
  • Zitierweise

    Mörikofer, "Bullinger, Heinrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 3 (1876), S. 513-514 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118517384.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA