Lebensdaten
1846 – 1925
Geburtsort
Wicker bei Mainz
Sterbeort
Marienhausen bei Aßmannshausen/Rhein
Beruf/Funktion
katholischer Theologe ; Priester ; Pädagoge
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 137829760 | OGND | VIAF: 86007079
Namensvarianten
  • Müller, Matthäus
  • Müller, Matthäus

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Zitierweise

Müller, Matthäus, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd137829760.html [28.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johann, Mühlenbes. in W.; 7 Geschw.

  • Biographie

    M. besuchte die Lateinschule in Eltville, 1864-67 das bischöfl. Konvikt in Hadamar, 1870 das Mainzer Priesterseminar, wo er neben dem Studium der Philosophie und Theologie (u. a. bei Ch. Moufang und P. L. Haffner) auch Kenntnisse der Pädagogik und Psychologie erwarb. Insbesondere prägte der Mainzer Bischof Ketteler sein späteres soziales Engagement. Nach der Ausbildung im Priesterseminar Limburg (1872/73) empfing M. die Priesterweihe. Ein halbes Jahr wirkte er als Kaplan in Meudt (Westerwald), bevor er als Assistent und Verwalter an die Diözesan-Ret-tungsanstalt Marienstatt berufen wurde. Bis zu seinem Tod widmete er sich der Verbesserung der Heimerziehung, unterbrochen nur von der Zeit als Subregens am bischöfl. Konvikt in Montabaur (1882–84). Zum Direktor ernannt, leitete er, nachdem 1888 Zisterzienser die Abteigebäude wiedererhalten hatten, den Umzug der Anstalt nach Marienhausen (ehem. Zisterzienserinnenkloster). Hier entwickelte und verwirklichte er seine pädagogischen Grundsätze. Wichtigste Reform – und damit staatlicher Gesetzgebung und Verordnung voraus – war neben menschenwürdiger Grundsicherung der Existenz und elementarer Schulbildung der Betreuten ein individualisierter Erziehungsstil. Besonders die damals übliche strenge Anstaltsdisziplin und eine allgemein gültige Strafverordnung unterzog er der Kritik. An ihre Stelle setzte er, in Anlehnung an Don Bosco, ausgewogene Präventiv- und Strafmaßnahmen auf einer Basis des Vertrauens in der Interaktion von Erziehern und Betreuten. Dabei forderte er genaue Kenntnis der jeweiligen körperlichen und seelischen Eigenart des Jugendlichen. Eine weitere Maßnahme war die Einrichtung einer Beschwerdeinstanz für Kinder. Die Betonung der Familie ließ ihn Einspruch erheben gegen Eingriffe ins Familienrecht, wie sie eine allzu schnelle Zwangseinweisung von „Verwahrlosten“ darstellte. Von den Erziehern verlangte er neben hervorragenden menschlichen Qualitäten eine umfangreiche|fachliche Kompetenz in pädagogischen und psychologischen Belangen.

    Folge des individualisierten Erziehungsstils war zunächst die Einrichtung von Hilfs- und Ergänzungsklassen neben der üblichen Volksschule, sodann die Gründung der Diözesan-Idiotenanstalt in Aulhausen (1893), deren Leitung M. bis 1902 innehatte. Auf der Grundlage von „Vernunft, Liebe und vor allem Religion“ wollte er die Betreuten für ein Leben in der Gesellschaft vorbereiten und sie zu praktizierenden Christen erziehen; zudem strebte er die Heilung der vorgefundenen körperlichen, sittlichen und seelischen Schäden an. So waren ihm neben der Grundschul- und Weiterbildung in eigenen und auswärtigen Handwerksbetrieben und einer ausgewogenen Freizeitbetätigung eine sorgfältige Nachbetreuung der Heimentlassenen und die Integration der Familie im Resozialisationsprozeß ein besonderes Anliegen. Seine pädagogische Arbeit dokumentierte und finanzierte er durch schriftstellerische Tätigkeit. Mit programmatischen Artikeln, die aus Vorträgen erwuchsen, hat er nicht nur in der Diözese, sondern im ganzen deutschen Katholizismus die Heimerziehungsarbeit verändert. Sein Forum war das von ihm 1879-1910 redaktionell geleitete Franziskusblatt (für Franziskanertertiaren), der von ihm seit 1884 herausgegebene Franziskuskalender sowie seit 1886 das St. Lubentiusblatt (Sonntagsbeilage des Nassauer Boten). Zahlreiche Artikel M.s zur Sonderpädagogik erschienen auch in den Fachzeitschriften der Caritaswissenschaft. Nicht zuletzt verbreitete er sein Gedankengut durch intensive Vereinsarbeit. Er gilt aufgrund seiner Vorarbeiten und seiner Versuche, einen Diözesan-Caritas-Verband zu gründen, als Mitbegründer des von L. Werthmann 1897 schließlich ins Leben gerufenen Caritasverbandes und war 1897-1917 Leiter des ersten Diözesanverbandesüberhaupt, des Caritasverbandes für die Diözese Limburg. M. initiierte die Gründung des Seraphischen Liebeswerkes in der Trägerschaft der Kapuzinertertiaren (1885) und leitete 1895/96 dessen Organ (Seraphischer Kinderfreund). Ebenso gehen die Gründung des Verbandes kath. Anstalten für Geistesschwache (1906) und der Vereinigung für kath. caritative Erziehungstätigkeit auf ihn zurück. Für den Klerus des Rheingaus gründete er die erste Priestervereinigung „Eucharistia“ und richtete ein Exerzitienhaus ein, das allen offenstand. Seine pädagogischen Errungenschaften wurden Anfang des Jahrhunderts Allgemeingut. 1924 trat er in den Ruhestand und übergab sein Werk den Salesianern.

  • Auszeichnungen

    Geistl. Rat (1898), Päpstl. Hausprälat (1917).

  • Werke

    Btrr. u. a. in: Caritas 1, 1885 ff.;
    Zs. f. kath. caritative Erziehungstätigkeit 1, 1912, S. 8-10, 49-54, 2, 1913, S. 98 f.

  • Literatur

    F. Stöffler. Dir. Prälat M. M., in: Archiv f. Mittelrhein. KG 14, 1962, S. 507-22 (W-Verz.);
    F. Kaspar, Ein Jh. Sorge um geistig behinderte Menschen, I, 1988, S. 490-505;
    M. Graulich, M. M. u. seine Pädagogik, in: FS 100 J. Marienhausen, hrsg. v. L. Lögers, 1989, S. 33-55 (L, P).

  • Autor/in

    Clemens Kaspar
  • Zitierweise

    Kaspar, Clemens, "Müller, Matthäus" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 457-458 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd137829760.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA