Lebensdaten
1894 – 1942
Geburtsort
Prag
Sterbeort
Internierungslager Wülzburg bei Weißenburg (Bayern)
Beruf/Funktion
Pianist ; Komponist
Konfession
-
Normdaten
GND: 11910783X | OGND | VIAF: 39563213
Namensvarianten
  • Schulhoff, Ervín Gustavovic
  • Petrl, Hanuš (Pseudonym)
  • Hanel, Georg (Pseudonym)
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Schulhoff, Erwin, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11910783X.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus dt.-jüd. Kaufleutefam. in P.;
    V Gustav (1860–1942 Theresienstadt), Wollwarengroßhändler, S d. Simon (* 1829);
    M Louise (1861–1938). aus Frankfurt/Main. T d. Heinrich Wolff (1813–98), Geiger, Komp., Konzertmeister d. Museumskonzerte in Frankfurt (s. BJ V. Tl.; MGG; Riemann);
    Gr-Ov Julius (1825–98). Pianist, Komp., Musikpäd., Prof. (s. ADB 54; Riemann mit Erg.bd.; MGG mit Suppl.-bd.; MGG²; ÖBL; Österr. Musiklex);
    1 Schw Viola (* 1896?, Kurt Günther, 1893–1955, Künstler, Maler, Graphiker, Prof., Schüler v. Richard Müller in Dresden, s. L), Malerin, 1 B Heinz (* 1901?. früh †);
    - 1) Prag 1921 Alice Libochowitz (Libochovicova) (1891–1939). aus Berlin, 2) Mährisch Ostrau (Ostrava) 1938 Marie (Mimi) S.-Gabrielová ( 1974);
    1 S aus 1) Peter Heinrich Wolf (* 1922), Regisseur u. a. im Filmstudio Barrandov b. P.

  • Biographie

    Der hochtalentierte S. erhielt seit 1901 von Heinrich (Jindřich z Albestů) Kàan (1852–1926) privaten Klavierunterricht, bevor er 10jährig in dessen Klavierklasse am Prager Konservatorium eintrat. Erste Kompositionen entstanden 1902. Der weitere Ausbildungsweg führte über Wien nach Leipzig (1907–10), wo S. Klavierschüler von Robert Teichmüller wurde und von Max Reger wichtige Impulse empfing, und schließlich nach Köln. Am dortigen Konservatorium schloß S. 1913 sein Studium ab und gewann den Wüllner-Preis. 1914-18 leistete S. Kriegsdienst in der k. u. k. Armee. Auf die ihn tief schockierenden Erlebnisse reagierte er mit einer politischen Hinwendung zu sozialistischen Ideen und auch mit künstlerischer Neuorientierung. 1919 zog S. zu seiner Schwester Viola nach Dresden und knüpfte hier Kontakte zu Musikern, Dichtern und Malern wie Otto Dix und Otto Griebel. Zusammen mit dem Opern-Kapellmeister Hermann Kutzschbach (1875–1938) initiierte S. eine Konzertreihe unter dem Motto „Aus der Werkstatt der Zeit“, in der er Werke u. a. von Schönberg, Alban Berg, Egon Wellesz, aber auch eigene Kompositionen zur Aufführung brachte. Dem Maler George Grosz widmete er seine „Fünf Pittoresken für Klavier“ op. 31.

    1920 nahm S. eine Stelle als Klavierlehrer in Saarbrücken an, zog wenig später nach Berlin und im Dez. 1923 nach Prag. Hier war er 1924-26 Musikreferent beim „Prager Abendblatt“ und Mitarbeiter der Musikzeitschrift „Der Auftakt“. Zugleich waren diese Jahre geprägt von großer schöpferischer Aktivität, wichtige Werke entstanden. Im Juli 1924 wurde auf dem Kammermusikfest Donaueschingen sein Streichsextett durch das Zika-Quartett und Paul und Rudolf Hindemith uraufgeführt, S. nahm mehrmals an den Festen der Internat. Gesellschaft für Neue Musik teil und begann die Arbeit an seiner Oper „Flammen“ (Text v. K. J. Beneš, vollendet 1929, UA Brunn 1932). 1925 war S. der erste Interpret am Vierteltonklavier von Alois Hä-ba (1893–1973), 1927-29 unternahm er mehrere Reisen mit Konzerten und Rundfunkauftritten, u. a. in Paris, London und Berlin.

    Angesichts der sich zuspitzenden politischen Lage trat S. 1931 der kommunistischen „Lefá fronta“ (Linken Front) bei und besuchte 1933 Moskau. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten beendete seine Kontakte zu Deutschland. S. ging 1935 als Rundfunkpianist nach Mährisch Ostrau, kehrte 1939 nach Prag zurück und erhielt nach der Errichtung des „Protektorats Böhmen und Mähren“ Arbeitsverbot. Sein Plan, mit seiner Familie in die Sowjetunion zu emigrieren, scheiterte. Nach dem dt. Überfall auf Rußland wurde S., der die Sowjet. Staatsbürgerschaft erworben hatte, am 23.6.1941 inhaftiert und im Dezember in das Lager Wülzburg bei Weißenburg gebracht, wo er an Tuberkulose starb.

    Erst anläßlich seines 100. Geburtstags haben sich Musikwelt und Forschung wieder stärker an den vielseitigen Künstler S. erinnert. Zu Lebzeiten fand er besonders in den 20er fahren als technisch herausragender Klavierinterpret Neuer Musik und (azzpianist, aber auch als Komponist und Musikschriftsteller Anerkennung. In seinen Kompositionen verband er, ausgehend von der Spätromantik, die verschiedensten Strömungen über Expressionismus, Neoklassizismus bis zu Dada und Jazz zu einem individuellen, fantasievollen und vielschichtigen Stil. Zentrales Element seiner Werke war der Rhythmus, wie S. selbst in einem Aufsatz „Revolution und Musik“ 1919 schrieb. Aus dem Bestreben S.s, gemäß seinen sozialistischen Überzeugungen Musik für Massen zu schreiben, resultierte jedoch seit den 30er Jahren eine starke Vereinfachung der ehemals reichen Rhythmik.

  • Auszeichnungen

    Wüllner-Preis (Köln 1913);
    Mendelssohn-Preis d. Berliner Musikhochschule f. Klavier (1913) u. f. Komposition (1918).

  • Werke

    Weitere W u. a. Klaviersonate op. 22;
    Zehn Klavierstücke op. 30, Druck mit kolorierten Lithogrr. v. O. Griebel. 1920;
    Die Wolkenpumpe, Gesänge n. Texten v. Hans Arp f. Bariton, 4 Bläser u. Schlagzeug|op. 40 (W-Verz. 61);
    Suite f. Kammerorch. (W-Verz. 58), 1922;
    Ogelala, Ballettmysterium in e. Akt, UA Dessau 1925;
    Konzert f. Streichquartett mit Begleitung d. Blasorchesters (W-Verz. 97);
    8 Symphonien, u. a. 1. Symphonie (W-Verz. 76). 1925. UA durch Erich Kleiber in Berlin 20.4.1928;
    Oratorium „Das Manifest“ nach Marx/Engels. 1932;
    - Schrr.: E. S. Schrr., hg. u. kommentiert v. T. Widmaier, 1995;
    -Teil(?)nachlaß: Archiv d. tschech. Musik in Prag (Fonds S 173).

  • Literatur

    T. Widmaier. Dadaist mit Wolkenpumpe, Zur Wiederentdeckung v. E. S., in: Neue Zs. f. Musik 152, 1991, S. 5-11;
    J. Bek, E. S., in: Komponisten d. Gegenwart, hg. v. H. W. Heister u. W. W. Sparrer. 1992 (Loseblattslg.);
    ders., E. S., Leben u. Werk, 1994 (P, W-Verz.: W. Labhart. Vom Modemusiker zum Politmusiker, Hinweise auf E. S., in: Dissonanz, Die neue schweizer. Musikzs. 33, 1992, S. 4-7;
    ders., Moskau als unerreichter Fluchtpunkt, Zum 100. Geb.tag d. Komp. E. S., in: NZZ v. 7.6.1994;
    E. S., Die Referate d. E. S.-Kolloquiums in Köln am 7. Okt. 1992, hg. v. G. Eberle. 1993;
    Zum Einschlafen gibt's genügend Musiken, Die Referate d. E. S.-Kolloquiums in Düsseldorf im März 1994, hg. v. T. Widmaier, 1996;
    R. Kugele. E. S. u. d. „Fortschrittskonzerte“ in Dresden 1919/20, in: Dresden u. d. avancierte Musik im 20. Jh., T. I: 1900-1933, hg. v. M. Herrmann u. H. W. Heister, 1999, S. 197-204 (P);
    Biogr. Lex. Böhmen;
    Riemann mit Erg.bd.: MGG;
    ÖBL;
    New Grove²;
    MGG²;
    Österr. Musiklex.;
    zu Kurt Günther:K. G. 1893-1955. Ausst.kat. Kunstgal. Gera, Otto-Dix-Haus, bearb. v. H. P. Saupe, 1993;
    Vollmer.

  • Porträts

    Holzschnitt v. C. Felixmüller (Altenburg, Staatl. Lindenau Mus.), Abb. in: Dresden u. d. avancierte Musik im 20. Jh. (s. L).

  • Autor/in

    Marion Brück
  • Zitierweise

    Brück, Marion, "Schulhoff, Erwin" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 683-684 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11910783X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA