Lebensdaten
1834 – 1891
Geburtsort
Wurmlingen bei Rottenburg
Sterbeort
Bonn
Beruf/Funktion
Mundartforscher ; Germanist
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 119178818 | OGND | VIAF: 77120022
Namensvarianten
  • Birlinger, Anton
  • Birlinger, A.
  • Birlinger, Ant.

Objekt/Werk(nachweise)

Orte

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Zitierweise

Birlinger, Anton, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119178818.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Balthasar, S des Bruno, Bauern und Wirte in Wurmlingen, und der Eleonore Müller;
    M Elisabeth, T des Wagners Johanness Euper in Wurmlingen und der Maria Eva Theurer.

  • Biographie

    Als Sohn einer seit dem 17. Jahrhundert in seinem Geburtsort ansässigen Familie besaß B. die Werte des schwäbischen Bauerntums in Gesinnung, Sprache, Brauch und Lied wesenhaft als Ahnenerbe. In seiner Rottweiler Schulzeit 1850-54 hatte er reichlich Gelegenheit, den Unterschied des Volkstums seines Geburtsortes am oberen Neckar mit dem des Niederalemannentums zu beobachten und die große Mannigfaltigkeit schwäbischer Sprache und Art|aus dem Mund der aus allen Teilen Württembergs stammenden Mitinsassen des dortigen Konvikts unmittelbar zu hören ohne den Umweg des Fragebogens. Besonders aber hatte er an der damaligen Arbeit seines Rektors F. Lauchert zum ersten Mal die Möglichkeit, etwas von der wissenschaftlichen Auswertung dieses Stoffes kennen zu lernen. So bildeten seine Tübinger Studentenjahre (Theologie und Germanistik) 1854-58 eine geradlinige Fortsetzung dieser geistigen Arbeit. 1861 veröffentlichte er mit seinem medizinischen Studiengenossen Michel Richard Buck zusammen sein erstes volkskundliches Werk „Sitten und Gebräuche aus Schwaben“ (2 Bände, später unter dem Titel „Volkstümliches aus Schwaben“, mit einem Wörterbüchlein dazu und als 3. Band Schwäbischer Volkslieder, 1864). Auf Grund davon begab er sich im gleichen Jahr nach München, um in der Schule Johann Andreas Schmellers bei Konrad Hofmann u. a. Leitung und Förderung zu finden. Die literarisch überaus reichen Jahre 1861-67 zeigen fleißiges Auswerten der Schätze der Münchener Bibliotheken und Archive. Seine Wanderjahre führten ihn dann über Breslau und Berlin nach Bonn. B. wirkte als katholischer Priester, bis er als Anhänger der altkatholischen Bewegung 1870 vom Pfarramt suspendiert wurde. Die Bonner Meisterjahre (1869 Privatdozent, 1872 außerordentlicher Professor für deutsche Philologie) sind gekennzeichnet durch unaufhörliches Sammeln und Verwerten volkskundlichen Stoffes aus seiner alten wie aus der neuen Wahlheimat. - B.s Bedeutung beruht nicht sowohl auf seiner überaus reichhaltigen literarischen Tätigkeit als in seiner Vereinigung der volkstümlichen Kräfte seines Stammes als eines unmittelbar-natürlichen Besitzes mit der Fähigkeit wissenschaftlicher Auswertung ohne den nicht gefahrlosen Weg des Fragebogens. Damit steht er unter den Wegbereitern des Schwäbischen Wörterbuchs als nicht wegzudenkende, bodenständige Stütze seines geistigen Vaters Adalbert Keller.

  • Werke

    Weitere W Dt. Rechtsaltertümer aus Schwaben, in: Anz. f. d. Kde. d. Dt. Vorzeit, NF 5, 1858, S. 300-02, 340-42;
    Zur schwäb. Sittenkde., in: Zs. f. Dt. Kulturgesch., 1858, S. 689-701;
    Btrr. z. schwäb. Sittenkde., ebenda, 1859, S. 333-38;
    Die Augsburger Mundart, 1862 (dazu Wb. d. Augsburger Mundart, 1864);
    Die Sprache d. Rottweiler Stadtrechts, in: SB d. Bayer. Ak. d. Wiss., 1865, II. Anh., S. 1-72;
    Sprachvergleichende Studie zw. d. Schwäb. u. Alemann., in: Kuhns Zs. f. vergleichende Sprachwiss. 15, 1867, S. 61-67;
    Die alemann. Sprache rechts d. Rheins seit d. 13. Jh., 1868;
    Sitten u. Rechtsbräuche im Rechtsleben, später unter d. Titel Aus Schwaben, Sagen, Legenden u. Aberglauben, 2 Bde., 1874;
    Das rechtsrhein. Alemannien, Grenze, Sprache, Eigenart, in: F z. Dt. Landesgesch. u. Volkskde., hrsg. v. A. Kirchhoff, Bd. 4, H. 4, 1889;
    Hrsg.: Alemannia, Zs. f. Sprache, Lit. u. Volkskde. d. Elsasses, d. Oberrheins u. Schwabens, 1871 ff. (mit einer fortlaufenden Darst. d. Hohenzollernschen Orts- u. Flurnamen, 1873–87, u. einem postumen Aufsatz Sittengeschichtliches aus d. schwäb. Gaunerleben);
    Des Knaben Wunderhorn, 2 Prachtbde., 1873-77 (mit W. Crecelius).

  • Literatur

    ADB XLVII;
    Heyd I, II (W, L).

  • Autor/in

    Rudolf Kapff
  • Zitierweise

    Kapff, Rudolf, "Birlinger, Anton" in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 258-259 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119178818.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Birlinger*)Zu Bd. XLVI, S. 560.: Anton B. wurde am 14. Januar 1834 im Wirthshause zum Löwen in Wurmlingen bei Tübingen-Rottenburg geboren, am Fuße der Capelle gelegen, welche Uhland und Andere besungen haben. Der Elementarschule des Ortes verdankte er seinen ersten Unterricht. Seine nächsten Anverwandten väterlicherseits waren seit langem die Lehrer des Ortes; ebenso die Vögte der Gemeinde bei Vorderösterreichs Zeiten, dessen Grenzen bis zum nahen Hirschau, eine Stunde von Tübingen sich ausdehnten. Durch seine Fertigkeit im Zeichnen wurden Lehrer und Pfarrer auf den Knaben aufmerksam und man bestimmte ihn zum Lehrer. Aber gegen den Willen der Mutter ertheilte ihm der Ortspfarrer lateinischen Unterricht. Den Vater hatte B. verloren, als er kaum fünf Jahre alt war. Die Mutter heirathete dann den Dorfschulzen Groß, einen Veteranen der Freiheitskriege, welcher 1859 starb. Des Stiefvaters ausgedehnte Oekonomie drohte dem Studium des Knaben den Garaus zu machen, was jedoch glücklicherweise verhindert wurde. In den Jahren 1848—1850 finden wir B. auf der Lateinschule zu Rottenburg am Neckar. Nach Absolvirung des bekannten württembergischen Landexamens trat er ins Rottweiler Convict ein, wo er von 1850—1854 war. Nachdem er sein Abiturientenexamen abgelegt hatte, studirte er von 1854—1858 an der Universität Tübingen katholische Theologie und germanistische Fächer, welch letzteren er durch Rector Lauchert in Rottweil zugeführt worden war. Befremdend ist es, daß B. seiner persönlichen Beziehungen zu Uhland, welche in dieser Zeit zu Stande kamen, in seinen Aufzeichnungen keine Erwähnung thut. Im J. 1858 machte B. die theologische Staatsprüfung und ging 1859 zehn Monate ins Priesterseminar zu Rottenburg. Nach empfangener Priesterweihe (1859) war er kurze Zeit in der praktischen Seelsorge|thätig und ging dann mit Staatsunterstützung behufs Fortsetzung seiner altdeutschen Studien nach München (1861), wo Vollmer großen Einfluß auf ihn ausübte. Im J. 1868 ging er nach Breslau, 1869 nach Berlin. Im Jahre 1869 habilitirte er sich in Bonn. Hier wurde ihm 1872 ein außerordentlicher Lehrstuhl für deutsche Philologie übertragen. Bei der Bewegung, welche sich aus Anlaß des Vaticanischen Concils unter den Katholiken Deutschlands erhob, trat er entschieden auf die Seite der Altkatholiken und ist ihnen bis zum Lebensende mit ganzem Herzen zugethan geblieben. Am 15. Juni 1891 verschied er zu Bonn nach längerem Leiden.

    Als akademischen Lehrer zeichnete B. ein oft derber Humor aus, der freilich auch nicht frei von Jovialität war. Seine Vorlesungen, welche sich auf die verschiedensten Gebiete der Germanistik erstreckten, erfreuten sich darum einer großen Beliebtheit. In seinem Aeußeren hatte er etwas Burschikoses; seine reckenhafte Gestalt bewegte sich in zwangloser Kleidung und Haltung. Ein warmes Herz für die, denen er einmal seine Freundschaft zugewandt hatte, zeichnete den bescheidenen, selbstlosen Gelehrten aus, dessen Größe in der Erforschung des Kleinen liegt.

    Für seine Arbeiten kam ihm eine außerordentliche Belesenheit in allen Epochen der deutschen Litteratur zu statten, namentlich auf dem seltener betretenen Gebiete der Handschriften. Dabei unterstützte ihn eine hervorragende Sammlung werthvoller Bücher und eine Fülle gelehrter Collectaneen des schwäbischen Landes und ein treffliches Gedächtniß. Seine Bedeutung für die Wissenschaft liegt entschieden auf dem schriftstellerischen Gebiete. Vor allen Dingen muß hier seiner „Alemannia“ gedacht werden, Zeitschrift für Sprache, Litteratur und Volkskunde des Elsasses, Oberrheins und Schwabens (Bonn 1873 ff.); sie wird ein unerschöpflicher Born für schwäbisch-elsässische Volkskunde bleiben. Werke von bleibendem Werthe sind ferner: „Volkstümliches aus Schwaben"; „Augsburger Mundart"; „Schwäbisch-Augsburgisches Wörterbuch"; „Aus Schwaben"; „Des Knaben Wunderhorn“ (in Verbindung mit Wilh. Crecelius herausgegeben) etc. Seine schriftstellerische Thätigkeit war in erster Linie auf die Erforschung der süddeutschen Sagen, Sitten, Gebräuche, Lieder und Sprache gerichtet.

    Nicht nur in der Gelehrtenwelt, sondern auch in fürstlichen Kreisen fanden seine Arbeiten die wohlverdiente Anerkennung: im J. 1862 erhielt er die kleine goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft in Preußen; 1865 dieselbe in Württemberg; 1863 die Medaille „Bene merenti“ vom Fürsten Karl Anton von Hohenzollern; 1865 die goldene Medaille für Wissenschaft vom Herzog Max von Baiern.

    • Literatur

      Nach den eigenen Aufzeichnungen im Vereins-Album des Bergischen Geschichtsvereins zu Elberfeld, der Kölnischen Zeitung vom 17. Juni 1891 und meinem Nekrolog in der Zeitschr. d. Vereins f. Volkskunde I, 449 f.

  • Autor/in

    O. Schell.
  • Zitierweise

    Schell, O., "Birlinger, Anton" in: Allgemeine Deutsche Biographie 47 (1903), S. 759-760 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119178818.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA