Lebensdaten
1886 – 1969
Geburtsort
Aachen
Sterbeort
Chicago
Beruf/Funktion
Architekt
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118582291 | OGND | VIAF: 95153318
Namensvarianten
  • Mies, Ludwig (bis etwa 1921)
  • Mies van der Rohe, Ludwig
  • Mies, Ludwig (bis etwa 1921)
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Zitierweise

Mies van der Rohe, Ludwig, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118582291.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Michael Mies (1851–1927), Maurer- u. Steinmetzmeister in A., S d. Marmorschleifers u. -bildhauers Jakob (1814–85) aus Blankenheim (Eifel) u. d. Köchin Anna Maria Kessel (1813–83);
    M Amalie (1843–1928) aus Monschau (Eifel), T d. Wilhelm Rohe (* um 1804) u. d. Elisabeth Pleus;
    Berlin 1913 (getrennt lebend seit 1921) Adele (Ada) (1885–1951), T d. Steuerinsp., Erfinders u. Unternehmers Friedrich Wilhelm Gustav Bruhn;
    3 T u. a. Georgia (1914-2008), Tänzerin, Schauspielierin, Regisseurin.

  • Biographie

    M. war der führende Vertreter einer Architektengeneration, die in den 20er Jahren das „Neue Bauen“ propagierte und der Moderne zum endgültigen Durchbruch verhalf. Anders als bei seinen zumeist akademisch geschulten Altersgenossen, vollzog sich sein Werdegang zunächst ganz in den handwerklichen Traditionen einer kleinbürgerlichen Herkunft. Nach Grundschule und Progymnasium an der Domschule zu Aachen, die er jedoch nach nur drei Jahren 1899 wieder verließ, erwarb er sich erste praktische Kenntnisse im väterlichen Steinmetzbetrieb sowie in Aachener Bau- und Architekturbüros. Seit 1901 belegte er zusätzlich Kurse an der örtlichen Abend- und Sonntagsschule, der späteren Baugewerksschule. Dank einer überdurchschnittlichen Begabung avancierte er bald zum Ornantentzeichner. Dies mag auch den Anstoß zu seinem 1905 erfolgten Wechsel nach Berlin gegeben haben, wo er sich im folgenden Jahr erfolgreich um eine Anstellung bei Bruno Paul bemühte, einem führenden Vertreter der deutschen Kunstgewerbebewegung.

    Noch in diese Zeit fällt der erste selbständige Auftrag für den damals 21jährigen, der Bau eines Landhauses für den Berliner Philosophieprofessor Alois Riehl in Neubabelsberg bei Potsdam. Aus dieser Verbindung scheint sich bald eine persönliche Freundschaft entwickelt zu haben, was angesichts der eher bescheidenen Schulbildung M.s auf einen erstaunlichen Entwicklungs- und Reifeprozeß schließen läßt. Bei einer schon früh ausgeprägten Neigung zu weltanschaulichen Fragestellungen liegt hier vermutlich auch die Quelle seiner späteren intensiven Beschäftigung mit der Philosophie.

    Bei alledem blieb M. skeptisch gegenüber frühem Erfolg. Auf Anregung von Paul Thiersch bewarb er sich im Oktober 1908 im Architekturbüro von Peter Behrens, wo bereits Walter Gropius die leitende Assistentenstelle innehatte. Der Wechsel fiel zeitlich zusammen mit dem Aufstieg von Behrens zum bedeutendsten deutschen Architekten der Jahre vor dem 1. Weltkrieg. Es war diese abschließende, mit einjähriger Unterbrechung (1910/11) bis 1912 währende Lehrzeit unter Behrens, die M. wohl am nachhaltigsten gepägt hat. Andererseits zeigte er offene Bewunderung für Hendrik Petrus Berlage und dessen Bau der Amsterdamer Börse (1897–1903). Berlages materialbetonte, die Konstruktion offenlegende Architektur hat sicherlich zur Klärung von M.s eigenen Vorstellungen beigetragen, doch lassen sich davon abgesehen keine konkreten Parallelen nachweisen. Das gilt mit Einschränkung auch für sein Verhältnis zu Frank Lloyd Wright, dessen Frühwerk der Berliner Verleger Wasmuth 1910 in einer aufwendigen Foliomappe publizierte. Auch hier sollte die Wirkung erst Jahre später spürbar werden. Bei der Planung eines Landhauses für das Ehepaar Kröller-Müller in Den Haag kam es im Januar 1912 zum Bruch mit Behrens. M.s eigener, im September vorgelegter Gegenentwurf wurde abgelehnt, was sein Selbstbewußtsein zutiefst erschütterte. Der erhoffte Durchbruch war ausgeblieben, und im Hinblick auf seine anstehende Heirat im Frühjahr 1913 war an weitere Experimente vorläufig kaum zu denken. Die innerhalb der nächsten Jahre ausgeführten Villenbauten M.s in Berlin und den südwestlichen Vororten zeigen jedenfalls durchweg konventionelle Lösungen, die weit hinter seinen Entwürfen der neoklassizistischen Phase zurückstehen.

    Diese selbstauferlegte Zurückhaltung gegenüber einer überwiegend großbürgerlich-konservativ eingestellten Klientel währte fast ein volles Jahrzehnt. Scheinbar unberührt von der revolutionären Aufbruchstimmung der Nachkriegszeit, suchte M. erst 1922 erneut den Anschluß an die Avantgarde. Beginnend mit dem Wettbewerbsbeitrag für ein Hochhaus am Berliner Bahnhof Friedrichstraße vom Dezember 1921 vollzog er innerhalb der nächsten beiden Jahre einen radikalen Wandel seiner Architekturauffassung, der sich in insgesamt fünf Entwurf gebliebenen Projekten und einer Reihe kurzer, programmatischer Zeitschriftenartikel manifestierte. Auch andernorts zeichnete sich nun ein Umschwung ab, wobei die Begegnung mit der russ. und niederländ Moderne maßgeblich zur Klärung der Situation in Deutschland beigetragen hat.

    Durch die Betrauung mit der künstlerischen Oberleitung der Stuttgarter Werkbundausstellung von 1927 im Sommer 1925 und die 1926 erfolgte Wahl zum 2. Vorsitzenden des Deutschen Werkbundes war der endgültige Durchbruch erzielt. Die Ernennung zum Nachfolger von Hannes Meyer als Direktor des Dessauer Bauhauses (1930) bildete den vorläufigen Höhepunkt dieses Aufstiegs, der in den 30er Jahren eine einschneidende Unterbrechung durch die Auflösung des Dessauer Bauhauses 1932 und des privat betriebenen Bauhauses Berlin 1933 durch die Nationalsozialisten erfuhr. Neben der Stuttgarter Weißenhofsiedlung waren es vor allem zwei Bauten, die M.s internationalen Ruhm begründen halfen: der Pavillon des Deutschen Reiches auf der Internationalen Ausstellung in Barcelona (1929) und das Haus Tugendhat in Brünn (1928–30). Die hier erstmals konsequent vollzogene Trennung von Stütze und Wand (Eisenskelettkonstruktion) und das dadurch erst möglich werdende freie Ineinandergreifen der einzelnen Raumbereiche, die sich zugleich weit gegen den Außenraum öffnen, zeigen gleichsam die Quintessenz seiner architektonischen Absichten in den 20er Jahren.

    Dagegen war den großstädtischen Projekten keinerlei Erfolg beschieden. Seine Wettbewerbsbeiträge zu verschiedenen Geschäfts- und Bürobauten mündeten in einer Serie von Niederlagen, die sich in den 30er Jahren unter dem Druck einer restriktiven Kulturpolitik unvermindert fortsetzen sollte. M.s Verhältnis zum Nationalsozialismus war von politischer Gleichgültigkeit bestimmt. Wie viele seiner Zeitgenossen zeigte auch er anfänglich Neigung, sich mit dem neuen System zu arrangieren, wobei er sich jedoch strikt weigerte, seinen eigenen architektonischen Überzeugungen zuwiderzuhandeln. Schließlich zwangen ihn der Mangel an Aufträgen und seine zunehmend prekärer werdende Finanzlage, dem Drängen amerikan. Freunde nachzugeben. Nach einem ersten Besuch in den Vereinigten Staaten 1937/38 nahm er im August 1938 einen Ruf an das Armour Institute in Chicago an (seit 1940: IIT – Illinois Institute of Technology), dessen Architekturabteilung er bis 1958 leitete.

    Das amerikan. Werk M.s bildet die konsequente Fortsetzung seines früheren Schaffens, vollzieht aber zugleich unter dem Eindruck der sich ihm hier eröffnenden Möglichkeiten einen tiefgreifenden Wandel. Mit dem unausgeführt gebliebenen Resor House-Projekt (1937–40) und dem Haus für Edith Farnsworth (1945–51) endete die Reihe der Landhausentwürfe, die in der europ. Phase so eindeutig im Vordergrund gestanden hatten. Mit der Neukonzeption der Campus-Anlage des IIT seit 1939, den Lake Shore Drive Apartments (1948–51), dem Entwurf einer Convention Hall für Chicago (1953/54) und dem New Yorker Seagram Building (1954–58) drängten sich neue Bauaufgaben in den Vordergrund, die in den Hochhausensembles für Chicago, Toronto und Montreal gipfelten. Folgerichtig verlagerte sich damit das Schwergewicht von der (Innen-)Raumgestaltung durch frei plazierbare Wandelemente auf die Ausformulierung des Baukörpers und seiner umschließenden Hülle, mithin also – nach M.s eigenen Worten – auf das Grundproblem der architektonischen Struktur. Zugleich entwickelte sich der Baukörper nun seinerseits zum raumgliedernden Element innerhalb des urbanen Gefüges und damit die „Proportion zwischen den Dingen“ zum gestalterischen Hauptanliegen des Architekten.

    Mit dem Auftrag zum Bau der Neuen Nationalgalerie durch den Berliner Senat (1962–68) vollendete sich das Lebenswerk eines Mannes, der wie kein anderer der Achitektur nach dem 2. Weltkrieg seinen Stempel aufgedrückt hatte. Zugleich zeigt sich hierin ein letztes Mal das Ergebnis seiner frühen, intensiven Auseinandersetzung mit dem Werk Schinkels, dessen Altem Museum (1823–28) im Ostteil der Stadt ein vom Anspruch und Wirkung her durchaus gleichwertiger Bau zur Seite gestellt wurde. M.s Suche nach objektivierbaren und repräsentativen Lösungen für eine Vielzahl von Bauaufgaben, aber auch seine an den Bedürfnissen der zumeist kommerziellen Auftraggeber orientierte Vorgehensweise hatten Maßstäbe gesetzt, die ihn seit den 60er Jahren zusehends ins Zentrum einer gegen die Moderne insgesamt gerichteten Kritik rückten. Das Werk seiner unzähligen Epigonen beiderseits des Ozeans hat zweifellos die voranschreitende Zerstörung der Städte beschleunigt. Inwieweit dies jedoch M. persönlich angelastet werden kann, ist eine andere Frage. Seine Bauten jedenfalls haben nichts von ihrer Vorbildhaftigkeit eingebüßt. – Pour le mérite f. Wiss. u. Künste (1957); Dr.-Ing. E. h. (TH Karlsruhe 1950, TH Braunschweig 1955); Dr. h. c. zahlr. amerikan. Univ.; Presidential Medal of Freedom (USA, 1963); Ernst-Reuter-Plakette d. Stadt Berlin (1966).

  • Werke

    Weitere W Projekt e. gläsernen Hochhauses üb. kurviertem Grundriß, 1922;
    Projekt Bürohaus in Eisenbeton, 1922/23;
    Projekt Landhaus in Eisenbeton, 1923;
    Projekt Landhaus in Backstein, 1924;
    Haus Wolf, Guben, 1925-27 (zerstört);
    Generalbebauungsplan f. d. Stuttgarter Werkbundausstellung 1927 (Weißenhofsiedlung);
    Liebknecht-Luxemburg-Denkmal auf d. Friedhof Berlin-Friedrichsfelde, 1926 (zerstört);
    Haus Lange/Haus Esters, Krefeld, 1927-30;
    Wettbewerbsentwurf Neugestaltung Alexanderplatz, Berlin, 1928;
    Wettbewerbsentwurf Neugestaltung d. Neuen Wache, Berlin, 1930;
    Haus auf d. Berliner Bauausstellung, 1931;
    Wettbewerbsprojekt Reichsbankerweiterung, Berlin, 1933;
    Wettbewerbsprojekt Dt. Pavillon auf d. Brüsseler Weltausstellung 1935, 1934;
    Projekt Haus Hubbe, Magdeburg, 1935;
    Projekt „Museum for a Small City“, 1942;
    Crown Hall, IIT, Chicago, 1950-56;
    Wettbewerbsprojekt Nat.theater Mannheim, 1952/53;
    Cullinan Hall, Museum of Fine Arts, Houston (Texas), 1954;
    Generalbebauungsplan Lafayette Housing Development, Detroit, 1955/56;
    Projekt Bacardi Office Building, Santiago di Cuba u. Mexico City, 1957-61;
    Federal Center, Chicago, 1959-64;
    Dominion Centre, Toronto, 1963-69. |

  • Nachlass

    Nachlaß: The M. van d. R. Archive, Museum of Modern Art, New York (Zeichnungen, Architektenkorr. u. a.); Library of Congress, Washington. D. C. (private Korr.).

  • Literatur

    A. Drexler (Hrsg.), The M. van d. R. Archive: An Illustrated Catalogue of the M. van d. R. Drawings in the Museum of Modern Art, T. I, 1910-37, 4 Bde., 1986, T. II, 1938–69, 14 Bde., 1992;
    P. Westheim, M. van d. R., Entwicklung e. Architekten, in: Das Kunstbl. 11/2, 1927, S. 55-62;
    P. Johnson, M. van d. R., 1947, ²1978;
    L. Hilberseimer, M. van d. R., 1956;
    A. Drexler, L. M. van d. R., 1960;
    W. Blaser, M. van d. R., Die Kunst d. Struktur, 1965;
    ders., M. van d. R., Lehre u. Schule, 1977;
    ders., M. van d. R. – less is more, 1986 (P);
    L. M. van d. R., Ausst.kat. Berlin, Ak. d. Künste, 1968;
    L. Glaeser, L. M. van d. R.;
    Drawings in the Collection of the Museum of Modern Art. 1969;
    ders., L. M. van d. R., Furniture and Furniture Drawings from the Design Collection and the M. van d. R. Archive, 1977;
    R. Hillebrecht, Gedenkworte f. L. M. van d. R., in: Orden Pour le Mérite, Reden u. Gedenkworte X, 1970/71, S. 47-53 (P);
    P. Carter, M. van d. R. at Work, 1974;
    J. P. Bonta, An Anatomy of Architectural Interpretation, A Semiotic Review of the Criticism of M. van d. R.s Barcelona Pavilion, 1975;
    W. Tegethoff, M. van d. R., Die Villen u. Landhausprojekte, Ausst.kat. Krefeld u. Essen 1981;
    ders., in: W. Ribbe u. W. Schäche (Hrsg.), Baumeister, Architekten, Stadtplaner, 1987, S. 467-88 (W-Verz., P);
    L. Call (Hrsg.), Die Gr. Deutschen unserer Epoche, 1985 (P);
    F. Schulze, M. van d. R., A Critical Biography, 1985, dt. 1986 (W-Verz., P);
    ders. (Hrsg.), M. van d. R., Critical Essays, 1989;
    D. Spaeth, M. van d. R., 1986;
    ders., L. M. van d. R., An Annotated Bibliography (L-Verz.);
    F. Neumeyer, M. van d. R., Das kunstlose Wort, 1986;
    M. van d. R., Architect as Educator, Ausst.kat. Chicago, Illinois Institute of Technology, 1986, dt. 1986;
    M. Reconsidered, His Career, Legacy, and Disciples, Ausst.kat. Chicago, Art Institute, 1986;
    K. Kirsch, Die Weißenhofsiedlung, 1987;
    R. Pommer u. C. Otto, Weissenhof 1927 and the Modern Movement in Architecture, 1991;
    R. Bolle, in: Zs. f. Ästhetik u. allg. Kunstwiss. 34, H. 1, 1991;
    ThB;
    BHdE II.

  • Porträts

    Büste v. H. Weber, 1961, Abb. in: Blaser, M. van d. R. – less is more (s. L.).

  • Autor/in

    Wolf Tegethoff
  • Zitierweise

    Tegethoff, Wolf, "Mies van der Rohe, Ludwig" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 479-481 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118582291.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA