Lebensdaten
1856 – 1926
Geburtsort
Neustrelitz
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Psychiater
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118565915 | OGND | VIAF: 44300913
Namensvarianten
  • Kraepelin, Emil
  • Kraepelin
  • Kraepelin, E.
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Zitierweise

Kraepelin, Emil, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118565915.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Karl (1817–82), Musiklehrer, Hofschauspieler, Rezitator v. Fritz Reuters Dichtungen, S d. Rektors Christian Heinrich in Wittenburg (Meckl.) u. d. Caroline Bergner;
    M Emilie (1819–96), T d. Hofmusikers Joh. Gottlob Lehmann u. d. Friederike Benzinger;
    B Karl (s. 2);
    - Bölkow-Bodendiek 1884 Ina (1855–1944), T d. Erbpächters Ernst Schwabe in Gehlsdorf b. Rostock u. d. Henriette Stave;
    4 T, u. a. Antonie ( Karl Frdr. Schmidt, 1887–1971, Prof. d. Chemie, Erf. d. „Cardiazols“);
    E Hans-Peter Dürr (* 1929), Prof., Geschäftsführender Dir. am Max-Planck-Inst. f. Physik u. Astrophysik München.

  • Biographie

    In Würzburg und München studierte K. Medizin, von Anfang an mit der festen Absicht, Psychiater zu werden. Aufgrund einer Preisaufgabe, die er als Student gewann, wurde er bereits vor Examen und Promotion (1878) Assistent an der psychiatrischen Abteilung von F. von Rinecker in Würzburg. 1878-82 arbeitete K. in München bei B. von Gudden neuroanatomisch, neuropathologisch und klinisch-psychiatrisch. 1882 ging er nach Leipzig, habilitierte sich für Psychiatrie, arbeitete jedoch vor allem im experimentalpsychologischen Labor von W. Wundt. Nach unruhigen und finanziell unsicheren Jahren in München, Leubus und Dresden wurde er 1886 mit 30 Jahren Professor der Psychiatrie in Dorpat. 1891 wurde K. Ordinarius für Psychiatrie in Heidelberg, 1904 in München, wo er 1922 emeritiert wurde. Die Münchener Klinik wurde durch K. und seine Schüler (vor allem A. Alzheimer, R. Gaupp, J. Lange, F. Nissl, W. Weygandt) ein weltweit bekanntes psychiatrisches Zentrum („Münchener Schule“). Trotz der Kriegswirren gelang K. 1917 in München die Gründung der „Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie“, gestützt auf großzügige Zuwendungen von seiten des amerikanischen Mäzens James Loeb, eines Patienten von K. Dieses bedeutende Forschungsinstitut wurde dann von der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft übernommen (heute: Max-Planck-Institut für Psychiatrie); bereits unter K. gab es eine klinische, eine hirnpathologische, eine serologische und eine genealogische Abteilung.

    K., der in Leipzig als einer von Wundts engsten Mitarbeitern die experimentalpsychische Arbeitsmethodik erlernt hatte, versuchte eine Pharmakopsychologie und experimentelle Psychopathologie zu begründen. All dies hatte vor allem praktische Auswirkungen, so in K.s konsequentem, ja fanatischem Kampf gegen den Alkohol und in seinem Engagement für Schulpsychologie und -hygiene (zum Beispiel Überbürdungsfrage) und Arbeitsmedizin (zum Beispiel psychische Arbeitskurve, Ermüdungsexperimente, K.scher Rechenversuch, K.-Pauli-Test).

    K.s Hauptinteresse galt der klinischen Psychiatrie. Aufbauend auf dem Studium des Krankheitsverlaufs vieler Patienten und anknüpfend an K. L. Kahlbaums Idee der „Krankheitseinheit“, bemühte sich K. um eine nicht nur die Symptomatik, sondern auch – soweit bekannt – die Krankheitsursachen berücksichtigende Systematik der Geisteskrankheiten. Zwei neue Krankheitsbezeichnungen wurden dabei entscheidend: die „Dementia praecox“ (seit 1893; Ernst Bleuler spricht dann 1911 von der „Gruppe der Schizophrenien“) und das „manisch-depressive Irresein“ (seit 1899) als grundlegende Psychoseformen. Insgesamt legte K. eine in ihrer Differenziertheit neuartige Klassifikation psychischer Krankheiten vor, die – trotz mancher, vor allem biologistischer Einseitigkeit –, richtungsweisend für die Psychiatrie des 20. Jahrhunderts wurde. Obwohl er in seinem System auch psychogene Erkrankungen berücksichtigte, stand K. – Ackerknecht nennt ihn einen „Eklektiker mit somatischer Tendenz“ – der Psychoanalyse ablehnend gegenüber.

    K. bemühte sich um eine organisatorische Erneuerung des psychiatrischen Anstaltswesens, um einen humanen Umgang mit den Geisteskranken und um neuartige Therapieformen; er führte das Dauerbad in die Behandlung von Unruhezuständen ein. K. beschäftigte sich außerdem mit der kriminalpsychologischen Frage der Verbrechensverhütung, mit der Geschichte der Psychiatrie und – angeregt durch Wundts Völkerpsychologie und durch außereuropäische Reisen – mit Fragen der vergleichenden, transkulturellen Psychiatrie.|

  • Auszeichnungen

    Dr. phil. h. c. (Königsberg 1921).

  • Werke

    u. a. Die Abschaffung d. Strafmasses, Ein Vorschlag z. Reform d. heutigen Strafrechtspflege, 1880;
    Ueber d. Einfluß acuter Krankheiten auf d. Entstehung v. Geisteskrankheiten, Gekrönte Preisschr., in: Archiv f. Psychiatrie u. Nervenkrankheiten 11, 1881, S. 137-83, 295-350, 649-77, 12, 1882, S. 65-121, 287-336 (auch separat 1881);
    Compendium d. Psychiatrie, 1883, ab ²1837 u. d. T.: Psychiatrie, Ein (kurzes) Lehrb. f. Studirende u. Aerzte, ab ⁶1899 in 2 Bdn. (I: Allg. Psychiatrie, II: Klin. Psychiatrie), ⁸1909-15 in 4 Bdn. (I: Allg. Psychiatrie, II-IV: Klin. Psychiatrie, T. 1-3), ⁹1927 blieb unvollst.: I bearb. v. J. Lange, II, 1 v. K. (russ. u. engl. Überss.);
    Ueber d. Beeinflussung einfacher psych. Vorgänge durch einige Arzneimittel, Experimentelle Unterss., 1892;
    Ueber geistige Arbeit, in: Neue Heidelberger Jbb. 4, 1894, H. 1 (auch separat 1894, ⁴1903);
    Zur Hygiene d. Arbeit, ebd. 6, 1896, H. 2 (auch separat 1896);
    Der psycholog. Versuch in d. Psychiatrie, in: Psycholog. Arbb. 1, 1896, S. 1-91;
    Zur Ueberbürdungsfrage, 1897;
    Die psychiatr. Aufgaben d. Staates, 1900;
    Einführung in d. psychiatr. Klinik, 30 Vorlesungen, 1901, ⁴1921 in 3 Bdn. (russ., engl. u. franz. Überss.);
    Alkohol u. Jugend, o. J. (um 1908, = Schrr. d. Alkoholgegnerbundes 40);
    Wandtafeln z. Alkoholfrage, 1908 (mit M. Gruber);
    Hundert J. Psychiatrie, Ein Btr. z. Gesch. menschl. Gesittung, in: Zs. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie 38, 1918, S. 161-275 (auch separat 1918);
    Geleitwort (K. ist d. Anreger) zu: Dt. Irrenärzte, hrsg. v. Th. Kirchhoff, 2 Bde., 1921-24, S. III bzw. S. VI (darin v. K.: F. v. Rinecker, I, S. 244-47;
    P. J. Möbius, II, S. 274-79;
    A. Alzheimer, II, S. 299-307);
    Werden. Sein, Vergehen (Gedichte), 1928.

  • Literatur

    O. Bumke, in: Klin. Wschr. 5, 1926, S. 2238 f., auch in: ders., Die gegenwärtigen Strömungen in d. Psychiatrie, 1928, S. 31-39;
    J. Lange, in: Münchener med. Wschr. 73, 1926, S. 288-90;
    ders., ebd., S. 1805 f.;
    W. Weygandt, in: Allg. Zs. f. Psychiatrie u. psych.-gerichtl. Med. 85, 1926/27, S. 443-58;
    W. Wirth, in: Archiv f. d. ges. Psychol. 58, 1927, S. I-XXIII (W-Verz. S. XXIV-XXXII);
    6 Vorträge v. W. Mayer-Groß, H. W. Gruhle, A. Groß, W. Weygandt, E. Rüdin, G. Aschaffenburg, in: Archiv f. Psychiatrie u. Nervenkrankheiten 87, 1929, S. 30-95 (W-Verz. S. 165-68, P vor S. 1);
    S. E. Jelliffe, in: Archives of neurology and psychiatry 27, 1932, S. 761-75;
    R. Gaupp, Die Lehren K.s in ihrer Bedeutung f. d. heutige Psychiatrie, in: Zs. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie 165, 1939, S. 47-75 (separat u. d. T.: E. K., Der Mann u. s. Werk in ihrer Bedeutung f. d. psychiatr. Forschung d. Gegenwart, 1939);
    K. Kolle, in: Große Nervenärzte, hrsg. v. dems., 1956, ²1970, S. 175-86 (W, L, P);
    ders., K. u. Freud, Btrr. z. neueren Gesch. d. Psychiatrie, 1957;
    E. H. Ackerknecht, Kurze Gesch. d. Psychiatrie, ²1967;
    Fischer (P).

  • Autor/in

    Helmut Siefert
  • Zitierweise

    Siefert, Helmut, "Kraepelin, Emil" in: Neue Deutsche Biographie 12 (1980), S. 639-640 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118565915.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA