Lebensdaten
1660 – 1741
Geburtsort
Hirtenberg bei Sankt Marein (Steiermark)
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Komponist ; Musiktheoretiker
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118694375 | OGND | VIAF: 56583725
Namensvarianten
  • Fux, Johann Joseph
  • Feux, John Joseph
  • Fuchs, Johann J.
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Fux, Johann Joseph, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118694375.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Andreas (ca. 1610-1708), Bauer in H.;
    M Ursula (ca. 1640-91);
    Wien 1696 Clara Juliana ( 1731), T d. nd.österr. Regierungssekretärs Schnitzenbaum; kinderlos; 2 Adoptiv-K (beide N), u. a. Matthäus (* 1719), Erbe d. Bücher u. Musikalien F.s (heute verschollen).

  • Biographie

    Bis zum 36. Lebensjahr sind aus F. Dasein nur Inskription an der Grazer Universität als Grammatist und Musiker 1680, Eintritt in das dortige Jesuiten-Alumnat „Ferdinandeum“ 1681 und heimliche Flucht aus demselben, wahrscheinlich vor 1684, bekannt. 1696 war er Organist der Wiener Schottenkirche, wurde 1698 kaiserlicher Hofkomponist, 1713 Vize-Hofkapellmeister und 1715 Hofkapellmeister. Daneben wirkte er als Schottenorganist bis 1702, Kapellmeister am Sankt Stephans-Dom 1705-15 und Kapellmeister der Kaiserin-Witwe Wilhelmine Amalia 1713-circa 1720. Die Vereinigung dieser das gesamte Musikbereich umgreifenden Positionen bot F. schon 1713/14 größte Macht und Verantwortlichkeit mit vielseitigen künstlerischen und organisatorischen Verpflichtungen, deren er sich kraft seiner enormen Produktivität, zuverlässigen Bildung und seines vornehmen und pflichtbewußten Menschentums hervorragend entledigte, obschon früh durch Gichtleiden behindert. Dieses zwang F. auch, die Leitung seines höchsten Komponistentriumphes, der Prager Festoper „Costanza e Fortezza“ (1723), und anschließend auch Wiener Dirigentenagenden A. Caldara zu überlassen. Während der Weltruhm des Theoretikers und Lehrers F. durch seinen „Gradus ad Parnassum“ (Wien 1725) nie verblaßt ist, der, ins Deutsche (1742), Italienische (1761), Französische (1773) und Englische (1791) übersetzt, zur Grundlage aller Kontrapunkt-Lehren von Bellermann (1862) bis Tittel (1959) wurde, nahezu allen Großen der europäischen Musik als Lehrbuch diente und jenes Ideal der Satzstrenge manifestiert, das F. seinen persönlichen Schülern Zelenka, Muffat dem Jüngeren, Orschler, Tuma, Wagenseil, Prustmann und Punzau vererbt hat, geriet der Komponist durch den Stilwandel von 1750 rasch in Vergessenheit. Es bedurfte erst des romantischen Historismus (Caecilianismus), um ihn seit 1814 zunächst als Kirchenkomponisten, sowie der jungen Musikforschung, um ihn seit 1872 beziehungsweise 1894 durch Köchel und die „Denkmäler der Tonkunst in Österreich“ als bedeutendsten Tonsetzer des österreichischen Spätbarock zu erkennen. Sein seit circa 1695 datierbares Riesenwerk von über 500 Kompositionen wird seit 1959 in einer Gesamtausgabe der J. J. Fux-Gesellschaft (Graz) erschlossen.

    F. Stil ist einerseits durch die für das Halbjahrhundert nach 1700 charakteristische Situation einer Überschneidung von ausklingendem Barock und aufkommender Galanterie bedingt, andererseits durch die Tätigkeit als österreichischer Hofkomponist mit viel kirchenmusikalischen Verpflichtungen. Bei unverkennbar stärkerer Verwurzelung in der Tradition gelingt ihm kraft seines charaktervollen Künstlertums eine Synthese national und zeitlich sehr weit distanzierter Stilelemente, durch die er zum Grundleger der universalen Wiener Klassik wurde. Verraten Formgebung, Polyphonie, oft archaisierende Harmonik, Vorliebe für Chor- und Orchesterprunk und feierliches Pathos in seinen Opern, Oratorien, Messen und Instrumentalwerken Bindungen, die über den römischen (Corelli), venezianischen (Legrenzi) und französischen Barock (Lully) bis zur Wiederbelebungsperiode Gabrielischer Canzonenpracht im Wien um 1650 zurückreichen, so verraten wiederum sinnliche Melodik seiner Da-Capo-Arien, Chor-Bukolik, Ausdrucksindividualisierung und eleganter Konversationston mancher Cembalosuite seine Aufgeschlossenheit für die neapolitanische Oper Scarlattis und für Couperin. Die spezifisch Wienerische Messentradition erklärt das charakteristische Nebeneinander von „stile antico“ und „stile moderno“ bei F., wobei Canonpflege als emilianisches Erbgut (Bononcini) stark hervortritt. Auch die Aufgeschlossenheit für alpine und slawische Folklore, in Wien schon seit Schmelzer nachweisbar, kennzeichnet F. Mittlerstellung zwischen Barock und Klassik wie auch seine Vorliebe für Formkombinationen, etwa Fuge oder Ciacconna mit Da-Capo-Form.

  • Werke

    Weitere W 18 Opern, im Druck nur: Elisa, Amsterdam 1719;
    15 Oratorien;
    üb. 60 Messen;
    üb. 12 Requiem;
    üb. 250 sonstige geistl. Werke;
    57 Kirchen- u. Kammersonaten a 3, 26 Instrumentalwerke a 4 u. mehr St., im Druck: Concentus musicus, Nürnberg 1701;
    16 Werke f. Tasteninstr. orig. u. transp.;
    1 Quodlibet, Druck in: V. Rathgebers Augsburg. Tafelkonfekt II/6, 1737;
    – Singfundament, hs. (Wien, Ges. d. Musikfreunde);
    |Solfeggi, hs. (ebd.). – Neudr.: Costanza e fortezza, in: DTÖ 34/35;
    1 Opernarie, in: Liess, Wiener Barockmusik, 1946. – La fede sacrilega nella morte del Precursor S. Giovanni Battista, in: Gesamtausg. Ser. IV/1, 1959. – Missa Sti Caroli, 1814;
    4 Messen, in: DTÖ I;
    Missa in C (echt ?), in: Meisterwerke kirchl. Tonkunst 1, 1913;
    Missa Sti Joannis, in: Musica divina, 1955;
    Missa corporis Christi, in: Gesamtausg. Ser. I/1, 1959. – 27 Motetten, in: DTÖ 3;
    7 kleinere Kirchenwerke, in: Musica divina 3, 1859;
    3 Einzelstücke, in: L. v. Köchel, F., 1872;
    10 Einzelstücke, in: Meisterwerke kirchl. Tonkunst 3 u. 5, 1913/14;
    1 Einzelstück, in: Die Chorslg. A 27, 1958. – 2 Kirchensonaten u. 2 Suiten, in: DTÖ 19;
    Concentus musicus instrumentalis, ebd. 47;
    Triosonaten: 1 in: Musikschätze d. Vergangenheit, 1927;
    1 in: Nagels Musikarchiv 146, 1938, dies. in: Feste u. Feier 48, 1939;
    1 f. 3 Vl. in: Antiqua, 1941;
    2 in: Continuo, 1941;
    2 in: Hortus musicus 51, 1950;
    1 ebd. 30, 1953;
    3 in: Hausmusik 158, 159, 164, 1954. – Einzelsätze a 3, 3 in: L. v. Köchel, F., 1872;
    11 in: Liess, Die Triosonate v. J. J. F., 1940;
    4 in: Liess, Wiener Barockmusik 1946. – 4 Orgelstücke in: Museum 1 u. 2, 1832;
    7 Kirchensonaten, 4 Suiten, 3 Einzelstücke, 12 Menuette f. Tasteninstr. in: DTÖ 85. – Quodlibet in: Das Erbe dt. Musik, Reichsdenkmale 19, 1942. – Gradus ad Parnassum, dt. Teilausg. v. A. Mann, 1938 (engl. Übers. von dems., New York 1943).

  • Literatur

    ADB VIII;
    L. v. Köchel, J. J. F., 1872;
    A. Liess, Die Triosonaten v. J. J. F., 1940;
    ders., J. J. F., 1948, ders., Fuxiana, 1957;
    ders., in: MGG IV, Sp. 1159-75 (W, L, P);
    E. Schenk, Ein wichtiger Fund z. Biogr. v. J. J. F., in: Anz. d. Österr. Ak. d. Wiss., Phil.-Hist. Kl., 1949;
    ders., Das Weltbild Jos. Haydns, in: Alm. d. Österr. Ak. d. Wiss. 109, 1960;
    A. Feil, Zum Gradus ad Parnassum v. J. J. F., in: Archiv f. Musikwiss. 14, 1957;
    H. Federhofer, Biogr. Btrr. z. G. Muffat u. J. J. F., in: Die MusikF 13, 1960;
    ders., Unbekannte Kirchenmusik v. J. J. F., in: Kirchenmusikal. Jb. 43, 1960;
    Einl. zu DTÖ 19 (G. Adler), 34/35 (E. Wellesz), 85 (E. Schenk);
    Eitner;
    Wurzbach V.

  • Porträts

    Ölgem. v. N. Bück, 1717 (Wien, Ges. d. Musikfreunde), Abb. in: MGG.

  • Autor/in

    Erich Schenk
  • Zitierweise

    Schenk, Erich, "Fux, Johann Joseph" in: Neue Deutsche Biographie 5 (1961), S. 745-746 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118694375.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Fux: Johann Joseph F., kaiserl. Hofcapellmeister, wurde auf dem zur Pfarre St. Marein gehörigen Weiler Hirtenfeld, etwa drei Meilen östlich von Gratz in Steiermark, als ältester Sohn einfacher Bauersleute wahrscheinlich um 1660 geboren. Jahr und Tag genau zu ermitteln, konnte selbst den eifrigen Nachforschungen des vielverdienten Biographen dieses Mannes, Dr. L. Ritter von Köchel, nicht gelingen, da die betreffenden ältesten Pfarrbücher der Kirche, zu der der Weiler gehörte, verbrannten und die neueren erst mit dem Jahre 1663 beginnen. (Die beiläufige Annahme des Geburtsjahres gründet sich auf den Wiener Todtenmatrikel, der Fux' Lebensalter bei dessen Tode 1741 mit 81 Jahre angibt.) Ebenso wenig war Köchel im Stande, über Fux's musikalische Lehrzeit und über seine Lebensverhältnisse bis ins 36. Jahr Aufschluß zu geben, woran zunächst F. selber die Schuld trägt, der die Aufforderung J. Mattheson's um Lebensnachrichten für dessen „Ehrenpforte“ in einem Briefe (12. Jan. 1718) mit den Worten ablehnt: „Ich kundte vüll vortheilhafftiges für mich, von meinem Aufkommen, unterschiedlichen Dienst-Verrichtungen überschreiben, wan es nit wider die modestie wäre selbst meine elogia hervorzustreichen: Indessen seye mir genug, daß ich wirdig geschätzt werde, Caroli VI. erster Capellmeister zu sein.“ Jedenfalls muß F. eine sehr gediegene musikalische Ausbildung genossen haben, wie sie nur an einem bevorzugten Orte wie Wien möglich gewesen sein konnte, und mit Recht vermuthet Köchel nach einer leisen Andeutung in dem, Kaiser Karl VI. dedicirten Gradus ad Parnassum, daß F. unter Kaiser Leopold I. und auf dessen Kosten von einem der kais. Capellmeister oder Vice-Capellmeister gebildet worden sei. Daß F. seine Lehrjahre gewissenhaft verwerthete, davon geben schon seine frühesten Compositionen, so weit sie eben vorliegen, genügendes Zeugniß. Ihnen zufolge war er mit der Theorie aus den Werken der besten Meister seiner Zeit vertraut und hatte nebstbei hinlängliche Kenntnisse in der lateinischen und italienischen Sprache. Auch mußte seine praktische Thätigkeit bereits derart gewesen sein, daß sie die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte und ihm endlich, 36 Jahre alt, seine soviel bis jetzt bekannt ist, erste Anstellung im J. 1696 verschaffte. Mit dem genannten Jahre stehen wir endlich auf festem Boden, auf dem wir dem Manne nun Schritt auf Schritt folgen können. F. wird damals (1696) als wohlbestellter Organist des Benedictiner-Stiftes zu den Schotten in Wien (auf der Freiung) genannt, wo er auch wohnte, und am 4. Juni desselben Jahres sich mit einer Wienerin, der Jungfrau Juliana Clara, Tochter des nieder.-österr. Regierungssecretärs Joh. Jos. Schnitzenbaum vermählte, mit der er bis zu deren Tode (1731) eine glückliche, wenn auch kinderlose Ehe verlebte. Am 1. Jänner 1698 wurde F. vom Kaiser Leopold I. zum Hof-Compositor ernannt, ein Amt, das erst zwei Jahre zuvor mit der gleichen Anstellung des Carlo Aug. Badia vom Kaiser geschaffen wurde. Der, wie bekannt, musikalisch tüchtig gebildete Monarch folgte bei der Ernennung des F. ohne weiteren Beirath des Hofcapellmeisters (Ant. Draghi) oder eines anderen Kunstverständigen seinem eigenen Ermessen, ein Beweis, daß er mit den Leistungen des Mannes wohl mußte vertraut gewesen sein. Der Gehalt des F., anfangs monatlich 40 Thlr. (= 60 fl.), wurde 1701 als Zeichen kaiserl. Anerkennung auf 60 Thlr., und im nächstfolgenden Jahre auf 80 Thlr. erhöht. Ein anderes Zeichen kaiserlicher Gnade war die Genehmigung, einen Cyklus von 7 Partiten dem Erzherzog und römischen Könige Josef, nachmaligen Kaiser, widmen zu dürfen. Dieses jetzt selten gewordene Werk erschien als opus primum im J. 1701 zu Nürnberg im Druck (Felsecker's Erben) unter dem Titel musico-instrumentalis. Im J. 1705 wurde F. zum Domcapellmeister bei St. Stephan, im J. 1713 zum kaiserl. Vicecapellmeister und gleichzeitig zum Capellmeister der verwittweten Kaiserin Wilhelmine Amalie, endlich, nach dem Tode Marc Antonio Ziani's|(22. Jan. 1715) zum kaiserl. Hofcapellmeister ernannt. Sein Gehalt war 1711 auf jährlich 2000 fl. gestiegen; 1713 bezog er als Vicecapellmeister, eine scheinbare Verminderung, 1600 fl., als Capellmeister der verw. Kaiserin 1500 (und obendrein den Gehalt als Domcapellmeister); im J. 1715 war und blieb sein Gehalt als erster Hofcapellmeister 3100 fl. (oder 2500 fl. und 600 fl. adj.). Im J. 1721 wurde ihm ein Gesuch bewilligt, nach dem seine eventuelle Wittwe statt einer Pension Ein für allemal 8000 fl. in vier Raten ausbezahlt erhielt. — Die Beweise kaiserl. Huld gingen auch auf Karl VI. über, der die Dedication der im J. 1718 componirten kunstvollen Missa canonica entgegennahm. Ebenso die Dedication des auf kaiserl. Unkosten reich ausgestatteten Lehrbuches Gradus ad Parnassum, das 1725 im Verlag des k. k. Hofbuchdruckers Joh. Peter von Ghelen erschien. Eine ungewöhnliche Gunstbezeugung und Würdigung der Verdienste seines Hofcapellmeisters erwies ihm sein kaiserl. Herr im J. 1723, als in Prag zur Krönung des Kaiserpaares Fux' Oper Costanza e Fortezza (Wahlspruch des Kaisers Karl VI.) im Schloßhofe auf dem Hradschin mit großer Pracht aufgeführt wurde, wohin er F., der schon lange an Podagra litt, von Wien aus in einer Sänfte hinbringen ließ, um der von dem Vicecapellmeister Caldara dirigirten Vorstellung beiwohnen zu können. Von da ab machte dem so geehrten Manne zunehmende chronische Fußgicht die Erfüllung seines Amtes wol schwer, doch versah er seinen Dienst bis zu seinem Lebensende unverdrossen; er konnte daher mit Recht von sich sagen: mit Schmerzen habe ich meine Pflicht erfüllt. Nach dem Tode seiner Frau war dem kinderlosen Wittwer die Gegenwart zweier Verwandten, einer Nichte und eines Neffen, die er schon lange vordem in jugendlichem Alter in sein Haus aufgenommen hatte und für ihre Erziehung sorgte, doppelt wohlthuend. Sie drückten ihm denn auch die müden Augen zu, als sein Tod am 13. Febr. 1741 erfolgte. Sein Leichnam wurde auf dem Friedhofe zu St. Stephan seinem Willen gemäß in der Gruft neben seiner „allerliebsten Eheconsortin“ beigesetzt. — Als die vorzüglichsten Schüler des F. nennt Köchel Joh. Dismas Zelenka, Gottlieb Muffat, Franz Tuma und Georg Christoph Wagenseil. Daß Fux ein ausgezeichneter Lehrer muß gewesen sein, beweist sein schon erwähntes Lehrbuch der Composition, das in Form eines Gespräches zwischen Lehrer und Schüler in lateinischer Sprache und in zwei Abschnitten abgefaßt ist, deren erster den theoretischen, der zweite den praktischen Theil der Musik umfaßt. Es erschien in deutscher Uebersetzung durch Lorenz Mitzlern (Leipzig, 1742), italienisch durch Alessandro Manfredi (Carpi, 1761), französisch durch Pietro Denis (Paris, ohne Jahresangabe, wahrscheinlich 1773), englisch (London, 1791). Sprechen schon diese mannigfachen Ausgaben für den Werth dieses classischen Werkes, so bekräftigt denselben noch das Urtheil einer Reihe ausgezeichneter Männer; unter den von Köchel angeführten Namen seien hier nur erwähnt: Piccini, Durante, P. Martini, Abt Vogler, Giuseppe Paolucci, Abt Gerbert. Albrechtsberger in seiner Anweisung zur Composition (1790), Cherubini in seinem Cours de Contrepoint et de fugue (1835) folgten der Methode des Gradus. Der junge Mozart benutzte das Werk bei seinen contrapunktischen Uebungen; Jos. Haydn studirte das Werk wiederholt und legte es bei seinem Unterricht zu Grunde. Noch in jüngster Zeit fand es einen eifrigen Anwalt in Heinrich Bellermann in seinem Buche „Der Contrapunkt, oder Anleitung zur Stimmführung in der musikalischen Composition (Berlin, 1862). — Als unvergleichliche Studie ist die erwähnte Missa canonica zu betrachten, die in allen ihren Theilen a capella und durchaus im Canon in allen seinen Arten geschrieben ist. F. zeigt sich hier als eminenter Beherrscher des doppelten Contrapunkts, und obwol nur die eine Richtung der Satzkunst, der Canon, beibehalten ist, findet man doch darin die mannigfaltigste Abwechslung und, wie Fr. W. Marpurg in seiner „Abhandlung von der Fuge“ in Rücksicht des Doppelcanon im Christe eleïson sagt, „die prächtigste und des Gegenstands gemäße Harmonie“. — F. hatte sich offenbar hier bemüht, all' sein Wissen wie in einem Brennpunkte zu vereinigen, um, wie er in seiner italienisch geschriebenen Dedication sagt, seinem Fürsten den Beweis zu liefern, „daß die alte Musik noch nicht verschwunden, ja daß ihr im Laufe der Zeit ein Gewinn erwachsen sei“. Was F. mit diesem „Gewinne“ andeuten wollte, wird durch eine Stelle im Gradus (S. 34) klar, wo er sich über die nach Palestrina erfundene gleichschwebende Temperatur und den dadurch erst möglich gewordenen erweiterten Gebrauch der Intervalle äußert: „daß dadurch die gegenwärtige Musik von der früheren Armuth der Intervalle wie aus einem Kerker erlöst auf dem ungeheuren Felde der Modulation auf das freudigste sich bewegen kann, wenn nur Componisten und Organisten innerhalb der Grenzen des Vernünftigen sich halten“. — Partitur-Ausgaben dieser Messe erschienen in Leipzig bei Peters und bei Kühnel; in Abschrift besitzt die kaiserl. Hofbibliothek in Wien das Prachtexemplar mit dem Dedicationsschreiben an Kaiser Karl VI.; ferner eine Abschrift von Michael Haydn (1757) und eine aus Kiesewetter's Sammlung; eine Abschrift von Zelenka (1719) befindet sich in der königl. Bibliothek der Musik zu Dresden. — Köchel führt 290 Kirchenwerke des F. auf, darunter 50 Messen und 3 Requiem, 2 Dies irae, 1 Domine Jesu Christe, 1 Libera me Domine, 57 Vespern und Psalmen daraus, 22 Litaneien und Completorien, 12 Gradualien, 14 Offertorien, 22 Motetten, und 106 Hymnen. Außerdem sind bei K. aufgezählt: 10 Oratorien in italienischer Sprache saus den Jahren 1714—1728), ausgeführt zur Fastenzeit in der Hofburgcapelle; 18 Opern (1702—1735), 6 große (Dramma per musica) und kleinere (componimento per musica, per camera, festa teatrale per musica) für Familienfeste bei Hof geschrieben mit eingeschalteten Licenzen und aufgeführt in der alten Favorita, in den Appartements der Burg und auf dem kaiserl. Theater (nachheriger Redoute). Die ital. Textbücher sind noch vorhanden in der gedruckten Sammlung des Cosmerovio, kaiserl. Hofbuchdrucker; die Handlung zu den Opern ist theils historischen Stoffen, theils der alten Göttermythe entnommen; eine einzige Ausnahme bildet die Zauberoper Angelica vincitrice d'Alcinda. Ueber den Gehalt und Werth der verschiedenen Werke spricht sich der Biograph hinlänglich aus; in den Kirchencompositionen, die den weitaus größten Theil einnehmen, ist stets der Ernst und die Würde des Ortes gewahrt, und obwol F. die polyphone Schreibart zur zweiten Natur geworden war, ließ er sich doch kaum in müssige Grübeleien ein. Die Opern und kleineren dramatischen Werke genügten ihrer Zeit und verschwanden rasch, verdrängt durch den wechselnden Geschmack und die Weiterentwickelung der dramatischen Musik. Noch sind zu erwähnen 79 Partiten, darunter 38 Kirchensonaten (Sonate a tre), Ouverturen und 8 Clavierwerke, im Ganzen 405 Werke, deren größter Theil in Abschriften oder in der Handschrift des Componisten sich auf der kaiserl. Hofbibliothek zu Wien befindet; auch das Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde daselbst besitzt eine große Anzahl derselben; die Hofbibliotheken zu Berlin und Dresden werden ebenfalls genannt. Die kirchlichen Werke sind in den geistlichen Stiften in Ober- und Nieder-Oesterreich zerstreut, wo noch heutzutage die kleinern Compositionen, Offertorien etc., in Gebrauch sind. Die erwähnten 38 Kirchensonaten sind in geschriebenen Auflagstimmen im Archiv der k. k. Hofcapelle und die Aufschriften beweisen, daß sie in der Burgcapelle häufig beim Gottesdienste benutzt wurden. Köchel spricht sich namentlich über letztere sehr rühmend aus und hebt deren Frische, Reichthum der Erfindung und Eleganz der mannigfaltigsten Durchführung hervor. F. scheint hier mit besonderer Liebe geschrieben zu haben,|wie er denn in seinem Gradus (S. 81) selber sagt, daß der dreistimmige Satz der vollkommenste von allen sei, daher es beinahe sprichwörtlich geworden sei, daß für Denjenigen, der diese Kunstgattung in seiner Gewalt hat, der Weg zur mehrstimmigen Composition durchaus offen stehe, und später: „des dreistimmigen Satzes habe ich mich nicht selten und nicht ohne Glück bedient“. Selbst Mattheson, sonst ein Gegner Fux', sagt bei Gelegenheit der Erfordernisse zur Ausarbeitung und Schönheit eines Duetto oder Terzetto (Critica musica I. S. 131): „Meiner geringen Meinung nach besteht eines Componisten rechtes Meisterstück in einem künstlich fugierten Duetto mehr, denn in einem vierstimmigen Contrapunkte oder Allabreve. So haben auch die Trio auf Instrumenten ihre Meriten und erfordern einen festen Mann, wie darinne der kaiserliche Obercapellmeister Fux unvergleichlich ist.“ — Faßt man Köchel's mit unendlichem Fleiße verfaßte Darstellung des Lebens und der einzelnen Charakterzüge des F. zusammen, so gibt sie das Bild eines Mannes, dem seine Kunst und sein Amt das Höchste im Leben galten, der es aber auch verstand, sich als Mensch allseitige Achtung und Anerkennung zu erwerben. Seiner ihm unterstehenden Capelle gegenüber zeigte er stets ein humanes Benehmen, besonders auch in jenen Fällen, wo er hilfebereit eintrat, selbst wenn er durch seine Amtspflicht dazu nicht veranlaßt war. Durch all' seine zahlreichen Gutachten über die Hofmusiker blickt nur immer der eine Grundzug durch: Billigkeit, Wohlwollen und Humanität. Auch in seinem im J. 1732 eigenhändig verfaßten letzten Willen finden wir denselben rechtlichen Sinn. Zu seiner Universalerbin setzte er seine Nichte ein mit der Bedingung, daß sie für ihres Bruders, des, wie oben erwähnt, ebenfalls von F. an Kindesstatt angenommenen Neffen, geistige und leibliche Sorge und christlich ehrliche Erziehung zu wachen habe; der Neffe selber, damals noch minorenn, erhielt 10,000 fl., die goldene Kette sammt daran hängender Medaille, und alle musikalischen Bücher und Instrumente. Im Bilde ist uns F. nur durch ein einziges, künstlerisch wohl ausgeführtes Oelgemälde (Bruststück im Costüme der Zeit) erhalten. F. hatte es seinem lieben Freunde, dem Capellmeister Joh. Christ. Hertel, mecklenb.-strelitzer Concertmeister, eigenhändig als Andenken verehrt; von diesem gelangte es in den Besitz des Joh. Christoph Westphal zu Hamburg, wo es Jos. Sonnleithner, seinerzeit Secretär der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, für diesen Verein erstand und wo es nun im Museum desselben aufbewahrt wird. Eine Abbildung liegt Köchel's Biographie als Titelkupfer bei.

    • Literatur

      Johann Josef Fux, Hofcompositor und Hofcapellmeister des Kaiser Leopold I., Josef I., und Karl VI., von 1698 bis 1740. Nach urkundlichen Forschungen von Dr. Ludwig Ritter von Köchel. Wien, Alfred Hölder (Beck’sche Universitäts-Buchhandlung). 1872.

  • Autor/in

    C. F. Pohl.
  • Zitierweise

    Holland, Hyacinth, "Fux, Johann Joseph" in: Allgemeine Deutsche Biographie 8 (1878), S. 272-275 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118694375.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA