Lebensdaten
1863 – 1943
Geburtsort
Wittlich bei Trier
Sterbeort
Merligen Kanton Bern
Beruf/Funktion
sozialdemokratischer Politiker
Konfession
konfessionslos
Normdaten
GND: 119228467 | OGND | VIAF: 22946661
Namensvarianten
  • Müller, Adolf
  • Müller, Adolf
  • Müller, Adolf Gustav
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Zitierweise

Müller, Adolf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119228467.html [23.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Jacob (1826–1910), Winzer in W., S d. Gottfried (um 1779–1857), Krämer in Waldwiese b. W., u. d. Henriette Levi (um 1784–1870);
    M Josephina (Beppi) (1834–87), T d. Salomon Mayer (1805–62). Kaufm. in Hechingen, u. d. Fanny Benjamin;
    B Wilhelm (1870–1929), Kaufm.;
    München 1901 Franziska (1880–1951, kath.), T d. Johann Baptist Brunner (* 1843), Installateur aus Donaustauf, seit 1897 Bürger in München, u. d. Babette Paulus (* 1846) aus Riedenburg;
    3 S, 1 T, u. a. Carl M.-Jost (* 1900), Dr. med., Prof. d. Gynäkologie in Bern.

  • Biographie

    Nach dem Besuch der Mittelschule in Wittlich absolvierte M. die Bürgerschule in Trier. Anschließend studierte er wahrscheinlich Medizin und Volkswirtschaftslehre in Straßburg und Berlin. Damals betätigte er sich bereits journalistisch bei mehreren Zeitungen. Nach Abbruch des Studiums – wohl aus Geldmangel – wurde er, seinen journalistischen Neigungen entsprechend, Mitarbeiter und später Direktor des liberalen Depeschenbüros „Herold“ in Berlin. Dank seiner volkswirtschaftlichen Kenntnisse und seines glänzenden Stils machte er sich früh einen Namen im deutschen Pressewesen. Seit 1891 schrieb er in verschiedenen sozialdemokratischen (u. a. „Neue Zeit“, „Sozialistische Monatshefte“) und bürgerlichen Zeitschriften. 1893 wurde der „bürgerliche“ Sozialdemokrat auf Vorschlag der rumän. Sozialisten Mitarbeiter und bereits 1895 Chefredakteur der „Münchner Post“. Der Intimus Georg v. Vollmars verhalf dem Parteiblatt bald zu überregionalem Ansehen und bis 1914 zu einer Auflagensteigerung von 10 000 (1893) auf über 30 000 Exemplare. Wegen dieser Erfolge wurde M. nicht nur zu einem der wichtigsten sozialdemokratischen „Meinungsmacher“, sondern auch zum bestbezahlten Redakteur der deutschen Sozialdemokratie. Parallel zum Aufstieg in der „Münchner Post“ verlief M.s Parteikarriere. Bereits 1899 erhielt er ein Landtagsmandat, das er bis 1917 innehatte. 1903 lehnte er ein Reichstagsmandat für München ab, 1910 rückte er jedoch zum stellvertretenden Parteivorsitzenden in Bayern auf. M. galt vor dem Kriege als „graue Eminenz“ der bayer. Partei und als einer der streitbarsten Repräsentanten des „bayer. Reformismus“. Bei den Parteitagen der deutschen Sozialdemokratie 1908 in Nürnberg und 1910 in Magdeburg war M. neben Ludwig Frank (Mannheim) einer der Hauptverfechter des süddeutschen Sonderkurses innerhalb der SPD. Die süddeutschen Politiker beharrten erfolgreich darauf, die Landespolitik eigenverantwortlich und ohne Gängelung durch den Berliner Parteivorstand gestalten zu können sowie mit allen liberalen und bürgerlichen Kräften kooperieren zu dürfen. Ihre Politik zielte auf einen „Demokratischen Sozialismus“ ab und setzte, mit Erfolg, auf eine sukzessive Partizipation im bestehenden System.

    Im 1. Weltkrieg beeinflußte M. auf Wunsch der deutschen Parteiführung und in halboffiziellem Auftrag der bayer. Staats- und der deutschen Reichsregierung (die den Sozialdemokraten mit einem Diplomatenpaß versah) die sozialdemokratischen Schwesterparteien im westeurop. (vor allem neutralen) Ausland zu Gunsten Deutschlands, wobei er mehrfach unter abenteuerlichen Umständen ins feindliche Ausland reiste. Zudem streckte er seit 1914 von der Schweiz aus Friedensfühler nach Frankreich, Großbritannien und Italien aus, um den Krieg beenden und|Deutschland einen „ehrenvollen“ Frieden sichern zu können. Im Rahmen dieser Tätigkeit baute er ein internationales Agentennetz auf, das ihm bei seiner späteren Tätigkeit als Gesandter von großem Nutzen wurde und auf die deutsche Völkerbundspolitik einen erheblichen Einfluß ausübte. Einer seiner Hauptinformanten war der mehrfache franz. Minister und Ministerpräsident, der Radikalsozialist Joseph Caillaux, der ihn mit wertvollem Geheimmaterial belieferte. 1917 wurde Caillaux zwar von der Anschuldigung, während des Krieges in geheimem Einverständnis mit Deutschland gestanden zu haben, freigesprochen, aber wegen „Korrespondenz mit dem Feind“ verurteilt; erst 1925 wurde er begnadigt. Dank seiner großen internationalen Erfahrung erhielt M. als erster Sozialdemokrat in der deutschen Geschichte am 25.1.1919 eine bedeutende diplomatische Position, den Gesandtenposten in der Schweiz. Er hat in Bern zur Zufriedenheit beider deutscher Reichspräsidenten – mit denen er persönlich befreundet war – und aller Außenminister gewirkt. Insbesondere Gustav Stresemann schätzte den selbständig denkenden Diplomaten sehr, obwohl sich zwischen beiden mehrfach heftige Konflikte entspannen. M. erhob immer wieder Einwendungen gegen den ungebremsten Optimismus Stresemanns und fürchtete, daß dieser die Interessen des Reiches gegenüber Frankreich nicht hart genug vertrete. Eine seiner spektakulärsten Aktionen mit dem Ziel, die Stresemannsche Politik zu durchkreuzen, bestand darin, eine innenpolitische Fronde gegen den Minister zu schmieden, die sowohl die Reichswehrführung und den Reichspräsidenten v. Hindenburg als auch eine Anzahl von Ländern, unter Führung Bayerns, umfaßte. Diese Aktion blieb allerdings erfolglos. Als Stresemann jedoch 1929 kurz vor seinem Tode den Mißerfolg seiner Völkerbundspolitik beklagte, erfuhr M. eine späte Genugtuung. Die Schweiz würdigte seinen Anteil an der Verbesserung der deutsch-schweizer. Beziehungen durch die Berufung in eine Vielzahl von hohen Ehrenpositionen. Im Frühherbst 1933 quittierte M. den Dienst. Er wollte – eine seltene Ausnahme in der deutschen Diplomatie – dem neuen Regime nicht mehr dienen. Seitdem lebte er politisch zurückgezogen in Merligen am Thunersee und ging seinen medizinhistorischen Studien über Paracelsus nach. Häufig setzte er sich für deutsche Emigranten (u. a. Rudolf Breitscheid, Wilhelm Hoegner) ein.|

  • Auszeichnungen

    Ehrensenator d. TH Stuttgart (1922), Ehrenbürger d. Univ. München (1922), Dr. h. c. (Tübingen 1922);
    Ehrenmitgl. d. Reichsverbandes d. Dt. Presse;
    Ehrenpräs. d. dt. Handelskammer in d. Schweiz.

  • Werke

    Die bayer. Volksvertretung u. d. allg. direkte Landtagswahlrecht, 1894;
    Die Bewegung d. Parteien b. d. Reichstagswahlen v. 1871-1893, 1894;
    Zur Lage d. bayer. Bauernstandes, in: Die Neue Zeit 12, 1894, S. 772-80, 813-20;
    Fuchsmühl, Eine Skizze aus d. Rechtsstaat d. Gegenwart, 1895;
    Fuchsmühl, Ein Epilog, in: Die Neue Zeit 13, 1895, S. 276-81;
    Die Landtagswahlen in Bayern, ebd. 25, 1907, S. 305-09;
    Die Resolution d. 130, in: Sozialist. Mhh. 1903, S. 736-40. |

  • Nachlass

    Nachlaß: Pol. Archiv d. Auswärtigen Amtes, Bonn; ETH Zürich, Hist. Archiv; Privatbes. d. Fam. Prof. Dr. Carl Müller-Jost, Bern.

  • Literatur

    K. H. Pohl, Ein soz.demokrat. Frondeur gegen Stresemanns Außenpol., A. M. u. Dtld.s Eintritt in d. Völkerbund, in: Aspekte dt. Außenpol. im 20. Jh., H. Rothfels z. Gedächtnis, hrsg. v. H. Graml u. W. Benz, 1976, S. 68-86;
    ders., A. M. (1863-1943). Bayer. Landespolitiker u. erster soz.demokrat. Diplomat in d. Weimarer Republik, in: Internat. Wiss. Korr. z. Gesch. d. dt. Arbeiterbewegung 27, 1991, S. 483-89;
    ders., A. M., Geheimagent u. Gesandter in Kaiserreich u. Weimarer Rep., 1995 (P);
    150 J. Promotion an d. Wirtsch.wiss. Fak. d. Univ. Tübingen, bearb. v. I. Eberl u. H. Marcon, 1984, S. 584;
    M. Wein-Mehs, Juden in Wittlich, 1995, S. 445-66.

  • Porträts

    ETH Zürich, Hist. Archiv.

  • Autor/in

    Karl Heinrich Pohl
  • Zitierweise

    Pohl, Karl Heinrich, "Müller, Adolf" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 343-344 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119228467.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA