Lebensdaten
1865 – 1937
Geburtsort
Kruszczewina bei Schmersenz (Provinz Posen)
Sterbeort
Tutzing (Oberbayern)
Beruf/Funktion
General
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118574841 | OGND | VIAF: 17344617
Namensvarianten
  • Ludendorff, Erich Friedrich Wilhelm
  • Ludendorff, Erich
  • Ludendorff, Erich Friedrich Wilhelm
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Zitierweise

Ludendorff, Erich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118574841.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Wilhelm (1833–1905), Rittergutsbes. In K., seit 1872 Rittergutspächter in Thunow Kr. Köslin, Rittmeister d. Res., S d. August Wilhelm Theodor (1799–1850), Großkaufm. in Stettin, u. d. Ada Louise Leffler;
    M Clara (1841–1914), T d. preuß. Justizrats Frdr. Aug. Napoléon v. Tempelhoff (1804–68) u. d. Jeanette v. Dziembowska;
    B Hans (s. 3);
    Schw Gertrud ( Gustav Jahn, 1862–1940, WGR, Präs. d. Reichsfinanzhofs 1918-31 (s. L);
    Vt Oskar v. Hutier (1857–1934), preuß. Gen. d. Inf., Oberbefehlshaber d. 8. u. 18. Armee im 1. Weltkrieg (s. L);
    - 1) Berlin 1908 ( 1925) Margarete (1875–1936), T d. Fabrikbes. Karl Schmidt in Berlin u. d. Henny Hardt, 2) Tutzing 1926 Mathilde Spieß (s. 2); kinderlos.

  • Biographie

    Wie zwei seiner Brüder war auch der junge L. frühzeitig für den Offiziersberuf bestimmt und absolvierte deshalb seine schulische Ausbildung im Kadettenkorps Plön und an der Hauptkadettenanstalt Groß-Lichterfelde (1877–82). Schon in seinen als schwierig angesehenen Leutnantsverwendungen – als Preuße im Rheinland und als Heeresoffizier beim Seebataillon (1882–90) – fand er durch seine militärische Unbedingtheit überdurchschnittliche Beurteilungen. Während seiner Generalstabsausbildung 1890-93 zeichnete er sich besonders in den zentralen Fächern Taktik und Kriegsgeschichte aus und wurde deshalb 1894 zunächst zum Großen Generalstab kommandiert, mit seiner Beförderung zum Hauptmann 1895 endgültig dorthin versetzt. Bis 1904 durchlief er die üblichen Truppen- und Stabsverwendungen eines gutqualifizierten Generalstabsoffiziers: als Ib beim Generalkommando IV in Magdeburg, als Kompaniechef in Thorn, als Stabsoffizier bei der 9. Division in Glogau und als Ia im Generalkommando V in Posen. Seine Versetzung in die 2. (deutsche) Abteilung (Aufmarschabteilung) im März 1904 durfte er als besondere Auszeichnung empfinden. Anfänglich als Sektionschef, mit seiner Beförderung zum Oberstleutnant (1908) als Abteilungschef, blieb er bis 1913 in dieser Abteilung.

    Seine Hauptaufgabe sah L. neben der ständigen Aktualisierung der Mobilmachungsarbeiten in der personellen und materiellen Steigerung der Offensivfähigkeit des deutschen Heeres unter den Bedingungen des Schlieffen-Plans. Vor allem suchte er durch die volle Ausschöpfung der allgemeinen Wehrpflicht eine nachhaltige Heeresvermehrung zu erreichen. Auf Grund seiner Herkunft von Bedenken wegen der Auswirkungen auf die soziale Homogenität eines so erheblich erweiterten Offizierkorps frei, nutzte er seinen persönlichen Einfluß auf Generalstabschef Moltke 1912/13 zu einer auch in der Öffentlichkeit unterstützten Wehrvorlage, die dem Heer nach eben erst erfolgter Aufstockung drei weitere Armeekorps zuführen sollte. Die mit seinem Teilerfolg verbundene Brüskierung von Kriegsministerium und Militärkabinett bezahlte Oberst L. mit seiner Versetzung als Regimentskommandeur nach Düsseldorf. Auch seine Beförderung zum Generalmajor und Brigadekommandeur in Straßburg (1914) konnte ihn nicht darüber hinwegtäuschen, daß damit zugleich die erhoffte Verwendung im Mobilmachungsfalle als Chef der Operationsabteilung illusorisch geworden war.

    Sein Wissen um die Bedeutung der Festung Lüttich für den deutschen Westaufmarsch bot ihm indes schon bei Kriegsbeginn Gelegenheit zu glänzender Rehabilitierung. Sein geistesgegenwärtiger Handstreich an der Spitze einer führerlos gewordenen Brigade führte noch am 6.8.1914 zur Besetzung der Zitadelle. Damit hatte sich der dafür mit dem Pour le mérite ausgezeichnete „Held von Lüttich“ so unübersehbar in Erinnerung gebracht, daß er nach der krisenhaften Zuspitzung auf dem ostpreuß. Kriegsschauplatz|beim personellen Revirement am 22.8.1914 zum Chef des Generalstabes der dortigen 8. Armee berufen wurde. Als Oberbefehlshaber wurde dem impulsiven L. der wegen seiner stoischen Ruhe bekannte, reaktivierte General Paul v. Hindenburg vorgesetzt. Die Kombination von ausgleichendem Temperament und überaktiver Energie sollte sich als Erfolgslösung beinahe bis Kriegsende bewähren. Gleiche Generalstabsschulung und weitgehende politische Übereinstimmung bildeten dafür die Fundamente, wobei L. jetzt wie später die eigene geistige Dominanz herauszustellen verstand. Freilich darf nicht übersehen werden, daß auch er im Spannungsfeld zwischen Kaiser, politischer Öffentlichkeit und Armee der Abstützung durch die ungleich populärere Vaterfigur Hindenburgs bedurfte.

    Den Ruhm des neuen Gespanns begründete schon dessen erster Einsatz in der Schlacht von Tannenberg. Unter optimaler Nutzung des Operierens auf der inneren Linie, schwerer Führungsfehler auf russ. Seite und der sich im Kampfverlauf entwickelnden Chancen konnten die beiden gegen Ostpreußen angesetzten russ. Armeen getrennt gehalten und dabei Samsonows 1. Armee vernichtet werden (23.-31.8.1914). Der Streit um den eigentlichen Sieger dieser Schlacht ließ Akteure wie Historiker noch Jahre später nicht ruhen. Eine Kriegspropaganda, die den zeitgleichen Eindruck des Marne-Fiaskos zu verwischen hatte, rankte dagegen schon jetzt eine kaum zerstörbare Legende um die beiden „Dioskuren“ der Ostfront.

    In der Folgezeit ließ sich trotz erheblicher örtlicher Erfolge in den Schlachten an den Masurischen Seen (5.-15.9.1914), beim Flankenstoß in den Weichselbogen (9.-20.10.1914) und in der Winterschlacht in Masuren (4.-22.2.1915) der vernichtende Umfassungssieg nicht mehr wiederholen. Der Kräfteverschleiß im Westen, die sich voll entwickelnde Stärke der Russen und notwendige Stützungsaktionen für den schwer angeschlagenen österr. Verbündeten zwangen an der Jahreswende 1914/15 auch die Ostfront in den Stellungskrieg. Im Gegensatz zum neuen Generalstabschef Falkenhayn, der im Westen die Einsicht in den veränderten Charakter dieses Krieges als eines kräftezehrenden Abnutzungskampfes gewonnen hatte, glaubte L. weiter an die Chance zum vollständigen Sieg Deshalb suchte er seinen Gegenspieler Faldurch Schwerpunktverlagerung nach Osten, kenhayn Anfang 1915 durch eine großangelegte Intrige aus dem Amt zu drängen. Zwar scheiterte der Plan am Kaiser, doch auch der Gegenzug einer Trennung der inzwischen zum Oberkommando Ost (OberOst) erweiterten Armeeführung mußte wegen der auf Betreiben L.s erstmals eingesetzten Waffe eines Hindenburgschen Rücktrittsgesuchs aufgegeben werden. Dieser offene Bruch L.s mit den Traditionen preuß. Offiziersloyalität ließ schon hier den neuen Typus des bürgerlichen Nationalisten durchscheinen, der im Zweifelsfalle für das höhere Interesse eines dynamischen Machtstaates gegen herkömmliches monarchistisches Legitimitätsdenken zu optieren bereit war.

    Zur Stützung der fragilen Bündnisstruktur der Mittelmächte verlagerte 1915 zwar auch Falkenhayn den operativen Schwerpunkt kurzzeitig nach Osten. Gegen L.s Plan eines umfassenden Flankenstoßes aus Ostpreußen heraus setzte die Oberste Heeresleitung (OHL) mit ihrer Durchbruchsoffensive von Gorlice-Tarnow jedoch auf das bescheidenere Ziel eines Abdrängens der Russen von Österreich-Ungarn. Die Beziehungen von OHL und OberOst erreichten damit dank L.s Temperament den Grad offener Feindschaft. Das östliche Hauptquartier wurde zur Anlaufstelle für alle Kritiker an Reichs- und Heeresleitung aus dem alldeutsch-annexionistischen Lager. L. selbst öffnete sich, zu militärischer Untätigkeit gezwungen, voll deren Ostplänen.

    Die ungeheueren Verluste der Schlacht um Verdun ließen unterdessen 1916 eine neue politisch-militärische Kritikerfront gegen Falkenhayn entstehen. Immer offener wurde das Ziel seiner Ersetzung durch Hindenburg propagiert. Allein auf Hindenburgs und L.s Prestige gestützt, sah die Führung in Reich und Bundesstaaten noch die Möglichkeit, ohne tiefgreifende Erschütterungen für die Monarchie den Krieg zu überstehen. Als sich im Sommer 1916 mit der Brussilow-Offensive und dem Kriegseintritt Rumäniens die militärische Lage auch im Osten krisenhaft zuspitzte, gab Wilhelm II. dem Druck aus Regierung und Öffentlichkeit nach. Der zum General d. Inf. beförderte L. (29.8.1916) konnte sich dabei in der neuberufenen III. OHL mit dem Titel eines Ersten Generalquartiermeisters „volle Mitverantwortung“ für alle Entscheidungen sichern.

    Bis Jahresende 1916 gelang der neuen Führung an allen Fronten eine Stabilisierung der Lage. Im Westen wurde die Offensive vor Verdun abgebrochen und durch kräftesparendere Kampfverfahren zugleich größere Elastizität der überdehnten Front erreicht. An|der Ostfront konnten die weiteren Brussilow-Offensiven aufgefangen und der neue Gegner Rumänien entscheidend geschwächt werden. Für die Konsolidierung der militärischen Lage hatte die Reichsleitung freilich einen hohen Preis zu entrichten, denn L. war noch weniger als sein Vorgänger zu politischer Selbstbescheidung bereit. Sein energisch verfolgtes Ziel war die restlose Ausschöpfung aller Ressourcen der Mittelmächte tür die Kriegführung. Aus seiner Verantwortung für den militärischen Erfolg hielt er sich deshalb immer dann für eingriffsberechtigt in die Politik – und zwar in alle relevanten Bereiche der Innen- und Außenpolitik –, wenn politische Rücksichtnahmen hemmend auf eine als „absolut“ verstandene Kriegführung einzuwirken schienen (Hindenburg-Programm, Gesetz über den Vaterländischen Hilfsdienst, Polen-Proklamation, uneingeschränkter U-Boot-Krieg).

    Obwohl Reichskanzler Bethmann Hollweg sich in letzter Konsequenz dem Willen der neuen OHL immer gebeugt hatte, hatten ihn seine Mäßigungsversuche bei L. in den Verdacht des „Defaitismus“ gebracht. Als der Kanzler deshalb unter dem Eindruck des Hungerwinters 1916/17 und der folgenden Frühjahrsstreiks eine Strategie moderaten innenpolitischen Entgegenkommens (Osterbotschaft Wilhelms II.) einzuschlagen suchte, legte L. ihm dies als „Kotau vor der russ. Revolution“ aus. Anfang Juli 1917 nutzte er daher die Diskussion um die Friedensresolution des Reichstags in einem intrigenreichen Zusammenspiel mit dem Kronprinzen und führenden Reichstagsabgeordneten zum Kanzlersturz (13.7.1917). Weder der kurzzeitige Nachfolger Michaelis noch der greise Graf Hertling konnten sich im letzten Kriegsjahr gegen die immer weitreichenderen Eingriffe der OHL in politische Fragen durchsetzen. Dazu trugen die auf Druck L.s erfolgten personellen Auswechslungen an der Reichsspitze nicht wenig bei, die Anfang 1918 den Chef des Zivilkabinetts Valentini und im Sommer den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Kühlmann trafen. Weitergehenden Vorstößen, die mit zunehmender Kriegsdauer diese „heimliche“ zur offenen Militärdiktatur Hindenburgs oder L.s weitertreiben wollten, öffnete sich der General dagegen nicht. Getragen von den Hoffnungen der Öffentlichkeit und gegen innenpolitischen Widerstand abgeschirmt durch Politiker des eigenen Vertrauens, erachtete er seine indirekte Machtteilhabe für effizienter. Daß damit keine innenpolitische Abstinenz verbunden war, machte die kaum verhüllte Förderung der Deutschen Vaterlandspartei deutlich, die sich zur mitgliederstarken Unterstützerin der Siegfriedenspolitik der OHL entwickelte. Ihr Bemühen um ein Hochhalten der Volksstimmung suchte L. innerhalb der Armee über den „Vaterländischen Unterricht“, in der Heimat durch Freigabe der Kriegszieldiskussion zu unterstützen.

    Das Ableiten inneren Konfliktpotentials auf außenpolitische Hoffnungen blieb freilich eng an den militärischen Erfolg geknüpft. Die zeitweilige Beruhigung der westlichen Hauptfront nach den elastischen Ausweichbewegungen in die vorbereitete Hindenburg-Linie und die Meutereien in der französischen Armee erlaubten es 1917, die Stabilisierungserfolge vom Vorjahr im Osten auszubauen. Dazu unterstützte L. die in diplomatischen Kreisen geborene Idee, den in Rußland seit Februar 1917 eingeleiteten Revolutionierungsprozeß über eine Durchreiseerlaubnis für Lenin in Gang zu halten. Die russ. Oktoberrevolution zeitigte mit dem Herausbrechen des Landes aus der Entente das erhoffte Ergebnis. Ungenutzt mußte dagegen der Durchbruch von Caporetto (24.-27.10.1917) bleiben, da L. aus gesamtstrategischen Bedenken die notwendigen Verstärkungen zu einer Ausweitung des Erfolges nicht verfügbar machen wollte. An der Jahreswende 1917/18 schien sich dennoch das Kriegsglück mit den Friedensverhandlungen von Bukarest und Brest-Litowsk zur deutschen Seite zu neigen. Die Frage einer extensiven oder maßvolleren Nutzung der gebotenen Möglichkeiten führte indessen zu einer weiteren Krise zwischen Reichsleitung und OHL. L. setzte sich an die Spitze der Befürworter einer raumgreifenden Ostexpansion und erzwang über die Wiederaufnahme des deutschen Vormarsches im Osten den Diktatfrieden von Brest-Litowsk (3.3.1918). Für seine Ostpläne mußte er aber über eine Million Mann als Besatzungstruppen in Rußland belassen, die bei der entscheidenden Westoffensive fehlen sollten.

    Seit Herbst 1917 liefen dafür die Planungen, die einen Sieg im Westen anvisierten, bevor die amerikan. Verstärkungen voll wirksam werden konnten. Die jahrelange Überanspannung der deutschen Kräfte ergab indes nur eine geringfügige örtliche Überlegenheit. Überraschung in der Wahl von Zeitpunkt und Durchbruchsstelle sowie die propagandistische Fixierung von Front und Heimat auf diese letzte Offensive sollten deshalb unzureichendes Potential aufwiegen. Dabei schob L. die an der Westfront gemachten|Erfahrungen von der Überlegenheit der Abwehr unter modernen Feuerbedingungen beiseite und suchte in einer Serie von Offensivstößen die schwachen Stellen der gegnerischen Front ausfindig zu machen („Büffel-Strategie“). Erreicht wurden mit den am 21.3.1918 losbrechenden Offensiven aber nur taktische Erfolge ohne strategische Wirkungen, die zudem zu operativ ungünstigen Frontausbuchtungen sowie zu hohen Verlusten führten. Gleichzeitig zehrten die ständigen Überanstrengungen und Enttäuschungen an der Kampfmoral der Westtruppen. Meldungen über die rapide Stimmungsverschlechterung begegnete L. mit dem Vorwurf mangelnder Nervenstärke seiner Kommandeure. So trafen ihn die beiden entscheidenden Gegenangriffe der Entente (18.7. bzw. 8.8.1918) um so unvorbereiteter, als er auch die im Vorjahr sichtbar gewordenen Gefahren geschlossener Tankangriffe unterschätzt hatte.

    Es bedurfte indes weiterer schwerer Rückschläge im Westen und des bulgar. Zusammenbruchs, um L. zum Eingeständnis der militärischen Ausweglosigkeit zu veranlassen. Der darauf völlig unvorbereiteten Reichsleitung forderte er am 29.9. die sofortige Einleitung von Waffenstillstandsverhandlungen und die Beteiligung des Reichstags an einer Regierungsumbildung auf parlamentarischer Basis ab. Politiker und Parteien hatten in seinen Augen die Verantwortung dafür zu übernehmen, daß sie seine Kriegführung ungenügend unterstützt hatten. Außerdem setzte er fortan zur Selbstrechtfertigung bedenkenlos den Vorwurf gegen die Trägergruppen der kommenden Republik ein, sie hätten aus der Heimat einen „Dolchstoß“ in den Rücken der kämpfenden Truppe geführt.

    Der Schock des überstürzten Waffenstillstandsangebots vom 3.10.1918 trug zudem wesentlich zur Ausweitung der Krise vom militärischen auf den politischen Bereich bei. L.s eigene Stellung wurde endgültig unhaltbar, als er sich mit dem von ihm erstellten Armeebefehl vom 24.10. in offenen Widerspruch zu der von ihm selbst geforderten und von der neuen Regierung nunmehr betriebenen Politik setzte. In einem letzte Loyalitätsrücksichten mißachtenden Auftritt ließ er seinem Monarchen am 26.10. nur noch die Wahl zu seiner Entlassung. Daß Hindenburg sich weiter in die Pflicht nehmen ließ, ließ erste militärische Auffassungsunterschiede aus dem Sommer im persönlichen Bruch der beiden Generale enden. Der als Demütigung empfundenen Entlassung folgte zwei Wochen später die kaum weniger bedrückende Flucht aus dem revolutionären Berlin nach Schweden.

    Hier begann L. seine Abrechnung mit den „wahrhaft Schuldigen“ an der militärischen Katastrophe. Innerhalb von zwei Monaten schrieb er seine Kriegserinnerungen nieder, die seine Vorwürfe gegen die politischen Reichsleitungen erhärten sollten. Im Febr. 1919 kehrte er nach Berlin zurück und stellte seine Verbindungen für die Umsturzvorbereitungen der „Nationalen Vereinigung“ (W. Kapp, W. Pabst) zur Verfügung. Mit einem gemeinsamen Auftritt mit Hindenburg vor dem Untersuchungsausschuß des Reichstags eröffnete er seine vehementen Kampagnen gegen die Republik. Gleichzeitig setzte er die im Februar 1918 mit der „Ludendorff-Spende“ für Kriegsbeschädigte und -hinterbliebene begonnene Linie militärischer Fürsorgepolitik mit seinem Engagement für die von Demobilmachung und Heeresverminderung Betroffenen fort. Damit erwarb er sich insbesondere bei den jungen Freikorpsoffizieren den Ruf eines „modernen“ Generals.

    Nur die Kurzlebigkeit der Putsch-Regierung vom März 1920 hinderte ihn daran, offen für das Kapp-Unternehmen einzutreten. Um der Strafverfolgung zu entgehen, mußte er sich anschließend mit der Mehrheit der Kapp-Putschisten nach Bayern absetzen, wo er in der Villa Ludwigshöhe in München-Solln (sie gehörte dem Kulmbacher Fabrikanten Fritz Hornschuh) endgültige Bleibe fand. Mit seiner theoretischen Schrift „Kriegführung und Politik“ (verfaßt 1921) widmete er sich erneut der Militärschriftstellerei. Auf der Basis seiner Kriegserfahrungen suchte er darin die Theorien von Clausewitz an die Erfordernisse des modernen Krieges anzupassen. Dessen Primat der Politik sei im Zeitalter der „absoluten“ Kriegführung – dafür sollte er später die noch plastischere Formel vom „totalen Krieg“ finden (1935) – nicht mehr angemessen. Da L.s sozialdarwinistische Sicht vom Krieg als Naturgesetz im Völkerleben nur noch Kriegs- und Zwischenkriegszeiten zuließ, hing das nationale Überleben von Staaten vom Grad ihrer ständigen Kriegsbereitschaft ab. Dafür aber hatte die Fachkompetenz des militärischen Führers den Ausschlag zu geben, dem die Politik als innerer Mobilisator nur noch die benötigten Mittel zur Kriegführung zuzuführen hatte. Dabei kamen Vorbilder wie Friedrich d. Gr. und Napoleon dem Ideal der Einheit von Feldherrn- und politischem Führungsamt am nächsten.

    L.s Zusammengehen mit Hitler ließ ihn in den Jahren 1922-24 kurze Zeit selbst mit einer derartigen Rolle spielen, wobei er erst nach Auslösen des Hitler-Putsches (8./9.11.1923) aus den Kulissen trat, um als Feldherr den geplanten „Marsch auf Berlin“ zu leiten. Hitler bewies jedoch nach dem Scheitern des Unternehmens, daß er mehr war als der „junge Mann“ des Generals; durch die Selbstauflösung seiner NSDAP verbaute er seinem Verbündeten noch aus der Landsberger Haft heraus den Weg an die Spitze der führerlosen völkischen Bewegung, um ihn 1925 in die aussichtslose Kandidatur für die Reichspräsidentschaft abzudrängen.

    Ehrenhändel und das immer spannungsgeladenere Verhältnis zu Hindenburg seit dessen Reichspräsidentschaft isolierten L. in der Folge selbst im Kameradenkreis. Politisches Scheitern und persönliche Verbitterung ließen ihn jetzt in der Vorstellungswelt seiner zweiten Frau Mathilde und ihrer Suche nach einer „deutschen Gotterkenntnis“ aufgehen. Sein ursprünglich für die deutsche Wehrhaftmachung gegründeter „Tannenbergbund“ (1925) entwickelte sich unter ihrem Einfluß zunehmend zur deutsch-germanischen Religionsgemeinschaft, die in ihren Hauptorganen „Volkswarte“ und „Am heiligen Quell deutscher Kraft“ gegen alle „Niederrassigen“ und die „überstaatlichen“ Weltverschwörungen von Juden, Freimaurern und Jesuiten focht. Den heftigen publizistischen Streit um Hitlers „Rom-Hörigkeit“ wird man deshalb vorwiegend konzeptionell-taktisch und weniger als prinzipiellen Widerstand gegen den Nationalsozialismus qualifizieren, müssen.

    Um den „Feldherrn des Weltkrieges“ für die Traditionszusammenhänge der NSDAP als Erbin der Frontsoldatenbewegung zu retten, brachte Hitler nach 1933 für die Öffentlichkeit einen notdürftigen Modus vivendi zustande. Erst mit L.s Tod konnte er sich allerdings in einem bombastischen Leichenbegängnis voll der Figur des Generals bemächtigen. Die Ludendorff-Bewegung machte nach 1945 noch mehrfach durch Prozesse auf sich aufmerksam, ohne aus dem schrumpfenden Kreis einer sektiererischen Kleingruppe ausbrechen zu können.

    L. gehörte zweifellos zu den operativ begabtesten Heerführern des 1. Weltkriegs, war freilich mehr taktisch-flexibler Operateur denn vorausschauender Stratege. Arbeitskraft, Durchsetzungswille und Organisationstalent stellen ihn in eine Reihe mit den bedeutenderen Mobilisatoren dieses ersten totalen Krieges, doch auch dies mit der Einschränkung, daß er die technisch-innovativen und kriegswirtschaftlichen Bedingungen industrialisierter Kriegführung nur unvollkommen in sein Urteil einbezog. Seine militaristische Sicht des Krieges im Weltgeschehen verführte ihn schon während des Krieges zur Umwertung Clausewitzscher Maximen. Da er sich daneben die materiellen Ursachen der deutschen Niederlage nie voll bewußt machte, neigte er wie viele seiner Generation zur Überbewertung der Seelen- und Willenskräfte im modernen Krieg. Sein „Kriegerstaatsmodell“ (W. Besson) und seine kruden Verschwörungstheorien sollten ihn schließlich zum frühen Förderer des Nationalsozialismus machen, ohne daß ihn seine persönliche Rigorosität für ein offenes politisches Hervortreten prädestiniert hätte. Sein Bewunderer Hitler sollte vieles von seinen Gedanken verwirklichen, sein Ideal von der einheitlichen Staats- und Armeespitze aber in der bezeichnenden Variante von der absoluten politischen Dominanz in der Staatsmann-Feldherrn-Einheit.

  • Werke

    Meine Kriegserinnerungen 1914–18, 1919;
    Urkk. d. Obersten Heeresleitung üb. ihre Tätigkeit 1916–18, 1920;
    Kriegführung u. Pol., 1922;
    Vernichtung d. Freimaurerei durch Enthüllung ihrer Geheimnisse, 1927;
    Kriegshetze u. Völkermorden in d. letzten 150 J., 1928;
    Weltkrieg droht auf dt. Boden, 1930;
    Mein militär. Werdegang, 1933 (P);
    Der Totale Krieg, 1935;
    Auf d. Weg z. Feldherrnhalle, 1937;
    Vom Feldherrn z. Weltrevohitionär u. Wegbereiter Dt. Volksschöpfung (Lebenserinnerungen), 3 Bde., 1940/55 (P);
    zahlr. Flugschrr. u. Ztg.-artikel.

  • Literatur

    Buat, L., 1920;
    H. Delbrück, L.s Selbstporträt, 1922;
    H. Eggert, L. als Mensch u. Politiker, 1923;
    H. Müller-Brandenburg, Von Schlieffen bis L., 1925;
    Margarete Ludendorff, Als ich L.s Frau war, 1929;
    K. Tschuppik, L., 1931;
    W. Müller-Eberhart, Kopf u. Herz d. Weltkrieges, 1935;
    Th. v. Schäfer, L., 1935;
    W. Crone, Das ist L., 1937;
    Mathilde Ludendorff, Erich L., 1940 (P);
    W. Martini, Die Legende vom Hause L., 1949;
    W. Foerster, Der Feldherr L. im Unglück, 1952;
    E. M. Earle (Hrsg.), Makers of Modern Strategy, 1952;
    S. A. Kaehler, Zur Beurteilung L.s im Sommer 1918, 1953;
    W. Breucker, Die Tragik L.s, 1953;
    H. Mahlberg, E. L., 1965 (P);
    H. Weber, L. u. d. Monopole, 1966;
    G. J. Goodspeed, L., 1968 (P);
    G. Borst, Die L.-Bewegung 1919–61, 1969;
    H.-U. Wehler, ‚Absoluter' u. ‚totaler' Krieg, in: Pol. Vj.schr. 10, 1969, S. 220-48;
    E. Zechlin, L. im J. 1915, in: HZ 211, 1970, S. 316-53;
    H. Frentz, Der unbek. L., 1972;
    J. Wallach, Kriegstheorien, 1972;
    M. Kitchen, The Silent Dictatorship, 1976;
    R. Parkinson, Tormented Warrior, 1978;
    B. Thoß, Der L.-Kreis 1919-1923, 1978. -
    H. Scheele, in: Ahnentafeln berühmter Deutscher 18, 1939-43. - Zu Schwager G. Jahn:
    H. List, Vom Reichsfinanzhof zum Bundesfinanzhof, Festschr. f. H. v. Wallis, 1985, S. 15-34;
    Rhdb. (P);
    Wi. 1935. -
    | Zu O. v. Hutier: H v. Benda, In Soldatenjb. 1984, S. 288-91 (P);
    Wi. 1928.

  • Porträts

    Serie v. Phot., Gem. v. L. Richter, Abb. in: M. Ludendorff, E. L., 1940;
    Büste v. L. Strey, Abb. ebd.

  • Autor/in

    Bruno Thoß
  • Zitierweise

    Thoß, Bruno, "Ludendorff, Erich" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 285-290 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118574841.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA