Lebensdaten
1832 – 1904
Geburtsort
Iglau (Mähren)
Sterbeort
Jena
Beruf/Funktion
Historiker
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 117216062 | OGND | VIAF: 310664278
Namensvarianten
  • Lorenz, Ottokar
  • Lorenz, O.
  • Lorenz, Ottocar

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Zitierweise

Lorenz, Ottokar, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117216062.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Anton (1788–1870), Dr. phil., Gymnasialdir. in Olmütz, S d. Uhrmachers Sebastian in Komotau;
    M Bernardine (1796–1881), Lehrerin, T d. bad. Oberstleutnants Ferd. Gilm v. Rosenegg;
    Wien 1862 Maria (1839–1917), T d. Franz Lott (1807–74),|Prof. d. Philos. in Wien (s. ADB 19), u. d. Maria Bujatti; Schwäger Gustav Christian Lott (1842–1909), Prof. d. Gynäkol. u. Geburtshilfe in Wien (s. ÖBL), Julius Lott ( 1883), Ingenieur (s. NDB 15); Schwägerin Jeanette Lott ( Rudolf Eitelberger v. Edelberg, 1817–85, Prof., Kunsthistoriker, s. ADB 55), Präsidentin d. Wiener Frauenerwerbs-Ver.;
    3 S, 1 T, u. a. Richard (s. 2), Alfred (s. 3);
    Groß-N Hermann v. Gilm zu Rosenegg (1812–64), Schriftsteller (s. NDB VI).

  • Biographie

    Nach der Schulzeit in Olmütz studierte L. seit 1851 an der neu errichteten Phil. Fakultät in Wien u. a. bei dem Klassischen Philologen Hermann Bonitz, bei dem Philosophen Franz Lott und den Historikern Albert Jäger und Josef v. Aschbach. 1854 legte er die Lehramtsprüfung für Geschichte und Geographie ab und nahm 1855/56 mit einem Stipendium am 1. Kurs des damals neu gegründeten Instituts für Österr. Geschichtsforschung teil. Ohne promoviert zu haben, wandte sich L., der 1855 bereits zwei Schriften „Über das Consulartribunat“ und „Über die siebente Curstimme bei Rudolph's I. Königswahl“ veröffentlicht hatte, 1856 an das Professorenkollegium mit der Bitte, als Privatdozent Vorlesungen halten zu dürfen, was ihm auf Grund von Gutachten Aschbachs und Jägers und eines glänzend verlaufenen Kolloquiums gewährt wurde. Nachdem L. zunächst die Stelle eines Amanuensis an der Wiener Hofbibliothek angenommen hatte, stieg er 1857 zum Beamten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs auf. 1860 wurde er unter dem Dekanat seines ehemaligen Lehrers und zukünftigen Schwiegervaters Franz Lott zum ao., im Dez. 1861 (nach Ablehnung eines Rufs nach Freiburg) zum o. Professor der allgemeinen und österr. Geschichte ernannt. Seine Stellung am Staatsarchiv, die er mehr für seine eigenen als für Archivarbeiten nutzte, durfte er zusätzlich behalten.

    Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit trat L. auch schon früh publizistisch hervor, wobei sich seine leidenschaftlich und nicht selten polemisch vertretene Auffassung vom Zusammenhang von Geschichte und Politik zeigte. Diese publizistische Tätigkeit, die er anfangs auch im Sinne des Ministeriums ausübte – 1859 war im Auftrag des Innenministers Alexander v. Bach „Österreichs Politik in Italien und die wahren Garantien seiner Macht und Einheit“ und 1861 im Auftrag des Staatsministers Anton v. Schmerling „Deáks Adress-Entwurf und das Staatsrecht Österreichs“ erschienen –, provozierte 1865 L.s Bruch mit der Regierung: Im März dieses Jahres – kurze Zeit vor Schmerlings Rücktritt und vor der Sistierung der Verfassung – veröffentlichte L., der bisherige Anhänger der österr. Reichsidee, in der „Presse“ einen Artikel, in dem er das Vorgehen der österr. Regierung zu den Juli-Ordonanzen Karls X. von Frankreich in Beziehung setzte. Er wurde sofort aus dem Archivdienst entlassen. Ein Strafprozeß konnte nur durch eine Bittschrift seines Schwiegervaters an den Kaiser niedergeschlagen werden. Von diesem Zeitpunkt an zeigte L. im politischen Bereich immer deutlicher eine deutsch-nationale und preußen-freundliche Haltung. Einen Gesinnungsgenossen fand er in dem Germanisten Wilh. Scherer, mit dem zusammen er 1871 die „Geschichte des Elsasses“ verfaßte. Es ist eine Frage, ob auch der Konfessionswechsel der Familie vom Katholizismus zum Protestantismus im Zusammenhang mit L.s politischem Wandel stand.

    Als Hochschullehrer, der er bleiben konnte, schrieb L. während der 60er und 70er Jahre seine ersten größeren Werke. Sie beschäftigen sich zum größten Teil mit der Welt des Mittelalters: so die 1863-67 erschienenen zwei Bände „Deutsche Geschichte im 13. und 14. Jh.“ (die jedoch nur bis ins Jahr 1298 reichen) und – an Wilh. Wattenbach anknüpfend – „Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter seit der Mitte des 13. Jh.“ (1870). An kleineren Werken erschienen 1871 „Zur Geschichte der Päpste“ und 1876 „Drei Bücher Geschichte und Politik“, die gesammelte Essays zur Mittleren und Neueren Geschichte enthalten, in denen u. a. L.s antiklerikale Haltung zum Ausdruck kommt.

    In den 80er Jahren geriet L., der 1880 zum Rektor der Universität gewählt worden war, durch sein Eintreten für Professor Friedrich Maaßen, der 1883 im niederösterr. Landtag für die Errichtung tschech. Schulen in Wien plädiert hatte, und durch seine Kritik an den deutsch-nationalen Studenten und an Rektor Karl Wedl in allgemeine Mißliebigkeit. Er nahm daher 1885 einen Ruf nach Jena an, den ihm Hzg. Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha (an dessen Denkwürdigkeiten L. mitarbeitete) verschafft hatte. L.s deutsch-nationale Gesinnung hat in dieser Zeit wohl etwas gelitten; jedenfalls kühlte seine Bismarckverehrung in den folgenden Jahren merklich ab. So hielt er 1902/03 die Gründung des Deutschen Reiches weniger Bismarck als den deutschen Fürsten zugute.

    In Jena richtete sich L.s Forschungsinteresse auf die Neuere und Neueste Geschichte und vor allem auf Fragen der Genealogie, zu deren Entwicklung zur historischen Hilfswissenschaft er entscheidend beigetragen|hat. 1892 erschien der „Genealogische Hand- und Schulatlas“ und 1898 das „Lehrbuch der gesamten wissenschaftlichen Genealogie“. In seinem zweibändigen Werk „Die Geschichtswissenschaft in Hauptrichtungen und Aufgaben“ versuchte er, den geschichtlichen Verlauf unabhängig von den üblichen Periodisierungen und anderen theoretischen Vorurteilen zu strukturieren. Das natürlichste strukturierende Moment meinte er in einer Folge von jeweils drei ineinander geschlossenen, historisch wirksamen Generationen gefunden zu haben.

    Die „Geschichtsquellen im Mittelalter“ und die Werke zur Genealogie sind auch heute noch von Bedeutung, die übrigen Werke L.s wegen ihres aus der Verbindung von Geschichte und Politik resultierenden Ansatzes immer noch von Interesse. Bemerkenswert bleibt sein Versuch, den geschichtlichen Verlauf noch einmal in seiner Gesamtheit strukturell zu erfassen. Verdienstvoll war L.s Beratertätigkeit für den österr. Anteil an der Allgemeinen Deutschen Biographie.|

  • Auszeichnungen

    Dr. phil. h. c. (Königsberg 1867);
    Mitgl. d. Ak. d. Wiss. Wien (1877).

  • Werke

    Weitere W Die Erwerbung Österreichs durch Ottokar v. Böhmen, 1857;
    Die österr. Regentenhalle, 1857;
    Dtld.s Geschichtsqu. im MA v. d. Mitte d. 13. b. z. Ende d. 14. Jh., 2 Bde., 1870, ³1886 f.;
    Genealog. Hand- u. Schulatlas, 1892, ³u. d. T. Genealog. Hdb. d. europ. Staatengesch., bearb. v. E. Devrient, 1908;
    Goethes pol. Lehrjahre, 1893;
    Staatsmänner u. Gesch.schreiber d. 19. Jh., 1896;
    Kaiser Wilhelm u. d. Gründung d. Reichs 1866–71, 1902;
    Gegen Bismarcks Verkleinerer, 1903.

  • Literatur

    Nachrufe: F. Keutgen, in: HV 7, 1904, S. 449-54;
    O. Redlich, in: Alm. d. Wiener Ak. d. Wiss. 54, 1904, S. 399-403;
    A. Fournier, in: MIÖG 26, 1905, S. 190-95;
    - G. Kaulfuß, Das Bad. Qu.material f. d. Gesch. d. Reichsgründung bei O. L., Diss. Halle-Wittenberg 1912;
    R. Lorenz, O. L. u. d. ADB, in: MIÖG, Erg.bd. 11, 1929, S. 807-32;
    F. Huter, Biogrr. d. Archivbeamten seit 1749, in: L. Bittner (Hrsg.): Gesamtinventar d. Wiener Haus-, Hof- u. Staatsarchivs I, 1936;
    H. v. Srbik, Geist und Gesch. v. dt. Humanismus b. z. Gegenwart II, 1951;
    A. Lhotsky, Gesch. d. Inst. f. Österr. Gesch.forschung 1854-1954, in MIÖG, Erg.bd. 17, 1954;
    M. Steiner, Die Wiener Zeit d. O. L., Diss. Wien 1954 (ungedr.);
    Wurzbach 16;
    Kosch, Kath. Dtld. (P);
    ÖBL.

  • Autor/in

    Silvia Backs
  • Zitierweise

    Backs, Silvia, "Lorenz, Ottokar" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 170-172 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117216062.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA