Lebensdaten
1751 – 1812
Geburtsort
Straubing/Donau
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Schauspieler ; Sänger ; Musiker ; Komponist ; Theaterdichter ; Regisseur ; Theaterdirektor
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 11860757X | OGND | VIAF: 44305261
Namensvarianten
  • Schickaneder, Emanuel
  • Schikeneder, Johann Baptist Joseph Emanuel
  • Schickeneder, Johann Joseph Emanuel
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Schikaneder, Emanuel, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11860757X.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joseph Schickeneder, 1745 u. 1751/53 erw. als herrschaftl. Diener bzw. Aushilfsdiener d. Pfarrers an St. Jakob in S., S d. Jakob u. d. Elisabeth N. N.;
    M Juliana(e) (1715–89), Dienstmädchen, T d. Wolfgang Adam Schiessl ( 1740), Schneider in Wettzell b. Kötzting (Bayer. Wald), u. d. Maria Pongratz ( 1739), aus Sindorf;
    B Urban (1746–1818), aus Regensburg, Musiker, Sänger, Schausp. in S.s. Theatertruppe, sang b. d. UA v. Mozarts „Zauberflöte“ 1791 d. Ersten Priester (s. ÖBL);
    Augsburg 1777 Eleonore (eigtl. Maria Magdalena) Art(h) (1751–1821), aus Hermannstadt (Sibiu, Siebenbürgen), Schausp., Sängerin, Theaterleiterin (s. ÖBL); unehel. S Emanuel Jakob (* 1779), aus Verbindung mit d. Schausp. Maria Anna Miller, unehel. T Maria Magdalena Katharina (* 1779), aus Verbindung mit d. Augsburger Bürgers-T Maria Götz, vermutl. weitere unehel. K;
    N Karl (1773–1845), aus Regensburg, Schausp., Sänger, Theaterdichter, Komp., 1795 in S. Theatertruppe am Freihaustheater in W., u. a. in Brünn u. Prag (s. ADB 54; Goedeke XI/2, 1953, S. 381-84; ÖBL; New Grove; New Grove²);
    Gr-N Antonia ( 1868), Schausp., Sängerin, 1818 am Theater in d. Leopoldstadt in W., übersiedelte mit ihrem V Karl n. Prag, dort bis 1849 am Ständetheater, Karoline, Schausp., Sängerin, 1819-28 am Ständetheater in Prag (beide s. ÖBL).

  • Biographie

    Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, erhielt S. seine erste Ausbildung am Jesuitengymnasium St. Paul in Regensburg. Danach verdiente er sich seinen Lebensunterhalt als umherziehender Musiker (sog. „Lyrant“) und seit 1773 auch als Schauspieler in Wandertruppen. 1775 stieß er zur Truppe des Andreas Schopf (1743–1813), die in Innsbruck und anschließend in Augsburg spielte. Noch in Innsbruck schrieb und komponierte S. sein erstes Stück, die komische Operette „Die Lyranten oder das lustige Elend“ (1776), die mehrere Jahre erfolgreich blieb. Nach seiner Heirat wechselte er Ostern 1777 zur Wandertruppe Franz Josef Mosers (1717–92), unterbrach dieses Engagement jedoch durch Gastspiele in Innsbruck und München, wo er u. a. als Hamlet, seiner künftigen Paraderolle, auftrat. Anfang 1778 übernahm er in Augsburg die Direktion der Moserschen Truppe und trat mit ihr 1778/79 in Schwaben und Franken, 1780 auch in Österreich auf; in Salzburg fand er während der Winterspielzeit 1780/81 freundschaftlichen Kontakt zur Familie Mozart. Nach Aufenthalten in Graz, Klagenfurt, Laibach und Preßburg folgte S. im Sommer 1783 einem Engagement als Schauspieler nach Wien, bevor er für die nächste Winterspielzeit zu seinem Ensemble nach Preßburg zurückging. Hier sah ihn Ks. Joseph II. 1784 in zwei Vorstellungen und erteilte ihm anschließend die Erlaubnis, das Wiener Kärntnertortheater während des Winters 1784/85 zu bespielen. Trotz großen Erfolges löste sich die Truppe im Februar 1785 auf. S. ging von April 1785 bis Febr. 1786 als Schauspieler an das Wiener Nationaltheater, während seine Frau zusammen mit Johann Friedel (1751?-89), einem Mitglied des ehemaligen Ensembles, nach einigen Monaten wieder eine wandernde Theatergesellschaft leitete (Klagenfurt, Laibach und Triest). S. erhielt 1786 von Ks. Joseph II. das Privileg zum Bau eines Theaters in einer Vorstadt, ging jedoch mangels finanzieller Mittel zunächst als Prinzipal einer neuen Schau- und Singspieltruppe u. a. nach Salzburg und Augsburg. Ende Febr. 1787 übernahm er die Leitung des Fürstl. Thurn und Taxisschen Hoftheaters in Regensburg, kehrte aber wegen diverser Schwierigkeiten Mitte 1789 nach Wien zurück, und übernahm von seiner Frau die künstlerische Leitung des Theaters auf der Wieden im Starhembergischen Freihaus, das sie nach Friedels Tod geerbt hatte; finanziert wurde das Haus von dem wohlhabenden Offizier Josef v. Bauernfeld.

    1791 fand hier die Uraufführung der „Zauberflöte“ mit der Musik von Wolfgang Amadeus Mozart statt. Um den Entstehungsprozeß dieser Oper ranken sich viele Legenden; die Zweifel an S.s Autorschaft sind nach neueren Forschungen jedoch in den Hintergrund getreten. Entstanden vermutlich zwischen Frühsommer und Sept. 1791 als Gemeinschaftsproduktion von Mozart und S.,|erwies sich die Zauberflöte als das erfolgreichste Stück von S.s Theaterlaufbahn.

    Anfang 1793, nach dem Konkurs v. Bauernfelds, übernahm S. selbst das wirtschaftliche Risiko, bis finanzielle Engpässe infolge verschwenderisch ausgestatteter Produktionen ihn dazu zwangen, das Theater 1799 an Bartholomäus Zitterbart zu verkaufen. Zusammen mit diesem erbaute er unter Ausnutzung seiner Privilegien das Theater an der Wien, das fortan zu den größten Bühnen der Stadt zählte (eröffnet 1801 mit S.s Oper „Alexander“, Musik von Franz Teyber). Als die opulenten Massenstücke und Zauberopern keinen Anklang mehr beim Publikum fanden und unwirtschaftlich wurden, mußte das Theater Ende 1806 verkauft werden. S. übernahm 1807-09 die Leitung des Kgl. städt. Theaters in Brünn, wo das Interesse des Publikums an seinen exaltierten Aufführungen jedoch ebenfalls schnell erlahmte, so daß er nach Wien zurückkehrte. Dort fiel der Rest seines einst großen Vermögens der Geldentwertung von 1811 zum Opfer. Als er 1812 die Leitung des Theaters in Pest übernehmen wollte, brach seine möglicherweise schon länger schwelende Geisteskrankheit offen aus; wenig später starb er völlig verarmt in Wien.

    S. zählt zu den umstrittensten, zugleich aber auch originellsten und einflußreichsten Theatermachern seiner Generation. Als Schauspieler durch die herausragende Darstellung komischer Figuren, aber auch Shakespearescher Helden berühmt, beeindruckte er als Wandertruppen-Prinzipal in den meisten Städten durch seine anspruchsvolle Stückauswahl und den Mut, vermehrt Singspiele und Opern aufzuführen. Unterstützt zunächst von Ks. Joseph II., konnte er in seiner Wiener Zeit in mehreren Gattungen eine Vorreiterrolle übernehmen, insbesondere in der Ausgestaltung des Wiener Singspiels und der heroisch-komischen Oper, die in den 1790er Jahren ihren Höhepunkt erlebte. Über seine Schau- und Lustspiele (Der Tiroler Wastel, 1796, Die Fiaker in Wien, 1792 ff., u. a.) läßt sich die Entwicklungslinie bis zum später bei Raimund und Nestroy vervollkommneten Wiener Lokalstück ziehen. In S.s berühmtesten Werk, dem Libretto zur „Zauberflöte“, verschmolz er auf raffinierte Weise verschiedene Strömungen seiner Zeit, von der Hanswurstiade über das Zauberstück bis zur Singspiel-Tradition und der heroischkomischen Oper. Die maßlose Exzentrik seiner Theaterproduktionen und die immer bizarrer werdenden naiven Texte führten indes nach der Jahrhundertwende zusammen mit einer Wandlung des Publikumsgeschmacks zum völligen Verlust seiner Wertschätzung.

  • Werke

    Weitere W Lustspiel: Das Regensburger Schiff, Salzburg 1780;
    Trauerspiel: Der Grandprofos, 1784 (?);
    Schauspiel: Hanns Dollinger od. d. heiml. Blutgericht, Regensburg 1788;
    komische Opern: Die zween Anton od. d. der dumme Gärtner aus dem Gebirge, Wien 1789, Musik: Benedikt Schak, Franz Xaver Gerl (sechs weitere Forts.opern);
    Die Waldmänner, Wien 1793, Musik: Johann Baptist Henneberg;
    Der Spiegel v. Arkadien, Wien 1794, Musik: Franz Xaver Süßmayr;
    Babilons Pyramiden, Wien 1797, Musik: Johann Mederitsch/Gallus, Peter v. Winter, Klavierauszug: Johann Baptist Henneberg;
    Das Labyrinth od. d. Kampf mit den Elementen (als 2. Teil d. Zauberflöte), Wien 1798, Musik: Peter v. Winter;
    vollst. W-Verz.:
    A. Sonnek, E. S. (s. L).

  • Literatur

    ADB 31;
    E. K. Blümml, Aus Mozarts Freundes-u. Fam.kreis, 1923 (P);
    O. E. Deutsch, Das Freihaustheater auf der Wieden 1787-1801, 1937 (P);
    ders., in: NÖB 16, 1965, S. 34-40 (P);
    H. Endrös, E. S. u. d. Augsburger Theater, in: Zs. d. hist. Ver. f. Schwaben 55/56, 1943 (P);
    A. Bauer, 150 J. Theater an d. Wien, 1952 (P);
    E. Komorzynski, Ein Btr. z. Gesch. d. dt. Theaters, 1951, ²1956 (P);
    F. J. Fischer, E. S. u. Salzburg, in: Jb. d. Ges. f. Wiener Theaterforsch. 15/16, 1966, S. 179-216;
    H.-A. Koch, Das Textbuch d. „Zauberflöte“, Zu Entstehung, Form u. Gehalt d. Dichtung E. S.s, in: Jb. d. Freien dt. Hochstiftes, 1969, S. 76-120;
    K. Honolka, Papageno, E. S., Der gr. Theatermann d. Mozart-Zeit, 1984 (P);
    M. Kammermayer, E. S. u. seine Zeit, 1992 (P);
    A. Sonnek, E. S., Theaterprinzipal, Schausp. u. Stückeschreiber, 1999 (W, L);
    Goedeke XI/2, 1953, S. 376-81;
    MGG (P);
    New Grove (Fam.art., P);
    New Grove² (Fam.art.);
    Biogr. Lex. Böhmen;
    Killy;
    Hist. Lex. Wien (P).

  • Porträts

    zwei Kupf. v. Ph. Richter u. H. Löschenkohl, E. S. als „Fremder“, in: Der Fremde, ein Lustspiel in fünf Aufzügen v. J. Friedel, Wien 1785 (beide Hist. Mus. d. Stadt Wien);
    S. als „Anton, der dumme Gärtner“, Kostümsilhouette, nach e. Titelkupf. v. I. Alberti, Abb. in: Alm. f. Theaterfreunde auf d. J. 1791 (Wiener Stadt- u. Landesbibl);
    S. als Tiroler Wastel, Stich v. K. Hanauer in e. Kal. v. 1797 (Wien, Östen. Nat.bibl.);
    S. als Papageno, Beigabe z. Textbuch d. Zauberflöte, 1791 (Salzburg, Internat. Stiftung Mozarteum);
    S. als Schuster im Lustspiel „Das abgebrannte Haus“ (Slg. Krticzka v. Jaden), Abb. in: Komorzynski, 1951;
    Silhouetten v. Eleonore u. E. S., o. J. (Slg. Max v. Portheim, Wiener Stadt- u. Landesbibl.);
    Papagenn-Tor am Theater an d. Wien, Sandsteinplastik v. J. Schroth, um 1800.

  • Autor/in

    Anke Sonnek
  • Zitierweise

    Sonnek, Anke, "Schikaneder, Emanuel" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 753-754 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11860757X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Schikaneder: Emanuel S., Schauspieler und Theaterdichter, geboren zu Regensburg 1751, zu Wien am 21. September 1812. Er war der jüngste von 12 Geschwistern, mußte sich schon als achtjähriger Knabe seinen Unterhalt durch Singen und Geigen verdienen, schloß sich in Augsburg einer wandernden Schauspielertruppe an, heirathete später die Pflegetochter des Principals, die Schauspielerin Eleonore Artim (geb. zu Hermannstadt 1752, am 22. Juni 1821 in Wien) und übernahm die Leitung der Truppe, mit der er in Innsbruck, Laibach, Graz, Preßburg, Pest und Salzburg unter großem Beifall spielte. Eine Vogelkomödie, deren Kostüme ihm große Summen kosteten, ohne daß er damit beim Publicum durchdrang, ruinirte ihn; die Vorliebe, Thiere auf die Bühne zu bringen, blieb ihm aber Zeit seines Lebens eigen. Er fand Engagement beim Nationaltheater in Wien, wo er am 1. April 1785 als Maler Schwindel in Gluck's „Pilgrime von Mekka“ auftrat, versuchte sich auch in tragischen Rollen (Graf Essex), erlitt damit aber eine völlige Niederlage. 1786 mußte er Wien verlassen, ging wieder nach Baiern, leitete 1786—87 das Theater in Regensburg, kehrte aber 1788 nach Wien zurück. Chr. Roßbach hatte in der Vorstadt Wieden, im großen Hofe des Starhembergischen Freihauses ein neues Theater erbaut, das am 7. October 1787 eröffnet worden war. Dessen Leitung übernahm S. mit Johann Friedl 1788 und brachte es zu hoher Blüthe. Er pflegte vorwiegend die Localposse, daneben auch Singspiel und Oper. 1800 gestattete ihm Kaiser Franz, bei dem er sich durch auffallende Proben seines Patriotismus, durch Widmung von Stücken an ihn und Erzherzog Karl beliebt zu machen gewußt hatte, trotz energischer Gegenvorstellungen einflußreicher Persönlichkeiten die Erbauung eines neuen Theaters in derselben Vorstadt. Er schloß das alte Haus am 11. Juni 1801 mit dem Nachspiel „Thespis“ und eröffnete das neue glanzvolle „Theater an der Wien", die damals größte Bühne der Hauptstadt, am 13. Juni mit dem correspondirenden Vorspiel „Thespis' Traum“ und der heroischen großen Oper „Alexander“ (Musik von Franz Teyber). Schon ein Jahr nach der Eröffnung trat er sein Privilegium mit allen Ansprüchen an seinen Compagnon Zitterbarth um 100 000 fl. ab und zog sich nach Nußdorf zurück, übernahm aber die Direction bald wieder, bis das Theater im J. 1804|an Baron Braun verkauft wurde. Da wurde er entlassen, nach einem Jahre aber wieder zurückberufen; 1807 übernahm er die Direction des Theaters in Brünn und erbaute in der Nähe der Stadt eine Arena, wo er große Ausstattungs- und Spektakelstücke, „Schembera, Herr von Boskowitz“, „Die Schweden vor Brünn“ etc. aufführte und dabei endgiltig zu Grunde ging. Neue Directionspläne in Wien und Pest zerschlugen sich; unter den traurigsten Umständen verkam der verschwenderische Lebemann und Wüstling im Wahnsinn.

    S. war ein höchst verwendbarer, vielseitiger Schauspieler, der über ausgezeichnete Mittel verfügte, in seiner Jugend alle ersten Rollen spielte, vom Hamlet bis zum Hanswurst, Liebhaber, komische Väter, Tyrannen, Helden, und sich als Tänzer gleichfalls mit Glück versuchte. In komischen Rollen verfiel er früh ins Allzuniedrige und Derbe, was mit den Jahren zunahm. Immer mehr arbeitete er nur auf den Effect hin und kein Mittel war ihm zu schlecht, um das Publicum bei guter Laune zu erhalten. Als er später unförmlich dick wurde und einen Watscheligen Gang annahm, war es sein lebhaftes Auge, mit dem er nicht selten durch einen Blick seinen Worten eine Zweideutigkeit zu geben wußte, die gefiel. In Localstücken gelangen ihm aber auch dann noch vorzügliche Chargen; obgleich kein geborener Wiener, galt er doch als Typus eines solchen; neben La Roche und Hasenhut nimmt er eine selbständige wichtige Stellung unter den Wiener Komikern vor Raimund ein.

    Auch als Theaterdichter blieb er immer Schauspieler und Director; er arbeitete eingestandenermaßen nur für die Kasse und schrieb die besten Rollen sich selbst auf den Leib. Er war von großer Fruchtbarkeit; 1787 giebt er an, 17 ungedruckte Stücke (Trauerspiele, Lustspiele, komische Opern und einige Possen) liegen zu haben. Nur weniges davon ist im Druck erschienen. Unter den erhaltenen Stücken der achtziger Jahre sind alle Richtungen vertreten, welche damals auf der deutschen Bühne gepflegt wurden: das bürgerliche Trauerspiel, das Ritterstück, das militärische Schauspiel, das rührende Familiendrama. „Das Regensburger Schiff“ (Lustspiel in drei Aufzügen. Salzburg 1780) hebt mit Regensburger Localschilderungen an; Oesterreich und besonders Ungarn schwebt dem Helden des Stückes, einem Geizhals, als das goldene Land des Wuchers, zugleich als eine Art Schlaraffenland vor. Der Officier als Liebhaber und die weiblichen Rollen erinnern an Minna von Barnhelm; der Officiersdiener Budel — eine derbe Hanswurstrolle: er singt unter Trommelbegleitung eine kauderwelsche Arie „nach türkischer Art“, bei deren Refrain er seinen Herrn immer auf den Kopf schlägt. Der zweite Act endet mit einer großen Prügelei und einem Heidenspektakel; das Vorspiel zum dritten kündigt ein Donnerwetter an; Affen und Bären treiben ihr Unwesen und eine Anmerkung hebt ausdrücklich hervor, daß die betreffenden Scenen auch weggelassen werden können. „Die Raubvögel“ (Schauspiel in fünf Aufzügen, Salzburg 1782) greifen das damals beliebte Thema der falschen Spieler auf und führen es flüchtig, mit vielen Unwahrscheinlichkeiten, durch. Ein alter Haudegen von einem Oberst, der mit Flüchen um sich wirft, nicht übel. Die komischen Figuren: der Wirth und der Kutscher, mehr lümmel- als Possenhaft. Von der Roheit der Späße giebt eine stumme Scene im zweiten Acte ein Beispiel, wo der Wirth mit hinaufgeschobenen Hemdärmeln bei einem Nudelbrett beschäftigt ist, Nudeln „auszuwälchen"; die Tabaksbüchse auf der Seite, wo er wechselweise schnupft und sodann wieder Nudeln macht. Später nimmt er ein ausgewalchtes Blatt und hängt es zum Trocknen über die Schlafhaube auf den Kopf. „Das Laster kömmt an den Tag“ (Schauspiel in vier Aufzügen, Salzburg 1783), ein Extract aus allen Motiven des Sturms und Drangs; die Gräfin Sturz eine carikirte Orsina, die ihren Vergiftungsversuch auf offener Bühne ungeschickt genug vornimmt; der Grenadier|Fleckkugel, mit Zügen aus den Schelmenromanen, voller Rührung und Pathos, die in Komik umschlagen; mit seiner Furcht vor dem „Birkenparadies“ und seiner Anhänglichkeit bis zum Henkerbeil eine Paraderolle Schikaneder's. „Der Grandprofos“ (Trauerspiel in vier Auszügen, Regensburg 1787), ein militärisches Rührstück, von dem er selbst in der Vorrede sagt: „Die allgemein gesammelte volle Thränenärnte dieses Stückes ist mir Beweis und Befriedigung für meine Arbeit"; zwei Acte lang: Abschied und Todesfurcht. Bei den Einzelheiten des Soldatenlebens kommt es ihm darauf an, seinem Stücke „alles mögliche Täuschungsvermögen zu geben“. Der Naturalismus wird so weit getrieben, daß der Scharfrichter sich zur Execution eine Stelle auswählt, wo die Sonne nicht blendet, seinen Rock auszieht und sich durch einen Schluck für die Arbeit stärkt.

    Auch die Ritterstücke, welche in Schikaneder's „sämmtlichen theatralischen Werken“ (Wien 1792, zwei Bände) erschienen, reichen in eine frühere Zeit zurück; er folgt den Spuren der bairisch-patriotischen Dichtung, behandelt österreichische Localsagen und übertrumpft seine Vorbilder durch Geschmacklosigkeit und Grausamkeit. Wie bei den Ritterstücken Hensler's und anderer ist auch hier die Grenze, wo die Parodie anfängt, schwer anzugeben. „Der Bucentaurus oder die Vermählung mit dem Meere zu Venedig“ und „Philippine Welserinn, die schöne Herzogin von Tirol“ sind sicher völlig ernst gemeint. In „Hanns Dollinger oder das heimliche Blutgericht“ aber kann der Heide und Ritter Krako, der die „geharnischten Popanzen" seiner Gegner gerade gut genug für eine „Nachtmahlzeit“ hält und der „einen gemahlenen Ritter um den andern“ von der Wand sticht und auf die Erde wirft, doch nur komische Wirkung erzielen. In „Herzog Ludwig von Steiermark oder Sarmäts Feuerbär“ geht das Ritterstück schon in das Zaubermärchen über: der Zauberer Sarmäts tritt unter starken Donnerschlägen auf; ein feuriger Klotz rollt vor ihm her; er ist in Thierhäute gekleidet: seine Kopfbedeckung ist mit Schlangen umwunden. Er prophezeit die Zukunft und zeigt sie in seinem Spiegel; er verhängt und heilt Wahnsinn durch die Schläge seines Hammers. Er schickt zu seiner Vertheidigung einen Bären mit Feueraugen auf die Bühne. Mit diesem zauberischen Elemente verbindet sich auf der einen Seite die dramatische Verwerthung der steirischen Alpenlandschaft, auf der andern Seite die Schlächterwut im Stile der englischen Komödianten; wilde Knechte schüren das Feuer unter dem Kessel, worin der Herzog Ernst in Oel gesotten werden soll.

    Von da war nur ein Schritt zum reinen Zauber- und Märchenstück, das damals in Wien einer ungeheuren Beliebtheit sich erfreute. Mit Gieseke's und Wranitzky's Oper „Oberon“ hatte S. 1790 ein vorzügliches Geschäft gemacht; so schlug er im März 1791 Mozart, mit dem er von Salzburg her bekannt war und dessen ältere Werke auf seiner Bühne aufgeführt wurden, ein Zaubermärchen Lulu (von Liebeskind, in einer von Wieland herausgegebenen Sammlung gedruckt) als Stoff zu einer Oper vor: „Die Zauberflöte“ (erste Aufführung am 30. September 1791, noch in demselben Jahre in Wien gedruckt). Ich glaube aber nicht, daß die gleichzeitige Behandlung desselben Stoffes durch die Dichter des Leopoldstädter Theaters ("Kaspar, der Vogelkrämer“ von Hensler, 3. März 1791; „Der Fagottist oder die Zauberzither“ von Perinet, 8. Juni 1791; beide mit Musik von Wenzel Müller) eine Aenderung in Schikaneder's Plan zur Folge hatte, sondern daß er überhaupt erst durch diese Stücke auf jenen ausgezeichneten Norwurf hingelenkt wurde. Eine solche gleichzeitige Behandlung desselben Stoffes durch die Wiener Possendichter war damals nichts seltenes. Gieseke und Perinet treffen auch im travestirten Hamlet zusammen; Perinet schrieb eine Oper „Telemach“, trotzdem daß S. schon vor ihm den Stoff in seinem „Königssohn aus Ithaka“ eingeschlachtet hatte. Mit tausend Fäden ist|"Die Zauberflöte“ an die ihr vorausgehende Wiener Possendichtung geknüpft, (deren Kenntniß allen bisherigen Biographen Mozart's abgeht). Daher wird sich auch wohl nie mit Sicherheit feststellen lassen, wie weit Gieseke (vgl. A. D. B. IX, 162 f.), dem späte und ungenaue Gerüchte die Autorschaft dieses Textbuches zuschreiben, seinem Director dabei geholfen haben mag. Doch kann dessen Antheil nicht sehr groß gewesen sein, weil sich sonst S. nicht so oft, so laut und so stolz als „Vater der Zauberflöte“ hätte verkündigen dürfen. Auch hat die Forschung über Mozart die Vorrede zu Schikaneder's Oper „Der Spiegel von Arkadien“ (Wien 1795) übersehen, wo er „die Frechheit“ eines gewissen Theaterjournalisten in Regensburg, der einige Schauspieler glauben machen wollte, er hätte an der „Zauberflöte" mitgearbeitet, mit den schärfsten Ausdrücken zurückweist: „Solche Dreistigkeiten grenzen an Büberei.“ In Schikaneder's früheren und späteren Werken spricht nichts dafür, daß man ihm die Autorschaft der „Zauberflöte“ streitig machen müßte. Ueberall dieselbe entschiedene Begabung für ernste wie komische Bühneneffecte, für die Wirkung um jeden Preis; eine ungezügelte, kühn waltende Phantasie; schleuderische Arbeit, mangelhafte Motivirung, auch Abweichung vom ursprünglichen Plan findet sich oft; überall dieselbe Mißhandlung der Sprache, des Verses, des Reimes; oft kehrt auch die aufklärerische, tugendboldische Tendenz bei ihm wieder. Die komischen Figuren hat ihm niemand abgestritten: der Papageno kommt ganz auf seine Rechnung. Auch einige musikalische Effecte, die er Mozart angerathen haben soll, dürfen wir S., der z. B. zu seinem ersten Stücke „Die Lyranten oder das lustige Elend“ (Wien 1778) selbst die Musik schrieb, wohl zutrauen. Die Zauberflöte begründete Schikaneder's Glück für Zeit und Ewigkeit; sie machte ihn reich, sie machte ihn berühmt. Ein großer Theil seiner späteren Producte steht ganz unter dem Bann der Zauberflöte; er setzte sie fort, er schrieb sie aus, er ahmte sie nach. „Das Labyrinth oder der Kampf der Elemente“ (1798. Musik von Winter) wurde als zweiter Theil der Zauberflöte bezeichnet: nach Zelter's sachkundigem Urtheil voll von Effecten, die das Ohr und den Sinn betäuben und überrennen, Tamino und Papageno müssen sich darin ihre Geliebten von neuem erobern. „Die Pyramiden von Babylon“ (1797. Musik von Gallus und Winter) sind der Zauberflöte sehr ähnlich. Der Vogelfänger Papageno kehrt, wenig verkappt, in andern Stücken wieder. Als Vipernfänger im „Spiegel von Arkadien“ (1794. Musik von Süßmayer); als Kalifornio im „Königssohn aus Ithaka“ (1795. Musik von A. F. Hoffmeister), wo er das Paperllied singt: „Ich schickte mich herrlich darein, ein Paperl, ein Paperl zu sein“ und beim Kuchenessen von zwei Bären attackirt wird: wieder eine berühmte Rolle Schikaneder's mit Ansätzen zu Raimund's Simplicius und Valentin u. s. w. Außerdem schrieb S. noch eine lange Reihe von Opern: „Der Zauberpfeil" (1793. Musik von Lickl). „Der Höllenberg" (1795. Musik von Wölffl), „Der Löwenbrunnen" (1797. Musik von Seyfried), „Soliman II" 1800 (Musik von Süßmayer), „Swetard's Zauberthal“ (1805. Musik von Fischer); „Die Eisenkönigin“ (1806. Musik von Henneberg) etc. Zahlreiche kleinere Singspiele liefen daneben einher, unter denen „Anton, der dumme Gärtner“ (1789. Musik von Schack und Gerl) und „Die beiden Antone“ (1790. Musik von Schack und anderen. Eine Neubearbeitung von fremder Hand Leipzig 1797) mit ihren zahlreichen Fortsetzungen die beliebtesten waren. Eine eigene Gruppe unter seinen späteren Werken bilden die Wiener Localstücke, in denen er Gewey, Bäuerle und Meisl tüchtig vorarbeitete. Die bekanntesten waren wohl der „Tiroler Wastel“ (1796. Musik von Haibel) mit einer Fortsetzung „Oesterreichs treue Brüder“ und „Die Fiaker in Wien“. Die Genußsucht und Sittenlosigkeit des damaligen Wien ist von niemand anderem, nicht einmal von Perinet mit solcher|erschreckenden Naturtreue geschildert worden. Daneben fehlt es diesen Stücken nicht an Heiterkeit, Liebenswürdigkeit und Gemüthlichkeit und selbst ein gegen S. voreingenommener Zuschauer wie Varnhagen von Ense gab sich willig dem Reiz hin, den das Volksthümliche und Ursprüngliche darin auf ihn ausübte.

    • Literatur

      S. verdient eine monographische Behandlung. Das Material dazu wäre in Wien wohl aufzutreiben. Die Wiener Stadtbibliothet besitzt das Manuscript des Stückes Der Fleischhauer von Oedenburg, die Hofbibliothek Das abgebrannte Haus, Lustspiel in 1 Aufzuge; Vestas Feuer, eine große heroische Oper (Musik von Jos. Weigl). Die Theaterarchive von Wien und Brünn wären heranzuziehen. — Eine Liste seiner Libretti zusammengestellt von C. F. Pohl 1882 in Grove, Dictionary of Music.
      Castelli, Memoiren meines Lebens I, 229 ff. —
      Varnhagen, Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens II, 319. —
      Jahn, Mozart II, 379; IV, 560 bis 674, 731; dort auch die ausgedehnte Litteratur über die Zauberflöte, - über eine ungarische Uebersetzung aus dem Jahr 1804, die bei Jahn fehlt, vgl. Annalen für den österreichischen Kaiserstaat 1803 II, 110. —
      Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter I, 17 ff. ߞ Goedeke, Grundriß II, 1071. — Wurzbach XXIX, 299 f.

  • Autor/in

    August Sauer.
  • Zitierweise

    Sauer, August, "Schikaneder, Emanuel" in: Allgemeine Deutsche Biographie 31 (1890), S. 196-200 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11860757X.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA