Lebensdaten
1795 – 1820
Geburtsort
Wunsiedel
Sterbeort
Mannheim
Beruf/Funktion
Burschenschafter ; Attentäter
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 11875114X | OGND | VIAF: 10641400
Namensvarianten
  • Sand, Karl Ludwig
  • Sand, Carl
  • Sand, Karl Ludwig
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Zitierweise

Sand, Carl, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11875114X.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Gottfried Christoph (1753–1823), aus Coburger, seit d. 14. Jh. auch in Thür. nachweisbarer Fam., 1785 Stadtrichter in W., 1797-1803 JR (s. NND), S d. Johann Michael (v.) S. (1709-63), aus Coburg, Seiden- u. Tuchhändler in Erlangen-Neustadt, u. d. Barbara Back (1718–91), aus Schönberg;
    M Dorothea Wilhelmine (1766–1821), aus wohlhabender Kaufm.fam. in W., T d. Johann Martin Schöpf (1718–78), aus W., errichtete e. Kupferhammer in Marktredwitz, Mitbes. d. „Brandenburg-Schöpf sehen Zeugmanufaktur“, Kammerrat, Kommerzinsp., u. d. Anna Catharina Dorothea Keyser;
    Ur-Gvv Erhard v. S. (1650-1718), 1679-1717 Schulleiter d. Ratsschule in Coburg;
    Ur-Gvm Johann Jakob Schöpf (1690–1741), Oberumgeldeinnehmer, Stift- u. Pfründeverw., Hospitalvorsteher u. Bgm. in W.; 2 ältere B u. a. Heinrich, Reichsger.rat, 1 jüngere Schw; – ledig; Verwandter mütterlicherseits Jean Paul (eigtl. Johann Paul Friedrich Richter) (1763–1825), Dichter (s. NDB X).

  • Biographie

    Nach dem Besuch des Lyzeums in Wunsiedel und des Gymnasiums in Hof und Regensburg studierte S. 1814 ev. Theologie in Tübingen, wo er 1815 der Landsmannschaft Teutonia, 1817 der Burschenschaft Arminia beitrat. Nach einer Reise in die Schweiz 1815 und der Teilnahme am Befreiungskrieg setzte er 1816 sein Studium in Erlangen fort, wo er intensiv für burschenschaftliche Ideen warb und die „Teutsche Burschenschaft“, später Teutonia, mitbegründete, deren Führer er bis Mitte 1817 blieb. Aus der Landsmannschaft Franconia trat er nach dem fehlgeschlagenen Versuch, sie dem burschenschaftlichen Gedanken zuzuführen, wieder aus und wurde von dieser in Verruf erklärt. Im Okt. 1817 nahm S. am Wartburgfest in Eisenach teil (Mitgl. d. Festausschusses u. Fahnenbegleiter). Hier verteilte er seine Flugschrift zur Gründung einer „allgemeinen freien Burschenschaft“, die erst 1818 größere Wirkung entfaltete, und nahm teil an der Bücherverbrennung auf dem Wartenberg, der u. a. August v. Kotzebues (1761–1819) „Geschichte des dt. Reichs“ zum Opfer fiel. Anschließend studierte S. in Jena und wurde Mitglied der (Ur-)Burschenschaft und ihres Ausschusses, im Sommer 1818 auch des inneren Zirkels, des „engeren Vereins“, und des Vorsteherkollegiums. Unter dem Einfluß Karl Follens (1796–1840) entwickelte sich S. zum Anhänger der „Unbedingten“, des radikalen, politischen Mord nicht ausschließenden Flügels der Burschenschaft. S.s auf dem 2. Burschentag in Jena verbreitetes Flugblatt „Teutsche Jugend an die teutsche Menge, zum 18. October 1818“ fand keine Resonanz. Im Herbst 1818 besuchte S. Friedrich Ludwig Jahn in Berlin und verteilte sein Flugblatt unter den Studenten.

    Den Tod Kotzebues, den er als „Landesverräter“, „Volksverführer“ und Feind der Burschenschaft betrachtete, erwog S. schon am 5. Mai 1818 in seinem Tagebuch. Nach dem formalen Austritt aus der Burschenschaft im Febr. 1819 mit dem Zweck, die gegenseitigen Beziehungen verleugnen zu können, erstach S. am 23. März Kotzebue in dessen Mannheimer Wohnung. Sein anschließender Selbstmordversuch scheiterte. Bei sich trug er seine Schrift „Todesstoß dem August von Kotzebue“, zu der er sich auch in seinem Prozeß bekannte, in dem er vom Hofgericht Mannheim am 5. Mai 1820 zum Tode verurteilt wurde.

    S. galt als fleißiger Student und gläubiger Christ, aber mit verworrenen Gefühlen und ungeordneten politischen Ideen. Bereits bei seiner Hinrichtung war S. ein Symbol für Einheit und Freiheit geworden, sein Grab wurde ein Wallfahrtsort. Im Vormärz wurde S. zum politischen Heiligen stilisiert und stieg zur Identifikationsfigur v. a. im radikaldemokratischen und -nationalen Flügel der Burschenschaft auf. Seine von der Mehrheit der Burschenschafter nicht gebilligte Tat bildete dagegen nicht den von ihm erhofften Anstoß für eine allgemeine Freiheits- und Einheitsbewegung, sondern lieferte dem Dt. Bund den Anlaß für die Karlsbader Beschlüsse (20.9.1819) und das daraus folgende scharfe Vorgehen gegen die bürgerliche Nationalbewegung.

    Dem „Mörder aus Vaterlandsliebe“ (K. A. v. Müller) wurde eine Unzahl von Aufsätzen, Gedichten, Flugschriften, Schauspielen, Romanen und bildlichen Darstellungen gewidmet. Alexander Puschkin dichtete etwa auf S. „Der Dolch“, Aurore Dupin Baronin Dudevant wählte ihr Pseudonym „George Sand“ angeblich nach S., Alexandre Dumas widmete ihm eine Novelle, Karl Hans Strobl ein Schauspiel, 1873, 1921, 1924, 1926, 1993 und 1998 erschienen umfangreichere S.-Romane.

  • Werke

    Weitere W Flugschr. (Gründung e. allg. freien Burschenschaft, 1817), weitere werden ihm zugeschrieben;
    Todesstoß d. August v. Kotzebue, 1818/19, postum veröff. [o. O., um 1820];
    Qu Nachlaß:
    Privatbes. d. Fam. Sand, Karl-Ludwig-Sand-Slg., Fichtelgebirgsmus. Wunsiedel, BA Koblenz;
    Unters- u. a. Akten: Geh. StA Preuß. Kulturbes. Berlin;
    GLA Karlsruhe;
    Hess. HStA Wiesbaden;
    Thür. HStA Weimar.

  • Literatur

    ADB 30;
    Authent. Ber. über d. Ermordung d. Ksl.-Russ. Staatsraths Herrn August v. Kotzebue;
    nebst vielen interessanten Notizen über ihn u. über C. S., d. Meuchelmörder, 1819 (Nachdr. 1999, hg. v. A. Meiners);
    W. Erman u. E. Hörn (Hg.), Bibliogr. d. dt. Universitäten, I, 1904, Nachdr. 1965, Nr. 14502-87 (L, P);
    K. A. v. Müller, K. L. S., 1923, ²1925;
    Hermann Sand, Bibliogr. über C. L. S., in: Einst u. Jetzt, Jb. d. Ver. f. corpsstudent. Gesch.forsch. 16, 1971, S. 225-34;
    E. W. Wreden, Lit. z. Gesch. d. Burschenschaft u. d. dt. Studententums VIII, Qu. u. Darst. z. Ermordung August v. Kotzebues durch K. L. S. u. d. Folgen, in: H. Bernhardi u. E. W. Wreden (Hg.), J.gabe d. Ges. f. burschenschaftl. Gesch.-forsch. 1975, o. J. (1975), S. 18-26 (Bibliogr.);
    P. Brückner, „Bewahre uns Gott in Dtld. vor irgendeiner Revolution!“, Die Ermordung d. Staatsrats v. Kotzebue durch d. Studenten S., 1975, ²1978;
    E. Abbühl, K. L. S., Sein Bild in d. hist. Forsch, u. in d. Lit., Diss. Bern 1978 (ungedr.);
    G. Heydemann, C. L. S., Die Tat als Attentat, 1985;
    ders., Der Attentäter C. L. S., 20 Briefe u. Dok. aus d. Erlanger u. Jenaer Stud.j., in: C. Hünemörder (Hg.), Darst. U. Qu. z. Gesch. d. dt. Einheitsbewegung im 19. u. 20. Jh., XII, 1986, S. 7-77;
    R. Lotz, Bildnis u. Erinnerung, C. S., Ausst. kat. Fichtelgebirgsmus. Wunsiedel, 1985;
    K. Günzel, Die dt. Romantiker, 1995, S. 253-55 (P);
    H. Schulze, S., Kotzebue u. d. Blut d. Verräters, in: A. Demandt (Hg.), Das Attentat in d. Gesch., 1996, S. 215-33;
    H. Neumann, C. L. S., Theol.student u. Attentäter, 1997;
    K. Beyersdorf, Der Burschenschafter u. Kotzebue-Attentäter K. L. S. 1795-1820, Ein Mitgl. d. alten Coburger Fam. v. Sand, in: Coburger Gesch.bll. 6/3, 1998, S. 87-90;
    Erlanger Stadtlex. (P);
    Biogr. Lex. Burschenschaft 5, S. 162-66 (P); – zur Fam.:
    E. Cyriaci, Die Coburger Fam. v. S. 1275-1940, 1941 [überarb. u. verbessert 1970 ff. Ms. im StadtA Coburg];
    Walter Sand u. Hermann Sand, Ahnenliste d. C. L. S. (1795-1820) in: Geneal., H. 11/12, 1995, S. 718-49 (P).

  • Autor/in

    Harald Lönnecker
  • Zitierweise

    Lönnecker, Harald, "Sand, Carl" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 413-414 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11875114X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Sand: Karl Ludwig S. wurde am 5. October 1795 in Wunsiedel geboren. Schon mit 14 Jahren war die patriotische Extase so stark in ihm entwickelt, daß, als Napoleon im J. 1809 Hof berührte, wo S. das Gymnasium besuchte, er den Ort verließ, weil es ihm unmöglich gewesen sein würde, mit Napoleon in derselben Stadt zu sein, ohne sein Leben an ihn zu wagen. Nachdem er 1814 seine theologischen Studien in Tübingen begonnen hatte, zog er im Frühling 1815 als Freiwilliger ins Feld; er beschwor seine Eltern, falls Napoleon siegen sollte, nicht in einem unterjochten Lande zu leben. Seine Studien in Erlangen fortsetzend, begrub er sich nunmehr in eine phantastisch düstere Lebensanschauung, welche nicht wenig dadurch vermehrt wurde, daß er seinen besten Freund vor seinen Augen ertrinken sah. Das Wartburgfest zog ihn nach Jena. Eine lange verworrene Denkschrift für das Fest beschäftigt sich mit den Aufgaben der deutschen Burschenschaft; sie wird ganz von dem unglücklichen Gedanken beherrscht, daß die Studenten das Heil Deutschlands zu wirken hätten. Das eigentlich politische Gebiet läßt er dabei ganz unberührt, bewegt sich immer in den vagsten Allgemeinheiten: alles unreine, unehrliche, schlechte soll aufs äußerste bekämpft weiden. Diese Gedankenrichtung wird auch in Jena nicht wesentlich verändert. Den theologischen Studien liegt er zwar eifrig ob, sie wollen aber doch nicht recht gedeihen, weil er, wie er selbst schreibt, „eine schöne Zeit mit schlaffen Phantasien verschleudert“. Von der Tagespolitik ist auch jetzt noch weder in seinen Tagebüchern noch in seinen Briefen die Rede; die wirkliche Bewegung des öffentlichen Lebens bleibt ihm vollkommen fremd. Um so leichter kann sich seine patriotische Gluth an den geringsten Vorfällen erhitzen. Im Winter 1817 auf 1818 wird die Jenenser Burschenschaft sehr von dem bekannten Streit Luden's mit Kotzebue aufgeregt, der ihnen längst wegen seiner Aeußerungen über das Wartburgfest, über das studentische Treiben und wegen seiner ganzen Tendenz verhaßt war. Auch in Sand's Aufzeichnungen lesen wir öfter|von Kotzebue. Am 5. Mai 1818 schreibt er, nachdem er in Christus Trost gesucht für die „wehmüthige Bangigkeit“, welche ihn oft beschleiche: „Wenn ich sinne, so denke ich oft, es sollte doch einer muthig über sich nehmen, dem Kotzebue, oder sonst einem solchen Landesverräther das Schwert ins Gekröse zu stoßen.“ Die höchst übertriebenen Anschuldigungen Luden's, Kotzebue habe in seinem bekannten Bericht an Kaiser Alexander die ganze deutsche Litteratur, ja die Sache der ganzen Menschheit geschmäht, gewannen in Sand's wirrem Kopfe die Steigerung, als sei in Kotzebue das Böse der ganzen Zeit verkörpert. Seine christlich-germanische Ueberschwänglichkeit erblickte allmählich in dem frivolen Spötter den gefährlichsten aller Menschen. Die absolute politische Unwissenheit und Urtheilslosigkeit Sand's ließ in ihm die Meinung aufkommen, das Vaterland werde gerettet sein, wenn dieser Kotzebue beseitigt worden. Ein Brief an seine Mutter vom Ende November enthält bereits deutliche Hinweise auf den Entschluß, diese Rettung zu vollbringen, und am 31. December spricht er diesen Entschluß ganz unumwunden aus: „Soll die Sache der Menschheit aufkommen in unserem Vaterlande, soll in dieser wichtigen Zeit nicht Alles wieder vergessen werden und die Begeisterung wieder auflohen im Lande, so muß der Schlechte, der Verräther und Verführer der Jugend, A. v. Kotzebue nieder.“ Er werde keine Ruhe haben, bis er das ausgeführt, was ihm als zwingende Pflicht erscheint. Von jetzt an bereitet er sich auf sein Verbrechen mit einer ruhigen Planmäßigkeit, mit einer klaren Ueberlegung vor, als wäre er der kälteste Rechner. Er besucht die Anatomie, um sich genau über die Lage des Herzens zu unterrichten. Er macht Stoßübungen für seinen ganz speciellen Zweck. Im übrigen besucht er die Vorlesungen bis zum Schlusse des Semesters. Vor seiner Abreise von Jena kündigt er seinen Eltern in einem ausführlichen Abschiedsbriefe an, was er thun werde. „In Angst und bittern Thränen zum Höchsten gewandt“ warte er schon lange, ob ihm Niemand zuvor käme, ihn „nicht zum Morde geschaffenen“ von der schrecklichen Pflicht erlöse. Da aber sich Niemand gefunden, müsse er es thun, denn „wer soll uns von der Schande befreien, wenn Kotzebue ungestraft den deutschen Boden verlassen und in Rußland seine gewonnenen Schätze verzehren wird?“ In dieser fürchterlichen Verblendung verläßt er am 9. März 1819 Jena, trifft am 23. in Mannheim ein und vollbringt noch denselben Tag den Mord. Nachdem der Versuch sich selbst zu tödten, mißlungen, wurde er am 29. Mai hingerichtet.

    • Literatur

      C. L. Sand, dargestellt durch seine Tagebücher und Briefe, Altenburg 1821. — Noch 8 Beiträge zur Geschichte A. v. Kotzebue's und K. L. Sand's, Mühlhausen 1821.

  • Autor/in

    H. Baumgarten.
  • Zitierweise

    Baumgarten, Hermann, "Sand, Carl" in: Allgemeine Deutsche Biographie 30 (1890), S. 338-339 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11875114X.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA