Lebensdaten
1861 – 1927
Geburtsort
Großneuhausen bei Weimar
Sterbeort
Berlin-Steglitz
Beruf/Funktion
Architekt
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 118585983 | OGND | VIAF: 36994033
Namensvarianten
  • Muthesius, Hermann
  • Muthesius, Adam Gottlieb Hermann
  • Muthesius, H.

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Zitierweise

Muthesius, Hermann, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118585983.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    B Karl (s. 1);
    Wallhausen (Thüringen) 1896 Anna (1870–1961) aus Aschersleben (Thüringen), Sängerin in B., T d. Karl Emil Trippenbach (1819–88) aus Groß-Paschleben b. Köthen, Kustos u. Lehrer, u. d. Charlotte Kratz (1824–92) aus Hadersleben;
    3 S, 2 T (1 früh †), u. a. Günther (1898–1974), Architekt in Hannover, Klaus (1900–59), Dr., Dipl.-Landwirt b. Hannover, Eckart (1904–89), Architekt, Designer in B., erstellte d. „Manik Bagh“-Palast d. Maharadscha v. Indore;
    N Hans (s. 3);
    Gr-N Stefan (* 1939), Dr., Kunsthistoriker in Norwich (Norfolk) (s. W).

  • Biographie

    M. erhielt bei seinem Vater eine Maurerausbildung sowie technische und zeichnerische Grundkenntnisse. Daneben wurde er vom Pfarrer des Dorfes in Latein, Französisch und|Musik unterrichtet. Nach einem halben Jahr Vorbereitung in einem privaten Lehrinstitut in Halle absolvierte er das Realgymnasium in Weimar und legte 1882 die Reifeprüfung ab. 1883 zunächst für Philosophie und Kunstgeschichte immatrikuliert, studierte er bis 1887 Architektur an der TH in Charlottenburg. Zu seinen Lehrern gehörte Hermann Ende (1829–1907), der zusammen mit Wilhelm Böckmann (1832–1902) eines der erfolgreichsten Architekturbüros der Kaiserzeit in Berlin führte. Eine Zeitlang arbeitete er auch bei Paul Wallot (1841–1912). Nach bestandener Bauführerprüfung ging M. bis 1891 als Mitarbeiter von Ende & Böckmann nach Tokio; seit 1893 war er im Entwurfsbüro des Preuß. Ministeriums für öffentliche Arbeiten tätig. 1896 wurde er auf kaiserliche Initiative „zur technischen Berichterstattung“ an die Deutsche Botschaft in London entsandt, wo er sich mit der neuesten Entwicklung im engl. Kunstgewerbe und in der Architektur vertraut machen sollte. Hier publizierte er eine Fülle von Berichten, Aufsätzen und Schriften, insbesondere „Stilarchitektur und Baukunst“ (1902, ²1903), worin er die sinnentleerte Verwendung architektonischer Formen und Stile vergangener Epochen anprangerte, und „Das englische Haus“ (3 Bde., 1904/05), das er in seiner prunklosen Behaglichkeit und seiner Verbindung mit der Natur als vorbildlich charakterisierte.

    1904 kehrte M. nach Deutschland zurück, wo er bis zu seiner Pensionierung 1926 im preuß. Handelministerium die Verantwortung für die Reform der preuß. Kunstgewerbe- und Fachschulen trug. Gleichzeitig begann er als Architekt für Landhäuser hervorzutreten, wobei er in bewußtem Gegensatz zu den Anschauungen der Gründerzeit auf das Sockeigeschoß verzichtete, den Grundriß nach den Bedürfnissen der Bewohner strukturierte sowie Haus und Garten in engere Beziehung zueinander setzte. Das erste Landhaus, das er 1904 für seinen Vorgesetzten Hermann v. Seefeld in Zehlendorferbaute, wirkte wie eine Sensation; M. wurde zum gefragtesten Architekten des gehobenen Bürgertums und errichtete Villen in fast allen ländlichen Vororten Berlins.

    Im Frühjahr 1907 trat M. in einer Antrittsvorlesung an der Berliner Handelshochschule erneut dafür ein, die Stilimitationen und den „unechten Prunk“ der zweiten Hälfte des 19. Jh. aufzugeben. Darauf reagierten Fabrikanten und Händler mit lebhaftem Protest; der „Fachverband zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen des Kunstgewerbes“ richtete ein Gesuch an den Kaiser, M. sofort zu entlassen. Die hierdurch ausgelöste Diskussion führte jedoch schließlich dazu, daß sich reformwillige Künstler, Industrielle und Kunstfreunde im Oktober 1907 zur Gründung des „Werkbundes“ in München zusammenfanden. M., der in der Befürchtung, sein Auftreten könnte neuerliche Diskussionen auslösen, nicht an der Gründungssitzung teilgenommen hatte, wurde in Abwesenheit zum 2. Vorsitzenden gewählt. In den folgenden Jahren setzte er sich in der Reichshauptstadt nachhaltig für die Verbreitung der Ziele des Werkbundes ein; er vermittelte Kontakte zu Behörden und zwischen den unterschiedlichsten Persönlichkeiten aus Gesellschaft und Industrie. Erst auf der Werkbundtagung 1914 in Köln, als M. in 10 Leitsätzen die Notwendigkeit einer „Typisierung“ zur Diskussion stellte, kam es zum Eklat. M. ging es um die Entwicklung gebrauchsfähiger und formschöner Gegenstände für die industrielle Fertigung – er hatte auch schon früher maschinell hergestellten Produkten künstlerischen Wert zugesprochen, wenn sie nur „logisch aus den Bedingungen der Maschine“ entwickelt worden waren -, nun aber meldete H. van de Velde heftigen Widerspruch an. In der anschließenden, teilweise sehr polemisch geführten Debatte ging es nur scheinbar um unterschiedliche Überzeugungen; die Angriffe richteten sich eigentlich gegen M.s Einfluß innerhalb der kunstgewerblichen Bewegung überhaupt.

    Durch den Ausbruch des Krieges wurden die weitere Auseinandersetzung und die drohende Spaltung zunächst verhindert; M., der die Angriffe der Gruppe um van de Velde zeitlebens nicht verwand, trat jedoch im Januar 1916 als 2. Vorsitzender zurück und nahm an späteren Diskussionen nicht mehr teil. Schon vor dem Krieg hatte er am Bau von Wohnsiedlungen wie der Gartenstadt Hellerau (1910) mitgewirkt; während des Krieges und danach setzte er sich verstärkt mit dem Problem der Wohnungsnot auseinander (Kleinhaus und Kleinsiedlung, 1918; Kann ich auch jetzt noch mein Haus bauen?, 1920). Mit einem meist differenzierten architektonischen Programm (verschiedene Haustypen innerhalb einer Siedlung, gekrümmte Straßen, Plätze) wiesen seine Überlegungen weit voraus, während er unter dem Einfluß der Kritik Friedrich Ostendorfs in seinen Landhäusern bereits seit 1912 zunehmend zu neobarocken und klassizistischen Formen zurückgekehrt war. – M. war einer der herausragenden geistigen Anreger der wilhelminischen Zeit. Seine Ideen, die 1914 beinahe zur|Auflösung des Werkbundes geführt hatten, fingen später „wie selbstverständlich“ (H.-J. Hubrich) in dessen weitere Arbeit ein und wurden prägend für die gesamte moderne Entwicklung.|

  • Auszeichnungen

    GR (1904).

  • Werke

    Weitere W u. a. Über 70 Landhäuser, vorwiegend in Berlin, u. a. „Rehwiese“, 1906, „Freudenberg“, 1907/08, „de Burlet“, 1911, „Cramer“, 1911/12;
    Duisburg, Kleinhäuser, um 1910;
    Nowawes b. Potsdam, Seidenweberei Michels & Cie., 1912 (mit K. Bernhard);
    Berlin-Altglienicke, Siedlung mit ca. 60 Einfam.häusern, 1914;
    Emden, Siedlung „Friesland“, um 1914;
    Nauen, Großfunkstelle „Telefunken“, 1917-20;
    Leipzig-Lößnig, Gartenstadt, vor 1918;
    Stettin, Siedlung „Ackermannshöhe“, vor 1918;
    Berlin-Wittenau, Siedlung, 1924–28. – Schrr. u. a. Der Kirchenbau d. engl. Secten, Diss. Dresden, 1902;
    Landhaus u. Garten, 1907;
    Wo stehen wir?, Vortrag auf d. IV. J.verslg. d. Dt. Werkbundes in Dresden, 1911;
    Die schöne Wohnung, 1922. |

  • Nachlass

    Nachlaß: Werkbund-Archiv, Berlin. – Zu Stefan: Das engl. Vorbild, Eine Studie zu d. dt. Reformbewegungen in Arch., Wohnbau u. Kunstgewerbe im späteren 19. Jh., 1974; ders., The English Terraced House, 1982 (dt. u. d. T. Das engl. Reihenhaus, 1990).

  • Literatur

    Th. Heuss, in: Der Heimatdienst VII, 1927, S. 379;
    F. Schultze, in: Zbl. d. Bauverw. 47, 1927, S. 573 f.;
    Baugilde 9, 1927, Sp. 1282 f. (P);
    Dt. Bauztg. 61, 1927, S. 728 (P);
    N. Pevsner, Wegbereiter moderner Formgebung, 1957;
    J. Posener, Anfänge d. Funktionalismus, 1964 (P, Auszüge aus d. Schrr.);
    J. Campbell, Der Dt. Werkbund 1907-1934, 1989 (engl. u. d. T. The German Werkbund, 1978) (L, P);
    S. Günther u. J. Posener, H. M. 1861-1927, Ausst.kat. Berlin 1977 (Gesamtverz. d. W u. Schrr., Bi-bliogr., P);
    H.-J. Hubrich, H. M., Die Schrr. z. Architektur, Kunstgewerbe, Industrie in d. „Neuen Bewegung“, 1980/81;
    W. Petsch-Bahr, in: W. Ribbe u. W. Schäche (Hrsg.), Baumeister, Architekten, Stadtplaner, 1987, S. 321-40 (W, P);
    H. M. im Werkbund-Archiv, Ausst.kat. Berlin 1990 (P);
    ThB.

  • Autor/in

    Julius Posener . Regine Sonntag
  • Zitierweise

    Posener, Julius; Sonntag, Regine, "Muthesius, Hermann" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 651-653 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118585983.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA