Lebensdaten
1499 oder 1498 – 1570
Geburtsort
Weil der Stadt (Reichsstadt, dann württembergisch)
Sterbeort
Stuttgart
Beruf/Funktion
evangelischer Theologe ; schwäbischer Reformator
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118515128 | OGND | VIAF: 19687604
Namensvarianten
  • Brenz, Johann
  • Brenz, Johannes
  • Brenz, Johann
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Orte

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Zitierweise

Brenz, Johannes, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118515128.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Martin Heß, genannt Brenz (1475–1535), vor 1527 und nach 1531 Schultheiß und Stadtrichter zu Weil, unter der österreichischen Herrschaft wegen seines Bekenntnisses vom Amt entfernt, vermutlich S des Schultheißen und Richters Hans Heß in Weil, 1489–1511, und einer geborenen Brenz;
    M Cath. Hennig (vermutlich aus Enzweihingen);
    1) Schwäbisch Hall 11.12.1530 Marg. (1501–48), T des Kaspar Gräter, innerer Rat zu Schwäbisch Hall, Witwe des Ratsherrn Hans Wetzel, 2) Dettingen bei Urach 7.9.1550 Cath. Isenmann (Eisenmann, Eisenmenger, 1570) aus Schwäbisch Hall, N (nicht T) seines Freundes; sehr große Nachkommenschaft, u. a. Albrecht Bengel ( 1752), lutherischer Theologe, Hauff, Hegel, Moser, Carl Christian Planck, Uhland;
    T aus 1) Generalsuperintendent und Professor der Theologie Dietrich Schnepff, Sophie ( Eberhard Bidenbach, 1528–97, evangelischer Theologe, Abt in Bebenhausen, Herausgeber der Werke Brenz').

  • Biographie

    Nach dem Studium in Heidelberg (seit 1514) bei Johannes Ökolampad und Erhard Schnepf hörte B. Luther selbst bei dessen Heidelberger Disputation auf dem Generalkapitel der Augustinerkongregation über die Unfreiheit des Willens gegen die Scholastik und gegen Aristoteles. Endgültig für Luther gewonnen, kam B. 1521 nach dem Wormser Reichstag in Verdacht wegen Neuerung in Glaubenssachen und folgte 1522 einem Ruf als Prediger nach Schwäbisch Hall. Hier wurde er bis 1533 zum Reformator in Franken. In maßvoll vorgehender Entschiedenheit wurden Messe, Heiligendienst und das Klosterwesen bis 1524 abgeschafft; 1526 folgte die (erste) Haller Kirchenordnung. Im Bauernkrieg verhinderte B. den Übergang der Stadt zur Partei der Aufständischen. Bis 1533 wirkte er dann mit bei der Durchführung der Reformation im benachbarten Dinkelsbühl und in der Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach; 1530 beteiligte er sich selbständig an der theologischen Arbeit Melanchthons auf dem Augsburger Reichstag. Von 1534 an wurde er von Herzog Ulrich nach dessen siegreicher Rückkehr aus dem Exil zur Durchführung der Reformation in Württemberg beigezogen; namentlich leitete er 1537/38 die Reformation der Universität Tübingen. Von dort kehrte er wieder nach Hall zurück, die Wirkungen der Reformation in Franken zu vertiefen (1543 zweite Hallische Kirchenordnung). Während der Herrschaft des Interims (1547–50) hielt er sich unter mancherlei Abenteuern da und dort vor den spanischen Söldnern im Versteck, bis er nach Herzog Christophs Regierungsantritt (1550) die Reformation in Stuttgart fortsetzte (seit 1554 als Propst und erster Prediger an der Stiftskirche in Stuttgart).

    Als entschiedener und gegenüber Melanchthon selbständiger Lutheraner zeigte er sich bei zwei bedeutenden Anlässen: Er ist Verfasser des „Syngramma Suevicum“ (1525), mit dem er eine Gruppe von 13 schwäbischen und|fränkischen Prädikanten zur Durchsetzung der lutherischen Abendmahlsauffassung um sich sammelte. Beim Marburger Religionsgespräch 1529 lernte er Luther persönlich kennen, von dem er nicht nur wegen seiner Abendmahlslehre, sondern auch wegen seiner durchaus eigenartigen Bibelkommentare aufs höchste geschätzt wurde: B. müsse sein Nachfolger werden zur Durchführung des Reformationswerkes. Zum zweiten Male zeigte sich B. in entscheidender Stunde als Lutheraner 1559 auf der Stuttgarter Synode, die gegen das Aufkommen calvinistischer Neigungesn unter der schwäbischen Pfarrerschaft einberufen worden war. Die hier beschlossene „Große Kirchenordnung von 1559“ führte die von B. für das Tridentiner Konzil 1552 verfaßte „Confessio Wirtembergica“ fort und hat nach und nach in fast allen Teilen Deutschlands Nachahmung gefunden. Als Bibeltheologe und mit seinen spekulativen Gedanken von der „repletiven“ Allgegenwart des Leibes Christi hat B. gegenüber dem Calvinismus und gegenüber dem „Philippismus“ der Schüler Melanchthons die Eigenart der luth. Orthodoxie geprägt und die „mild-lutherische“ schwäbische Fassung des Rechtfertigungsglaubens für die zukünftige Entwicklung geformt.

  • Werke

    Opera, 8 Bde., hrsg. v. G. Gruppenbach, 1576–1590;
    s. a. DW, Nr. 9352;
    eine befriedigende Ausgabe d. Werke u. neuere Biogr. fehlt.

  • Literatur

    ADD III;
    Th. Pressel, Anecdota Brentiana, 1868;
    I. Hartmann u. K. Jäger, J. B., 2 Bde., 1870–1872;
    A. Hegler, J. B. u. d. Ref. in Württ., 1899;
    O. Fricke, Die Christol. d. J. B. im Zusammenhang mit d. Lehre v. Abendmahl u. d. Rechtfertigung, 1927;
    H. Hermelink, H. B. als luth. u. schwäb. Theologe, 1949;
    A. Brecht, Das Lebenswerk d. schwäb. Reformators j. B., 1949;
    W. Köhler, Bibliogr. Brentiana, 1904;
    PRE;
    RGG (L);
    LThK (L);
    Dictionnaire d’Histoire et de Géographie Ecclésiastiques X.

  • Porträts

    Stiche, u. a. v. Th. de Bry, M. Merian (Kupf.-Kab. Dresden);
    Holzschnitt, Abb. in: O. Schuster, Schwäb. Glaubenszeugen, 1946, S. 9, u. in: J. Rauscher, Württ. Ref.-Gesch., 1934 (Umschlag).

  • Autor/in

    Heinrich Hermelink
  • Zitierweise

    Hermelink, Heinrich, "Brenz, Johannes" in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 598-599 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118515128.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Brenz: Johann B., Dr., schwäbischer Reformator, lutherischer Dogmatiker des 16. Jahrhunderts, geb. 24. Juni 1498 zu Weil der Stadt, 11. Septbr. 1570 zu Stuttgart. Von seinen Eltern sorgfältig erzogen und von trefflichen Lehrern unterrichtet, trat B. als Studirender in Heidelberg in jenen Kreis strebsamer und wißbegieriger Jünglinge ein, die wie Melanchthon, Oekolampadius, Bucer, Lachmann, Schnepf im J. 1518 die Aufmerksamkeit Luther's (bei seiner in H. gehaltenen Disputation) und seine Hoffnung erregten, sie würden einst „im Gegensatz gegen die Vorurtheile der Alten die Träger der wahren Gotteslehre werden“. Von Heidelberg, wo er schon als Lehrer auftrat, verdrängt, folgte er dem Ruf als Prediger in Schwäbisch-Hall, wo er ebenso mild in der Seelsorge wirkte, als entschieden den kirchlichen Mißbräuchen entgegentrat und sowol das Kirchen- als besonders auch das so arg vernachlässigte Schulwesen dem Evangelium gemäß einrichtete. Im Bauernkrieg 1525 sprach er sich in einer ausführlichen Beleuchtung der 12 Artikel der Bauern mit derselben Energie gegen die aufrührerische Erhebung und den mit dem Wort Gottes getriebenen Mißbrauch, als gegen die Versäumnisse der Obrigkeit aus, der er die Pflicht einschärfte, das Volk christlich zu regieren. Noch vor Luther verfaßte er den ersten evangelischen Katechismus: „Fragstück des christlichen Glaubens für die Jugend zu Schwäbisch-Hall", 1527; beigegeben war ein „Auszug für die Gewachsenen und Alten“. Später arbeitete er ihn völlig um; den „großen Katechismus“ gab Kasp. Gräter 1551 erst lateinisch heraus; verdeutscht hat ihn Hartmann Beyer, Erfurt 1552. Bekannt ist der Antheil, den B. von Anfang an am „Abendmahlsstreit“ nahm. B. war, wie Luther, überzeugt, daß von der|katholischen Kirchenlehre vornehmlich die Transsubstantiation auszuscheiden, dagegen die wirkliche Gegenwart Christi im Sacrament festzuhalten sei, eine Ansicht, die er den Schweizern gegenüber im „Syngramma suevicum“ aus der heiligen Schrift und den Kirchenlehrern der frühern Jahrhunderte begründete. Unter den verschiedenen Landesherren, denen er bei Einführung der Reformation behülflich war, kam er besonders nahe dem Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach, der ihn zum Augsburger Reichstag mitnahm, wo B. in den zu den Vergleichsverhandlungen niedergesetzten Ausschuß gewählt wurde. Auch der Stadt Nürnberg widmete er damals seine Dienste. Einige Jahre später half er bei dem würtembergischen Reformationswerk unter Herzog Ulrich, namentlich bei der Verbesserung der Einrichtungen der Universität Tübingen. Als im unglücklichen schmalkaldischen Krieg im Anfang des J. 1547 die Kaiserlichen in Hall einzogen und auf B. fahndeten, flüchtete er sich in die nahen Wälder; kaum wieder auf einige Zeit zurückgekehrt, nöthigte ihn der Auslieferungsbefehl Granvella's, der den unerschrockenen Bekämpfer des Interims in seine Hand bekommen wollte, mit Zurücklassung seiner Gattin, Margarethe, geb. Gräter und seiner sechs Kinder erst im Würtembergischen, später in der Schweiz eine Zufluchtsstätte zu suchen. In Basel erhielt er ein köstliches Trostschreiben von Calvin; hier kam ihm die Nachricht vom Tod seiner Frau zu. Er eilte zu seinen Kindern zurück. In Stuttgart, das er von Spaniern besetzt fand, mußte er, der Gefahr zu entgehen, in ein Haus der obern Stadt flüchten, wo er sich zwischen einem Holzstoß und dem Dach verbarg, und sein Dasein von einem mitgebrachten Brodlaib und dem Ei fristete, das eine Henne jeden Morgen neben ihn hinlegte, bis die ihm nachspürenden Feinde abgezogen waren. Herzog Ulrich schickte ihn nun mit seinen Kindern als Vogt auf die Burg Hornberg im Schwarzwald; später zog er ihn in seine Nähe nach Urach, wo er (1550) in die zweite Ehe trat mit Katharina, Tochter seines Freundes und frühern Collegen in Hall, Stadtpfarrer Isenmann. Kaum hatte in demselben Jahr Herzog Christoph die Regierung angetreten, als derselbe B. in seine Dienste rief und ihm die Abfassung des würtembergischen Glaubensbekenntnisses auftrug, das dem tridentinischen Concil vorgelegt werden sollte. Auf den Grundsätzen der Augsburger Confession ruhend, zeichnet sich dasselbe durch genauere Begrenzung des Lehrinhalts der alten und neuen Kirche aus. In Trient wurde B. nicht vorgelassen, „da es den versammelten Vätern nicht gebühre, von denen Unterricht anzunehmen, die ihnen Gehorsam schuldig seien“. 1553 zum Propst der Stiftskirche ernannt, begann B. nun seine das gesammte Kirchenwesen, die Ehe-, Armen-, Visitations-, Kloster- und Schulordnung umfassende leitende Thätigkeit; die „große würtembergische Kirchenordnung“ von 1559 wurde das Muster für viele andere deutsch-evangelische Kirchen. Während B. dem Gottesdienst die seit Blarer's Wirken herrschend gewordene mehr reformirte als lutherische Einfachheit des Gottesdienstes erhielt, folgte er in der Kirchenverfassung, mit Beseitigung aller eigentlich synodalen Elemente, Luther's Grundsatz: dem evangelischen Landesherren das Regiment der Kirche anzuvertrauen, der durch sein Organ, das Consistorium, den Propst und Landhofmeister an der Spitze, und aus einer geistlichen und weltlichen Abtheilung bestehend, die Kirche beaufsichtigte und leitete, jenes wesentlich durch Zuziehung der Generalsuperintendenten, die mit der Kirchenbehörde den Synodus bildeten. Ganz besonders ließ sich B. die Klosterschulen (Seminarien) angelegen sein; es war wesentlich sein Verdienst, diese für die würtembergische Kirche so wichtigen Bildungsanstalten ins Leben gerufen und zweckmäßig eingerichtet zu haben. Den Wiedertäufern und Schwenckfeldern trat er, jedoch ohne die sonst vielfach geübte Härte, entgegen. Seine Dieuste und Rathschläge wurden von einer großen Zahl Fürsten und Städte gesucht und anerkannt; am wenigsten Dank erntete er mit seinen|und Herzog Christophs Bemühungen um Duldung des evangelischen Bekenntnisses in Frankreich. Nicht viel besser wurde ihm von den zeitgenössischen Polemikern über die Abendmahls- und Rechtfertigungslehre innerhalb der evangelischen Kirche selbst gelohnt. Die Begründung der Gegenwart Christi im Abendmahl durch die Theilnahme der verklärten menschlichen Natur Christi an der Allgegenwart (Ubiquität) wurde von den Gegnern abenteuerlich genannt, sein Verhalten gegen den calvinistischen Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz wie gegen den polnischen Edelmann Johann v. Lasko und seine aus London vertriebene Fremdlingsgemeinde als Härte verurtheilt. Anerkannte Verdienste erwarb sich B. als Prediger und Erklärer der meisten biblischen Bücher; Luther selbst gab ihm das Zeugniß, keiner der Theologen habe die heilige Schrift so trefflich ausgelegt, als Brentius, also daß er sich oft verwundere über seinen Geist, und an seinem eigenen Vermögen verzweifle. Mit Recht kann man B. in die Mitte zwischen Luther und Melanchthon stellen, indem er mit jenem den praktischen Sinn und thatkräftigen Muth, mit diesem den sanfteren Geist und die feinere wissenschaftliche Bildung theilte. Bis in sein Greisenalter entwickelte er, von außergewöhnlicher Geistes- und Körperkraft unterstützt, eine staunenswerthe Thätigkeit. Durch den Tod seines geliebten Landesherrn, 28. Decbr. 1568, stark angegriffen, wurde er Ende des J. 1569 vom Schlag gerührt und starb 11. Sept. 1570. Seinem Wunsch gemäß ward er in der Nähe der Stiftskirche beigesetzt, damit er, wenn später Einer eine abweichende Lehre verkündige, sein Haupt vom Grabe erheben und ihm zurufen könne: Du lügst! Brenz' Name starb 1630 mit seinem Enkel Hippolyt, Consistorialrath in Ansbach, aus. Die weibliche Linie lebt in den Familien Andreä, Bergel, Burk u. a. noch fort. Seine sämmtlichen Werke sollten in einer Gesammtausgabe, Tübingen 1576 ff. erscheinen, blieben aber mit dem 8. Folioband, 1590, unvollendet.

    • Literatur

      Hartmann und Jäger, Joh. Brenz. Großentheils nach ungedruckten Quellen. 2 Bde. Hamburg 1840—42. Julius Hartmann, Joh. Brenz, sein Leben und ausgewählte Schriften, Elberf. 1862 (der VI. Theil des Sammelwerks: Väter und Begründer der evangelischen Kirche, eingeleitet von Nitzsch). Pressel, Anecdota Brentiana. Ungedruckte Briefe und Bedenken des Joh. Brenz, Tübing. 1868.

  • Autor/in

    Hartmann.
  • Zitierweise

    Hartmann, "Brenz, Johannes" in: Allgemeine Deutsche Biographie 3 (1876), S. 314-316 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118515128.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA