Lebensdaten
1903 – 1957
Geburtsort
Budapest
Sterbeort
Washington, D. C. (USA)
Beruf/Funktion
Mathematiker
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118770314 | OGND | VIAF: 99899730
Namensvarianten
  • Neumann, János von (eigentlich)
  • Neumann, Johann Ludwig von (eigentlich)
  • Neumann, Johann von (eigentlich)
  • mehr

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Zitierweise

Neumann, John von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118770314.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Miksa (Max, 1870–1929, erbl. Adel 1913 als Max N. v. Margitt), Dr. iur., Bankier in B.;
    M Margit Kann (Margaret, 1880–1956);
    1) 1930 ( 1937) Mariette Kovesi (* 1909), 2) 1938 Klari Dan ( 1963), Programmiererin;
    1 T aus 1) Marina (* 1935), Vizepräs. v. General Motors.

  • Biographie

    Aus wohlhabendem intellektuellem Elternhause, wurde N. früh als mathematisches Wunderkind erkannt und entsprechend gefördert. Er absolvierte ein Doppelstudium in Industrie-Chemie (ETH Zürich seit 1923, Diplom 1926) und Mathematik (Univ. Berlin seit 1923, Promotion Univ. Budapest 1926) und durchlief eine rasante wissenschaftliche Karriere (Habilitation Univ. Berlin 1928, Dozent Univ. Hamburg 1929, Gastprofessor Univ. Princeton, NJ, USA 1929/30, Professor und Mitglied des Institute of Advanced Studies in Princeton seit 1933). Ein realistischer, durch seine jüd. Herkunft geschärfter, politischer Blick ließ. N. früh die USA als neue Heimat erkennen (US-Bürger seit 1937). Die entscheidenden Eindrücke seiner Studienjahre empfing N. in Zürich durch Hermann Weyl (1885–1955) und in Göttingen durch David Hilbert (1862–1943), vor allem aber auch durch den „ständigen Göttinger Mathematiker- und Physiker-Kongreß“, der Besucher aus aller Welt zusammenführte. N.s stupende intellektuelle Fähigkeiten haben lebenslang die Bewunderung aller erregt, die mit ihm zu tun hatten, sein aller Polemik abholder, von manchmal ins Burleske gehender Lebensfreude geprägter Umgangsstil erwarb ihm viel freundschaftliche Zuwendung.

    Wie auch andere bedeutende Mathematiker seiner Generation beschäftigte N. zunächst die Grundlagenproblematik im Zusammenhang mit den Antinomien der Mengenlehre. Seine Dissertation „Eine Axiomatisierung der Mengenlehre“ (1925) ist bis heute grundlegend. Danach stand mehrere Jahre die Quantenmechanik im Zentrum von N.s Interesse. Sein Buch „Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik“ (1932) etablierte diese Disziplin in bis heute gültiger Form als „abgeschlossene physikalische Theorie“, mit dem Begriffsgerüst „Operatoren im Hilbertraum“ als mathematischem Hauptinstrument. Diese Thematik beschäftigte ihn auf mathematischer Ebene weiterhin intensiv: In den 30er Jahren legte er mit Arbeiten über Operatoren-Algebren die Grundlagen der heutigen Theorie der C*-Algebren etc.; eine Unterklasse derselben trägt bis heute seinen Namen.

    Nebenbei legte N. mit der 1928 erschienenen Abhandlung „Zur Theorie der Gesellschaftsspiele“ (Beweis des sog. Minimax-Theorems) die Grundlage für die spektakuläre Entwicklung der heutigen Spieltheorie und damit eines wichtigen Zweiges der modernen Wirtschaftstheorie. 1937 entwarf er die später nach ihm benannten gesamtwirtschaftlichen Modelle, die bis heute grundlegend für die Forschung in diesem Bereich blieben (Über ein ökonomisches Gleichgewichtssystem und eine Verallgemeinerung des Brouwerschen Fixpunktsatzes, in: Ergebnisse e. math. Colloquiums 8, hg. v. K. Menger, 1937, S. 73-83). 1944 erschien das ebenfalls grundlegende Werk „Theory of Games and of Economic Behavior“ (²1947) von Oskar Morgenstern (1902–77) und N. Die Princetoner Arbeitsgruppe über Spieltheorie prägte das mathematische Weltgeschehen auf diesem Gebiet in den Nachkriegsjahren.

    Bei seiner Beschäftigung mit Fragen der Physik kam N. mit der damals erst im Entstehen begriffenen sog. Ergodentheorie in Berührung, einer Theorie dynamischer Systeme, die ursprünglich als Modelle der Molekularmechanik idealer Gase konzipiert und von so ungeheurer Komplexität waren, daß hier nur stochastische Methoden greifen konnten. Um eine Ludwig Boltzmanns genialer Intuition entsprungene „Ergodenhypothese“ überhaupt exakt formulieren zu können, mußte man zunächst die Existenz der Grenzwerte von über immer längere Zeiträume sich erstreckenden Mittelwerten beweisen. Für die Limesbildung kamen im wesentlichen zwei Konvergenz-Typen, die sog. Norm-Konvergenz und die sog. Fastüberallkonvergenz in Frage. Bei einem USA-Aufenthalt gelang es N. 1931, die Norm-Konvergenz zu beweisen (Proof of the quasi-Ergodic hypothesis, in: Proceedings of the Nat. Academy of Sciences USA 18, 1932, S. 70-82). Gleichzeitig bewies George David Birkhoff auch die (schwierigere, weil stärkere) Fastüberallkonvergenz-Aussage, die heute unter dem Namen „individueller Ergodensatz“ bekannt ist. Erst mit der Sicherstellung dieser Ergodensätze konnte die z. T. spektakuläre, auch die Chaos-Theorie mitgestaltende Entwicklung der modernen Ergodentheorie in Gang kommen. Auch zur Theorie der sog. topologischen Gruppen leistete N. einen entscheidenden Beitrag. David Hilbert hatte 1900 in seinem bahnbrechenden Pariser Vortrag „Mathematische Probleme“ die Frage aufgeworfen, ob sich endlichdimensionale topologische Gruppen stets als sog. Liegruppen (die in der Quantenmechanik auftretenden Matrizengruppen sind solche) darstellen lassen. Daß diese Frage im kompakten Falle zu bejahen ist, konnte N. 1933 beweisen (Die Einf. analyt. Parameter in topolog. Gruppen, in: Ann. of Math. 34, 1933, S. 170-90), womit der Weg zur später von anderen Mathematikern geleisteten endgültigen Lösung dieses sog. 5. Hilbertschen Problems frei wurde. Aus N.s Ergodentheorie-Seminar gingen in den 40er Jahren so bedeutende Mathematiker wie Paul R. Halmos und Shizuo Kakutani hervor.

    Als engagierter Neubürger der USA beteiligte sich N. seit Ende der 30er Jahre an militärischen Forschungen über Explosionsvorgänge. 1938 qualifizierte er sich als Reserveoffizier. Seit 1941 stand er bei Militärbehörden aller drei Waffengattungen unter Vertrag. An der Entwicklung der Atombombe war er maßgeblich beteiligt, seit Ende 1943 in Los Alamos. Er gehörte 1945 zur „Target Commission“, die die beiden Ziele der Atombomben-Abwürfe über Japan zu wählen hatte.

    Ebenfalls ursprünglich vorwiegend militärischen Zielsetzungen diente die Entwicklung eines Rechenautomaten, dessen erster Prototyp (ENIAC) 1946 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. N. hat an dieser Entwicklung entscheidend mitgewirkt. Sein Hauptbeitrag – hierüber kam es allerdings zu Prioritätsstreitigkeiten – war die Idee, die vom jeweils zu bearbeitenden Rechenproblem geforderte Algorithmik in das Rechenprogramm einzubeziehen und so das bis dahin erforderliche langwierige Umrüsten des Rechners von einer Algorithmik auf eine andere zu automatisieren. Aus der Beschäftigung mit Computer-Problemen erwuchsen auch N.s letzte Forschungsbeiträge zur Automatentheorie. Mit der expliziten Angabe eines selbstreproduzierenden Automaten widerlegte N. den sog. Biologischen Gottesbeweis. Die detaillierte Ausarbeitung seiner in dem Essay „The general and logical theory of automata“ (in: Cerebral Mechanisms in Behavior, The Hixon Symposium 1951, S. 288-328) gegebenen Skizze beschäftigte N. bis in sein letztes Lebensjahr. Ein umfangreiches, detailliertes Manuskript, 1966 von A. W. Burks aus dem Nachlaß herausgegeben (The theory of selfreproducing automata), wurde zum Ausgangspunkt eines bis heute aktuellen Forschungsgebiets über „zellulare Automaten“.|

  • Auszeichnungen

    Dr. h. c. (Princeton Univ., 1947, Univ. of Pennsylvania, 1949, Harvard, 1949, Case Inst. of Technology, 1952, Univ. of Maryland 1952, Istanbul, 1952, München 1953);
    Bocher-Preis d. American Mathematical Soc. (1937);
    Medal of Freedom (1956);
    A. Einstein Commemorative Award (1956);
    Enrico Fermi Award(1956).

  • Werke

    Collected Works, hg. v. A. H. Taub, 6 Bde., 1961 (W-Verz in Bd. 1).

  • Literatur

    Bull. of the American Math. Soc. 64, 1958 (Fachartikel zu N.s math. Schaffen);
    N. Macrae, J. v. N., 1992 (W; L ; P) ;
    H. Hagemann, C.-D. Krohn, Die Emigration dt.sprachiger Wirtsch. Wissenschaftler nach 1933, 1992;
    Kürschner, Gel.-Kal. 1931;
    Pogg. VII b;
    Enc. Jud. 1971 (P);
    The New Palgrave, A Dict. of Economics IV, 1987, S. 818-24.

  • Autor/in

    Konrad Jacobs
  • Zitierweise

    Jacobs, Konrad, "Neumann, John von" in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 153-154 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118770314.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA