Lebensdaten
1616 oder 1617 – 1679
Geburtsort
Breslau
Sterbeort
Breslau
Beruf/Funktion
Dichter
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118706187 | OGND | VIAF: 95218154
Namensvarianten
  • Hoffmann von Hoffmannswaldau, Christian
  • Hofmann von Hofmannswaldau, Christian
  • Hoffmann von Hoffmannswaldau, Christian
  • mehr

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Personen in der NDB Genealogie

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Hofmann von Hofmannswaldau, Christian, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118706187.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johannes (Reichsadel 1612, 1575-1652), kaiserl. Rat u. Kammersekr. im Kriegszahlamt in B., S d. Georg Hoffmann, aus Neiße, Pfarrer in Wünschelburg u. Glatz, u. d. Anna Roemer aus Löwenberg;
    M Anna (1591–1621), T d. Kaufm. Wolfgang Nagel ( 1608) in B. u. d. Margarethe v. Holtzbecher;
    Ur-Gvm Paul v. Holtzbecher (1533–95), Dr. iur., Stadtsyndikus, Prokanzler d. Fürstentums Breslau;
    Ov Georg, kaiserl. Rat, Gesandter in Ungarn;
    - 1643 Maria (1625–92), T d. Kaufm. Simon Webersky in B. u. d. Anna v. Artzat;
    3 S (1 jung †), 1 T (jung †), u. a. Joh. Christian (1644–1724), Ratspräses in B.

  • Biographie

    Der frühreife, durch die geistig-gesellige Atmosphäre des Elternhauses geförderte H. besuchte in Breslau das Elisabeth-Gymnasium, das wie das Magdalenäum am gleichen Ort der jungen schlesischen Intelligenz eine weltbezogene Bildung humanistisch-rhetorischer Art vermittelte. 1636-38 studierte er an dem akademischen Gymnasium in Danzig. Dessen Professor der Beredsamkeit, Johann Mochinger, wurde sein Freund; Mochinger führte H. wahrscheinlich auch bei Martin Opitz ein, der seit 1636 in Danzig lebte. Es gibt Zeugnisse dafür, daß Opitz den jungen H. sehr geschätzt hat. Zu dem Kreis des Dichters Johannes Plavius stand H. ebenfalls in Beziehung. 1638 bezog er die Leidener Universität, an der im 17. Jahrhundert zahlreiche schlesische Dichter studierten (Scheffler, Kuhlmann, Abschatz, Lohenstein und andere mehr) – im gleichen Jahr immatrikulierte sich auch Andreas Gryphius dort. Schlesien besaß in diesem Jahrhundert, was wesentlich durch den Druck der Gegenreformation zu erklären ist, keine eigene Universität; die Freizügigkeit der calvinistischen Niederlande bot den schlesischen Studenten ein politisch-religiöses Asyl und zugleich ideale Bildungsmöglichkeiten. In Leiden sowie an dem Amsterdamer Athenäum machte H. juristische, aber auch intensive philologische und historische Studien; er hörte unter anderem Claudius Salmasius, Daniel Heinsius, Caspar Barlaeus und Gerard Johannes Vossius, die als Philologen, Dichter, Lehrer der Rhetorik, Historiker, Staatstheoretiker und so fort internationalen Ruhm genossen. Ende 1639 trat H. eine größere Reise nach England, Frankreich und Italien an. In Paris und Rom nahm er Kontakt mit bedeutenden Gelehrten und Dichtern auf. Über Wien kehrte er 1641 nach Breslau zurück. Die Bedeutung der Jahre 1636-41 für H. kann nicht hoch genug eingeschätzt werden: Die umfassende Bildung, die er an den wichtigsten Stätten europäischer Geistigkeit erhielt, führte zu einer für ihn charakteristischen Verbindung von Gelehrsamkeit, Weltkenntnis, gesellschaftlicher Konzilianz mit einer offenbar unproblematischen protestantischen Glaubenshaltung. – 1643 heiratete H. Die wirtschaftliche Lage des Vaters erlaubte ihm wohl zunächst eine sorgenfreie literarische und wissenschaftliche Tätigkeit. 1647 begann seine städtische Karriere: Er wurde Schöffe, 10 Jahre später Senator. 1657 reiste er in diplomatischer Mission an den Hof zu Wien; im gleichen Jahr ernannte ihn Leopold I. zum Kaiserlichen Rat. Zwei weitere Legationen nach Wien folgten (1660, 1669/70). Daneben wirkte H. als Aufseher des Breslauer Schulwesens und später als „Kriegs-Comissarius“. 1677 wurde er zum Präses des Rats gewählt, welches höchste Amt der Stadt von H., dessen gesellschaftlicher Verkehr weit über Breslau und über seinen Stand hinausging, mit großem Erfolg bis zu seinem Tode verwaltet worden ist. Sein jüngerer Freund, der Breslauer Syndicus und Dramatiker Daniel Casper von Lohenstein, hielt ihm die Grabrede.

    Die dichterische Produktion hat für H. keineswegs im Vordergrund gestanden. Dem entsprechen die Elemente einer hedonistischen Poetik, die sich in den Vorreden seiner Werke finden: Das Dichten wird weit mehr vom delectare als vom prodesse bewertet, und zwar primär im Sinne „eigener Belustigung“. So sind auch zu Lebzeiten H. nur unberechtigte Drucke einzelner seiner Werke erschienen; erst in seinem Todesjahr 1679 wurde die noch von ihm vorbereitete Sammelausgabe der „Deutschen Übersetzungen und Getichte“ veröffentlicht. – H.s Werk zeigt Einflüsse mannigfacher Art; es entwickelt den „zierlichen“, dem humanistischen elegantia-Ideal verpflichteten Stil Opitz' unter der Einwirkung der marinistischen Literatur Italiens zu einer „lieblichen“ Diktion weiter, die sich namentlich durch das Zusammenspiel von geistreich zugespitzter Concettistik, sensueller Bildlichkeit und rhythmischer Euphonie auszeichnet. H. hat eine Reihe von umfangreichen Übersetzungen angefertigt; am wichtigsten ist die 1652 abgeschlossene Übertragung der in ganz Europa verbreiteten Tragikomödie „Il pastor fido“ von Guarini („Der getreue Schäfer“). Das Hauptwerk H. sind die von Ovids Heroiden angeregten, 1663/64 geschriebenen „Heldenbriefe“, 14 fiktive Briefwechsel historischer Liebespaare. Jeder Briefwechsel, dem eine novellenartige Prosaeinleitung vorausgeschickt ist, besteht aus einem 100 Alexandriner langen Werbegedicht und einem ebenso langen Antwortschreiben. In dieser von H. in die deutsche Dichtung eingeführten Mischgattung kommen exzeptionelle Fälle erotischer Leidenschaft zur Darstellung, eine Thematik mithin, die von der stark moraltheologisch bestimmten deutschen Poetik des 17. Jahrhunderts fast völlig ausgeklammert worden ist. Der Affekt der Liebe und die in seinem Umkreis auftretenden Passionen werden jedoch zugleich durch eine Formensprache von hohem artistischen Rang ästhetisch ausgeglichen. Die Apotheose der passio erotica geschieht mit ironischem und gelegentlich auch moralischem Vorbehalt, sie vollzieht sich mehr in dem geistreichen Argumentieren der Liebespartner als in direkter Aussprache des Dichters. Auch in anderen Gattungen („Geschicht-Reden“, Liedern, Sonetten, Episteln), die zum Teil erst in der Anthologie Benjamin Neukirchs (1695 folgende) erschienen, zeigt sich eine spielerische Sublimierung und damit Legitimierung der für diese Zeit kühnen Leidenschaftsthematik. In den „Poetischen Grabschrifften“ (Epigrammen) drängt das erotisch-curiöse Interesse das moralisch-didaktische zurück; einige Epigramme antihabsburgischer und antiklerikaler Tendenz hat H. unterdrückt. Die geistliche Lyrik H., in der die zentralen Themen des Jahrhunderts, die Vanitas-Klage, die stoizistische Kritik der Sinne, die affektische Sündenzerknirschung und so fort, begegnen, steht an Bedeutung hinter der weltlichen zurück. Aber auch in ihr tritt das Strukturgesetz dieser Dichtung deutlich hervor: die Überformung des Passionellen durch eine hochartistische Form- und Sprachgebung. – Das Werk H. hat eine überaus große Wirkung getan: Zahlreiche Dichter, die die Literaturgeschichtsschreibung als „Zweite schlesische Schule“ oder als „galante Dichtung“ zusammenfaßt, sind von ihm beeinflußt worden (Benjamin Neukirch, Assmann von Abschatz, Heinrich Mühlpfort, auch Lohenstein). Die kritische Poetik der Aufklärung (Gottsched, Bodmer und andere) lehnte H.s Dichtung als „Schwulst“, „Unnatur“ oder „falschen Witz“ schroff ab, ihr Verdikt, das im 19. Jahrhundert eine starke moralistische Akzentuierung erfuhr, wirkte bis ins 20. Jahrhundert. Erst unter dem Aspekt des „Manierismus“ scheint sich in den letzten Jahren das Interesse an H.s Dichtungen zu verstärken.

  • Werke

    Dt. Überss. u. Getichte, 1679 (P), zahlr. Ausgg. bis 1730;
    Herrn v. Hoffmannswaldau u. andrer Deutschen auserlesener … Gedichte 1.-7. T., hrsg. v. B. Neukirch u. a., 1695-1727, Neuausgg. d. 1., 2. u. 3. T. v. A. G. de Capua, E. A. Philippson u. E. A. Metzger, 1961/65/70;
    Heldenbriefe (Ausw.), hrsg. v. F. Kemp, 1962;
    Gedichte, ausgew. v. M. Windfuhr, 1964;
    Gedichte, ausgew. v. H. Heißenbüttel, 1968.

  • Literatur

    ADB XII;
    K. Friebe, Über C. H. v. H. u. d. Umarbeitung s. Getreuen Schäfers, 1886;
    ders., C. H. v. H.s Grabschrr., Progr. Greifswald 1893;
    ders., Chronolog. Unterss. zu H.s Dichtungen, dass. 1896;
    J. Ettlinger, C. H. v. H., 1891;
    P. Hintringer, Sprach- u. textgeschichtl. Stud. zu H. v. H., 1908;
    W. Schuster, Metr. Unterss. zu H. v. H., 1913;
    A. Hübscher, Die Dichter d. Neukirchschen Slg., in: Euphorion 24, 1922, S. 1-28, 259-77, Anh.: Zur Chronol. d. Gedichte H.s, S. 278-87;
    ders., Neue Unterss. zur Chronol. H.s, ebd. 26, 1925;
    F. Mayer, C. H. v. H. u. d. franz. Lit., Diss. München 1923;
    R. Ibel, H. v. H., 1928;
    H. Heckel, C. H. v. H., in: Schles. Lb. III, 1928 (W, L, P);
    F. M. Currier, Native and foreign influences in the works of H., Diss. Harvard 1936;
    H. Geibel, Der Einfluß Marinos auf C. H. v. H., 1938;
    E. Rotermund, C. H. v. H., 1963 (ausführl. Bibliogr.);
    F. Heiduk, Das Geschl. d. H. v. H., in: Schlesien 13, 1968 (P);
    ders., Das Geburtsdatum C. H.s v. H., in: Schles. Stud., hrsg. v. A. Hayduk, 1970;
    E. Rotermund, Affekt u. Artistik, Stud. z. Leidenschaftsdarst. u. Argumentation bei H. v. H., 1972;
    Goedeke III, S. 268 f.

  • Porträts

    Gem. v. Gg. Schulz, Abb. b. G. Müller, Dt. Dichtung v. d. Renaissance b. z. Ausgang d. Barock, 1927, S. 229, danach Stich v. Ph. Kilian, Abb. b. H. Heckel, Gesch. d. dt. Lit. in Schlesien I, 1928, b. S. 320, u. b. A. Lubos, Gesch. d. Lit. Schlesiens I, 1960, S. 129;
    Stich v. J. Sandrart, in: Dt. Überss. …, s. W.

  • Autor/in

    Erwin Rotermund
  • Zitierweise

    Rotermund, Erwin, "Hofmann von Hofmannswaldau, Christian" in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 462-464 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118706187.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Hofmann von Hofmannswaldau: Christian H. v. H. (Haupt der zweiten schlesischen Dichterschule), wurde geb. am 25. Decbr. 1617 (nicht 1618) zu Breslau als Sohn des schlesischen Kammerrathes Johann H., der 1612 von Kaiser Matthias mit dem Zusatze zu seinem Namen „von Hofmannswaldau“ geadelt worden war. Dieses Zusatzes bediente sich der Sohn selten; er zeichnete sich meist Christian H., achtete also ähnlich wie M. Opitz den in seiner Zeit so leicht erreichbaren Briefadel gering. Seine wissenschaftliche Bildung erhielt er in seiner Vaterstadt auf dem Gymnasium zu St. Elisabeth unter Elias Major und Christoph Colerus, später zu Danzig unter Mochinger. Hier verkehrte er auch täglich mit dem seit August 1636 dorthin übergesiedelten M. Opitz, dessen Dacia antiqua er versichert, vielfach in der Hand gehabt zu haben. Ein noch vorhandenes, von Opitz nach Lenden an H. gerichtetes Schreiben (Januar 1638) bestätigt dessen Werthschätzung des Jünglings. Dorthin war dieser nach zweijährigem Aufenthalte in Danzig 1637 gegangen, und dort studirte er 13 Monate lang unter Salmasius, Voß und Boxhorn. Von hier begleitete er einen Fürsten Fremonville über Amsterdam nach England und erlernte dessen Sprache, dann nach Frankreich, wo er in Paris mit den bedeutendsten Gelehrten, als Grotius, de Thou, Petavius u. a. in Verkehr trat. In Italien hielt er sich längere Zeit in Genua, Pisa und Siena auf, besuchte dann Rom, knüpfte auch dort Beziehungen zu Naudeus, Holstein u. a. an und kehrte dann nach sechsjähriger Abwesenheit über Florenz, Bologna, Venedig und Wien in seine Vaterstadt zurück. Hier fesselte man ihn 1643 durch eine Heirath und gab ihm drei Jahre später noch vor dem gesetzmäßigen Alter von 33 Jahren eine der ersten Stellen im Rathe der Stadt. Sendungen an den Regensburger Reichstag (1653) und wiederholte (1657, 1660 und 1669) nach Wien verschafften ihm mit der Gunst des Hofes 1657 den Titel eines kaiserlichen Rathes, und als 1677 der Rathspräses Johann Götz von Schwanenflies starb, wurde H. einstimmig zu dessen Nachfolger erwählt. Jedoch bekleidete er dies Amt nur zwei Jahre; hochgeachtet um seiner Rechtschaffenheit und Pflichttreue und allgemein verehrt um seiner Wohlthätigkeit und Humanität willen starb er mit Hinterlassung zweier Söhne am 18. April 1679. Sein College, der Rathssyndicus Daniel Kaspar v. Lohenstein hielt ihm am 30. April die Gedächtnißrede, die später gedruckt, die Hauptquelle für seine Lebensverhältnisse geworden ist, während über seinen inneren Bildungsgang die Vorrede zur Ausgabe seiner Uebersetzungen und Gedichte die beste Auskunft gibt. Darnach hatte er schon als neunjähriger Knabe seine Freude am Theuerdank und lernte an ihm die Silben zählen; später bildete er sich an Opitzens „reiner Schreibart“ und weiter an den alten lateinischen Dichtern und den neueren Frankreichs, der Niederlande, Englands und vornehmlich Italiens. Seine Kenntniß der fremdländischen Litteratur thut er in oben genannter Vorrede dar durch eine Darstellung ihrer Geschichte und eine Charakteristik ihrer bedeutendsten Dichter. Aber auch in der älteren deutschen Litteratur zeigt er sich, vielleicht infolge der Anregung eines M. Opitz, unterrichteter als seine Zeitgenossen, wie seine Citate aus Ottfried, Konrad von Würzburg, Wolfram von Eschenbach, ja Walter von der Vogelweide u. a. beweisen, deren Werke er zum Theil nur aus den Handschriften kennen und würdigen gelernt haben konnte.|Auch Hans Sachs schätzt er höher als sein Zeitalter that; durch Opitz sieht er die deutsche Poesie jeder ausländischen gleichgestellt, höchstens von der italienischen noch übertroffen; namentlich gilt ihm Marini als Vorbild. Frühzeitig hat er selbst Hand ans Dichten gelegt. Aus seiner Jugend stammt offenbar die große Menge jener lyrischen Lieder, die erst nach seinem Tode gedruckt wurden. „So bunte Gedanken", erklärt er 1679 selbst, „schickten sich besser für 26 als 62 Jahre“. Als Jugendarbeit bezeichnet er ferner die Uebersetzung des „Sterbenden Socrates“ aus dem Französischen von Theophile, der den Phädon Platos übertragen und mit eigenen Versen reichlich ausgestattet hatte. Da H. ferner in der Vorrede zu den Heldenbriefen es verschmäht, wie „vormals“ das Werk eines berühmten Ausländers zu übersetzen, so hat er offenbar auch den Pastor fido von Guarini schon in jüngeren Jahren übersetzt, und die Hinweisung auf zwei schon vorhandene Bearbeitungen wird nicht auf die des jüngeren v. Abschatz (geb. 1646) zu beziehen sein. Es ist nach aller Kenner Urtheil eine sehr schwache Arbeit. Das bedeutendste Werk eigener Erfindung in der mit seiner Bewilligung und vor seinem Tode herausgegebenen Sammlung seiner Gedichte sind „Die Heldenbriefe“, eine Nachahmung der Heroiden von Ovid. Zur Wahl dieser Dichtungsgattung hatte ihn die knappe Form derselben bewogen, in der sich mehr als in irgend einer anderen „allerlei artige Lieblichkeiten“ zusammenfassen ließen. Dazu kam, daß in Deutschland noch Niemand diese Form nachgebildet hatte, und der Umstand, daß die Poesie vor allem im Lande der Liebe zu Hause sei. Es sind 28 Briefe, die mit vorausgehender Einleitung in Prosa 14 historischen theils offen genannten Liebespaaren (wie Eginhard und Emma, Abälard und Heloise), theils durch falsche Namen verdeckten (z. B. Siegreich d. i. Kaiser Karl V. und Rosamunde d. i. Barbara von Blomberg oder Graf Heldenreich d. i. Ludwig von Hessen, der Springer genannt und Adelinde d. i. Adelheid von Stade) untergelegt werden. Alles andere in jener Sammlung befindliche ist unbedeutend. Davon wurden schon im J. 1663 „Christian Hofmann's von Breßlau Spiel- u. ersinnliche Sterbens-Gedancken" von einem Anderen, wie es scheint, herausgegeben. Es sind die in der Gesammtausgabe „Grabgedichte“ genannten und mit mäßigem Witz auf die verschiedenartigsten Verstorbenen, als Huren, alte Jungfern, Kuppler, aber auch historische Personen verfaßten 100 Epigramme. Außerdem enthalten die Gesammtausgaben unter besonderer Paginirung, daher auch in verschiedenen Exemplaren in verschiedener Folge gebunden: Poetische Geschichtsreden, z. B. der erleuchteten Maria Magdalena, Thränen der Tochter Jephta etc., Hochzeit-Gedichte, Begräbniß-Gedichte, Geistliche Oden und vermischte Gedichte. Ein größeres, ja „das vornehmste“ Werk, was H. sich vorgenommen ans Licht zu bringen, dann aber in seinen Anfängen selbst verbrannt hatte, war nach Neumeister's Specimen de poetis saec. XVII ein episches Gedicht „De bello Germanico“. Erst 16 Jahre nach Hofmann's Tode begann Benjamin Neukirch in seiner unter dem Titel: „Herrn v. Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesene und bisher ungedruckte Gedichte“, Leipzig 1695, herausgegebenen Sammlung, die von anderen fortgesetzt, zuletzt auf sieben Bände anschwoll, die vom Dichter „mit Fleiß zurückgehaltenen Lustgedichte“, d. h. lyrischen Lieder, zu veröffentlichen. Nicht alle darin unter Hofmann's Chiffre abgedruckten Gedichte sind echt und unverändert, wie Neukirch zugibt, aber doch die meisten. Da Abschriften davon nach des Dichters eigenem Zeugniß schon bei dessen Lebzeiten vielfach verbreitet waren, so dürfen wir in ihnen mit Recht die Vorbilder der am Schlusse des 17. Jahrhunderts wenigstens in Schlesien vorherrschenden Lyrik sehen, den Typus der Dichtung der sogenannten zweiten schlesischen Dichterschule. H. hatte sich zwar auch „die Sprachreinlichkeit“ eines Opitz zur Richtschnur gewählt, bestrebte sich jedoch über diese hinaus, seiner Schreibweise größere Leichtigkeit, Glätte und|Fluß zu geben; er gedachte den majestätischen Stil in einen lieblichen überzuführen, und darum wurden Ovid und Marini seine Vorbilder. Er wollte nichts wissen von der Menge der Gelehrsamkeit, mit welcher seine Vorgänger und Zeitgenossen ihre Dichtungen belasteten, von den schwerfälligen Satzbildungen, in denen z. B. Gryphius die Alten nachbildete; er legte nur Werth auf treffenden Ausdruck des Gedankens, geistreiche Erfindungen, „kräftige Beiwörter und andere mit Verstand angewendete Kleinigkeiten“, d. h. wol künstliche Bilder und Vergleiche und schlagende Antithesen. Nun ist freilich nicht zu leugnen, daß er zuweilen auch recht unedle und häßliche Bilder braucht, oft Mißgriffe mit geschmacklosen Ausdrücken thut, statt kräftiger süßliche Beiwörter wählt, im allgemeinen aber ist seine Sprache blühend und gefällig und bahnt von dem überstiegenen Pathos des Gryphius den Weg zu der Geschmeidigkeit Günther's und Hagedorn's, den zunächst freilich noch die Uebertreibungen thörichter Nachahmer mit widerwärtigem Schwulst und Unnatur verdeckten. Auch seine metrische Gewandtheit zeigt der oft recht zierliche und gefällige Bau seiner leichten Lieder. Aber dies formelle Verdienst Hofmann's wird freilich stark beeinträchtigt durch den Charakter des Inhalts seiner Dichtungen. Zwar hat er von der Poesie einen höheren Begriff als viele seiner Zeitgenossen; bloße Reimerei weist er den Pritschmeistern zu; dichten und erfinden ist ihm die Seele der Poesie; ein Gedicht soll ein anmuthiger Gedanke sein; aber als Zweck kennt er doch nichts Höheres als die eigene und anderer Belustigung. Er entschuldigt sich, daß der Trieb, zu dichten nicht mit seiner Jugend verraucht sei. Tiefere Ideen darzustellen, ethische Wirkungen zu erzielen, daran liegt ihm nichts, nur artige Spiele des Witzes und der Phantasie hat er im Sinne, und da diese sich eben auf dem Boden der Liebe am lieblichsten aufführen lassen, betritt er diesen allein, indem er seine Phantasie jedes Zügels entledigt. Die allerunzweideutigsten Schilderungen sinnlicher Liebe, ihre Erregungen und Genüsse werden ohne Scheu und oft kaum verhüllt dargestellt. Reine, edle und wahre Herzensneigung kennt er gar nicht, alles läuft zuletzt auf gemeine Wollust hinaus, wofür ihm die üppigsten Bilder und grellsten Farben zu Gebote stehen. Sind die Heldenbriefe der Mehrzahl nach zwar noch freier von solchen Darstellungen schlimmster Art, so ergeht er sich doch in mehreren derselben auch schon mit großer Schamlosigkeit, und es entschuldigt ihn, wie er glaubt, nicht, daß sich neben solchen schlüpfrigen Worten ja auch genug Warnungen vor Ausschreitungen der Liebe vorfänden, oder daß, wer sein Gemüth kenne, nichts Ungleiches aus solchen Aeußerungen werde schließen können. Daß er im höheren Alter gleichwol das richtige Gefühl hatte, seine Lustgedichte dürften ungleiche, d. h. üble Urtheile erwecken, zeigte er durch die Weigerung ihrer Veröffentlichung. So fällt es ihm hauptsächlich zur Last, unserer Poesie ein fremdes Reis eingeimpft zu haben, das ihr stets zur Schmach gereichen wird, zumal dasselbe durch den Unverstand und die Schamlosigkeit eines Theils der Gebildeteren unserer Nation, wenn auch nur kurze Zeit zu Erzeugnissen der frechesten Unsittlichkeit getrieben wurde. Allerdings erhob sich schon beim Erscheinen von Hofmann's Gedichten hier und da Widerspruch gegen diese Richtung, aber doch nur gegen die zuweilen vorkommenden Profanationen religiöser, namentlich biblischer Motive; noch aber war der Eindruck seiner ehrbaren und würdigen Persönlichkeit so stark, daß alles von ihm Herkommende wenigstens in seinem Vaterlande Schlesien für unanstößig, ja mustergiltig angesehen wurde; erst die Schweizer fällten ein richtigeres Urtheil über Hofmann's Poesie. — Bei der Unwahrheit der Empfindung derselben erscheint auch der Werth seiner wenigen geistlichen Oden und ernsteren vermischten Gedichte sehr gering. Sie lösen gleichsam nur sein Versprechen in der Vorrede der Heldenbriefe: „Wer Geistliches von mir zu haben begehrt, soll es auch haben“ und erheben sich in keiner Weise|über die Menge derartiger Leistungen in seiner Zeit. Daß H. auch als Gelegenheitsredner zu seiner Zeit glänzte, beweisen nicht nur seine von dem Rector Christian Gryphius herausgegebenen Reden, sondern auch das Lob, welches ihm Andreas Gryphius (2, 57) ertheilt: „Bis Hoffmann's Mund die Sinnen mir entzücket, der nichts denn Wunder spricht“. Ganz besonderes Interesse für Erziehungs- und Schulwesen seiner Vaterstadt rühmen ihm alle Grabreden nach und bezeugt u. a. auch eine unten anzuführende lateinische Epistel über die rechte Art des Studirens.

    Die gedruckten dichterischen Werke sind im obigen genannt worden. Eine Ausgabe der deutschen Uebersetzungen und Gedichte vom J. 1673, die Goedeke im Grundrisse S. 515 nennt, scheint ein Irrthum zu sein; in den Breslauer Bibliotheken findet sich kein Exemplar davon, und innere Gründe machen ihre Existenz unwahrscheinlich. Die erste Ausgabe erschien nach der Vorrede im 62. Lebensjahre des Dichters, 1679, mit dessen Bewilligung; von der Menge der späteren mit kaiserlichem und kursächsischem Privilegium gedruckten sind viele nur Titel-Ausgaben; viele sind ausgestattet mit Kupferstichen von Melchior Küsell: Goedeke führt Drucke an aus den J. 1680, 1684, 1686, 1691, 1696, 1700, 1710, 1717, 1730, doch ist zu bemerken, daß davon nicht alle auch allen Theilen zu Theil wurden. Die Uebersetzung des Pastor fido ist in der zweiten Ausgabe eingeleitet durch eine Uebersetzung des „Vorredenden Alpheus“ von H. D. C. à Lohenstein. — Die von B. Neukirch (später von anderen) besorgte Sammlung „Herrn v. Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte“ erschien in ihrem ersten Theile zuerst 1695 Leipzig bei Fritsch, dann 1697, 1704 und 1734 in neuen Auflagen, II. Theil 1697, 1730; III. Theil 1703, 1710, 1737; IV. Theil ohne Jahr, und 1736; V. Theil 1710 und 1734; VI. Theil 1709; VII. Theil 1727. — Die Heldenbriefe erfuhren eine schwedische, dem Könige Karl XII. gewidmete Uebersetzung unter dem Titel: „Hielte Bref och Någre Andre Sinrike Poetiske Dieter, På Tyske sammanskrefne af Christian von Hofmanswaldau etc. Och nu mera för swenskade. Stockholm 1700. — Ferner erschien: „Hoffmann a Hoffmannswaldau: De curriculo studiorum vitae civili profuturorum ad generosum juvenem, commentatio epistolica“. Görlicii 1700. Endlich: „Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau deutsche Rede-Uebungen, ein Werk, darinnen allerhand Abdanckungs-, Hochzeit-, Glückwünsch-, Bewillkommnungs- und andere vermischte Reden enthalten sind. Nebst beygefügten Lob-Schriften von Christian Gryphio“. Leipzig 1702.

    • Literatur

      D. C. v. Lohenstein, Lob Rede bei Hofmannswaldaus Leichenbegängnisse. Bresl. 1679. Ohne biographisches Interesse sind die meist beigebundenen Lobreden von Christian Gryphius und Mühlpfort. Wichtig dagegen ist von Paulus Pater eine Inscriptio sepulcralis, Brigae 1679, sowie die handschriftliche Sammlung schlesischer Genealogien v. Ezechiel auf der Stadtbibliothek zu Breslau.

  • Autor/in

    Palm.
  • Zitierweise

    Palm, Hermann, "Hofmann von Hofmannswaldau, Christian" in: Allgemeine Deutsche Biographie 12 (1880), S. 639-642 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118706187.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA