Lebensdaten
1834 – 1912
Geburtsort
Hamburg
Sterbeort
Breslau
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Historiker
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118523392 | OGND | VIAF: 108192
Namensvarianten
  • Dahn, Julius Sophus Felix
  • Dahn, Felix
  • Dahn, Julius Sophus Felix
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Dahn, Felix, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118523392.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Frdr. (1810–89), Schauspieler u. Regisseur in Hamburg, Wien, München (s. ADB XLVII), S des Christoph Frdr. (1776–1820), Perückenmachermeister in Berlin, u. der Sophie Trautmann, Inhaberin einer Haarflechten- u. Lockenfabrik;
    M Konstanze (1812–94), Schauspielerin, T des Jean Charles Le Gaye (1770–1818), Hofkapellmeister b. Kg. Jérôme in Kassel, u. der Anna Antoinette, T des preußischen Geh. Kriegsrats Joh. Christoph Schäffer in Magdeburg u. der Hel. Cath. Elis. Jänichen (Urenkelin des Joh. Jänichen [ 1731], Dichter, s. ADB XIII); Stiefmutter Marie D.-Hausmann (1829–1909), Schauspielerin (s. BJ XIV, S. 79-82 [u. Tl. 1909, L]), T des Schauspielers Ludw. Hausmann (1803–76, s. ADB XI) u. der Schauspielerin Julie Weick (1809 - n. 1849, s. ADB XI unter Hausmann);
    B Ludw. (1843–98), bayerischer Hofschauspieler (s. BJ III, S. 101 f.);
    Schw Konstanze (1846–1933, den bayerischen General der Art. Theodor v. Bomhard [1841–1945], N des bayerischen Finanzministres Eduard v. Bomhard [ 1886], s. NDB II);
    1) 1858 ( 1873) Sophie Fries (1835–98), Malerin (s. ThB), 2) Königsberg 1873 Therese (1845–1929), Schriftstellerin (s. DBJ XI, Tl. 1929, L), T des Dr. med. Josef Maria Frhr. v. Droste zu Hülshoff u. der Julie Kock, (N 2. Grades der Dichterin Annette Freiin v. Droste z. Hülshoff, 1848);
    1 S, 1 T.

  • Biographie

    D. wuchs in München in einer an geistigen Anregungen reichen, künstlerisch bestimmten Atmosphäre auf, die durch die Trennung seiner Eltern 1850 jäh zerstört wurde und für den überaus begabt Heranreifenden in einer seelischen Erschütterung endete, welche ihn in eine geradezu krankhafte Vereinsamung, Arbeitsaskese, rigoristische Sittlichkeit und Frühreife hineintrieb. Von früh an fühlte er sich durch die Geschichte und die Philosophie gefesselt, in seiner sehr lebhaften Phantasie und Innerlichkeit durch die Überlieferungen der Antike und des Germanentums befeuert. Einer preußisch-protestantischen Familie in bayrisch-katholischer Umwelt entwachsen, wurde er zu einem aufgeklärten Liberalismus und zu einem weltanschaulichen Monismus gedrängt, in welchem sich, zwischen Materialismus und Supranaturalismus, ein mystisch-rationaler Glaube an die immanente Weltgesetzlichkeit, an eine natürliche und vernünftige Humanität als „Sprache, Familie, Kunst, Religion, Sittlichkeit, Recht und Wissen“ ausprägte. Entwicklungsgedanke und Entsagungslehre fließen in dieser Weltanschauung eines idealistischen Realismus zusammen (Erinnerungen II, S. 35). D. wurde zu diesem „objektiven Idealismus“ durch den Münchner Philosophen Karl von Prantl hingeführt, den er noch als Student gegen kirchliche Angriffe mutig verteidigt hat (Verteidigung der Prantl’schen Philosophie gegen einen ultramontanen anonymen Angriff, 1851,|später Bausteine IV 2, S. 95). Eine Wirkung dieser Schrift war der Wechsel des Studenten der Rechte von der Universität München nach Berlin und der spätere Verzicht auf eine philosophische Habilitation in München. Das breit angelegte Studium endete 1855 mit der Promotion zum Dr. jur.; schon 1857 erhielt er nach glänzenden Zeugnissen in München die Privatdozentur für Deutsches Recht, Rechtsphilosophie, Handelsrecht und Staatsrecht, also jene Gebiete, denen seine akademische Lebensarbeit vornehmlich treu geblieben ist. Den Juristen fesselten philosophische und danach germanistisch-historische Fragen (Habilitation: „Studien zur Geschichte der germanischen Gottes-Urteile“, 1857).

    In Berlin hatte D. den Zugang zu dem Haus von Franz Kugler und durch F. Eggers, P. Roquette zu dem Dichterbund „Tunnel über der Spree“ gefunden, der ihn unter anderem mit Th. Fontane zusammenbrachte und den jungen Dichter zur heroisch-geschichtlichen Ballade führte, in der sich seine lyrisch-epische, rhythmisch-rhetorische Begabung am freiesten auszuleben vermochte. Die Spätromantik (Fouqué) und der Klassizismus (Platen) befruchteten ihn stofflich und formal; seine enthusiastische, empfindsame Phantasie suchte die großen historischen Stoffe, in denen sich weltgeschichtliche Übergänge vollziehen, heldische Schicksale abspielen. 1854/55 entstand im Zeitstil das Versepos „Harald und Theano“, zu dessen Veröffentlichung F. Rückert herzlich ermunterte; 1857/58 folgte das Epos „Die Amalungen“ (veröffentlicht 1876). Beide Dichtungen deuten auch formal auf den nachromantischen Historismus als D.s entscheidendes Bildungserlebnis. Früh fand er zu seinen dauernden geschichtlichen Stoffen: der germanisch-deutschen Frühgeschichte in der Auseinandersetzung mit der zerfallenden antiken Welt und einem aus liberaler Perspektive gesehenen Christentum. 1857/58 begann die Arbeit an seinem erfolgreichsten Buch, dem Roman „Ein Kampf um Rom“. Damit war in diesen Jahren der Inhalt seines Lebenswerkes festgelegt und entschieden. Der Münchner Privatdozent gesellte sich zu dem Dichterkreis „Das Krokodil“; er geriet als Lyriker damit unter den Einfluß E. Geibels und schloß langjährige Freundschaft mit V. von Scheffel. Finanzielle Not, journalistische Brotarbeit begleiteten bedrückend diese Jahre; sie führten, zusammen mit einer verfehlten Heirat 1858, schließlich zu einem körperlich-seelischen Zusammenbruch, aus dem 1862 nur eine längere Italienreise rettete. 1863 kam befreiend die Berufung als außerordentlicher Professor nach Würzburg; 1872 erfolgte die Berufung als ordentlicher Professor nach Königsberg, 1888 nach Breslau, wo er in unermüdlicher Arbeitskraft als Gelehrter, Dichter, Lehrer und Redner Jahre des vollen und überaus populären Ruhmes genoß und wo er sich als ein Hüter des Deutschtums im Osten verstand. Feste, aber auch enge bürgerliche Lebensgesinnung, eine idealistische, wenig weltoffene Geistigkeit, ein strenges wissenschaftliches Ethos, ein populäres pädagogisches Missionsbewußtsein und ein rasch entflammter Patriotismus verbanden sich in ihm zu einer kraftvollen, stark die subjektive, selbstbewußte Persönlichkeit und ihre sittliche Verantwortung betonenden Männlichkeit. Zugleich entwickelte sein vielleicht aus französischem Bluterbe belebtes ruheloses Temperament die Neigung zum Emotional-Pathetischen, Romantisch-Bekenntnishaften, die bis zum Theatralisch-Effektvollen, zum prunkvollen Kostüm ausarten konnte und ihn, den man den „Piloty der Dichtung“ genannt hat, als einen typischen Repräsentanten der dekorativen Lebensstimmung im späten 19. Jahrhundert ausweist. Die entscheidende geistige Prägung erhielt er in dem Jahrzehnt bis 1860; hier liegen die Wurzeln seines Historismus, Liberalismus, Patriotismus, seiner Kombination von spätromantischen und realistischen, gefühlhaften und willensbetonten Tendenzen. D.s Entwicklung ist typisch für den Übergang des Bürgertums vom Liberalismus der Innerlichkeit zum Patriotismus der Bismarckzeit und der Reichsgründung, die er, ursprünglich großdeutsch gesonnen, gläubig bejaht hat. In den Jahren 1858-67 zeigt sich die Konzentration auf die wissenschaftliche Arbeit, seit der Begegnung mit seiner zweiten Gattin setzte eine reiche, allmählich in das Uferlose anschwellende literarische Produktion ein. Der Krieg 1870/71, an dem er begeistert als Johanniter teilnahm, die Berufung nach Königsberg und die zweite Heirat bedeuteten einen lösenden Aufschwung der Kräfte, die jetzt im Persönlichen wie im Vaterländischen an ihr sicheres Ziel gekommen waren.

    In der Mitte des wissenschaftlichen Werkes steht die große Darstellung „Die Könige der Germanen“ (11 Bände, 1861-1907). Um sie lagern sich die Monographien. Noch 1905 erschien „Die Germanen“ als volkstümliche Darstellung aus Geschichte, Recht, Wirtschaft und Kultur. Daneben lagern sich zahlreiche, auch populär rechtswissenschaftliche Veröffentlichungen; in den „Bausteinen“ (8 Bände, 1879-84) hat er seine rechtsphilosophischen, historischen und philosophischen Abhandlungen und Rezensionen gesammelt. Charakteristisch für diese breite wissenschaftliche Arbeit ist die enzyklopädische Anlage, die aus intimer Quellenkenntnis Geschichte und Recht, Sitte und Kultur zusammengefaßt hat und vor allem darin wissenschaftsgeschichtlich fruchtbar wurde. Seit 1867 entfaltete sich zugleich eine dichterische Tätigkeit in allen Gattungsformen. Schon 1857 erschien der erste Band „Gedichte“, die schließlich in 4 Sammlungen bis 1892 vorlagen. Auch eine neulateinische Lyrik politischen Inhalts erschien, angeregt durch Scheffels Erneuerung lateinischer Verskünste, unter dem Titel „Macte senex Imperator“. Unzweifelhaft ist dem Lyriker D. die Ballade am sichersten gelungen; auch dort, wo er sie mit rhetorischem Schwung und leidenschaftlicher Begeisterung aus dem Erlebnis von 1870/71 nährte. Vergessen ist trotz erfolgreicher zeitgenössischer Aufführungen, trotz unverkennbaren Theatersinns und geschickter Bühnenwirksamkeit die Reihe seiner historischen Dramen und seiner Lustspiele. Die breiteste Wirkung gewann der Roman „Ein Kampf um Rom“ (4 Bände, 1876 bis 1878), der den Untergang der Ostgoten in Italien halb historisch, halb in freier Erfindung, mit starken Spannungsmitteln und heftiger Theatralik schildert. Mit dem Bilde des Germanentums verknüpfte D. aktuelle politische Perspektiven auf den Kampf Österreichs um Italien und die Technik des französischen und jungdeutschen Feuilletonromans nach E. Sue, eine Mischung, die zusammen mit dem Typenhaften der flachen Menschenzeichnung das Buch trotz seines riesigen Erfolges rasch veralten ließ (Typus ,Professorenroman'). Dieser Erfolg verführte ihn zu einer Flut weiterer Romane und Nacherzählungen aus der Heldensage, der Völkerwanderungszeit und aus der deutschen Geschichte, aus der nordischen Mythologie (wie „Odhins Trost“, 1880), in welcher er die Möglichkeit einer neuen völkischen Religiosität mit modernen weltanschaulichen Zusätzen zu finden glaubte. In „Sind Götter“ (1874) hat er seine eigene späte Liebesgeschichte umgeschrieben und mit seiner Weltanschauung eines pflichtbewußten, tathaften Heldentums und einer im Schmerzlichen mutigen Entsagungslehre gefüllt. Mit dem Ausdrucksverlangen einer unermüdlichen künstlerischen Phantasie und Emotionalität, die ihn auch zur Oper zog, verband sich ein ausgeprägter pädagogischer Sinn in seiner Dichtung, der dem Volk eine ihm eigene, historisch-sittliche Weltanschauung zu geben suchte. In dieser Grundgesinnung flossen bei ihm Idealismus und Nationalismus in einer für die bürgerliche Entwicklung im späten 19. Jahrhundert repräsentativen Weise zusammen. D.s „Erinnerungen“ (6 Bände, 1890-95) bieten ein sehr lebendiges und persönliches Kulturbild vom endenden Biedermeier bis zum kaiserlichen Reich.

  • Werke

    Weitere W Prokopius von Caesarea, 1866;
    Paulus Diaconus, 1876;
    Westgot. Stud., 1874;
    Urgesch. d. german. u. roman. Völker, 4 Bde., 1880-89;
    Deutsche Gesch. bis 814, 2 Bde., 1883-88;
    Walhall, 1880 (mit Therese D.);
    Julian d. Abtrünnige, 3 Bde., 1893;
    Karl d. Große u. seine Paladine, 1887 (mit Therese D.);
    Sämtl. Werke poet. Inhalts, 21 Bde., 1899, NF, 4 Bde., 1903;
    W-Verz. in: Nekrolog zu Kürschner, Lit.-Kal. 1901-36, 1936.

  • Literatur

    H. Meyer, Chronik d. Univ. Breslau, 20. Jg., 1911/12;
    M. Koch, Nekrolog, in: 90. Jber. d. Schles. Ges. f. vaterländ. Kultur, 1913;
    Th. Siebs, D. u. V. v. Scheffel, 1914;
    H. Jantzen, in: BJ XVII, S. 100-107 (W, L), XVIII (Tl. 1912, L);
    H. Eckenroth, D. als Dramatiker, Diss. Würzburg 1921;
    J. Weißer, Stud. zu d. german. Romanen D.s, Diss. Köln 1922;
    s. a. Körner, S. 446. - Zu allen Schauspielern d. Fam.: R. Grahey, Die Fam. D. u. d. Münchner Hofschauspiel (1833–99), Diss. München 1932, = Theatergesch. F 42, Innsbruck 1931 (L);
    Eisenberg, 1903.

  • Porträts

    Hschn. in: LIZ 81, 1883, S. 205 u. 102, 1894, S. 525;
    Lithogr. v. W. Rohr (Graph. Slg. München).

  • Autor/in

    Fritz Martini
  • Zitierweise

    Martini, Fritz, "Dahn, Felix" in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 482-484 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118523392.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA