Lebensdaten
1860 – 1954
Geburtsort
Breslau
Sterbeort
Berlin-Charlottenburg
Beruf/Funktion
Jurist ; Politiker
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118824155 | OGND | VIAF: 47558697
Namensvarianten
  • Schiffer, Eugen
  • Schiffer

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Zitierweise

Schiffer, Eugen, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118824155.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Bernhard (1830–1900), Kaufm. in Breslau;
    M Mathilde Kassel (1832–88), aus Zülz (Oberschlesien);
    Breslau 1888 Bertha (1858–1919), T d. Julius Ludwig Buttermilch, Kaufm. in Breslau, u. d. Adelheid Egers (1831–96);
    1 S, 2 T Mathilde (Tilla) (1889–1969, 1] (⚮) N. N. Guionneau, 2] 1933 Waldemar Koch, 1880–1963, Dr. phil., Dr.-Ing. habil., Dr. oec. h. c., Wirtsch.ing., 1918/19 Vors. d. Bürgerrats v. Groß-Berlin, 1934 Entzug d. venia legendi an d. TH Berlin-Charlottenburg, 1945 Mitbegr. u. 1. Vors. d. LDPD in d. SBZ, 1949-53 o. Prof. d. BWL an d. TU Berlin, Gründer u. Hg. d. Zs. „Der Wirtschaftsprüfer“, Vors. d. Verbandes Dt. Wirtsch.ingenieure e.V., Aufsichtsratsmitgl. d. AEG, s. L), Marie (* 1891), wurde mit ihrem Vater 1943 in e. Ghetto in Berlin verbracht (s. L).

  • Biographie

    Nach dem Besuch des Elisabeth-Gymnasiums in Breslau studierte S. Jura in Breslau, Leipzig und Tübingen. 1880 trat er in den preuß. Justizdienst ein und wurde nach Stationen in Zabrze (Oberschlesien) und Magdeburg 1906 Kammergerichtsrat und schließlich 1910 Oberverwaltungsgerichtsrat in Berlin. Während des 1. Weltkriegs war er Berater Wilhelm Groeners und leitete die Rechtsabteilung im Kriegsministerium. Im|Okt. 1917 wurde er Unterstaatssekretär im Reichsschatzamt, nach der Revolution im Nov. 1918 Staatssekretär, nachdem er sich dank der Unterstützung seitens der Großindustrie, seines Ehrgeizes und seiner Rednergabe als Parlamentarier einen Namen gemacht hatte. 1903-18 vertrat er die Nationalliberalen im preuß. Abgeordnetenhaus, 1912-17 auch im Reichstag. Er begrüßte zwar die Stärkung des Parlaments, lehnte jedoch als Monarchist die Revolution ab. 1918/19 Mitbegründer der „Dt. Demokratischen Partei“ (DDP), gehörte S. der Weimarer Nationalversammlung und bis 1924 dem Reichstag (jeweils als Fraktionsvors.) sowie dem Preuß. Landtag an.

    Von Febr. bis April 1919 war S. Reichsfinanzminister und „stellv. Präsident des Ministerrates“ im Kabinett Scheidemann. Er entwickelte ein vorläufiges Steuerprogramm, das die Grundlage für die spätere Erzbergersche Steuergesetzgebung bildete. Für seinen am 28. März 1919 eingereichten Rücktritt, dem im April stattgegeben wurde, nannte Schiffer persönliche Gründe. Vom 2.10.1919 bis zum 2.4.1920 sowie vom 10. 5. bis zum 26.10.1921 leitete er das Justizressort im 2. Kabinett Bauer und im 1. Kabinett Wirth. Er opponierte gegen Sozialisierungspläne, setzte sich für eine Verwaltungsreform ein und trug als einziger in Berlin zurückgebliebener Reichsminister des auf sein Anraten nach Stuttgart geflüchteten Kabinetts wesentlich zum Scheitern des Kapp-Lüttwitz-Putsches im März 1920 bei. Da er mit den Putschisten inoffiziell verhandelte und ihnen Amnestie zusicherte, mußte er auf Druck der Sozialdemokraten zurücktreten.

    1921/22 leitete S. die dt. Delegation bei den Oberschlesien-Verhandlungen mit den Alliierten in Genf, die zum Vertrag vom 15.5.1922 zur Sicherung des oberschles. Warenaustausches und zum Schutz der Minderheiten führten. 1922/23 vertrat er das Reich am Internationalen Gerichtshof in Den Haag. In seiner letzten Reichstagsrede im Aug. 1924 trat er für die Annahme des Dawes-Abkommens ein. Als 1925 der Versuch, einen Zusammenschluß der Mittelparteien zur „Liberalen Vereinigung“ herbeizuführen, mißlang, zog er sich aus der aktiven Politik zurück und trat aus der DDP aus.

    S. widmete sich nun der Leitung der Berliner Verwaltungsakademie, die 1921 auf seine Initiative als erste Beamtenhochschule gegründet worden war, betätigte sich als Rechtsanwalt und übernahm einen Beraterposten des Bankhauses Mendelssohn & Co. sowie den Aufsichtsratsvorsitz der Anhaltischen Kohlenwerke AG. Sein rechtspolitisches Werk „Die Dt. Justiz“ löste 1928 eine lebhafte Diskussion um eine Justiz- und Verwaltungsreform aus. Noch im selben Jahr formulierte er die Thesen seines Buchs als Entwurf eines Gesetzes „zur Neuordnung des dt. Rechtswesens“. Dank einflußreicher Fürsprecher (u. a. Erich Seeberg, Johannes Popitz, Lutz Gf. Schwerin-Krosigk) blieb der Hochbetagte während des Dritten Reichs zunächst weitgehend unbehelligt; 1943 mußten er und seine Tochter Marie in ein jüd. Ghetto in Berlin übersiedeln.

    Nach Kriegsende gründete S. gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Waldemar Koch und mit Wilhelm Külz (1875–1948) in der sowjet. Besatzungszone die „Liberaldemokratische Partei Deutschlands“ (LDPD). Seit Aug. 1945 leitete er im Auftrag der sowjet. Militäradministration drei Jahre lang die zentrale Justizverwaltung in der SBZ und übersiedelte danach in den westlichen Sektor von Berlin.|

  • Auszeichnungen

    Dr. iur. h. c. (Halle 1929, Berlin 1950).

  • Werke

    Weitere W Der neueste Entwurf z. Reform d. Strafverfahren, 1896;
    Die Rechtskonsulenten, 1897;
    Dtld.s Finanzlage u. Steuerpol., 1918/19;
    Das erste Jahr d. Rev., 1919;
    German-Polish conference on Upper Silesia, 1922;
    Die Dt. Justiz, Grundzüge e. durchgreifenden Reform, 1928, ²1949;
    Rudolf v. Gneist, Ein Lb., 1929;
    Sturm über Dtld., 1932;
    Die neue Vfg. d. Dt. Reiches, Eine pol. Skizze, 1932;
    Recht u. Wirtsch., 1948;
    Ein Sofortprogr. f. d. dt. Justiz, in: Neue Justiz (DDR) 1948, S. 141 f.;
    Ein Leben für d. Liberalismus, 1951 (Autobiogr.); Hg.:
    Werdendes Recht, Beihh. d. DJZ (mit O. Mügel);
    Die Dt. Finanz- u. Steuergesetze in Einzelkommentaren;
    |

  • Nachlass

    Nachlaß: BA Koblenz; Akten d. LDPD im Archiv d. Dt. Liberalismus, Gummersbach.

  • Literatur

    H. Ferge, Die S.sche Justizreform, 1929;
    J. Popitz, in: DJZ 35/4 v. 15.2.1930, Sp. 253-57;
    E. Krippendorff, Die LDPD in d. SBZ 1945/48, 1961;
    G. Webersinn, in: Schles. Lb. 5, 1968, S. 148-57 (W, L, P);
    E. Hamburger, Juden im öff. Leben Dtld.s, 1968, S. 355-60;
    E. Laubach, Die Pol. d. Kabinette Wirth 1921/22, 1968;
    K. E. Erdmann u. W. Mommsen (Hg.), Akten d. Reichskanzlei Weimarer Rep., Das Kab. Scheidemann, 1971 (zum Rücktritt bes. Dok. 40);
    W. T. Angress, in: Dt. Judentum u. Rev. 1916-1923, hg. v. W. E. Mosse, 1971, S. 203-08;
    W. Stephan, Aufstieg u. Verfall d. Linksliberalismus 1918-1933, Gesch. d. DDP, 1973;
    R. Kuhn, Dt. Justizmin. 1877-1977, 1977 (P);
    H. Hattenhauer, Vom Reichsjustizamt z. Bundesmin. d. Justiz, in: FS z. 100j. Gründungstag d. Reichsjustizamtes, 1977 (P);
    A. Golecki, Das Kab. Bauer 21. Juni 1919–27. März 1920, 1980;
    H. Seier, Die Jugend S.s, in: Jb. d. Schlesier, 1986;
    J. Ramm, E. S. u. d. Reform d. dt. Justiz, Diss. Freiburg 1987 (W, L, P);
    ders., in: H. Heinrichs u. a., Dt. Juristen jüd. Herkunft, 1993, S. 455-67 (L, P);
    D. Goldschmidt, Erinnerungen an d. Leben v. E. u. Marie S. nach d. 30.1.1933, in: Berlin in Gesch. u. Gegenwart, 1991, S. 117-46 (P);
    J. Stang, Die DDP in Preußen 1918-1933, 1994;
    H. Wentker, Justiz in d. SBZ/DDR 1945-1953, 2001;
    Wenzel;
    Rhdb. (P);
    |Kürschner, Gel.-Kal. 1931;
    Biogr. Hdb. preuß. Abg.haus I;
    Biogr. Lex. Weimarer Rep.;
    Göppinger;
    H. Groß, Bed. Oberschlesier, 1995, S. 70-73 (P);
    Munzinger;
    Breslau-Lex.;
    zu W. Koch:
    W. Hasenack, in: Betriebswirtschaftl. Forsch. u. Praxis 12, 1960, S. 526-28, 15, 1963, S. 477 f.;
    W. Koch, Aus d. Lebenserinnerungen e. Wirtsch.ing., 1962;
    H.-W. Würmann, Widerstand in Charlottenburg, 1991, S. 32 f. (P);
    Kürschner-Gel.-Kal. 1954.

  • Porträts

    Ölgem. v. M. Rabes;
    Plakette v. J. Tautenhayn, Wien 1930 (Fam.bes.).

  • Autor/in

    Hans-Henning Zabel
  • Zitierweise

    Zabel, Hans-Henning, "Schiffer, Eugen" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 749-751 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118824155.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA