Lebensdaten
1810 – 1889
Geburtsort
Altona
Sterbeort
Krankenhaus Salon bei Ludwigsburg
Beruf/Funktion
Journalist ; Satiriker ; Übersetzer
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 116653396 | OGND | VIAF: 52447161
Namensvarianten
  • Walesrode, Ludwig Reinhold
  • Wagner, Emil (Pseudonym)
  • Cohen, Ludwig Isaak (bis 1841)
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Walesrode, Ludwig, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116653396.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V J. C. Cohen, aus Walsrode (Lüneburger Heide), Musiker, Kaufm. in A.;
    M N. N.;
    – ledig.

  • Biographie

    W. wuchs in Altona auf, wo er das Akademische Gymnasium Christianeum besuchte. Während seines Studiums der Philologie, Philosophie und Kunstgeschichte in München seit 1832 begann er mit Beiträgen für Cottas „Morgenblatt für die gebildeten Stände“ schriftstellerisch tätig zu werden. 1835 brach er – wohl aus finanziellen Gründen – sein Studium ab und ging als Hauslehrer nach Danzig. 1837 zog er nach Königsberg, arbeitete als Englischlehrer, beschäftigte sich mit der Daguerreotypie und schrieb feuilletonistische und humoristische Texte. Als sein Aufenthaltsrecht 1841 endete, ließ er sich evangelisch taufen, um unbefristet in der Stadt bleiben zu können. Seinen gesicherten Status nutzte W. für liberales und später demokratisches Engagement, u. a. mit einem Pamphlet gegen Antisemitismus (Beleuchtung e. dunklen Ballsaals, Ein Wort z. Zeit v. Wse, 1841). Durch 1841 aufgenommene satirische, regierungsfeindliche Vorlesungen (Glossen u. Randzeichnungen zu Texten aus unserer Zeit, 1842, ⁵1847; Unterthänige Reden, 1843) und ein „Sendschreiben an die wahrhaft Liberalen“ (1842) wurde W. zum bekannten Oppositionellen. Mit Arnold Ruge (1802–80), Moses Hess (1812–75), Karl Marx (1818–83) und Julius Fröbel (1805–93) beteiligte er sich an Vorbereitungen zur Gründung einer dt. Oppositionszeitung, aus denen die „Deutschfranzösischen Jahrbücher“ (1844) hervorgingen. Im Sommer 1843 besuchte W. Oppositionelle in ganz Deutschland, u. a. den von ihm verehrten Vorsitzenden des Nationalkonvents der Mainzer Republik von 1793, Andreas Joseph Hoffmann (1752–1849). Auch am Treffen des Hallgartenkreises auf dem Gut des bad. Liberalen Johann Adam v. Itzstein (1775–|1855) nahm er teil. 1845 begründete W. ein „Königsberger Taschenbuch“, das in einer Auflage von 2000 Stück mindestens bis 1846 mit politischen Artikeln namhafter Liberaler (u. a. Johann Jacoby, 1805–77, Alexander Jung, 1799–1884) erschien. Seit Nov. 1845 verbüßte W. ein Jahr Festungshaft in Gaudenz, weil er seine „Unterthänigen Reden“ an der Zensur vorbei in der Schweiz veröffentlicht hatte. Als literarische Verteidigung publizierte er 1844 „Der Humor auf der Bank der Angeklagten […]“.

    1848 / 49 gehörte W. mit Albert Dulk (1819–84), Ferdinand Falkson (1820–1900) und Julius Rupp (1809–84) zu den führenden Demokraten Königsbergs und entwickelte sich 1850 mit der Flugschrift „Was bringt die neue Zeit dem Volke?“ zum Republikaner. In diesem Jahr wurde er zum Stadtverordneten gewählt und gründete „Die Glocke, Ein Wochenblatt für alle, die nicht taub sind“, mit dem er die Ziele der Revolution weiterverfolgte. Das Blatt wurde verboten und brachte W. neun Monate Haft ein. Danach ging er in das liberale Hamburg, war publizistisch tätig und gab eine Literaturzeitschrift sowie einen Cicerone mit Besprechungen von Kunstausstellungen (1856–58) heraus. Außerdem verfaßte er sein erfolgreichstes literarisches Werk (Der Storch v. Nordenthal, Ein wahrhaftiges Märchen, 1857, ²1881) sowie eine Analyse der Reaktion in Preußen (Eine pol. Todtenschau, Zur Gesch. d. staatstragenden Anarchie, 1859).

    Seit 1860 engagierte sich W. für die Dt. Fortschrittspartei. In deren von ihm initiierten und bis 1861 redigierten Theorieorgan „Demokratische Studien“ äußerten sich führende Intellektuelle der Partei, vornehmlich vom demokratischen Flügel, wie Ferdinand Lassalle (1825–64), Carl Vogt (1817–95), Moritz Hartmann (1821–72), Karl Grün (1817–87) und Ludwig Bamberger (1823–99). 1862 gründete W. die Wochenzeitung „Der Fortschritt“, die seit 1863 wegen der preuß. Zensur in Gotha erschien. 1866 zog er nach Stuttgart, engagierte sich für die großdt. Demokratische Volkspartei, publizierte Humoresken und feuilletonistische Beiträge für demokratische Blätter wie „Der Beobachter“ und setzte sich für freien Handel als „Gegengift“ gegen den Nationalismus ein. Die nationalistische Welle und die Kriege vor der Reichsgründung beurteilte er sehr kritisch. Der württ. Sozialdemokrat Wilhelm Blos (1849–1927) würdigte ihn 1919 als „Nestor der deutschen bürgerlichen Demokratie“.

  • Werke

    |Der Cicerone f. d. Kunstausst. im Winter 1838, 1838;
    Ueber Daguerresche Lichtbilder u. deren Verfertigung, 1839;
    Humorist. Fremdenführer durch Königsberg, 1840;
    William Shakspeare’s sämmtl. Gedichte, Im Versmaß d. Orig. übers. v. Emil Wagner, 1840;
    Königsberger Tb., 1846;
    Der Kompaß, Eine Wschr. z. Belehrung u. Unterhaltung, 43 Nummern, 1857;
    Pressefreiheit u. Justiz in Preußen, 1866;
    Dt. Fleiß u. dt. Werk, Culturhist. Skizzen u. Bilder, 1873 (1. Aufl. u. d. T. Die schwäb. Ind.ausst. 1871 in Ulm, 1871);
    Briefe: G. Herweghs Briefwechsel mit seiner Braut, ²1906;
    J. Jacoby, Briefwechsel, hg. u. erl. v. E. Silberner, 2 Bde., 1974–78;
    weitere Briefe im Nachlaß v. M. Hartmann, Wien-Bibl., Hss.-Abt.

  • Literatur

    |ADB 40;
    R. v. Gottschall, Aus meiner Jugend, 1898;
    W. Blos, Denkwürdigkeiten e. Soz.demokraten, Bd. 2, 1919, S. 187;
    E. Silberner, Johann Jacoby, Politiker u. Mensch, 1976;
    J. Toury, Jüd. Bürgerrechtskämpfer im vormärzl. Königsberg, in: Jb. f. d. Gesch. Mittel- u. Ostdtld.s, 32, 1983, S. 195;
    Ch. Pletzing, Vom Völkerfrühling z. nat. Konflikt, Dt. u. poln. Nationalismus in Ost- u. Westpreußen 1830–1871, 2003;
    I. Frey, Vor 200 J. ist L. W. geboren worden, in: Cannstatter Ztg. v. 14. 4. 2010;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    Altpreuß. Biogr. II;
    Wininger.

  • Porträts

    |Karikatur, anon., 1841, Abb. in: Objektdatenbank d. Dt. Hist. Mus. Berlin(Internet);
    Bronzerelief v. A. v. Donndorf, 1895 (Bad Cannstatt, Uffkirchhof, Grabmal).

  • Autor/in

    Christian Jansen
  • Zitierweise

    Jansen, Christian, "Walesrode, Ludwig" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 327-328 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116653396.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Walesrode: Ludwig Reinhold W., Journalist, geboren am 14. April 1810 zu Altona, am 20. März 1889 in dem Männerkrankenhaus Salon bei Ludwigsburg, war der Sohn des jüdischen Musikers J. C. Cohen, der seinem Namen den seiner Vaterstadt Walsrode in der Lüneburger Heide beigefügt hatte. Ludwig selbst schrieb sich schlechtweg Walesrode; als Schriftsteller gebrauchte er zuweilen das Pseudonym Emil Wagner. Auf dem Christianeum, dem akademischen Gymnasium von Altona, vorgebildet, bezog er im J. 1832 die Universität München, um dort Philologie zu studiren, trieb aber mehr Philosophie und bemühte sich daneben eifrig um das Verständniß der alten und neuen Kunst. Schon damals nahm das Cotta’sche Morgenblatt Beiträge von ihm auf. Im J. 1835 wurde W. Hauslehrer in Danzig, von wo er im J. 1837 nach Königsberg i. Pr. übersiedelte. Hier gab er Unterricht in der englischen Sprache und Litteratur, veröffentlichte auch im J. 1840 eine Uebersetzung von Shakespeare's Gedichten im Versmaaße des Originals. Neben lebhafter Thätigkeit als Journalist hielt er seit dem Winter 1841 Vorlesungen über Zeitfragen, welche im J. 1842 unter dem Titel: „Glossen und Randzeichnungen zu Texten aus unserer Zeit“ im Drucke erschienen und in kurzer Frist mehrere Auflagen erlebten. Mit Joh. Jacoby befreundet, gerieth W. jetzt immer tiefer in die Politik hinein und diente der radicalen Partei als beliebter Humorist und Satiriker. Man fand in seiner Schreibweise eine Verbindung von Börne’scher Schärfe mit Jean Paul'scher Weichheit. Eine zweite Schrift „Unterthänige Reden“ aus dem Jahre 1843 trug ihm ein Jahr Festungsstrafe ein, das er im J. 1845—46 zu Graudenz verbüßte. Seine Feder rächte sich durch ein Pamphlet „Der Humor auf der Anklagebank“. Ein „Königsberger Taschenbuch“, das er im J. 1846 mit Joh. Jacoby u. a. herausgab, erlebte nur diesen einen Jahrgang und eine humoristisch-satirische Wochenschrift „Die Glocke“ brachte ihn nach lebhafter Betheiligung an der Bewegung der Jahre 1848 und 1849 wieder auf 9 Monate ins Gefängniß. Die Königsberger Bürgerschaft, die er bald nach der Uebersiedelung in ihre Stadt mit einem „humoristischen Fremdenführer durch Königsberg“ erfreut hatte, wählte ihn im J. 1850 in ihr Stadtverordnetencollegium; allein die zahlreichen polizeilichen Maßregelungen entleideten ihm den dortigen Aufenthalt so sehr, daß er im J. 1854 nach Hamburg übersiedelte. W. redigirte hier mit Karl Volckhausen den „Kompaß“, der aber bald wieder einging, und im J. 1862 in Berlin das Wochenblatt „Der Fortschritt“. Mit diesem zog er, um den häufigen Preßprocessen zu entgehen, im J. 1863 nach Gotha. Die dortigen Stadtbehörden verliehen ihm als Schutz gegen die preußischen Auslieferungsgesuche das Bürgerrecht. Als aber im J. 1866 in Gotha der preußische Einfluß überwog, ging W. nach Stuttgart. Er fand daselbst politischen Anschluß bei der württembergischen Volkspartei und führte im Verkehr mit litterarischen Genossen, wie W. Vollmer, E. Höfer, M. Hartmann und F. Freiligrath, dem er besonders nahe stand, ein bescheidenes aber behagliches Junggesellenleben. Sein milder und weitherziger Sinn erwarb ihm auch über den Kreis seiner Parteigenossen hinaus manche Freunde. Walesrode's litterarische Thätigkeit bestand zumeist in feuilletonistischen Beiträgen humoristischen Inhaltes für demokratische Zeitungen und Zeitschriften. Dem Schwabenlande, in dem er sich allmählich ganz heimisch fühlte, trug er seine Dankesschuld ab mit einer anziehenden Beschreibung der Ulmer Gewerbeausstellung des Jahres 1872, welche in zweiter, unveränderter Auflage im folgenden Jahre unter dem Titel „Deutscher Fleiß und deutsches Werk. Culturhistorische Skizzen und Bilder“ erschien. Von seinen zerstreuten Humoresken veröffentlichte W. im J. 1869 eine Auswahl als „Lose Blätter“ Bd. 1 (u. einz.). Eine bleibende Stätte in der Gunst der deutschen Familien verdient die im J. 1857 zum ersten, im J. 1881 zum zweiten Male ausgegebene Idylle in Prosa „Der Storch von Nordenthal. Ein wahrhaftiges Märchen“, welche sich den besten Stücken von Andersen zur Seite stellen darf.

    W. fand, nachdem er wegen Altersschwäche am Ende des Jahres 1888 in das Männerkrankenhaus Salon bei Ludwigsburg übergesiedelt und dort an einem Schlaganfall gestorben war, sein Grab auf dem Uffkirchhofe zu Cannstatt in unmittelbarer Nähe des Freiligrath-Denkmals. Seine Freunde ließen einen Obelisk aus Granit mit einem Bronzerelief von A. Donndorf darauf stellen.

    • Literatur

      Vgl. Brümmer, Lex. d. deutsch. Dichter II, 447. — Gottschall. Die deutsche Nationallitt. II (1861), 675 ff. —
      Buchner, F. Freiligrath II (s. d. Reg.). —
      G. Freiligrath, Beiträge zur Biogr. F. Freiligrath's S. 105. — Nekrolog im (Stuttgarter) Beobachter, Jahrg. 1889 Nr. 71.

  • Autor/in

    A. Wintterlin.
  • Zitierweise

    Wintterlin, August, "Walesrode, Ludwig" in: Allgemeine Deutsche Biographie 40 (1896), S. 729-730 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116653396.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA