Lebensdaten
1845 – 1929
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Göttingen
Beruf/Funktion
Historiker
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118779257 | OGND | VIAF: 808380
Namensvarianten
  • Lehmann, Max
  • Lehmann, Max Ludwig Eduard

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Lehmann, Max, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118779257.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Karl, aus Eisleben, Dr. phil., Gesch.dozent a. d. Vereinigten Artillerie- u. Ing.-Schule in B., dann Beamter d. Gen.-Ordens-Komm., Geh. Reg.-rat;
    M Clara Knappe, aus Fam. in d. Lausitz u. aus Pommern;
    Berlin 1874 Emma (1852 - n. 1929), T d. Karl Müller (1825–1901), Prof. f. Veterinäranatomie a. d. Tierarzneischule in B. (s. BJ VI, Tl.), u. d. Marie Atzpodien;
    3 T.

  • Biographie

    L., durch Elternhaus und Schule entschieden lutherisch geprägt, zeigte bereits in jungen|Jahren historische und militärische Interessen. Seit 1851 besuchte er mit Diesterwegs Übungsschule des Seminars für Stadtschulen, 1857-63 mit dem Joachimsthaler Gymnasium zwei Berliner Musterschulen. In Berlin, Königsberg, Bonn und wieder Berlin schloß sich das Studium zunächst der Klassischen Philologie, dann der Geschichte an, vorwiegend geprägt durch Droysen, Ranke und Philipp Jaffé, der L.s Dissertation über ein staufisches Quellenwerk betreute. Weitere gemeinsame Pläne mit Jaffé zerschlugen sich mit dessen Freitod (1870). Nach kurzer Tätigkeit als Bibliotheksmitarbeiter Rankes führten ihn Quellenexzerpte im Auftrag Heinr. v. Sybels 1867 nach London, 1868 nach Wien. Da eine durch Sybels Vermittlung von L. erhoffte wissenschaftlicharchivarische Beschäftigung ausblieb, unterrichtete er nach der Oberlehrerprüfung 1868 an Berliner Gymnasien. Ein Aufsatz in der Historischen Zeitschrift (22, 1869, S. 80-147) über den Krieg von 1866 in Westdeutschland wies L.s militärgeschichtliche Begabung und „kleindeutsch-borussische“ Geschichtsperspektive aus und brachte ihn in näheren Kontakt zu Heinrich v. Treitschke. Mehrere Aufsätze befaßten sich mit wichtigen Schlachten des Krieges von 1870 (in: Preuß. Jb. 30, 1872, S. 1-50; HZ 29, 1873, S. 111-55, 30, 1873, S. 72-146); zugleich schrieb L. als Militärjournalist für die Spenersche Zeitung. In diesen Jahren reifte der Plan zu einer Biographie Scharnhorsts, die aber erst 1886/87 vorgelegt werden konnte. Sie brachte ihm 1887 sogleich den Verdun-Preis und die Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften in Berlin ein. Als Nachfolger Sybels übernahm L. 1875 die Redaktion der Historischen Zeitschrift. 1893 mußte er sie nach seinem Zerwürfnis mit Sybel an Friedrich Meinecke abgeben. Gleichfalls 1875 trat L. durch Sybels Vermittlung (bis 1888) in das Berliner Geheime Staatsarchiv ein, dessen neue, durch Sybel und Bismarck ermöglichte Reihe „Publikationen aus den preuß. Staatsarchiven“ er mit der siebenbändigen Quellenedition „Preußen und die kath. Kirche seit 1640“ (1878-94) einleitete. Nach scharfer Polemik der Zentrumspartei gegen seine Einleitungen der ersten Bände legte ihm Bismarck 1883 durch Sybel nahe, künftig möglichen Zündstoff zu meiden. L. verzichtete daraufhin gänzlich auf Einleitungen zu den weiteren Bänden.

    Im Mittelpunkt seiner weiteren Arbeit stand die Zeit der preuß. Reformen, sie gipfelte in den Biographien Scharnhorsts und des Freiherrn vom Stein (3 Bde., 1902/05, Neue Ausg. in 1 Bd., 1921, ³1928). Daneben legte er zahlreiche Studien zu Luther vor, ferner solche zu Friedrich Wilhelm I., dessen bislang behaupteten Anteil an der Einführung der allgemeinen Schul- und Wehrpflicht L. bestritt, sowie zur preuß. Militär-, Verfassungs- und Sozialgeschichte, teilweise mit aktuellem politischem Bezug. So kritisierte er usurpierte Steuer- und Rechtsfreiräume des preuß. Adels. Rücksichtslos in vorurteilsfreier Quellenausschöpfung, scharfsinniger Interpretation und beißender Polemik, verstand L. sein Werk als „Apologie der Wahrheit“ am Maßstab historischer Gerechtigkeit. Er wandte sich gegen borussische Geschichtslegenden und die Annahme eines „deutschen Berufs“ Preußens und der Hohenzollern über zwei Jahrhunderte hinweg. Vom „Scharnhorst“ zum „Stein“ hatte er „sich mit der Überzeugung durchdrungen, daß Politik und Historie keinen gefährlicheren Feind haben als den Chauvinismus“ (Autobiographie). So geriet er innerhalb der Zunft seit 1894 in zunehmende Isolation. Ausgangspunkt der Kontroverse waren 1. seine Relativierung der historischen Bedeutung Friedrich Wilhelms I. und Friedrich Wilhelms III., 2. demgegenüber die Betonung der eigenständigen, von deutschen und nicht von preuß. Motiven geleiteten Politik Steins sowie der Einflüsse der ursprünglichen Ideale der Franz. Revolution auf Scharnhorst und stärker noch auf Stein, 3. seine Identifizierung des Siebenjährigen Krieges als eines von Maria Theresia und Friedrich II. gleichermaßen inszenierten Offensivkrieges, die sich für L. aus der mühsam erlangten Einsicht in das streng sekretierte politische Testament Friedrichs von 1752 ergab und die er 1894 in einer Schrift über den Ausbruch des Krieges ausbreitete. Die anschließenden Kontroversen insbesondere mit A. Naudé bis 1896 entfremdeten ihn Sybel und Treitschke sowie Gustav Schmoller, mit dem ihn die Begründung der Acta Borussica verbunden hatte. Uneingeschränkte Treue und Freundschaft bewahrte ihm nur der geistesverwandte Hans Delbrück.

    L.s berufliche Karriere hatte sich inzwischen gefestigt. Nach langjähriger Dozententätigkeit an der Berliner Kriegsakademie (seit 1879, neben dem Archivdienst) übernahm er 1888 als Nachfolger von Max Lenz ein Ordinariat in Marburg, wo er seine glücklichsten Jahre verbrachte und mit der Arbeit am „Stein“ begann. Rufe nach Bonn und Münster ausschlagend, ging L. 1893 nach Leipzig und noch im selben Jahr nach Göttingen; hier lehrte er bis zu seiner Emeritierung|1921. Die in Göttingen abgeschlossene Stein-Biographie brachte ihm 1907 den juristischen Ehrendoktor in Gießen, 1910 den theologischen in Berlin ein, aber auch eine 1908 kulminierende Kontroverse mit Ernst v. Meier über franz. Einflüsse auf Stein. Es gebührt L. das Verdienst, für Preußen seine territorialstaatliche Interessengebundenheit im Alten Reich, die Ausstrahlung bürgerlichrevolutionärer Ideale von Frankreich aus sowie historische Wurzeln der weitreichenden Militarisierung der Gesellschaft seiner Zeit aufgezeigt zu haben. Allerdings vermengte sich seine vielfach fanatische Wahrheitssuche mit seiner nunmehrigen politischen Überzeugung, die dem vormärzlichen und noch nicht machtstaatlich geleiteten Liberalismus nahestand und seinen teilweise überzogenen Quelleninterpretationen berechtigte Sachkritik eintrug. Der kantigen Schroffheit von L.s Persönlichkeit entsprach zudem ein durchgängiger kulturkämpferischer Antiklerikalismus, der ihn 1902 die päpstliche Bücherzensur geißeln ließ und ihn nach der Aufnahme des Breslauer Kardinals Georg v. Kopp zum Austritt aus der Göttinger Akademie der Wissenschaften veranlaßte. Während er sich in der Öffentlichkeit zunächst politisch zurückhielt, spiegeln vor allem die Briefe an Delbrück seine scharfe Kritik an der Wilhelminischen „Weltpolitik“, an der repressiven Polenpolitik sowie an den Alldeutschen und dem Bund der Landwirte, Öffentlich politisch Stellung bezog L. erstmals 1917 mit Artikeln im „Berliner Tageblatt“, in denen er sich für eine parlamentarische Demokratisierung Preußens einsetzte. „Der einstige konservative Heißsporn endete, sich selbst dabei immer treu und charaktervoll bleibend, als Bekenner zur Weimarer Verfassung“ (Meinecke, 1930).

  • Werke

    Weitere W u. a. De annalibus qui vocantur Colonienses maximi quaestiones criticae, Diss. Berlin 1867;
    Knesebeck u. Schön, Btrr. z. Gesch. d. Freiheitskriege, 1875;
    Stein, Schamhorst u. Schön, Eine Schutzschr., 1877;
    Das Zentrum u. d. Hist.-pol. Bll., in: HZ 49, 1883, S. 270-76, 51, 1883, S. 191 f.;
    Zwei pol. Testamente u. d. Anfänge e. gesch. Werkes v. Friedrich d. Gr., ebd. 60, 1888, S. 255-68;
    Friedrich d. Gr. u. d. Ursprung d. Siebenj. Krieges, 1894;
    Die preuß. Reform v. 1808 u. d. franz. Rev., in: Preuß. Jbb. 132, 1908, S. 211-29;
    Hist. Aufsätze u. Reden, 1911;
    Die Erhebung v. 1813, 1913;
    Autobiogr. in: Die Gesch.wiss. d. Gegenwart in Selbstdarst. I, 1925, S. 207-32 (W, P);
    Bismarck, e. Charakteristik, hrsg. v. Gertrud Lehmann (T), 1948 (S. 5-25 Biogr.).

  • Literatur

    Ernst v. Meier, Der Min. v. Stein, d. franz. Rev. u. d. preuß. Adel, Eine Streitschr. gegen M. L., 1908;
    F. Meinecke, M. L., Adresse d. Berliner Ak. d. Wiss. an Herrn M. L. z. 50j. Doktorjubiläum, in: Preußen u. Dtld. im 19. u. 20. Jh., Hist. u. pol. Aufsätze, 1918, S. 436-38;
    ders., in: HZ 141, 1930, S. 449 f.;
    E. Posner, M. L. and the genesis of the „Principle of provenance“, in: Indian Archives 4, 1950;
    J. Willaume, M. L., e. fortschrittl. dt. Historiker u. Polenfreund, in: Wiss. Zs. d. Univ. Leipzig, Ges.- u. sprachwiss. R. 7, 1957/58, S. 51-58;
    S. A. Kaehler, M. L. u. d. Kgl. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, in: Nachrr. d. Ak. d. Wiss. in Göttingen, Phil.-hist. Kl., Jg. 1958, Nr. 1, S. 19-44;
    W. Reichel, Stud. z. Wandlung v. M. L.s preuß. dt. Gesch.bild, 1963 (W, L);
    G. Vogler, in: J. Streisand (Hrsg.), Stud. üb. d. dt. Gesch.-wiss. 1871-1945, II, 1965, S. 57-95;
    DBJ XI (u. Tl., L).

  • Porträts

    Phot. in: Bildnisse Göttinger Professoren aus 2 Jhh., hrsg. v. M. Voit, 1937.

  • Autor/in

    Rüdiger vom Bruch
  • Zitierweise

    Bruch, Rüdiger vom, "Lehmann, Max" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 88-90 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118779257.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA