Lebensdaten
geboren 13. Jahrhundert
Beruf/Funktion
Märendichter
Konfession
-
Normdaten
GND: 100965229 | OGND | VIAF: 66823214
Namensvarianten
  • Sibot von Erfurt
  • Meister Sibote von Erfurt
  • Sibote von Erfurt
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Zitierweise

Sibote von Erfurt, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd100965229.html [25.04.2024].

CC0

  • Biographie

    Da sprachliche Kriterien auf mitteldt., wohl Thüringer Herkunft verweisen, könnte der in zwei der ältesten Handschriften des Schwanks „Frauenzucht“ („Frauenerziehung“) als Autor genannte S. mit jenem „von Ertfurt meister Sîbot“ identisch sein, der nach der Chronik Ottokars von Steiermark (V. 307) als Musiker („videlaere“) am Hof Kg. Manfreds ( 1266) wirkte. Die mit acht Überlieferungszeugen in drei Fassungen (628–984 Verse) relativ breit tradierte Reimpaarerzählung, die Motivübereinstimmungen mit dem franz. Fabliau „De la dame qui fu escoillée“ aufweist, variiert das im Märengenre häufiger bearbeitete Thema der Zähmung einer widerspenstigen Frau: Niemand will die schöne Tochter eines bereits 30 Jahre von seiner Frau tyrannisierten Ritters heiraten, die von ihrer Mutter zur Furie erzogen worden ist. Einem mutigen Freier gelingt während der Heimführung die Umerziehung, indem er u. a. seine Braut zwingt, ihm als Reittier zu dienen. Beim ersten Besuch der Eltern wirft die Mutter ihrer Tochter Versagen im Machtkampf mit dem Gatten vor. Grund der mütterlichen Bosheit – so der Schwiegersohn – seien zwei in ihrem Leib befindliche „zornbrâten“, von denen er ihr einen mit einem gewaltsamen Schnitt aus dem Oberschenkel vermeintlich entfernt. Aus Angst vor der zweiten ,Operation‘ gelobt das „übele wîp“ andauernde Verhaltensänderung.

    Das Zentralthema der bösen Frau, deren Bosheit einerseits in deren „zorn“ („ira“) begründet ist, andererseits auf einem traditionell vermittelten Verhaltensmodell des ehelichen Geschlechterkampfs beruht, wird von S. vielfach durch Anspielungen auf literarische Beispiele (z. B. „dú übeliu Kriemhilt“) und ironische Brechungen von Leitbegriffen (z. B. „undertân“, „rîten“, „meister“, „kriec“, „vride“, „strît“) diskutiert. Das Motiv der Frau als Reitpferd, das sonst nur noch im Märe „Die gezähmte Widerspenstige“ vorkommt, läßt sich als Geschlechter-Umkehrung des ebenfalls im Märenkontext tradierten Aristoteles-Phyllis-Motivs deuten.

  • Werke

    H. Niewöhner, Neues Gesamtabenteuer, hg. v. W. Simon, ²1967;
    C. Sonntag, S.s. „Frauenzucht“, Krit. Text u. Unterss., 1969.

  • Literatur

    E. Schröder, Erfurter Dichter d. 13. Jh., in: ZDA 51, 1909, S. 143–56;
    F. Frosch-Freiburg, Schwankmären u. Fabliaux, 1971, S. 87–95;
    H. Fischer, Studien z. dt. Märendichtung, besorgt v. J. Janota, ²1983, S. 401 f. (L);
    M. Schröter, „Wo zwei zusammenkommen in rechter Ehe“, Sozio- u. psychogenet. Studien über Eheschließungsvorgänge v. 12. bis 15. Jh., 1985;
    Killy;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    Vf.Lex. MA² (W, L).

  • Autor/in

    Norbert H. Ott
  • Zitierweise

    Ott, Norbert H., "Sibote von Erfurt" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 305-306 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100965229.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA