Lebensdaten
1849 – 1922
Geburtsort
Tilsit
Sterbeort
Luxemburg (Stadt)
Beruf/Funktion
Schuhmacher ; "Hauptmann von Köpenick"
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 11862766X | OGND | VIAF: 196178159
Namensvarianten
  • Hauptmann von Köpenick
  • Voigt, Friedrich Wilhelm
  • Voigt, Wilhelm
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Zitierweise

Voigt, Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11862766X.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus ostpreuß. Schuhmacherfam.;
    V Carl (1819–96, 2] Louise Zackstadt [Zeckstadt]), Schuhmacher in T., S d. Gottfried (Vogt), Müller in Kallkappen b. T., u. d. Catharine Knoch;
    M Eleonore Helene (1822–78), aus Coadjuthen (Ostpr.), T d. Christian Ussat (Ulossat, Ulossatis), aus Caemeggken (Ostpr.), Arb.;
    1 B (früh †), 3 Schw (1 früh †) u. a. Bertha (* 1846, Wilhelm Menz, 1842–v. 1909, aus Magdeburg, Seifenhändler in Berlin);
    (?) N. N.

  • Biographie

    Nach dem Besuch der Stadtschule und der Realschule in Tilsit erlernte V. bei seinem Vater das Schuhmacherhandwerk. 14jährig ging er auf Wanderschaft, auf der er zum ersten Mal (wegen Bettelei) polizeilich belangt wurde. 1866 kam V. nach Berlin und fand in Kreuzberg schlecht bezahlte Arbeit. Wegen Fälschung einer Postanweisung verurteilt, verbüßte er 12 Jahre Zuchthaushaft in Sonnenberg. Nach seiner Freilassung brach er mit einem ehemaligen Mithäftling in die Gerichtskasse von Wongrowitz (Prov. Posen) ein, wofür ihm das Landgericht Gnesen 1891 weitere 15 Jahre Zuchthausstrafe auferlegte. 1906 ließ sich V., von der Haft psychisch und physisch gezeichnet, als Schuhmacher in Wismar nieder, wurde aber nach wenigen Wochen von der preuß. Polizeiaufsicht wieder aus Mecklenburg ausgewiesen und ging zurück nach Berlin, wo er sich – ebenfalls von Abschiebung bedroht – heimlich aufhielt.

    Am 8. 10. 1906 kaufte V. Uniformstücke für die Ausrüstung eines Hauptmanns des 1. Garderegiments zu Fuß und wechselte seinen Vollbart gegen einen imposanten weißen Schnauzbart, der ihm das nötige militärische Ansehen verleihen sollte. Als „Hauptmann von Malzahn“ brach er am frühen Morgen des 16. 10. 1906 vom Schles. Bahnhof nach Köpenick auf, um den Ort zu inspizieren. Danach fuhr er nach Plötzensee, traf zur Wachablösung an der dortigen Militär-Schwimmanstalt ein und requirierte im Namen des Kaisers eine Wachmannschaft. Diese folgte dem Uniformträger in blindem Gehorsam zum Bahnhof Putlitzstraße und fuhr mit ihm nach Köpenick, wo V. mit seiner Truppe am Nachmittag das Rathaus besetzte, Bürgermeister Georg Langerhans „festnahm“ und sich „auf höchsten Befehl“ 3557,54 Mark aus der Stadtkasse auszahlen ließ. Während die Soldaten auf Geheiß V.s eine halbe Stunde vor dem Rathaus Posten standen, kehrte dieser mit der Bahn nach Berlin zurück, wo noch am selben Tag ein steckbrieflicher Suchbefehl mit Aussetzung einer Belohnung in Höhe von 3000 Mark ausgestellt wurde. Von einem ehemaligen Mithäftling denunziert, wurde V. wenige Tage später verhaftet und am 1. 12. 1906 wegen Betruges und Urkundenfälschung vom Landgericht II zu vier Jahren Haft verurteilt. Mit seiner dreisten Tat machte der falsche Hauptmann den dt. Untertanengeist in der ganzen Welt lächerlich. Die „Köpenickiade“ wurde bereits am Tag nach der Tat in der Presse als Geniestreich belächelt und als „lustiger Operettenstoff“ bezeichnet. Zum Prozeß erschienen Journalisten aus aller Welt, um den „Eulenspiegel des wilhelminischen Militärstaats“ (M. Jeck) zu erleben. Aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit, die die „Köpenickiade“ als Angriff auf den preuß. Militarismus begrüßte, wurde V. nach zwei Jahren Haft in Tegel von Ks. Wilhelm II. begnadigt.

    Nach seiner Freilassung trat V. öffentlich in Uniform als „Hauptmann von Köpenick“ auf, erzählte seine Geschichte auf einer Grammophonplatte, veröffentlichte seine Autobiographie (Wie ich Hptm. v. Köpenick wurde, Mein Lb., 1909, mehrfache Nachdrr.), verkaufte Postkarten von sich und ging – aus Berlin abgeschoben – auf Vortragsreise durch Deutschland, die Niederlande, Frankreich, England und die USA, um sich über das Preußentum lustig zu machen. Das Berliner Panoptikum stellte ihn seit Aug. 1908 als Wachsfigur aus. Zu einem gewissen Wohlstand gekommen, lebte V. seit 1910 als luxemburg. Staatsbürger in Luxemburg (Stadt).

    Seit 1906 gab es in Literatur, Theater und Film zahlreiche Aufarbeitungen des Stoffs, u. a. Carl Zuckmayers Tragikomödie „Der Hauptmann von Köpenick, Ein deutsches Märchen in drei Akten“ (1930, UA am Dt. Theater Berlin 1931, Regie: H. Hilpert, Titelrolle: W. Krauß), die mit bekannten Schauspielern wie Heinz Rühmann (1956), Rudolf Platte (1960), Harald Juhnke (1997) und Otto Sander (2005) als Hauptdarstellern mehrfach verfilmt wurde. Zudem haben sich Rechtshistoriker wiederholt der „Köpenickiade“ gewidmet.

  • Auszeichnungen

    |Berliner Gedenktafel am Rathaus Köpenick (1996);
    Dauerausst. im Rathaus Köpenick.

  • Literatur

    |R. v. Hippel, Der „Hptm. v. Köpenick“ u. d. Aufenthaltsbeschränkungen bestrafter Personen, in: DJZ 11, 1906, S. 1303 f.;
    W. Löschburg, Ohne Glanz u. Gloria, Die Gesch. d. Hptm. v. Köpenick, 1998;
    A. Deeken, Der Hptm. v. Köpenick, in: B. Heller u. M. Steinle (Hg.), Filmgenres, Komödie, 2005, S. 280–85;
    M. Jeck, Auf allerhöchsten Befehl, Kein dt. Märchen, Das wahre Leben, in: Die Zeit Nr. 42 v. 12. 10. 2006, S. 10;
    M. Niedzwicki, Das Grundrecht auf Freizügigkeit n. Art. 11 GG, Zugleich e. Btr. z. 100. J.tag d. Köpenickiade d. Hptm. v. Köpenick, in: Verw.bll. f. Baden-Württ. 10, 2006, S. 384 ff.;
    H. Rosenau, Der Hptm. v. Köpenick e. Hangtäter?, Stud. z. e. Urteil d. Kgl. Landger. II in Berlin u. e. Schauspiel v. Carl Zuckmayer, in: Zs. f. internat. Strafrechtsdogmatik 2010, S. 284 ff.;
    W. R. Frieling, Der Hptm. v. Köpenick, Die wahre Gesch. d. W. V., Mit d. Orig.urteil d. Berliner Landger., 2011;
    Altpreuß. Biogr. II.;
    zur Fam.: N. Stein, Vorfahren d. „Hptm. v. Köpenick“, in: Berlin. Mschr., 1998, H. 4, S. 39–47.

  • Porträts

    |Bronzestandbild v. S. Babajan, 1996 (vor d. Rathaus Köpenick);
    zahlr. Karikaturen in d. Tagespresse;
    Sonderstempel u. Ersttagsbll. d. Dt. Post.

  • Autor/in

    Wilhelm Ruprecht Frieling
  • Zitierweise

    Frieling, Wilhelm Ruprecht, "Voigt, Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 67-68 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11862766X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA