Lebensdaten
1850 – 1919
Geburtsort
Leipzig
Sterbeort
Göttingen
Beruf/Funktion
Physiker
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 117478008 | OGND | VIAF: 9927643
Namensvarianten
  • Voigt, Waldemar
  • Voigt, Woldemar
  • Voigt, Waldemar

Objekt/Werk(nachweise)

Orte

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Zitierweise

Voigt, Woldemar, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117478008.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Carl Friedrich Eduard (1805–81, luth., 1] Henriette [Jettchen] Kuntze, 1808–39, Pianistin, v. Ludwig Berger ausgebildet, befreundet u. a. mit Robert Schumann u. Felix Mendelssohn-Bartholdy, s. H. Riemann, Musiklex., 1929), aus Naumburg/Saale, Kaufm. in L., Mitinh. d. Seiden- u. Garnhandlung Berger & Voigt, Musikmäzen, Vf. e. Autobiogr. „C. V.’s Leben, v. ihm selbst erzählt“, 1866 (s. NDB III*), S d. Friedrich (1772–1809), aus Erfurt, Dr. iur., Reg.- u. Ger.advokat in Naumburg, u. d. Friederike Kirsten (1772–1823), aus Naumburg;
    M Bertha Carolina (1818–61), T d. Friedrich Wilhelm Constantin (1783–1826), Kaufm. in L., u. d. Johanna Carolina Seidenschnur (1789–1885);
    2 Halb-Schw (1 früh †), 2 B, 3 Schw u. a. Helene (Leni) (1842–1907, Christian August Julius Clemen, 1838– 1920, Lic. theol., Dr. phil., 1838 Pfarrer in Sommerfeld u. Paunsdorf, 1868–1904 Prof. an d. Fürsten- u. Landesschule in Grimma, Oberkirchenrat, s. Wi. 1909), Elisabeth (Lisa) (1851–1917, Eduard Böttcher, 1847–1917, Dr. phil., Math., Rektor d. Realschule in L., s. Pogg. III, IV u. VI);
    1874 Johanna Marie Föste (1852–1927), aus L.;
    2 S Julius Ernst (1875–1965, Margaretha Vorderbrügge, 1881–1972), Dr. med., Leiter d. Gynäkol. Klinik in G., (s. Pogg. VI-VIII; W. Stoeckel, Gynäkologen dt. Sprache, ³1960), Karl (1879–1965, Agnes Levin, 1884–1932), Dr. phil., in G., 2 T Gertrud Mathilde (* 1877, Markus Weiß, 1869–1913, Amtsrichter in Steinbach-Hallenberg), Erika (1883–1960, Ludwig Mollwo, 1869–1936, Prof. f. Gesch. an d. TH Hannover, s. Hann. Professoren);
    N Carl Clemen (1865–1940), o. Prof. d. Rel.gesch. in Bonn (s. NDB III; BBKL I; Zs. f. Rel.wiss. 9, 2001, S. 185–203);
    E Erich Mollwo (1909–93), o. Prof. f. Angew. Physik in Erlangen (s. NDB 18).

  • Biographie

    Seinem Elternhaus verdankte V. eine starke musikalische Neigung, die sich später u. a. in musikwissenschaftlichen Publikationen über Kirchenkantaten Bachs niederschlug. Nach dem Abitur 1867 entschied er sich aber für ein Studium der Mathematik und Physik an der Univ. Leipzig. Dort fungierte er in vier von sechs Semestern als Famulus von Wilhelm Gottlieb Hankel (1814–99). Nach einer Unterbrechung durch die Teilnahme am dt.franz. Krieg setzte V. auf Empfehlung von Carl Neumann (1832–1925) sein Studium bei dessen Vater Franz Neumann (1798–1895) in Königsberg fort. Als letzter Doktorand Neumanns wurde V. 1874 mit einer Dissertation über die „Elasticitätsverhältnisse des Steinsalzes“ zum Dr. phil. promoviert. Dabei folgte er einer Grundlinie des Neumannschen Forschungsprogramms, die verschiedenen physikalischen Eigenschaften in eine Verbindung mit der Kristallstruktur zu bringen.

    Anschließend nach Leipzig zurückgekehrt, arbeitete V. als Hilfslehrer am Nikolaigymnasium, während er sich gleichzeitig an der Universität habilitierte. Bereits 1875 folgte er einem Ruf auf eine ao. Professur für mathematische Physik an der Univ. Königsberg, die geschaffen worden war, um Neumann den Rückzug von seiner Vorlesungstätigkeit zu ermöglichen. Da es weder zu der erwarteten Umwandlung in eine volle Professur noch zu einer Anhebung der Ausstattung kam, akzeptierte V. 1883 den Ruf auf ein durch den Tod Listings vakant gewordenes Ordinariat für theoretische und mathematische Physik in Göttingen. Im Unterschied zu seinem Vorgänger besaß V. die Kompetenz für die praktische Anwendung mathematisch-theoretischer Konzepte. So entwickelte sich eine gleichberechtigte und damals noch modellhafte Aufteilung des Fachs in die theoretische und die von Eduard Riecke (1845–1915) vertretene experimentelle Physik.

    V. bot wie in Königsberg einen Laborkurs für Studenten an. Bei seinen Forschungen, etwa den umfangreichen Untersuchungen der elastischen Eigenschaften der Kristalle, bezog er auch Doktoranden und Mitarbeiter ein. Zu seinen Schülern gehörten Paul Drude (1863–1906), Friedrich Pockels (1865–1913), Alfonso Sella (1865–1906), Walter Ritz (1878– 1909) und Karl Fösterling (1885–1960).

    Im Kontext der Kristallphysik führte V. zur Behandlung von Spannungen und Dehnungen 1898 den Tensorbegriff ein und entwickelte daraus später eine Tensoranalysis. Die elastische Lichttheorie, in der man von einem Äther als Trägersubstanz der Lichtausbreitung ausging, bildete einen weiteren Forschungsschwerpunkt. In einer Arbeit von 1887 über den Doppler-Effekt in einem inkompressiblen elastischen Medium gelangte V. zu Transformationsgleichungen, die später unabhängig davon als Lorentz-Transformation bekannt wurden. Er wandte sich seit etwa 1898 magneto-optischen Erscheinungen wie dem Zeeman-Effekt zu, den er u. a. in einen überraschenden Zusammenhang mit dem Faraday-Effekt brachte. Damit verknüpft war auch der von ihm berechnete und dann mit Emil Wiechert (1861–1928) experimentell bestätigte Voigt-Effekt, mit dem seitdem die Zunahme der transversalen magnetischen Doppelbrechung in der Nähe von Absorptionslinien bezeichnet wird. Der freundschaftliche Kontakt zu Pieter Zeeman (1865–1943) führte zu einem intensiven Austausch von Ideen, bei dem Zeeman experimentelle Vorschläge V.s umsetzte und V. wiederum Zeemans Resultate direkt in seine theoretischen Betrachtungen einfließen ließ. V.s Untersuchungen verblieben fast ausschließlich auf einer phänomenologischen Ebene.

    Als Teilnehmer der Solvay-Konferenz 1913, der zweiten einer seit 1911 in Brüssel stattfindenden Reihe von Kongressen für die Elite der Physik, sprach V. über den Zusammenhang der Pyroelektrizität einiger Kristalle mit der Temperatur. Obwohl er sich nicht mehr aktiv mit der Quantenhypothese auseinandersetzte, deutete er hier eine mögliche Verbindung zur pyroelektrischen Erregung an.

    Bei Ausbruch des 1. Weltkriegs hielt V. aufgrund seiner internationalen Vernetzung trotz eines starken Patriotismus Distanz zum „Krieg der Geister“, jener propagandistischen Auseinandersetzung der Intellektuellen der kriegführenden Parteien, und veröffentlichte 1914 die Erlebnisse seines Einsatzes im dt.-franz. Krieg in der Schrift „Erinnerungsblätter aus dem Deutsch-Französischen Krieg 1870 / 71“.

  • Auszeichnungen

    |u. a. Dr. phil. nat. h. c. (Padua);
    LLD (Glasgow);
    Sc. D. (Cambridge) u. Sc. D. (Manchester);
    o. Mitgl. d. Ges. f. Wiss. Göttingen (1883);
    Mitgl. d. Leopoldina (1885);
    korr. Mitgl. d. Preuß. Ak. (1900), d. Bayer. Ak. d. Wiss (1909) u. d. Ac. des sciences (1911);
    ausw. Mitgl. d. Ac. Nazionale dei Lincei Rom, d. Koninklijke Nederlandsche Ak. van Wetenschappen (1911) u. d. Royal Soc. (1913).

  • Werke

    |über 200 Publl., u. a. Bestimmung d. Elasticitätsconstanten d. Steinsalzes, in: Ann. d. Physik, Suppl. 7, 1876, S. 1–53 u. S. 177–214 (Diss.);
    Ueber d. Dopplersche Prinzip, in: Nachrr. d. Ges. f. Wiss. Göttingen, 1887, S. 41–51;
    Ueber d. Zus.hang zw. d. Zeeman’schen u. d. Faraday’schen Phänomen, ebd., 1898, S. 329–44;
    Doppelbrechung v. im Magnetfelde befindl. Natriumdampf in d. Richtung normal z. d. Kraftlinien, ebd., 1898, S. 355–59;
    Kompendium d. theoret. Physik, 2 Bde., 1895–96;
    Die fundamentalen physikal. Eigenschaften d. Krystalle in elementarer Darst., 1898;
    Zur Theorie d. magneto-opt. Erscheinungen, in: Ann. d. Physik 67, 1899, S. 345–65;
    Magneto- u. Elektrooptik, 1908;
    Lehrb. d. Kristallphysik (mit Ausschluss d. Kristalloptik), 1910, ²1928;
    Die Kirchenkantaten Johann Sebastian Bachs, e. Führer b. ihrem Studium u. e. Berater f. ihre Aufführung, 1911;
    Sur la relation entre la pyro-électricité et la température, in: La Structure de la Matière, Rapports et Discussions du Conseil de Physique tenu a Bruxelles du 27 au 31 Octobre 1913, 1921, S. 235–39;
    W-Verz.: Royal Soc. Cat. 11, S. 719 u. 19, S. 393–95.

  • Literatur

    |C. Runge, in: Nachrr. v. d. Kgl. Ges. d. Wiss. z. Göttingen, 1920, S. 46–52;
    A. Sommerfeld, in: Jb. d. Kgl. Bayer. Ak. d. Wiss., 1919, S. 83 f.;
    W. Schütz, Magnetooptik, Hdb. d. Experimentalphysik, Bd. 16 / 1, 1936, S. 203–10;
    K. Försterling, in: Die Naturwiss. 38, 1951, S. 217–21;
    J. Mehra u. H. Rechenberg, The Historical Development of Quantum Theory, Bd. 1, 1982, S. 202 f., 449 f. u 454–56;
    C. Jungnickel u. R. McCormmach, Intellectual Mastery of Nature, Theoretical Physics from Ohm to Einstein, Bd. 2, 1986, S. 112–24 u. 268–74;
    G. Torkar, Die Ehrendoktorate d. W. V., Auszüge aus d. Aufzeichnungen seiner Ehefrau Marie, in: Wiss. Jb. d. Dt. Mus., 1989, S. 159–74;
    K. Olesko, Physics as a Calling, Discipline and Practice in the Königsberg Seminar for Physics, 1991, S. 288–96, 400–02, 412–14 u. 434–39;
    K. Reich, Die Entwicklung d. Tensorkalküls, 1994, S. 113–29;
    S. L. Wolff, W. V. (1850–1919) u. Pieter Zeeman (1865–1943), e. wiss. Freundschaft, in: D. Hoffmann, F. Bevilacqua u. R. Stuewer (Hg.), Conference Proceedings EPS Conference 1995, S. 169–77;
    ders., Physicists in the „Krieg der Geister“, Wilhelm Wien’ „Proclamation“ in: Hist. Studies in the Physical Sciences 33, 2, 2003, S. 337–68;
    S. Katzir, The Beginnings of Piezoelectricity, a Study in Mundane Physics, 2006;
    Complete DSB;
    Pogg. III-VI;
    Altpreuß. Biogr. V/ 2;
    Qu Biogr., verfaßt v. seiner Witwe um 1920, Archiv Dt. Mus. München;
    Korr. mit Sommerfeld u. Lorentz, u. a. in: A. J. Kox (Hg.), The Scientific Corr. of H. A. Lorentz, Bd. 1, 2000;
    Nachlaß: Niedersächs. Staatsu. Univ.bibl. Göttingen, Hss.abt.

  • Porträts

    |Photogr., Abb. in: Bildnisse Göttinger Professoren, 1737–1937, 1937, Abb. 183;
    Photogr., Abb. in: Göttinger Gel., Bd. 1, S. 243;
    Bildnis (Archiv Dt. Mus., Slg. Feddersen).

  • Autor/in

    Stefan L. Wolff
  • Zitierweise

    Wolff, Stefan L., "Voigt, Woldemar" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 69-70 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117478008.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA