Lebensdaten
1908 – 2003
Geburtsort
Ludwigsburg (Württemberg)
Sterbeort
Kreuth/ Tegernsee
Beruf/Funktion
Historiker
Konfession
evangelisch
Namensvarianten
  • Wagner, Fritz

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Zitierweise

Wagner, Fritz, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz138228.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Theodor (1878–1926), Dr. med., prakt. Arzt in L.;
    M Martha Bickel (1887–1971), aus e. aus d. Schweiz eingewanderten Fam.;
    1931 Auguste Würz (1907–94), aus Elberfeld, Kunsthist., Vf. v. „Meinrad v. Au, Leben u. Werk e. süddt. Rokokomalers“, 1936;
    2 S Klaus (* 1932), Stud.dir., ev. Pfarrer in Gütersloh, Hermann (* 1942), Dr. rer. nat., Geol. in Hannover.

  • Biographie

    Im Anschluß an den Besuch des Humanistischen Gymnasiums in Ludwigsburg 1919–28 studierte W. Geschichte, Germanistik und Romanistik in Tübingen, München, Paris, Berlin und wieder in München, wo er 1932 bei Karl Alexander v. Müller (1882–1964) mit der Arbeit „Der Liberale Benjamin Constant“ (1932) zum Dr. phil. promoviert wurde. Beihilfen der Dt. Gemeinschaft zur Erhaltung und Förderung der Forschung ermöglichten ihm Archivreisen nach München, Wien, London und Paris. Die dort gesammelten Materialien wertete er in seiner Schrift „Kaiser Karl VII. und die großen Mächte 1740–1745“ (1938) aus, aufgrund der er zuvor in München für Geschichte habilitiert worden war. Seit 1939 unbesoldeter Privatdozent, verweigerte W. eine Mitgliedschaft in der NSDAP, die er als Christ ablehnte. Um eine Diätendozentur zu erlangen, bewarb er sich 1940–42 dennoch mehrfach um Aufnahme, wurde aber abgelehnt, da sein Sinneswandel nicht glaubhaft sei. Im Okt. 1941 wurde W. zur Wehrmacht nach Berchtesgaden eingezogen, dann nach München versetzt, um nebenher lehren zu können. Im Frühjahr 1942 erhielt er auf Betreiben v. Müllers zusätzlich eine Lehrstuhlvertretung in Innsbruck, wurde UK-gestellt und bezog Diäten. Im Nov. 1944 erneut eingezogen, geriet W. bei Kriegsende kurzzeitig in US-amerik. Gefangenschaft.

    Als „Unbelasteter“ nahm W. 1946 die Lehre in München wieder auf, wurde apl. Professor und Dozentenvertreter im Senat. 1947 ging er als Nachfolger Wilhelm Mommsens (1892–1966) an die Univ. Marburg (Dekan 1950 / 51, Rektor 1956–58). Ein viermonatiger Gastaufenthalt führte ihn 1952 in die USA. 1966 lehnte W. einen Ruf an die Univ. Hamburg ab und wechselte auf den Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit nach München. Vor dem Hintergrund der ihn in seinem Standesbewußtsein verletzenden Studentenunruhen und Reformkonzepte ließ sich W. 1974 emeritieren. 1967 in die Bayer. Akademie der Wissenschaften und in die Historische Kommission gewählt (Sekr. 1968–82), fungierte W. hier 1970–87 als Hauptschriftleiter der NDB (Bd. 10–15). Ihr, der „Arbeitsgemeinschaft außeruniversitärer historischer Forschungseinrichtungen“ (AHF), deren Vorsitz W. 1972–82 übernahm, und deren „Jahrbuch|der Historischen Forschung“ (1974–80) galt W.s besonderer Einsatz, auch über seinen Umzug in ein Seniorenstift in Kreuth 1978 hinaus.

    Das Zeitalter des europ. Absolutismus und der Aufklärung bildete einen ersten Themenkomplex in W.s Werk. Während Duktus und Wertungen in der Überblicksdarstellung „Europa im Zeitalter des Absolutismus 1648–1789“ (1948) noch in die Kriegszeit zurückweisen, war W.s „Kopfartikel“ in Band 4 – „Absolutismus und Aufklärung“ – des von Theodor Schieder (1908–84) herausgegebenen „Handbuchs der Europäischen Geschichte“ (1968) von einer entschieden europ. Perspektive bestimmt. Hier erreichte W. eine neue Ebene problemorientierter Darstellung und Reflexion.

    Einen zweiten Schwerpunkt seines Schaffens legte W. auf die anglo-amerik. überseeische Welt. Nach anfänglichen Arbeiten zur engl. Geschichte verlagerte sich sein Interesse auf die Geschichte der USA, deren Aufstieg zur Kolonial- und Großmacht er untersuchte. Seine Behandlung der amerik. Innenpolitik wandelte sich von einer anfangs apologetischen Tendenz in erzieherischer Absicht hin zu kritischeren Analysen unter intensiver Auswertung der US-amerik. soziologisch-historischen Literatur.

    W.s Beschäftigung mit der Geschichte und Philosophie seines Fachs setzte mit der Anthologie „Geschichtswissenschaft“ (1951, ²1966, span. 1958) ein, deren von W. verfaßte Kommentare in der von Ranke und v. a. Droysen begründeten Historischen Methode den Höhepunkt akademischer Geschichtswissenschaft sahen. In späteren Aufsätzen setzte sich W. mit der Schule der „Annales“ auseinander und öffnete sich bedingt der modernen Sozialgeschichte, wie sie von Werner Conze (1910–86) und Otto Brunner (1898–1982) betrieben wurde. Am Vorrang der verantwortlich handelnden Persönlichkeit als primärem Objekt historischer Forschung hielt er stets fest.

    W.s vierter Themenschwerpunkt, das Verhältnis von Geschichtsbzw. Naturwissenschaft und christlichem Glauben, füllte seine Münchner Jahre aus, vorrangig am Beispiel Isaac Newtons. Auch postulierte er die Einbindung der Profangeschichte in eine Heilsgeschichte augustinischen Zuschnitts. Gegenüber dem mit der Aufklärung begründeten Rationalismus und Szientismus bekundete er durchgängig starke Vorbehalte.

    W. verkörperte als Wissenschaftler einen älteren Typus des „Gelehrten“. Sein sozialer und intellektueller Habitus war der eines Geistesaristokraten bildungsbürgerlicher Prägung. Vortragsstil wie gedrucktes Werk verraten mit ihrer meisterlichen Beherrschung der dt. Sprache schriftstellerischen Ehrgeiz. Zu seinen Schülern zählen u. a. Manfred Schlenke (1927–97) und Harm-Hinrich Brandt (* 1935).

  • Auszeichnungen

    |Gr. BVK (1978).

  • Werke

    |Cavour u. d. Aufstieg Italiens im Krimkrieg, 1940, ²1942;
    Frankreichs klass. Rheinpol., d. Rheinbund v. 1658, 1941;
    England u. d. europ. Gleichgewicht 1500–1914, 1947;
    USA, Geburt u. Aufstieg d. Neuen Welt, Gesch. in Zeitdok., 1607–1865, 1947;
    Europa im Za. d. Absolutismus 1648–1789, 1948, ²1959;
    Moderne Gesch.schreibung, Ausblick auf e. Philos. d. Gesch.wiss., 1960, ²1977;
    Absolutismus u. Aufklärung, in: Bertelsmann Gr. Ill. Weltgesch., Bd. 2, 1964 S. 242–515;
    Der Hist. u. d. Weltgesch., 1965;
    Isaac Newton, Im Zwielicht zw. Mythos u. Forsch., 1976;
    Hg.: Orbis academicus, Problemgeschichten d. Wiss. in Dok. u. Darst., 49 Werke in 59 Bdn., 1951–87;
    AKG, 1950–58 (Mithg.), 1970–79 (Hg.);
    Qu Archiv d. Hist. Komm. b. d. Bayer. Ak. d. Wiss, München(Personalakte, Briefe, W-Verz.).

  • Literatur

    |H.-H. Brandt, in: HJb. 2003, S. 529–33;
    ders., F. W. (1908–2003), Zu seiner Biogr. u. seinem wiss. Werk, in: AKG 100, 2018, S. 11–64 (P);
    H. Neuhaus, ebd. 85, 2003, S. 387–91 (P);
    E. Weis, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss. 2003, S. 304–07 (P);
    Biogr. Lex. Gesch.wiss.;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W);
    Kürschner, Gel.Kal. 2003 (W).

  • Autor/in

    Harm-Hinrich Brandt
  • Zitierweise

    Brandt, Harm-Hinrich, "Wagner, Fritz" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 233-234 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz138228.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA