Lebensdaten
1895 – 1946
Geburtsort
Lindach bei Eberbach/Neckar
Sterbeort
Fort Ney bei Belfort
Beruf/Funktion
NS-Gauleiter in Baden ; Reichsstatthalter in Baden
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 117103896 | OGND | VIAF: 35225375
Namensvarianten
  • Wagner, Heinrich Robert
  • Backfisch, Heinrich Robert (bis 1921)
  • Wagner, Robert
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Wagner, Robert, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117103896.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Peter Backfisch (1860–1938), Landwirt in L., S d. Valentin u. d. Anna Maria N. N.;
    M Katharina (1865–1920), T d. Georg Heinrich Wagner u. d. Katharina Margaretha N. N.;
    4 Geschw;
    1930 Anna Luise Theresia Mayer ( 1945 Freitod);
    1 T.

  • Biographie

    W. besuchte 1902–10 die Volksschule, trat danach in die Präparandenanstalt Heidelberg ein und wechselte nach dem dreijährigen Vorseminar in das Lehrerseminar. Im Sept. 1914 unterbrach er seine Lehrerausbildung, die er nie mehr abschloß, meldete sich in Mannheim als Kriegsfreiwilliger (2. Bad. Grenadierrgt. Ks. Wilhelm I.) und kam an der Westfront u. a. in Flandern, bei Verdun und an der Somme zum Einsatz (1916 Lt.). Im Febr. 1919 schloß er sich dem Bad. Volksheer an, einer Organisation der bad. Rätebewegung. Nach deren Scheitern wurde er im Aug. 1919 als Reichswehrleutnant vereidigt und zum Infanterie-Regiment 14 nach Konstanz versetzt.

    Bis 1919 läßt sich kein politisches Engagement W.s nachweisen, wenngleich er später eine durchgängige rechtsradikale Biographie zu konstruieren suchte und bewußt Falschinformationen in das offizielle Schrifttum der NSDAP einspeiste. 1920 / 21 wurde sein Bataillon nach Meiningen (Thüringen) verlegt. Die dortige Landesregierung aus USPD, SPD und DDP klagte ihn erfolglos beim Staatsgerichtshof an, weil er ablieferungspflichtige Waffen versteckt hatte.

    1923 wurde W. zur Infanterieschule in München abkommandiert. Im Münchner Umfeld lernte er Erich Ludendorff (1865–1937) kennen und hörte Adolf Hitler auf NSDAP-Versammlungen reden. Er wirkte an den Vorbereitungen der paramilitärischen Verbände Bayerns zum gewaltsamen Sturz der Reichsregierung mit. Am Morgen des 8. 11. 1923 alarmierte W. die Infanterieschule und ließ die mehr als 400 Schüler bewaffnen, die sich unter dem Kommando Gerhard Roßbachs (1893–1967) an Hitlers gescheitertem Putschversuch beteiligten. W. wurde verhaftet, mit Hitler, Ludendorff und sieben weiteren Beteiligten vor dem Volksgericht in München angeklagt, im April 1924 zu einer Bewährungsstrafe von 15 Monaten Festungshaft verurteilt und im Mai 1924 von der Reichswehr entlassen.

    Seitdem Gefolgsmann Hitlers, wurde W. zum bedingungslosen Agitator für die „nationale Revolution“, gegen das „Diktat von Versailles“ und gegen Juden, Kommunisten und Sozialdemokraten. Er trat der NSDAP am 27. 2. 1925 (Mitgl.nr. 11 540) bei und wurde am 22. 3. 1925 von Hitler zum Gauleiter in Baden ernannt. Im Nov. 1927 rief W. die Wochenzeitung „Der Führer“ ins Leben, die als Propagandaorgan der NSDAP in Baden später täglich erschien und als deren Hauptschriftleiter er zeichnete. Seit 1929 war er Abgeordneter im bad. Landtag, der im Jan. 1930 W.s Immunität aufhob, weil gegen ihn ein Strafverfahren wegen schwerer Körperverletzung anhängig war, das in der Revision aber niedergeschlagen wurde.

    Nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. 1. 1933 avancierte W. zum Multifunktionär in Staat und Partei, der maßgeblich dazu beitrug, die demokratischen Strukturen im Land und in den Kommunen zu zerschlagen. Seit Mai 1933 Reichsstatthalter in Baden, gehörten zu seinem Amtsverständnis Polizeigewalt, Antiklerikalismus und radikaler Antisemitismus. Am 9. 11. 1938 verhinderte W. persönlich, daß die Feuerwehr die von seinen Schergen angezündete Karlsruher Synagoge löschte. Im Okt. 1940 ließ er 4446 Juden aus Baden in das unbesetzte Frankreich deportieren, von denen nur 491 Krieg und Verfolgung überlebten.

    Seit Aug. 1940 Chef der Zivilverwaltung im annektierten Elsaß mit Sitz in Straßburg, forcierte W. die „Germanisierung“ dieses Gebiets, indem er dt. Recht und eine dt. Verwaltung einführte und bis Jahresende mehr als 105 000 Personen, v. a. Franzosen und politische Gegner, ausweisen ließ. Er verbot die franz. Sprache und das Tragen von Baskenmützen. Anfang Aug. 1940 ließ W. ein KZ bei Schirmeck errichten, um renitente Elsässer zur Arbeit zu zwingen. Auf das in der Nähe gelegene KZ Natzweiler-Struthof, in dem von 52 000 Häftlingen mehr als 22 000 ermordet wurden, scheint W. dagegen keinen Einfluß ausgeübt zu haben. Es unterstand dem Berliner Reichssicherheitshauptamt.

    Seit 16. 11. 1942 Reichsverteidigungskommissar für den Gau Baden, entwickelte W. in den letzten beiden Kriegsjahren einen beispiellosen Durchhalteterror. Als Gaubeauftragter des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz fiel die Rekrutierung von fast 124 000 ausländischen Zwangsarbeitern, davon mehr als 43 000 sog. Ostarbeiter (Stand: 30. 9. 1944), in seine Verantwortung. Unterernährung, Hinrichtungen, Zwangsabtreibungen und Ausschluß von medizinischen Versorgungsleistungen gehörten zu deren Alltag. W. koordinierte den Dt. Volkssturm im Gau Baden, der hunderttausende Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren paramilitärisch ausbildete. Er propagierte den Widerstand bis zum Letzten, entzog sich jedoch im Mai 1945 selbst der Gefangennahme durch franz. Truppen. W. versteckte sich auf einem Bauernhof, stellte sich aber am 25. 7. 1945 in Stuttgart den Amerikanern, nachdem er vom Selbstmord seiner Frau erfahren hatte. Nach seiner Auslieferung an die Franzosen wurde W. dem Straßburger Militärgericht überantwortet, das ihn für seine Taten im Elsaß zum Tod verurteilte.

  • Auszeichnungen

    |E. K. I. (1917) u. II. Kl.;
    Rr.kreuz II. Kl. mit Schwertern d. Ordens v. Zähringer Löwen;
    Verwundetenabzeichen in Schwarz (1. Weltkrieg);
    Blutorden (1933) u. Goldenes Parteiabzeichen d. NSDAP (1933);
    Kriegsverdienstkreuz 1. Kl. (1940).

  • Werke

    |Tod dem Marxismus, es lebe d. Nat.sozialismus, 1932;
    Zwei J. nat.sozialist. Aufbau im Elsaß, in: P. Schall (Hg.), Zwei J. Aufbau im Elsaß, 1942, S. 2–12.

  • Literatur

    |O. Ebbecke, Die dt. Erhebung in Baden, 1933;
    W. Rochlitz, Ehem. 2. Bad. Grenadier-Rgt. Ks. Wilhelm I. Nr. 110, 1938;
    Bildber. v. Kampf d. bad. Nat.sozialisten 1923–1933, 1943;
    P. Sauer, Dok. über d. Verfolgung d. jüd. Bürger in Baden-Württ. durch d. nat.sozialist. Regime, 2 Bde., 1966;
    P. Hüttenberger, Die Gauleiter, Studie z. Wandel d. Machtgefüges in d. NSDAP, 1969;
    L. Kettenacker, Nat.sozialist. Volkstumspol. im Elsaß, 1973;
    U. Kluge, Soldatenräte u. Rev., 1975;
    J. P. H. Grill, The Nazi Movement in Baden 1920–1945, 1983;
    H. Ferdinand, Die Misere d. totalen Dienstbarkeit, R. W. (1895–1946), NSDAP-Gauleiter, Reichsstatthalter v. Baden, Chef d. Zivilverw. im Elsaß, in: Eberbacher Gesch.bl. 91, 1992, S. 97–209;
    J. P. H. Grill, R. W., Der „Herrenmensch“ im Elsaß, in: Die Braune Elite II, hg. v. R. Smelser u. a., 1993, S. 254–67;
    B. Boll, „Das wird man nie mehr los“, Ausländ. Zwangsarb. in Offenburg 1939–1945, 1994;
    R. Peter, Rüstungspol. in Baden, Kriegswirtsch. u. Arb.einsatz in e. Grenzregion im Zweiten Weltkrieg,1995;
    L. Syré, Der Führer v. Oberrhein, R. W., Gauleiter, Reichsstatthalter u. Chef d. Zivilverw. im Elsaß, in: M. Kißener u. J. Scholtyseck (Hg.), Die Führer d. Prov., NS-Biogrr. aus Baden u. Württ., ²1999, S. 733–79;
    G. J. Teschner, Die Deportation d. bad. u. saarpfälz. Juden am 22. Okt. 1940, 2002;
    J.-L. Voneau, Le Gauleiter W., Le Bourreau de l’Alsace, 2011;
    J. Finger, Eigensinn im Einheitsstaat, NS-Schulpol. in Württ., Baden u. im Elsass 1933–1945, 2016;
    Das Dt. Führerlex., 1934 (P);
    Biogr. Lex. Drittes Reich;
    Lilla, MdR.

  • Autor/in

    Armin Nolzen
  • Zitierweise

    Nolzen, Armin, "Wagner, Robert" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 250-251 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117103896.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA