Lebensdaten
1691 – 1757
Geburtsort
Küstrin
Sterbeort
Florenz
Beruf/Funktion
Kunstkenner ; Antikensammler ; Antiquar ; königlich sächsischer Rat ; Diplomat
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 117673870 | OGND | VIAF: 44289163
Namensvarianten
  • Stosch, Philipp (bis 1717)
  • Stosch, Philipp Freiherr von (seit 1717)
  • stosch, philipp freiherr von
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Zitierweise

Stosch, Philipp Freiherr von (seit 1717), Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117673870.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit d. 16. Jh. nachweisbarer Fam., d. Pfarrer, Bgm., Ärzte u. Militärs stellte;
    V Philipp Si(e)g(is)mund (1656–1724, Reichsadel u. Frhr. 1717), Dr. med., preuß. Leibarzt, Bgm. v. K., S d. Christoph S. († 1659), ref. Prediger in Reilkirchen (Gfsch. Lippe), u. d. Christina Latomin;
    M Louise († 1704), T d. Gersom Vechner (1629–1708, Dr. iur., 1688 Rector d. Joachimsthalschen Gymnasiums in Berlin (s. Brandenburg. Gel. I);
    Urur-Gvv Georg(e) S. (Stoschius) ( 1588), luth. Pastor in Kreuzburg (Schlesien);
    Ur-Gvv Bartholomäus (I) S. (1566–1615/25, Mag., ref. Rector d. Fürstenschule in Strehlen (Schlesien);
    Gr-Ov Bartholomäus (II) S. (1604–86), preuß. Hofprediger (s. ADB 36; R. v. Thadden, Die brandenburg.-preuß. Hofprediger im 17. u. 18. Jh., 1959; BBKL 15; Brandenburg. Biogr. Lex.; Brandenburg. Gel. I; RGG⁴);
    Ov Adolf Chritoph (I) (um 1653–91), aus Reilkirchen, ev. Theol., Insp. d. ref. Kirchen Berlins, 1673 ref. Prediger in Liebenberg (Brandenburg), 1678 in Potsdam, 1680 in Friedrichwerder u. Dorotheenstadt;
    2 B Ludewig S. (1688–1713, preuß. Leibarzt, Botaniker, zuletzt in Paris, Heinrich Sigismund S. (1699–1747, seit 1622 Mitarb. v. S., zuletzt in F., 2 Schw Louise Hedwig S. ( Friedrich Mu[t]zel[ius], 1684–1753, Prof. u. Conrector am Joachimsthalschen Gymnasium in Berlin, s. ADB 23), Elisabeth S. ( George Adam Pfeil, preuß. Kriegskommissar in Stettin);
    Vt Friedrich Wilhelm S. (1648–1704, brandenburg. Geheimsekr., Philos. (s. ADB 36; BBKL 15;|D. Döring, Frühaufklärung u. obrigkeitl. Zensur in Brandenburg, F. W. S. u. d. Verfahren gegen sein Buch „Concordia rationis et fidei“, 1995), Wolfgang v. Schmettau (1648–1711, kurbrandenburg. Min., 1700 Gesandter im Haag;
    N Friedrich Hermann Ludwig Muzell (1716–84, Leibarzt d. preuß. Kg. Friedrich II., N u. Adoptiv-S Wilhelm S.-Muzel (1723–82, Offz., preuß. HR, Aufseher d. Kunstkabinette in Berlin, Erbe v. S., verkaufte sukzessive dessen Nachlaß an verschiedene Käufer, u. a. 1764 d. Gemmen an Kg. Friedrich II.; Verwandte Eberhard Heinrich Daniel S. (1716–81, ev. Theol. (s. ADB 36; BBKL 15), Albrecht v. S. (s. 2), Hans S.-Sarrasani (s. 3) u. dessen S Hans S.-Sarrasani (s. 4).

  • Biographie

    Nach dem Besuch der Ratsschule seiner Heimatstadt studierte S. Theologie an der Univ. Frankfurt/Oder und wandte sich auf Anregung des preuß. Antiquars Johann Carl Schott (1672–1717) der Altertumskunde zu. 1710–13 begann S. eine diplomatische Karriere im Haag. Hier lernte er den niederl. Staatsmann François Fagel (1659–1746) kennen, in dessen Auftrag er in geheimer Mission 1712 nach England ging. Von Fagel erhielt er auch eine erste Einführung in Glyptik und Numismatik, die eine lebenslange Sammelleidenschaft auslöste. 1714 reiste S. mit seinem Vetter v. Schmettau über Südfrankreich nach Italien. Seit 1715 in Rom, schloß er Bekanntschaft mit dem Antiquar Bernard de Montfaucon und dem päpstl. Kämmerer und Altertumskundler Justus Fontanini; über diese und Kard. Alessandro Albani, selbst leidenschaftlicher Kunstsammler, erhielt S. eine Audienz bei dessen Onkel Clemens XI., der ihm eine Pension gewährte und ihn an alle europ. Nuntien empfahl. Im Mai 1717 reiste S. über Florenz, Venedig und Wien, wo Ks. Karl VI. ihn in den Freiherrenstand erhob, nach Dresden. 1718 wurde er dort zum kgl. sächs. Rat und Antiquar ernannt und für zwei Jahre mit einem Jahresgehalt von 600 Talern zum Berichterstatter im Haag bestellt. Zur selben Zeit begann S. mit der Arbeit an den „Gemmae antiquae caelatae“, die 70 Gemmen aus europ. Sammlungen mit Stichen von Bernard Picart vorstellt (nach Herausgabe der ersten 6 Tafeln 1719 ersch. 1724). Seit 1722 hielt sich S. als Geheimagent der engl. Krone zur Überwachung des Stuartschen Thronprädenten Jakob III. Stuart erneut in Rom auf, bis er 1731 durch eine Morddrohung zur Flucht gezwungen wurde. Danach residierte er in Florenz, wo er 1733 eine Freimaurerloge gründete und seine Sammlungstätigkeit noch mehr als 20 Jahre fortführte.

    S. gilt als der beste Gemmenkenner seiner Zeit mit der größten privaten Gemmensammlung. Durch die Verbreitung von Gemmenbildern in Form von Abgüssen bzw. Abdrücken in Siegellack, Schwefelpaste und Glas beförderte er entscheidend das Sammlungsinteresse in ganz Europa, belebte damit jedoch auch das Fälscherwesen. 1713 erlernte er in Paris von dem Naturforscher Wilhelm Homberg (1652–1715) die Vervielfältigung von Gemmen in farbigem Glas und bildete anschließend seinen Diener Christian Dehn (1696–1770) entsprechend aus. Dieser schuf zunächst die Abgußsammlung von S., eröffnete jedoch 1739 eine eigene Abdruckhandlung in Rom und hinterließ schließlich ein „Museum“ von mehr als 5000 Abgüssen antiker und zeitgenössischer Intaglien und Kameen. S. regte die Gemmenschneider Lorenz Natter (1705–63), Carlo Costanzi (1703– n. 1753), Francesco Maria Gaetano Ghinghi (1689–1766), Flavio Sirletti ( 1737) und Antonio Pichler (1696–1779) zum Kopieren antiker Vorbilder an. Die Zeichner und Kupferstecher Pier Leone Ghezzi, Johann Adam Schweickart, Martin Tucher und Johann Daniel Preißler beschäftigte er mit der Wiedergabe von Gemmen und von Blättern des 16. bis frühen 18. Jh. zu bedeutenden röm. Bauten für einen geographisch-topographischen Atlas; dieser bestand bei S.s Tod aus 334 Bänden (heute Wien, Albertina).

    S.s Erbe, sein Neffe Heinrich Wilhelm Muzell-Stosch, verkaufte sukzessive den Nachlaß und beauftragte, dem testamentarischen Wunsch S.s entsprechend, Johann Joachim Winckelmann (1717–68) mit der katalogmäßigen Bearbeitung der 3444 Intaglien und Abgüsse umfassenden Gemmensammlung. Als Verkaufskatalog gedacht, setzte diese in Aufbau, Gliederung und Erschließung von dem handschriftlichen, nicht erhaltenen „Katalogus“ des Barons ausgehende „Description des pierres gravées du feu Baron de Stosch“ (Florenz 1760) neue wissenschaftliche Maßstäbe. 1764 erwarb Friedrich II., vielleicht vermittelt durch seinen Leibarzt Friedrich Hermann Ludwig Muzell, die Gemmensammlung (ca. 3400 Gemmen heute Antikenslg. d. Staatl. Museen zu Berlin, ca. 400 Glaspasten heute Hist. Mus., Moskau). Die 28 000 Schwefelabdrücke nach Originalen der wesentlichen europ. Antikenkabinette, die S. zusammengetragen und weitgehend selbst hergestellt hatte, kaufte James Tassie (1735–99), der schott. Verfertiger von Porträtmedaillons und Nachgüssen antiker Gemmen, als Patrizen für seine Glaspasten. Er brachte 1791 eine vollständige Serie heraus, von der sich ein Exemplar in der Scottish National Portrait Gallery, ein weiteres in der Ermitage in St. Petersburg erhalten hat.

  • Werke

    W Gemmae antiquae caelatae sculptorum nominibus insignitae, Ad ipsas gemmas, aut earum ectypos delineatae & aeri incisae, per Bernardum Picart, Ex praecipuis Europae museis selegit & commentariis illustravit Philippus de S., Amsterdam 1724;
    Korr.: Antiquar. Briefe d. Baron v. S., hg. v. C. Justi, 1871.

  • Literatur

    ADB 36;
    J. G. Keyssler, Neueste Reise durch Teutschland, Böhmen, Ungarn, d. Schweiz, Italien u. Lothringen, 1740;
    C. Justi, P. v. S. u. seine Zeit, in: Zs. f. Bildende Kunst 7, 1872, S. 293–308 u. 333–46;
    L. Lewis, in: Apollo 63, LXXXV, 1967, S. 320–27;
    P. u. H. Zazoff, Gemmensammler u. Gemmenforscher, 1983, S. 3–136 (P);
    J. Kagan, P. v. S. in Porträts auf geschnittenen Steinen aus d. Slgg. d. Leningrader Ermitage u. d. Berliner Museen u. einige Fragen d. Ikonogr., in: Forsch. u. Berr. 25, 1985, S. 9–15 (P);
    J. J. L. Whiteley, P. v. S., Bernard Picart and the Antiquae Caelatae, in: Classicism to Neo-classicism, 1999, S. 182–90;
    E. Zwierlein-Diehl, Antike Gemmen u. ihr Nachleben, 2007, S. 86 u. 274 f.;
    J. Lang, Netzwerke v. Gelehrten, Eine Skizze antiquar. Interaktion am Bsp. d. P. v. S. (1691–1757, in: J. Broch, M. Rassiller u. D. Scholl (Hg.), Netzwerke d. Moderne, 2007, S. 203–26;
    A. Magni u. G. Tassinari, Gemme dei Civici Musei d`Arte di Verona, 2009, S. 175 ff.;
    G. Tassinari, Antonio Pichler e gli incisori di pietre dure a Napoli, in: Napoli Nobilissima, 6. Serie, Vol. I, Fasc. I–II, 2010, S. 23–52;
    Enz. Neuzeit;
    Dict. of Art.;
    zur Fam.:
    R. v. Thadden, Die brandenburg.-preuß. Hofprediger im 17. u. 18. Jh., 1959, bes. Stammtafeln 1, 11 u. 14;
    L. Becker, Der Leibarzt Friedrichs d. Gr., Friedrich Hermann Ludwig Muzell (1716–1784 u. sein Onkel, d. Kunstgel. P. v. S. (1691–1757, in: Geneal. Jb. 16/17, 1977, S. 113–38.

  • Porträts

    Marmorbüste v. E. Bouchardon, 1727;
    Elfenbeinmedaillon, nach G. B. Pozzo (?) (beide Berlin, Staatl. Museen Preuß. Kulturbes., Bodemus., Skulpturenabt.);
    P. L. Ghezzi, S. u. d. Antiquare, Zeichnung 1725 (Wien, Albertina);
    S. in e. Medaille, S. mit Hausdiener, S. in Landschaft, 3 Zeichnungen v. P. L. Ghezzi, um 1717 (alle Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana), alle abgeb. in: Zazoff (s. L), Tafel 1–3 u. 5;
    7 Gemmenporträts, Intaglien v. F. Ghinghi, 1717, u. v. L. Natter, 1733, um 1735 u. um 1739;
    zwei v. L. Massini, um 1758, Abb. in: Kagan (s. L), Taf. 1–2.

  • Autor/in

    Ingrid , Weber S.
  • Zitierweise

    Weber, Ingrid S., "Stosch, Philipp Freiherr von" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 452-454 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117673870.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Stosch: Philipp v. St., Kunstkenner von europäischem Ruf, der Onkel von Eberhard Daniel St. (s. o.), war geboren am 22. März a. St. 1691 als Sohn des Arztes, späteren Bürgermeisters Philipp Siegismund St. in Küstrin. Nachdem er die Rathsschule seiner Vaterstadt durchlaufen, bezog er im April 1706 die Universität Frankfurt a. O. um daselbst Theologie zu studiren. Aber bald, einem schon früh gepflegten Sammeltrieb für Münzen und andere Raritäten folgend, wandte er sich den archäologischen Studien zu und erhielt 1709, am Schluß seines Trienniums, von seinem Vater die Erlaubniß, zu deren weiterer Pflege sich auf Reisen zu begeben. Sein Weg führte ihn an die wichtigsten Culturstätten Europas, schließlich nach Italien, wo er den größeren Theil seines Lebens zugebracht hat. Der beim Ausbruch aus der Heimath, die er nie wieder sah, erst achtzehnjährige Jüngling besaß in hohem Maaße das seltene Geschick, überall sich Freunde und Gönner zu erwerben, die ihm zur Erreichung seiner Ziele behülflich waren. Lernend von den Meistern, bald selbst eine Autorität in seinem Fache, durch Kaufen und Verkaufen Sammlungen von Kunstwerken aufhäufend, durch Wiederaufnahme des Adels, den die Familie im sechzehnten Jahrhundert hatte fallen lassen, sich den Zutritt zu fürstlichen Höfen verschaffend und von ihnen mit politischen Missionen betraut — so durchwanderte er Holland, wo ein reicher Münzkenner Franz Fagell ihm seine antiken Münzen schenkte und ihn auch weiter unterstützte, dann ging er herüber nach England, von dort durch Frankreich nach Italien und betrat die ewige Stadt zum ersten Male während des Carnevals 1715. Es war während des Pontificats des gelehrten und kunstliebenden Papstes Clemens XI. (Albani, 1700—1721), an den St. Empfehlungen hatte und mit dessen jüngstem, ihm gleichaltrigen Neffen, dem Cardinal Alexander (geb. 1692) er bald eine auf den gleichen künstlerischen Neigungen begründete Freundschaft schloß. Denn der Onkel wie der Neffe standen mitten in den Arbeiten für eine wirkliche, nicht bloß wie im fünfzehnten Jahrhundert nachgeahmte Wiedererweckung des classischen Alterthums, durch welche man sich bemühte, dem Erdboden die in ihm vergrabenen Schätze der Vorzeit zu entreißen, sie zu erhalten und zu sammeln. Römische, wie etruskische, bald auch pompejanische Ausgrabungen boten den erstaunten Augen einen unmittelbaren Einblick in das Schaffen und Leben längst vergangener Jahrhunderte. Man kann sich denken, welchen Antheil St. an diesen Bestrebungen nahm. Aber gerade mitten aus dieser vielversprechenden Thätigkeit ward er schon 1717 durch seinen Vater abgerufen, als sein älterer Bruder Ludwig (geb. 1688), ein talentvoller Arzt und Botaniker, in jenem Jahre in Paris plötzlich gestorben war. Der Wunsch des Papstes, St. bei der Abschiedsaudienz durch günstige Aussichten für die Zukunft dauernd an Rom zu fesseln, schien ihm an Voraussetzungen geknüpft, welche seinem protestantischen Bewußtsein widerstrebten. Er lehrte, zwar nicht in seine engere Heimath, wol aber nach Süddeutschland zurück, pilgerte durch Baiern nach Wien, wo ihn Kaiser Karl VI. empfing und ihm seine Münzen zeigte, dann nach Sachsen, wo der kunst- und prachtliebende August der Starke ihm eine Pension aussetzte, und begab sich endlich nach Holland zu seinem alten Freunde Fagell, bei dem er im Haag bis 1721 verweilte. Dann aber veranlaßte ihn die englische Regierung als ihr Agent nach Rom zurückzukehren, um die Umtriebe des Stuart-Prätendenten Jakob (HL), eines Sohnes des 1688 entthronten Jakob II., zu überwachen, der sich seit 1719 in Rom niedergelassen hatte. Nun lebte St. dort wieder im Kreise seiner alten Freunde, mit den Sonderbarkeiten eines Einsiedlers, aber den Mittelpunkt bildend der archäologischen Studien in Rom, wie er denn 1724 selbst ein Prachtwerk herausgab: „Gemmae antiquae caelatae“ in Folio, mit Kupfern von Picart, die aber weniger schön ausfielen. Da, Allen unerwartet, beschließt er 1731 Rom zu|verlassen und nach Florenz überzusiedeln. Was ihn hiezu bewog, ist nicht recht ersichtlich; der von St. selbst angegebene Grund, man beabsichtige in Rom auf ihn ein Attentat, dürfte wol nur ein ersonnener sein. In der Arno-Stadt füllt er ein prächtiges Haus mit seinen immer wachsenden Sammlungen an. Er ruft dorthin seinen jüngeren Bruder Heinrich Sigismund, der aber 1747 starb. Später veranlaßte St. seinen Neffen Wilhelm, den Sohn seiner an den Professor Muzel vom Joachimsthal’schen Gymnasium in Berlin verheiratheten Schwester Luise Hedwig, aus dem französischen Heere, in dem er stand, auszutreten und zu ihm zu ziehen. Die Verhandlungen über dessen Abschied verzögerten sich länger, als man erwartet hatte; erst 1756 konnte er in Florenz eintreffen. Wol ein Gefühl seines nahen Endes ließ St. wünschen, diesen nächsten Verwandten, den er zum Erben auch seines Namens machen wollte, in seiner Nähe zu wissen. Seine Ahnung erfüllte sich bald: am 7. November 1757 machte ein Schlagfluß seinem Leben ein Ende. — Seine Hinterlassenschaft an Kunstsachen, Büchern u. A. ward auf 100,000 Ducaten geschäht. Der Erbe beschloß sie zu verkaufen, weil er eine Reise nach dem Orient — Vorderasien und Aegypten — unternehmen wollte, die er später auch ausführte. Nun aber hatte St. testamentarisch Winckelmann dazu auserwählt, eine Beschreibung seiner Gemmen, auf die er einen besonderen Werth legte, und wozu er schon selbst die Vorarbeiten gemacht hatte, zu verfassen. St. kannte Winckelmann aus dessen früheren Dresdener Schriften; als dieser im Herbst 1755 nach Rom kam — man kennt die näheren Verhältnisse — hatte er sich im März 1756 zunächst durch einen Brief an seinen berühmten Landsmann in Florenz gewandt, der ihn dem Cardinal Alexander warm empfahl. Da Winckelmann jedoch einen Besuch bei St. wegen einer Reise nach Neapel verschob, so starb dieser, ehe ihn Winckelmann gesehen. Nun erfolgte an Letzteren vom jüngeren St. (wie der Neffe gewöhnlich genannt wird) die Einladung nach Florenz in das Stoschische Haus, dessen Schätze Winckelmann mit Staunen und Bewunderung erfüllten. Aber die Beschreibung der Gemmen erwies sich für diesen als eine gewaltige Arbeit. Es handelte sich um etwa 3000 alte Steine, die sich in 30 Kisten zu 10 Schubfächern wohlgeordnet befanden. Winckelmann widmete sich seiner Aufgabe mit dem emsigsten Fleiß in Florenz vom September 1758 während neun Monate, dann siedelte er nach Rom über, wo er noch andere neun Monate in der herrlichen Villa des Cardinals Albani, dessen Freundschaft er von St. geerbt hatte, an der Vollendung und Drucklegung der „Description des pierres gravées de feu Monsieur le baron de Stosch“ arbeitete, welche 1760 in Florenz in einem starken Quartbande erschien. Die französische Sprache war auf Wunsch des Neffen gewählt worden, der durch diese dem Verzeichniß eine weitere Verbreitung zu sichern glaubte. Ein classisches Französisch darf man darin freilich nicht suchen; auch könnte man bedauern, daß darin nur die schönsten Stücke näher beschrieben, die andern nur aufgezählt werden. Doch wird Winckelmann entschuldigt durch die Größe der Aufgabe und die Eile, mit welcher er sie fertig stellen mußte; auf alle Fälle ist die Sammlung durch seine Arbeit erst in ihrem Werthe erkannt worden und wol konnte eine deutsche Kritik den Vergleich wagen: „St. ist der Achill, der nach seinem Tode in Winckelmann einen Homer gefunden hat.“ Bei der nach kurzer Zeit erfolgenden Zerstückelung der Sammlung und deren Verlauf gingen die einzelnen Gruppen hierhin und dorthin. Erfreulich, daß gerade die Gemmen, welche St. besonders bevorzugte, durch Friedrich den Großen für 12,000 Thaler angekauft wurden, und so im Vaterlande ihres Sammlers und Erklärers ihren Platz im Berliner Museum, als eine besondere Perle desselben, erhalten haben.

    • Literatur

      Strodtmann, Neues gelehrtes Europa V, Nachträge in X, XIII. — Rasmus, Mittheil. des Histor. Vereins in Frankfurt a. O. Heft VI u. VII, 1867. — Carl Justi, Winckelmann, Bd. II, Abth. 2, §§ 50, 51, 55—58, 65—67.

  • Autor/in

    R. Schwarze.
  • Zitierweise

    Schwarze, R., "Stosch, Philipp Freiherr von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 36 (1893), S. 464-466 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117673870.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA